Meine Mutter ist am 12.12 kämpfend verstorben

  • Ich habe sie gepflegt, wir haben in einem Haushalt gelebt. Ich bin erst 32 Jahre alt und meine Mutter nahm viel Raum in meinem Leben ein. (Mein Vater ist schon ewig tot damals war ich 3) meine Mutter ist die einzige in Deutschland die ich noch hatte...



    Das war nicht immer leicht. Sie hatte Krebs (Diagnose Jan. 2019) zu dem Zeitpunkt hieß es 3-4 Jahre mit Palliativchemo. Im Sommer sind wir mit dem Auto in die Türkei gefahren weil sie dort unbedingt hin wollte und sich von der Familie verabschieden wollte. Es war ihr so wichtig und ich bin mit 3 von 4 Kids und ihr los. Der Vater meines Ältesten erlaubte nicht ihn mitzunehmen das hat uns alle sehr traurig gemacht und sie sehr belastet. Die beiden haben die innigste Beziehung unter meinen Kindern.

    Im Spetember schlug die Chemo nicht mehr an, im Oktober ein neues Mittel, dies hat sie nicht vertragen. Seit Oktober konnte sie keine Nahrung und keine Flussigkeit mehr aufnehmen. Magere extrem ab. Erbrach nur noch...


    Am 10.12 und 11.12 hat sie mich mit ihrem geklingel so irre gemacht im 20 Minuten Takt und auch nachts wegen scheinbar nichts dass ich sie angemault habe (ich war die ganze Zeit in Trauer und stand einfach nur noch unter Strom) und das bereue ich so am Donnerstag den 12.12 hat die Palliativschwester vormittags auch ruppiger mit ihr geredet weil sie kein Pflegebett wollte und auch nicht ihr ihr Bett und die Versorgung aufm Sofa immer schwieriger wurde. Dann kam um 14Uhr das Pflegebett. Wir haben alles fertig gemacht dann lag sie in dem Bett und im 19uhr kam die andere Schwester und gab ihr Tavor als Kurzinfusion weil sie 2 Tage nicht geschlafen hat. Sie kämpfte es war kein Schlaf es war der Todeskampf den ich nicht mit ansehen konnte. Sie wollte auch kein Tavor das weiß ich sie hatte in dem Moment so Angst als sie es bekam... und ich habe ihr gesagt dass sie es braucht um zu schlafen, viel mehr um sich zu entspannen das übergeben und das schwierige Atmen machten ihr unfassbar zu schaffen... ich wusste ja nicht dass sie direkt bzw 3 stunden später tot sein wird........ und ich bin immer wieder ins Zimmer rein und raus weil ich es nicht mit ansehen konnte... einen Moment nachdem ich drinnen war drängte mich etwas nach ihr zu sehen und da war sie bereits tot... in dem Moment als sie starb war ich nicht im Zimmer, eine Sache die ich mir nicht verzeihen kann... und auch dass ihr keine Musik angemacht habe. Ihr Lieblingslied mein Freund der Baum fiel mir auch erst ein als sie bereits tot war... und dass ich sie angemeckert habe.... und so vieles mehr. Gegen 18uhr rief sie uns noch runter und gab meinen 3 Kindern die Weihnachtsgeschenke und mein 4 ältester war auf Klassenfahrt und kam erst Freitag wieder. Ich bin mir sicher sie wollte wach bleiben bis er zuhause gewesen wäre ihm sein Geschenk auch noch geben und wäre dann verstorben. Hätte ich bloß dieses Tavor nicht zugelassen. Zumal ich das immer mit sterben in Verbindung gebracht habe genauso wie meine Mutter. Den ich habe im Altenheim gearbeitet und alle sind nach Tavor gestorben (die waren bereits alle völlig fertig) dies wusste meine Mutter deswegen hatte sie auch solche Angst. Ich weiß überhaupt nicht warum ich die Schwester nicht davon abgehalten habe... meine Mutter hatte solche Schmerzen konnte nur noch schwer sprechen und und atmen... und ich wollte nur dass es ihr besser geht.... hätten wir das nur gelassen und sie hätte ihren Enkel nochmal sehen können.. so wie sie es wohl wollte... also ich mache mir seither nur Vorwürfe...


