Und plötzlich ist alles anders

  • Liebe Sonerl,

    ich bin mit dir wütend - das gehört sich nicht nur, das ist ... mir fehlen die Worte.

    Jetzt atme ich mal tief durch.

    Ja, das Schreien kann auch Halsschmerzen und Schmerzen in den Stimmbändern verursachen. Und wie ist es mit dem seelischen Druck? War es für kurze Zeit ein kleines bisschen erlösend?

    Es war das erste Mal seit langem, dass du geschrien hast, dass du nicht die Zähne aufeinander gebissen hast. Und das tut dann weh. Wenn du es öfters machst, kann es dir vielleicht wirklich Erleichterung bringen, dann muss nicht so viel auf einmal raus.

    Ich kann mir vorstellen, dass dieses Zähne zusammenbeißen nicht nur im übertragenen Sinn gemeint ist, sondern wirklich. Versuche immer wieder wenn es dir auffällt, tief einzuatmen, das Kiefer fallen lassen und vorsichtig kreisen lassen. Vielleicht kann dir das ein bisschen Erleichterung bringen.


    Und jetzt nochmal zu der Sache mit dem Handy - kannst du mit seiner Familie im Grunde gut oder ist es ein schwierigeres Verhältnis?

    Auf jeden Fall würde ich ihnen sagen, dass sie das Handy auf KEINE FALL auf Werkseinstellungen zurück setzen sollen. Denn dann verliert ihr alle die Fotos. War irgend etwas in eurem Chatverlauf, dass sie gekränkt haben könnte? Ich forsche nach Gründen warum sie es zurück setzen wollen, das verstehe ich nicht.

    Dass sie diesen Verlauf gelesen haben ist übergriffig.

    Wenn ich dich recht verstehe, möchtest du sein Handy wieder zurück. Wenn du ihnen sagst, du möchtest diese Fotos auch noch speichern und stellst es dann selber auf Werkseinstellungen zurück. Dann könntest du alles auf die SIM-Karte speichern und diese herausnehmen. Und wie wäre es dann, wenn du ihnen das Handy überlässt?

    Gehört zu dieser Familie auch der Bruder, der sich so fürsorglich um die Reparaturen kümmert? Kannst du vielleicht mit ihm reden?


    Ich wünsche dir, dass du dich nicht immer zusammenreißen musst, sondern deine Wut, deinen Kummer und deine Klage wirklich ausdrücken kannst.


    Ein angenehmes Wochenende und liebe Grüße

    Astrid.

  • ihr lieben, Vielen Dank fürs zuhören (lesen) und eure Worte.

    Geschrien hab ich tatsächlich zum ersten Mal. Aber ich empfand es nicht als befreiend, sondern eher sogar meine Trauer und Verzweiflung noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Für den Moment dachte ich: "schau, was von dir noch übrig geblieben ist. Ein Schatten deiner selbst, der jetzt auch noch schreiend und tränenblind im Auto sitzt"

    Irgendwie hab ich mich eher geschämt.


    Zum Thema Handy und seiner Familie: ich hab einen guten Draht zu Ihnen. Er hat 3 Geschwister, die mich vorher schon und vor allem auch nach seinem Tod zu allen Gesprächen rund um die Beerdigung voll mit einbezogen haben. Dafür werde ich mein Leben lang dankbar sein. Das Herz als Symbol hatte für meinen Schatz und mich immer eine große Bedeutung. Unsere Liebe kam von ganzen Herzen, er hatte ein großes Herz, er schenkte mir mal ein kleines rotes Glasherz für den Geldbeutel (aber jetzt schweife ich ab), das ich sogar in die Urne geben durfte. Und so durfte ich ihm auch all meine 'Herzenswünsche' mit ins Grab geben.

    Das Handy sollte eigentlich mein Kleiner bekommen. Die Fotos sind alle bereits gesichert, es ging nur darum, dass seine Mama inkl. Geschwister auch die Bilder anschauen dürfen.

