Ich weiß nicht wie ich jemals darüber hinwegkommen soll

  • Hallo Liebe Leute,

    Ich weiß, dass viele hier es vermutlich viel schwerer haben als ich, denn mein Freund und ich waren nur sieben Monate zusammen und kannten uns nur eineinhalb Jahre. Doch für mich ist das sehr lange. Ich bin auch erst 21 Jahre und ich bin nicht gut in sozialen Kontakten. Doch wir haben uns von Anfang an richtig gut verstanden. Und nach kurzer Zeit waren wir zusammen obwohl er noch nie eine weibliche Partnerin gehabt hatte und das eigentlich auch nicht vor hatte. Er war deutlich jünger als ich, er hat sich im Oktober letzten Jahres kurz vor seinem 17. Geburtstag umgebracht. Ich bin sowieso lange schon psychisch krank und ich werde niemals den Tag vergessen, als mir von meiner Betreuerun des Jugendwohnheims gesagt wurde dass er nicht mehr lebt. Mein Leben brach dann komplett zusammen. Ich war kurz vor meinem Abitur. Doch nach seiner Beerdigung versuchte ich selber mit das Leben zu nehmen um bei ihm zu sein, ihn wieder zu sehen. Danach war ich dann zwangseingewiesen. Ich schaffte es nicjt mehr zur Schule zu gehen, da er dort auch hingegangen war und wir uns daher erst kannten. Ich habe mein Abi, dass jahrelang nicht erreichbar schien, aber immer mein Ziel war, doch nicht geschafft obwohl ich so kurz davor war. Und jetzt mache ich ewig schon gar nichts, habe es immer wieder versucht aber kann nicht. Mein Leben ist geprägt von Trauer, Verzweiflung und immer wieder Psychiatrie Aufenthalten. Mit ging es schon so viel besser und jetzt, nach seinem Tod geht es mir schlechter als jemals zuvor. Ich wohne wieder bei meinen Eltern und kriege nichts hin. Ich warte auf einen stationären Therapieplatz um überhaupt wieder ein bisschen klar zu kommen.

    Ich vermisse einfach alles an ihm. Sein Lachen, seinen Humor, seine liebevolle Art, seine Umarmungen usw... Ich habe so oft noch das Gefühl das ich es nicht aushalte.

    Heute habe ich seinen Instagram account gesehen, ich habe kein Instagram deswegen wusste ich nichts davon, habe nur am pc geguckt und da war ein Foto von uns wo er sehr Liebe Sachen geschrieben hat. Das war zu viel.

    Generell erinnert mich aber fast alles an ihn. Selbst bei den blödesten Sachen muss ich an ihn denken, was er dazu gesagt hätte und so weiter.

    Ich werde ihn immer lieben und ich glaube nicht, dass ich mich je wieder auf eine Partnerschaft einlassen kann.

    Danke fürs lesen. LG

    Maike

  • Liebe Maike,

    es gibt bei uns nicht schlimmer oder weniger schlimm. Alle, die in dieses Forum kommen, müssen durch ihre Katastrophe durch. Und wir werten hier nicht, welche davon größer ist.

    Ich möchte dich herzlich willkommen heißen.


    Magst du uns deinen Freund ein bisschen vorstellen und beschreiben?


    Wie geht es dir heute? Was hast du für einen Tag?


    Sei ganz lieb gegrüßt

    Astrid.

  • Hallo Astrid,

    danke für deine liebe Antwort.

    Mein Freund hieß Lars und er ging mit mir auf die selbe Schule. Er war sehr intelligent und in der Schule auch ein Überflieger. Er stand fast überall eins.

    Er war überall sehr beliebt und hatte eine sehr extrovertierte Art, weshalb ich bis heute nicht weiß warum er mit mir zusammen war. Ich bin eher schüchtern und hatte zwar meine Freunde, war aber bei den anderen nicht wirklich beliebt. Das war mir auch ziemlich egal, da ich ja Freunde hatte, aber er war, obwohl er eine Stufe unter mir war auch in meiner Stufe beliebt, generell auf der ganzen Schule bekannt und gemocht. Man musste ihn einfach mögen. Er war so herzlich und liebenswürdig. Er hatte einen unglaublich witzigen Humor und er war einer der wenigen Menschen, die es schaffen konnten mich aufzumuntern, wenn es mir schlecht ging.

    Außerdem konnten wir beide ziemlich gut Klavier spielen. Das hat uns sehr verbunden. Er ist damals bei dem Varieté in unserer Schule aufgetreten und hat den mit Abstand größten Applaus bekommen mit zwei anderen. Ich hab mich sowas nie getraut.

    Außerdem konnte er mega gut singen. Ich weiß noch, da waren wir grade zusammen und gemeinsam in Köln bei seiner Mutter, da hat er einen Straßen Musiker gefragt ob er mal singen könnte. Es war sehr mutig und echt schön.

    Da wir beide aus unterschiedlichen Gründen in Einrichtungen wohnten, hatten wir nie so viel Zeit für uns allein. Das war der Grund warum wir immer an den Wochenenden gemeinsam zu den Eltern von mir oder ihm gefahren sind. Da hatten wir dann Zeit für uns. Deswegen hat es meine Familie auch sehr getroffen, da sie ihn gut kannten. Und sein Vater hat mich auf der Beerdigung umarmt und ist mit mir zum Grab gegangen.

    Wir hatten immer vor auch ein Schloss an der Brück in Köln anzubringen, doch da er sich mit seiner Mutter zerstritten hatte waren wir dann nicht mehr dort.