    Am Vormittag des 12.12 hatte ich auch noch einen Nervenzusammenbruch und hab den Palliativdienst angerufen weil ich nicht mehr konnte 2 Tage keinen Schlaf etc. Habe dann Verhinderungspflege beantragt die morgens am 13.12 beginnen sollte... ich war also morgens 3 stunden nur am heulen und am zittern bis eine Freundin kam die mich langsam beruhigte und am späten Abend war sie tot... und ich habe ihr nicht zur Seite gestanden...


    Wie soll ich mir das alles jemals verzeihen?!

  • Liebe Katarina,


    meine aufrichtige Anteilnahme zum schweren Verlust.


    In deine Zeilen kann ich mich total hineinversetzen. Beim lesen deines Schicksals sehe ich mich in vielen Dingen wieder. Die Vorwürfe, die Überforderung ansehen zu müssen, wie die Mutter nach Luft schnappt usw.....


    Meine Mama ist im Mai an Lungenkrebs gestorben. Ich war bei ihren letzten Atemzügen auch nicht dabei, was mich sehr belastet..... Man sagt ja, dass manche Menschen alleine sterben wollen. So wie ich meine Mama kenne, hätte sie zu mir gesagt "Kind geh nach Hause, oder willst du ansehen müssen, wie ich sterbe"....... Ich hatte mich an dem Morgen gerade fertig gemacht, um zu ihr ins Krankenhaus zu fahren, da rief mich der Arzt an, dass meine Mutter verstorben ist. Wäre ich eine Stunde vorher da, hätte ich bei ihren letzten Atemzügen dabei sein können.........


    Da du aus dem Zimmer rein und raus bist, denke ich, deine Mutter hat den Augenblick bewusst genommen, als du raus warst.....


    Wir haben alles gegeben, was in unserer Macht stand, jedoch konnten wir den Tod nicht aufhalten.


    Ich wünsche dir ganz viel Kraft für diese schwere Zeit.


    Liebe Grüße

    Sveti

  • Liebe Katarina, du darfst dir verzeihen...

    Mir erging es ähnlich: meine Mama war auch mehr oder weniger ein Pflegefall, sie konnt nur noch wenig alleine und hat jahrelang sehr gekämpft und war trotzallem immer guten Mutes und zuversichtlich!

    Mein Vater und ich waren rund um die Uhr mit ihr zusammen - wir wohnen in einem Haus. Sie musste 4 Jahre zur Dialyse... die letzten Monate wurde es immer schwerer, ihre Kraft nahm rapide ab, die Schmerzen zu... Wir entschieden uns, ihr Morphium zu geben...sie wollte "einen Tag mal ohne Schmerzen" sein... 3 Tage später war sie tot.

    Was denkst du wie ich mir Vorwürfe mach(t)e!!! 1000 Warum-Fragen, 1000 Wenn wir, dann...-Fragen... Auch dass ich noch den Notarzt in der Nacht holte weil ich Angst hatte dass sie sterben muss war ein Fehler (meinte ich...) denn ich wusste es unbewusst dass die Zeit gekommen war. Warum habe ich sie nicht in Frieden zuhause sterben lassen so wie sie es immer wollte??? Aber wir haben um sie gekämpft bis zuletzt. Ich dachte, man kann ihr noch helfen...
    Morphium bringe ich jetzt mit Sterben in Verbindung - du Tavor...

    Trotzdem nehmen viele Menschen über Jahre diese Medikamente - das dürfen wir uns also NICHT zum Vorwurf machen! Du genauso wie ich wollten nicht dass unsere Mütter leiden!!!!