    Nun aber scheint es sich so zu entwickeln, dass um Teile des Erbes gestritten wird. Jedenfalls will eine der Schwesten das Handy behalten (was für mich in Ordnung ist, mein Seelenfrieden hängt nicht an dem Teil), aber mir wurde zugesagt, dass es eben - nachdem die Fotos gesichert wurden, zurückgesetzt wird.


    In dem Chat steht nichts, was irgendjemanden kränken könnte. Wir lebten immer einen sehr wertschätzenden Umgang miteinander und das auch im Außenverhältnis. Außer unzähligen Herzen (da sind sie wieder), Texten über das Vermissen und Alltags- oder organisatorische Dinge eigentlich nichts, was meinen Ausbruch rechtfertigen würde. Ich bin nur so enttäuscht, weil ich gerade die Erfahrung mache, dass nichts von Beständigkeit ist und Verlässlichkeit gerade das ist, was ich in diesen schweren Zeiten am meisten brauche.


    Das nächste, was mich quält, ist der Tag, an dem er 50 geworden wäre. Seine Familie (Mama und Geschwister) wollen diesen Tag so feiern, wie mein Herz (sorry, aber er war es einfach für mich) immer gefeiert hat. Alle aus der Familie und der engste Freundeskreis bei ihm zu Hause (da wir fast 40 km auseinander wohnten, haben wir die Woche geteilt. Er unter der Woche bei mir, wir alle am Wochenende bei ihm). Ich glaub, ich schaff das nicht, als würde ich nicht jetzt schon deutlich vor Augen geführt bekommen, was uns genommen wurde. Und für meine Kinder finde ich diese Art der 'Feier' auch schwer zumutbar. Habe seinem Bruder meine Bedenken mitgeteilt, der dafür vollstes Verständnis hat, der Rest möchte aber den Tag so verbringen, wie geschildert. Lerne gerade die Lektion des 'gut-für-mich-sorgen', aber was ist schon gut daran, wenn nichts gut ist?

  • ich würde da auf mein Bauchgefühl hören.Und den Tag so verbringen,wie es unter den Umständen für deine Kinder und dich am wenigsten belastend ist.Belastend und traurig ist der Tag eh

    Alles Liebe dir

  • Guten Morgen zusammen,


    Danke, liebe Indian summer, für deinen lieben Gruß.


    Meine Woche war voll mit Terminen und ich innerlich ziemlich leer und erschöpft.

    Mein Kleiner hatte die Tage Geburtstag, jetzt haben wir je einen Geburtstag der Kinder ohne unseren Lieblingsmenschen an unserer Seite hinter uns gebracht. Sein leerer Platz war und ist erdrückend. Obwohl wir uns immer abgestimmt haben, welches Geschenk die Kinder bekommen, hätte er immer noch irgendetwas Kleines besorgt, von dem auch ich nichts wusste.

    Er fehlt...


    Die Kinder und ich haben nun unsere Entscheidung bzgl seines 50. Geburtstag gemeinsam getroffen: wir gestalten morgen den großen Herzstein, den wir in unserem Urlaub gefunden haben, mit Farben und unseren Fingerabdrücken und legen ihn dann zusammen am Grab ab. Besuchen auf dem Rückweg seine Familie, bleiben aber nicht zur Feier. Ich war überrascht und gleichzeitig beeindruckt, wie die Jungs reagiert haben, als ich ihnen erzählt habe, wie seine Familie den Tag begehen möchte (sein Wohnzimmer räumen und alles so herrichten, wie mein Schatz immer gefeiert hat).

    Der Große: Mama, wir machen das so, wie Du das möchtest.

    Der Kleine: Mama, das schaff ich nicht, dort zu sitzen, das macht mich traurig zu sehen, wie sehr er an dem Tag fehlt.