    Und wir waren gemeinsam im Urlaub. Es war wunderschön. Wir waren an der Nordsee, im Wohnwagen meiner Eltern und hatten insgesamt eine sehr schöne Woche. Wir waren nur zu zweit. Es war unglaublich. Das ist meine stärkste Erinnerung an ihn, da wir so viel zusammen unternommen haben und so viel Spaß hatten. Wir waren auf einem Fest dort und er hat mich sogar dazu gebracht mit ihm vor den anderen zu tanzen. Es war so lustig.

    Ich weiß noch dass ich einen Monat auf ihn stand, das erste Mal in meinem Leben generell, und dann habe ich es ihm gesagt. Er war ja schwul und hat sehr rumgedruckst. Dann nach noch einem Monat war er bei mir, als Freunde, und ich habe ihn dann sehr angestarrt als er gesungen hat. Und er hat dann irgendwann zurück gestarrt, doch es ist nichts passiert. Um die Situation zu retten sind wir eine Zigarette rauchen gegangen und da hat er mich dann doch geküsst. Es war das tollste gefühl in meinem Leben. Ab da waren wir zusammen. Der 9. März 2017.

    Mir geht es heute mal einigermaßen. Ich bin hier halt sehr viel allein, weil alle arbeiten, ich es aber nicht schaffe etwas normales zu machen. Und er war oft mit mir zusammen hier. Aber heute ist so ein Tag an dem es geht.

    Vielen Dank dir und liebe Grüße

    Maike

  • Liebe Maike,

    mein herzliches Mitgefühl zum Tod von Lars und willkommen bei uns hier! Lars und du, das war eine ganz besondere Freundschaft .... Das spürt man, wenn man liest, was du schreibst.


    Trauer ist Schwerstarbeit und wenn man psychisch krank ist und Trauer noch dazukommt, dann ist das noch einmal viel schwerer. Wenn du sagst, das du heute einen Tag hast, an dem es besser geht, dann nimm diesen Tag als Erholung an. Was machst du heute? Hast du Pläne?


    Wie sehen deine Tage sonst aus? Wie sehen deine schlechten Tage aus?


    Alles Liebe, einen guten Tag und viel Kraft!

    Christine

  • Danke für deine liebe Antwort Christine.

    Naja also meistens mache ich einfach gar nichts. Ich bin ja sehr viel alleine und habe zu viel Zeit zu nachdenken. An Tagen wo es besser ist kann ich mehr lesen oder Klavier spielen

    An anderen Tagen liege ich viel sinnlos rum. Gerade abends ist es immer sehr schlimm und ich kann sehr schlecht schlafen.

    Naja und ja das war eine besondere Beziehung zu ihm. Er war einfach der tollste den ich kenne.

    Danke für dein Beileid...

    Ganz liebe Grüße

    Maike

  • Liebe Maike,


    mein Beleid. Der Tod eines geliebten Menschen ist ja eh schon schwer zu verarbeiten, ein Suizid ist noch mal was ganz anderes. Und wenn du selbst psychisch krank bist, nimmt dich das natürlich noch mal ganz anders mit. Ich habe ja selbst psychische Beeinträchtigungen und weiß daher, wie schwer es ist, mit dieser Krankheit auch noch den Verlust eines lieben Menschen verarbeiten zu müssen.


    Liebe Grüße und viel Kraft

    Claudia

  • Danke Claudia,

    Ich hatte heute auch noch so eine Begutachtung wegen einem Pflegegrad auf Grund meiner psyschichen Probleme, da ich da so viel reden müsste was nicht klappt und auch weswegen es nicht klappt gerade und ich über Lars unter anderem sprechen müsste ist es heute sehr schwer...

    Naja ich hoffe morgen wird es besser. Ich hoffe euch allen geht es einigermaßen...

    Claudia darf ich dich fragen was bei dir passiert ist und was du für Beeinträchtigungen hast?

    Ganz liebe Grüße

    Maike

  • Liebe Maike,


    ich habe seit meinem 15. Lebensjahr eine Angststörung. Also Ängste vor allen möglichen Sachen. Angefangen hat es mit Schulangst. Ich habe dann mit viel Anstrengung einen mittlere Reife Abschluss hinbekommen. Es war aber sehr anstrengend. Nachdem ich in einem psychotherapeutischen Jugendwohnheim war, hab ich dann mit 25 endlich eine Ausbildung beginnen können, die ich auch abgeschlossen habe. Danach habe ich auch gearbeitet, aber die Ängste kamen immer wieder durch. Ich hab dann Therapien gemacht, die Ängste wurden besser und 2014 hab ich eine berufliche Reha begonnen. 2015 habe ich dann wieder einen Arbeitsplatz gefunden und seit 2016 hab ich einen festen Arbeitsvertrag. Der Tod meines Mannes hat meine Ängste wieder ausgelöst so dass ich derzeit eine generalsierte Angststörung habe. D. h. ich hab einfach unbegründete Ängste. Da versuch ich dran zu arbeiten mit den Mitteln, die ich in der Therapie gelernt habe. Manchmal hilft es, manchmal geht es mir ziemlich schlecht.


    Liebe Grüße

    Claudia

  • Liebe Claudia,

    "manchmal hilft es, manchmal geht es mir ziemlich schlecht" das kann auch auf die Trauer übertragen werden.

    Neben der psychischen Belastung, die Maike und du zu tragen habt, kommt auch noch die Trauer dazu.

    Das macht es nicht leichter.


    Ich wünsche euch beiden einen leichteren Tag heute. Maike, was spielst du denn gerne auf dem Klavier?


    Lg. Astrid