    Man will nicht wahrhaben dass die Zeit zu sterben gekommen ist! Man will nicht sehen, dass der geliebte Mensch bald nicht mehr da sein wird... und das macht hilflos! Und dann wird man rupig oder sagt Dinge die man später aus so tiefstem Herzen bereut dass man es sich zum Vorwurf macht und fast daran zerbricht.

    Aber es ist unsere Hilflosigkeit die da zum Ausdruck kommt, unsere Angst vor dem bevorstehenden Verlust, vor dem Ohne-diesen-Menschen-sein.... All das läuft ja unbewusst ab und wir können es schwer lenken. Der Kopf weiß es vielleicht aber das Herz will nichts davon wahrhaben.

    Wir alle wissen nicht, wann die Zeit gekommen ist - und das ist gut so!

    Wir - mein Vater und ich - waren an ihren letzten Tagen die ganze Zeit abwechselnd bei ihr. Mein Vater durfte im Krankenhaus bei ihr schlafen, bekam ein Bett neben ihr... er wollte sich nur kurz einfach hinlegen, es fielen ihm für einen Moment die Augen zu und er schreckte Minuten später auf - sie war tot...

    Wenn ich es distanziert betrachte: Sie sind zusammen eingeschlafen, so wie sie es fast 60 Jahre lang jeden Tag taten.

    Er macht sich Vorwurf nicht wach gewesen zu sein...

    Ich glaube, diesen allerletzten Schritt muss man ganz alleine tun.

    Oft sind die Angehörigen nicht da, geschwind draußen oder kurz auf Toilette oder am Telefon...


    Im Nachhinein fällt einem so vieles ein was man hätte machen wollen oder sollen - aber man handelt in dem Moment so, wie es aus einem heraus richtig erscheint und das ist dann auch in Ordnung so! Du kannst jetzt noch so viel ihr mit auf den Weg geben - bewusst ihr Lieblingslied spielen und feste an sie denken... eine Kerze anzünden und im Gebet dich mit ihr verbinden usw. Noch ist ihre Seele fest um dich und auch um deine Kinder... sie ist nicht "weg" wir können sie nur nicht mehr sehen, berühren... Ich glaube fest daran!

    Liebe Katarina, sei liebevoll zu dir.

    Ich glaube, deine Mama ist bei dir und streicht dir jetzt gerade übers Haar und sagt: Es ist alles gut mein Kind!

    Davon bin ich überzeugt...

    Mach dir keine Vorwürfe...du hast ihr zur Seite gestanden, warst immer für sie da, bist ihren schweren Weg mit ihr gegangen - bis zuletzt.

    Sei von Herzen umarmt!

  • also ich mache mir seither nur Vorwürfe...


    Wie soll ich mir das alles jemals verzeihen?!

    Liebe Katarina,

    Dein Verlust tut mir sehr leid. Du hast alles in deiner Macht stehende für deine Mutter getan. Sei nicht zu streng mit dir selbst. Einen Angehörigen zu Begleiten im Sterbeprozess kostet sehr viel Kraft, da ist es verständlich das man auch mal an seine Grenzen kommt und es zu solchen Reaktionen kommt.


    Auch ich habe 10 Jahre in der Pflege gearbeitet und so oft kam es vor, dass Angehörige Tag und Nacht am Bett waren und genau als sie einmal kurz raus gingen ist der Betroffene verstorben. Ich hab mich anfangs auch oft gefragt warum das wohl so ist.


    Konnten sich deine Kinder noch gut verabschieden von ihr?


    Ich wünsche dir, dass du dir selbst irgendwann verzeihen kannst und deinen Frieden findest <3

    Isabel

  • Liebe Katarina!

    Mein herzliches Beileid zum Tod deiner Mutter.
    Die Schuldgefühle kenne ich nur zu gut.

    Ich bin mir aber sicher, du hast alles und dein Bestes gegeben.

    Die Zeit deiner Mutter war gekommen, da trägt niemand Schuld daran.
    Ich fühle mit dir!