    Ansonsten kann ich mich nur anschließen an das, was fast alle hier (leider) schreiben:

    Seit sich der Nebel des Schocks verzogen hat und der Schmerz über unseren Verlust ungehindert in mein Bewusstsein durch dringt, geht es mir eigentlich schlechter als zu Beginn. Er vergehen kaum 10 Minuten, in denen ich nicht an ihn denke. Dadurch bin ich unkonzentriert in der Arbeit, mir rutschen privat die ersten Dinge durch, weil ich einfach nicht bei der Sache bin. Mein Umfeld reagiert hilflos bis verständnislos, es sind doch jetzt schon fast 3,5 Monate vergangen, da kann man doch langsam wieder am Leben teilnehmen. Den Hammer hat mein Laufpartner (bin jogge im Verein mit einer großen Gruppe), gebracht, der selbst verheiratet ist und 1 Kind hat:

    Er hätte mich ja schon immer toll gefunden, wir könnten doch jetzt ein Verhältnis anfangen, ich wäre ja jetzt frei. Hab ihn fassungslos angesehen und dann mit all meiner mir möglichen Verachtung geantwortet, dass er dorthin gehen soll, wo der Pfeffer wächst, dass er hat keine Ahnung, wie wertvoll seine Familie ist und wenn er der Meinung ist, mehr Abwechslung in seinem Leben zu brauchen, er sich gefälligst um seine Frau bemühen soll.

    Bin so sprachlos und war auch ein Stück weit wütend, was ich mir so alles anhören muss. 'Nur die Harten kommen in den Garten' war auch von einer Kollegin dabei.


    Ich würde gern auf die anderen Threads antworten, da waren diese Woche so wunderbare Erzählungen und Beiträge dabei, aber ich darf jetzt gleich auf den Fußballplatz und später Kindergeburtstag feiern. Das Leben geht weiter, und ich hinke immer drei Schritte hinterher...

    Euch einen guten Start in den Samstag

    Sonerl

  • Liebe Sonerl,

    du hast zwei tolle Kinder. Es ist gut, dass sie ausdrücken, was sie möchten. Wann ist der Geburtstag? Ich finde die Idee mit dem Stein sehr schön. Ist es für dich ok, dass die Familie seinen Geburtstag wie immer feiert? Wie fühlst du dich dabei?

    Ich wünsche dir eine erholsame Nacht!

    Petrella

  • Liebe Petrella,

    Ja, ich bin mächtig stolz auf meine Jungs.

    Der Geburtstag ist übermorgen. Ob es für mich okay ist, wie seine Familie seinen Geburtstag feiert, ist für mich wirklich schwierig zu beantworten. Losgelöst von meinen Bedürfnissen denke ich, dass sie den Tag so verbringen sollen, wie er für sie stimmig ist. Denn auch sie haben einen Sohn, Bruder, Onkel verloren. Gewünscht hätte ich mir, dass wir gemeinsam den Tag verbringen. Das wäre bestimmt auch in seinem Sinn gewesen. Allerdings ist es sehr schmerzhaft, an den Ort zurückzukehren, an dem wir so viele Wochenenden verbracht haben. Mich verbinden daran Erinnerungen der Unbeschwertheit, des Glücks, voll von Liebe und Geborgenheit. Wie er mir morgens Kaffee ans Bett gebracht hat, wie wir seine Terrassenüberdachung gemeinsam montiert haben oder wie wir Sonntag Abend den Tatort zusammengekuschelt geschaut haben.


    Mittlerweile haben wir all unsere Sachen aus dem Haus geholt, ich hab den Schlüssel abgegeben. Ich weiß, dass seine Geschwister angefangen haben, das Haus zu räumen. Mir würde es vermutlich das Herz zerreißen, es so leer zu sehen.

    Meinen Kindern wird der Anblick sicherlich auch nicht wirklich gut tun, von daher fühlt es sich für mich richtig an, zum Grab zu fahren und unser Herz und Blumen dort abzulegen.


