Der selbe Tag

  • Der 16. Oktober 2012

    Ich komme von einem Fußballspiel, es ist schon dunkel. Ich bin 12. Ich gehe auf mein Zimmer. Ich sehe meinen Stiefvater im Büro. Ich mag ihn nicht. Ich rede nicht gern mit ihm. Meine Mutter ist nicht da. Ist mir egal. Ich bin gern allein, ich weiß oft nicht wo sie ist. Ich räume meine Tasche auf, meine Fußballsachen weg. Ich gehe zu meinem Stiefvater mit dem ich nicht gerne rede und frage wo meine Mutter ist was mich nicht interessiert. Ich weiß nicht warum. Ich wusste damals nicht warum. Vielleicht Intuition. Mein Stiefvater sieht traurig aus. Ich muss dir was sagen. Dein Onkel ist tot. Genauso sagte er es, das weiß ich noch heute. Ich nicke. Ich geh auf mein Zimmer. Erst dann realisiere ich es. Ich renne die Treppen runter. Mein Stiefvater ruft ich soll da bleiben. Aber ich mag ihn nicht. Ich höre nie auf ihn. Ich geh in den Wald. Ich weine. Ich schreie. Ich renne zu meinem besten Freund. Er ist nicht da, aber seine Mutter. Sie tröstet mich. Dann kommt mein Freund. Er tröstet mich. Dann kommt meine Mutter. Sie weint. Mein Onkel war sehr jung. Mein Stiefvater und mein Onkel waren gute freunde. Mein Onkel ist tot.


    Der 16. Oktober 2018

    6 Jahre später. Mein Stiefvater ist inzwischen tot. Ich arbeite im Ausland. Ich bin 18. Ich geh in mein Zimmer. Ich schaue auf mein Handy. Mein Vater hat mir geschrieben, ich freue mich. Mein Vater schreibt mein Opa ist tot. Ich freue mich nicht mehr. Der gesunde Opa. Nicht der, der Krank ist, seit meine Oma tot ist (auch da war ich im Ausland). Nein dieser Opa ist -war- gesund. Ein Unfall. Ich geh in den Wald. Ich weine. Ich schreie. Ich kann nicht zu meinem besten Freund. Ich bin weit weg. Ich bin allein. Ich bin 18. Innerhalb von 6 Jahren starben 4 enge Familienmitglieder. Andere sind 18 und haben noch nie jemanden verloren. Aber es gibt immer andere.

  • Lieber Norway

    der 16. Oktober

    ein schrecklicher Tag,

    Der Wald, schreien, raus lassen, weinen,


    weinen um den Opa,

    den Onkel, die Oma, den Stifvater


    Das ist gerade alles zu viel.

    Du bist 18 und weit weg von zu Hause. Kannst du heim fahren?


    Hast du mit deinem besten Freund telefoniert?


    Ich wünsche dir, dass du dich hier willkommen fühlst. Auch wenn das nur virtuell ist, so lassen wir dich nicht allein.

    Schreibe hier, als würdest du mit Freunden reden. Vielleicht kann dann das Gefühl des Allein sein ein kleines bisschen

    gelindert werden.


    Ich sende dir liebe Grüße

    Astrid.

  • Lieber Norway,

    herzlich willkommen hier im Forum.

    Es hat mich sehr betroffen gemacht, Deine Zeilen zu lesen.

    Als ich 18 war habe ich meine Mama verloren. Sie hatte Magenkrebs. Ich kann Deinen Gedanken an die anderen 18 jährigen, die noch keinen Verlust erlitten haben, gut verstehen und nachvollziehen. Es ist so unfair, so grausam, so gemein! Für andere ist es eine Zeit der jugendlichen Fröhlichkeit und Leichtigkeit. Sie verlieben sich, machen Reisen, fahren auf Musikfestivals - haben es einfach schön. Und selber kämpft man gegen den emotionalen Untergang.

    Es ist einfach Scheiße!!!!!!!

    Gibt es dort wo Du bist Anlaufstellen für Trauernde? Psychologen oder Beratungsstellen?

    Auf jeden Fall gut, dass Du in dieses Forum gefunden hast! Es tut gut zu schreiben, und auch virtuelle Beziehungen können tragfähig sein.

  • Lieber Norway,


    das einzigste was ich Dir mitgeben kann ist der Trost, dass auch ich der Reihe nach meine liebsten Menschen verloren habe und die waren grösstenteils längst nicht in einem Alter zu sterben:


    * meine eigene Mutter mit 63

    * meine Schwiegermutter mit nur 58

    * meine eine Cousine mit 62


    und die Jüngstgestorbene an meiner Hand vor 11 Monaten mit nur 53 ! das war meine langjährige Lebenspartnerin (24 Jahre lang) und sie war der herzensgütigste, fröhlichste Mensch, den man sich denken konnte.


    Nun bin ich 60, mürbe und kaputt durch die vielen Verluste und dem schrecklich Letzten noch an der eigenen Hand gehend.


    Ja es ist ungerecht, manche leben ewig ud glücklich und verlieren niemand.


    Matthias