    Leider hab ich auch immer noch nicht meinen Seelenfrieden mit der Handy-Aktion geschlossen. Alle zwei Tage sehe ich nun eine neue "zuletzt online"-Zeit. Ich bin traurig und wütend auf mich, dass ich das Vorgehen nicht vorhergesehen und den Chat gelöscht hab. Aber auch immer noch wütend auf seine Geschwister, die mir ihr Wort gegeben haben, es auf Werkseinstellung zurückzusetzen.

    Ich schlafe seitdem wieder schlechter und bin dadurch ziemlich dünnhäutig. Trägt sicher nicht dazu bei, einen spannungsfreien 50. Geburtstags-Tag gemeinsam zu verbringen...


    Wie geht es dir?

    Alles, Sonja

  • Liebe Sonja,

    es tut mir leid, dass das mit dem Handy noch immer nicht geklärt ist. Könntest du nochmal darum bitten, es auf Werkseinstellung zurückzusetzen? Wahrscheinlich verstehen Sie das nicht, warum es dir wichtig ist? Ich wünsche dir und deinen Jungs, dass ihr am Dienstag einen Geburtstag verbringt, wie ihr es möchtet und durch den Besuch bei ihm am Grab die große Liebe und Verbundenheit spüren könnt. Ich finde es sehr schön, wie ihr drei diesen Tag gestaltet. Ich wünsche dir ganz, ganz viel Kraft dafür. Wie war es für dich, als du den Schlüssel abgegeben hast? Michael und ich haben unseren Alltag und die Wochenenden wie ihr verbracht. So habe ich auch relativ schnell meine Sachen bei ihm abgeholt. Ich war seitdem nicht mehr dort, weil ich mich dort überflüssig fühle. Wenn wir etwas zu klären haben, dann treffen wir uns bei mir. Wie du auch sagst, es tut einfach weh, an diesen Ort zurückzukommen.

    Ich wünsche dir, dass du halbwegs schlafen kannst.

    Petra

  • Ach Petra, es war schrecklich, alles zu räumen und den Schlüssel seinem Bruder in die Hand zu drücken. Ein Stück die Verbindung zu ihm lösen, zwar nur die Räumliche, aber ich ließ dort auch einen Teil meiner Seele zurück. Einerseits kam es mir wie ein Rückzug vor (was Blödsinn ist), denn formal waren wir nun mal nicht verheiratet, und dann ist das Ausräumen die logische Konsequenz. Andererseits schmerzte aber auch das Bleiben dort.

    Du hast es ganz treffend ausgedrückt: irgendwie fühlte auch ich mich dort überflüssig...

  • Liebe Petrella, liebe Astrid,


    entschuldigt, dass ich erst jetzt antworte, die letzten Tage haben mich sehr viel Kraft gekostet. Ich in abends so erschöpft, dass ich am liebsten gleichzeitig mit den Kindern ins Bett fallen würde. Aber die Verlockung trügt, denn ich schlafe zwar sofort ein, wache aber meistens gegen 2, halb 3 wieder auf und bin total wach, weil sich in meinem Kopf so viele Gedanken drehen.


    Der Geburtstag hat unzählige Erinnerungen wach gerufen, eine schmerzhafter als die andere. Allerdings kam am Dienstag auch alles anders als gedacht. Wir hielten erst an der Stelle, an der mein Mann zusammengebrochen ist. Die Jungs haben einen neuen Steckbrief geschrieben, den ich wie schon die letzten Beiden laminiert hab. Das Wetter, Sonne und Regen bleichen ihn jedes mal leider zu schnell aus. Der Steckbrief wird an dem Kreuz, das mein 'Schwager' aus Edelstahl gefertigt hat, befestigt. Er hat extra nachträglich eine Schiene auf der Rückseite des Kreuzes angebracht, weil die Jungs und einige Freunde ihre Botschaften damals auf den Boden gelegt haben, aber der Wind diese sofort davon getragen hat. Dieses Mal haben wir alle ein paar Worte auf dem Steckbrief hinterlassen. Dann sind wir zum Grab gefahren und haben unseren bemalten Herzstein und das Blumenherz niedergelegt. Die Jungs waren dieses Mal sehr gefasst.

    Auf dem Rückweg wollten wir noch kurz bei seiner Familie vorbei schauen und das Fotobuch abgeben. Aus kurz wurden dann doch 2,5 Stunden, aber es war wider Erwarten stimmig. Sehr traurig, aber der Familienzusammenhalt hat mich beeindruckt und die gemeinsame Trauer hat doch gut getan.


    Als wir dann zu hause angekommen sind und die Jungs im Bett waren, kam bei mir eine neue Riesentrauerwelle hervor und die hält sich diesmal leider sehr hartnäckig. Ich hatte mich bislang im Büro relativ gut im Griff aber die Tage hab ich bei den kleinsten Kleinigkeiten zum weinen angefangen. Egal, ob eine Kollegin erzählt hat, dass ihr Mann ihr zur Zeit soviel Arbeit im Haushalt abnimmt oder mich irgendjemand mitfühlend ansieht, geschweige denn,ich gefragt werde, wie es mir geht - die Tränen kommen sofort ohne Ankündigung. Und sie lassen sich nicht wie sonst einfach unterdrücken, nein, sie wollen mit aller Macht heraus. Es ist ja nicht so, als würde ich zu hause nicht schon genug weinen... Ich bin so froh, dass ich nächste Woche Urlaub hab. Mein Chef hat unglaublich empathisch reagiert und mir vorgeschlagen, mich jederzeit für ein paar Wochen aus der Arbeit rauszuziehen, falls ich das möchte...

    Also Grund genug, dankbar zu sein.


    Ich hasse die Einsamkeit abends, in Gesellschaft zu sein aber momentan ach. Bin sehr zerrissen...

    Traurige Grüße

    Sonja

  • Hallo Sonja

    Dieses mal ist es erträglich aber immer noch ein Schatten - meist wenn man irgendwie das Gefühl hat etwas Sinnvolles zu tun und dann die schier unerträglichen Momente sind scheinbar der normale Verlauf. Es fiel mir auch schon leichter zur Arbeit zu gehen. Im Moment muss ich mich überwinden morgens aufzustehen. Ich liege dann immer schon wach im Bett und denke nach. Sehe dann ihr Gesicht ganz nah bei meinem und will gar nicht aufstehen. Auf der Arbeit habe ich Probleme mich zu konzentrieren und zu motiviern.


    Ich finde es schön daß ihr ein Kreuz aufgestellt habt. Ich hatte mir auch überlegt ein Fahrrad komplett ganz weiss zu sprühen und am Unfallort aufzustellen um an sie zu erinnern. Ich habe irgendwie das Bedürfnis alle noch mehr an sie erinnern zu müssen weil ich das Gefühl habe alle andere bemühen sich zu wenig sie in ihren Herzen weiterleben zu lassen. Das ist vielleicht etwas fies weil bei allen anderen das Leben ja normal weitergeht. So wie ich es oft gesagt bekomme. Das Leben geht weiter , muß weitergehen. Es kommen auch wieder bessere Zeiten.

    Das zieht mich eher noch mehr runter. Ich kann die Sätze nicht mehr hören weil nur wir diese Situation haben und alle anderen sich umdrehen und normal weiterleben.


    Ich bin auch froh, daß ich jetzt dann eine Woche nicht arbeiten muss und mit dem Kurzen noch einen kleinen Trip nach Strassburg machen kann.


    Ich denke du hast versucht im Büro den Deckel draufzuhalten und das ging auch eine Weile, so wie ich das auch mache. Aber irgendwann ist dann die Kraft alle und der Überdruck muss raus. Was wir haben ist eine schwere Lungenentzündung der Seele und wenn es dir so schlecht geht lass dich krank schreiben. Das habe ich mir auch schon überlegt. Andere haben Rücken ich habe jetzt Seele.


    Mein Mittlere hat heute zu mir gesagt, daß ich sie nervös mache weil ich so hippelig bin und ständig irgendwas machen muss. Mir ist das gar nicht so aufgefallen bis ich darauf geachtet habe. Ich habe meinen Anker verloren und nun kann ich nicht mehr ankern und ruhen sondern muss ständig ziellos umherfahren.

  • Liebe Sonja,

    ich hoffe, du konntest etwas besser schlafen. Ich kann abends sofort einschlafen und bin dann auch ab 2 Uhr für zwei Stunden wach. Eine Bekannte hat mir " Entspannungstee" empfohlen. Das scheint mir ein wenig zu helfen.

    Es ist gut, dass der Geburtstag nach deinen Vorstellungen verlaufen ist , du dich länger bei seiner Familie aufgehalten hast und dich daher auch wohl gefühlt hast. Ihr trauert um den selben lieben Menschen.

    Kannst du dich nicht krankschreiben lassen, wenn du es zur Zeit nicht am Arbeitsplatz aushältst? Dein Chef scheint dich doch zu verstehen. Mir geht es eher schlechter, wenn ich nicht arbeite. Ich kann es auch nicht ertragen, wenn mir Freundinnen erzählen, was sie für Aktivitäten mit ihrem Mann geplant haben. Mich schmerzt die Normalität, mit der Freunde ihr Leben scheinbar weiterleben.

    Firefly beschreibt diese Unruhe, ständig etwas tun zu müssen. Das geht mir auch so. Entweder sitze ich da und mache gar nichts, oder ich kann nicht stillsitzen. Genauso ist das mit Gesellschaft. Mal geht es ohne gar nicht, mal geht es nicht mit anderen Menschen.Größere Gruppen gehen gar nicht. Liebe Sonja, das ist wohl so zur Zeit und wir müssen uns diese Zeit nehmen.

    Ich wünsche dir einen erträglichen Tag.

    Liebe Grüße

    Petra

  • Hallo Firefly,


    Ich wollte dir noch kurz schreiben, bevor ihr nach Strassburg aufrecht.

    Das weiße Fahrrad, eine schöne und gleichzeitig so traurig stimmende Idee. Ist die Unfallstelle in der Nähe von euch?

    Ich kann verstehen, dass du an Sie erinnern magst, dass sie niemals vergessen wird. Bestimmt tragen neben dir noch viele eurer Freunde und Familie deine Frau in ihrem Herzen. Für manche mag sie vielleicht nicht immer so präsent in ihren Gedanken sein, wie für dich/euch. Schließlich hat sich euer Leben durch den Unfall massivst verändert, ihr habt alles verloren - ich denke mir manchmal, wie sollen wir nach so einem Verlust je wieder an andere Dinge denken?


    Du hast geschrieben, dass deine Frau dein Anker war. Mir ist spontan folgendes Bild eingefallen: wenn es keinen Anker gibt, hält nichts das Boot fest, es treibt auf dem Wasser, wird von den Wellen hin- und hergeworfen, ist immer in Bewegung - eben rastlos - wie du über dich schreibst.

    Es dauert, bis wir wieder ankern können, und bis dahin sind wir leider wie das Boot den Gezeiten ausgesetzt.


    Ich wünsche dir schöne Tage mit deinem Sohn... Deine Frau begleitet euch sowieso immer in euren Gedanken.


    Sonja

  • Ich treibe ebenfalls ohne Anker im Weltenmeer.

    Zwar ist der extreme Schmerz in den letzten Tagen etwas besser geworden, seit ich mich entschlossen habe mich dem Leben zu stellen, aber der Lebensüberdruss ist geblieben und ich habe keine Ahnung, ob es in meinem Leben jemals wieder eine sinnvolle Aufgabe geben wird.

    Und ohne das einfach so ist halt auch schwierig, jedenfalls für mich.

  • Liebe Sonnerl,

    ein schönes Geburtstagsritual.


    Bei der Arbeit möchte man gerne funktionieren. Vielleicht kannst du mit deinem Chef vereinbaren, dass du für ein paar Minuten raus kannst, wenn es dir zu viel wird? Oder du je nach Tagesverfassung nur stundenweise kommst. Vielleicht kannst du einen Teil der Arbeit auch zu Hause erledigen?


    Eine Woche Urlaub tut dir hoffentlich wohl. Und dann schau, wie du wieder einsteigen möchtest. Trauer ist höchster Stress - und Arbeit ist selten ruhig.

    Ich wünsche dir eine erholsame Woche.

    Lg. Astrid.

  • Hallo Sonja

    Wir sind schon wieder zurück. Das Wetter war jetzt für morgen sehr schlecht vorausgesagt und Regen ist im Camper dann bei der Kälte dann nicht mehr so toll. Deshalb sind wir heute Abend dann aus Strassburg zurückgefahren. Wir haben viel gesehen weil wir jeden Tag in einer andern Stadt waren. Heute im Münster haben wir eine Kerze für sie angezündet. Die vielen schönen Länden in Strassburg und das Viertel Petit France hätten ihr sehr gefallen. Es war etwas Ablenkung und ich habe versucht mich sehr stark auf meinen Sohn zu konzentrieren. Ihn beobachtet und ihm zugehört und dadurch habe ich es geschafft nicht andauernd an sie zu denken.

    Es soll ja wieder besseres Wetter geben und vielleicht starten wir nochmal einen kleineren Ausflug in den Herbstferien.


    Der Unfallort ist keine 500m von unserem Haus entfernt. Genau da wo man von einer landwirtschaftlichen Straße auf die Hauptstrasse einbiegt. Sie hat es immer vermieden auf verkehrsreichen Straßen zu fahren. Das war auch der Grund warum sie schon vor 20 Jahren vom Rennrad auf das Mountainbike umgestiegen ist. Damals hätte uns beide fast ein Lkw überfahren.


    Deine Gedanken wie man irgendwann mal wieder an etwas anderes denken kann, kann ich nachvollziehen. Jetzt wieder zu Hause ist es so, dass ich ununterbrochen an sie denke.

    Und ich habe Angst, daß es etwas mit Vergessen oder in den Hintergrund treten zu tun hat. Also mit der Zeit die nun verstreicht. Gleichzeitig weiss ich, dass ich loslassen muss um die Dankbarkeit für die schöne gemeinsame Zeit zu empfinden.

    Das mit dem Anker habe ich genauso gemeint wie du es dann als Bild im Kopf hattest, daß man jetzt umhertreibt und nicht mehr Ankern kann. Das ist ja die Angst der Bootsbesitzer, dass sich der Anker Nachts losreisst und das Schiff abtreibt.

  • Lieber Firefly,

    wenn die Gedanken wieder Platz für was anderes machen, das hat NICHTS mit vergessen zu tun.

    Es wird nur irgendwann so sein, dass der Schmerz aus dem Mittelpunkt rückt. Deine Frau wird immer mehr in deinem Herzen verankert werden. Und dann wird auch dein Boot wieder Halt bekommen. Dann ist die Angst des Vergessens und des Verlierens gebannt. Denn sie hat ihren Platz, auch wenn es keine neuen Erinnerungen mehr miteinander gibt. Sie wird immer Teil deines Lebens sein.


    Schön, dass du den Kurzurlaub mit deinem Sohn ein bisschen genießen konntest.


    Ich wünsche dir heute einen der leichteren Tage.

    Lg. Astrid.