Plötzlich Witwe mit 57

  • Ihr Lieben alle,

    jetzt lese ich schon seit einiger Zeit immer mal wieder bei euch mit und denke, es ist an der Zeit, mich euch auch mal vorzustellen. Ich bin Sabine, mittlerweile 58 Jahre alt, und mein Mann Ralf ist am 26. Januar ganz plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben, 6 Wochen vor seinem 65. Geburtstag. Er war sein ganzes Leben lang gesund, sportlich und lebenslustig gewesen, außer einer familiären Disposition gab es keinerlei Risikofaktoren. Und doch kann so etwas geschehen...

    Alle sagen, dass ich sehr gefasst mit der Situation umgehe, und wahrscheinlich stimmt das auch. Wenn ich auf die letzten Jahre zurückblicke, dann sehe ich ganz deutlich, wie das Leben mich auf die jetzige Situation vorbereitet hat. Meine Kopfschmerzerkrankung (Migräne und chron. Spannungskopfschmerz) hatte sich vor einigen Jahren deutlich verschlimmert, hinzu kam eine Angsterkrankung. Weil meine Kontakte nach außen so stark eingeschränkt waren und um mich möglichst gut selbst zu therapieren, habe ich mich mit vielen Themen beschäftigt, u.a. Psychologie, insbesondere auch im buddhistischen Kontext, psychotherapeutischen Methoden, aber auch alles rund um Sterben, Tod und was danach kommen könnte. Und was soll ich sagen, vieles davon hilft mir jetzt ganz unglaublich. Ich glaube mittlerweile ziemlich fest daran, dass es diese geistige Welt gibt, in die unsere Seele nach einem Erdenleben zurückkehrt, und dass es gut sein wird, wieder dort zu sein. Das nimmt den Schmerz und die Traurigkeit natürlich nicht weg, denn dieses Leben, das wir hier gemeinsam hatten, das schön war und für das wir noch so viel vorhatten, ist ja unwiederbringlich vorbei. Meistens schaffe ich es aber, neben diesem Schmerz und dieser Traurigkeit auch noch Positives wahrzunehmen und auch zu spüren, und meistens ist der Schmerz begleitet von der akzeptierenden Einsicht: Ja, so ist das Leben, dass es uns solche Erfahrungen zumutet.

    Leider ist durch die intensiven Gefühle einerseits und die vielen neuen Anforderungen meine Migräne derzeit noch mal häufiger geworden, so dass ich außerhalb der engeren Familie fast keine Kontakte mehr pflegen kann, weder durch Treffen noch durch Telefonate. Und gerade die Migräne verstärkt auch wieder Gefühle von Angst, Verzweiflung, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit. Was mir dann noch hilft? Ich versuche, den Blick zu weiten und sage mir: Es gibt so viel Schmerz in der Welt, und jetzt bin eben mal ich dran und trage meinen Teil davon...

    Ich weiß noch nicht, wie aktiv ich hier in diesem Forum sein werde, denn das Schreiben geht bei mir nur in guten und kopfschmerzarmen Augenblicken. Aber zum einen denke ich, es ist nur fair, hier nicht nur anonym mitzulesen, außerdem hilft das Schreiben ja auch dabei, die Gedanken zu sortieren. Und vielleicht ergibt sich ja doch an der einen oder anderen Stelle ein heilsamer Austausch. Ich habe schon mitbekommen, dass es auch in diesem Forum ab und zu Missverständnisse und Konflikte gibt. Wahrscheinlich kein Wunder, so verletzt und dünnhäutig wie wir nun einmal sind. Deshalb möchte ich schon vorab sagen, dass ich jede und jeden von euch voller Mitgefühl und Achtung ansehe. Wir haben alle Schlimmes erlebt und sehen uns vom Leben vor eine Aufgabe gestellt, die wir nie haben wollten und die wir doch angehen müssen, Schritt für Schritt. Mögen wir Frieden und Heilung finden!

    Herzliche Grüße,

    Sabiene

  • Liebe Sabiene,

    Mein aufrichten Beileid .


    Fühl dich hier willkommen.


    Ich habe auch meinen Mann verloren.

    Ich habe viel Verständnis, Trost und Erleichterung durch mein Schreiben hier im Forum erfahren.


    Das wünsche ich dir auch.


    Liebe Grüße von Bettina

    mit Uwe im Herzen 🦋

  • Liebe Sabine

    Gut das du den Mut aufgebracht hast hier zu schreiben. Meine aufrichtige Anteilnahme zu deinem Verlust. Viele hier konnten sehr wenige Kontakte aufrecht erhalten. Erstens durch unseren Verlust und der Traurigkeit und zweitens hat Corona vieles unmöglich gemacht. Ich selbst bin froh über die Lockdowns gewesen, konnte ich mich doch vor der Welt verkriechen ohne dass es groß aufgefallen wäre.

    Ich hoffe, dass dir das Schreiben hier erleichterung bringt an schweren Tagen und zuversicht an guten.

    Sei herzlichst umarmt..... Tamara & Säbelzahntiger

  • Liebe Sabiene,

    Auch ich möchte dir mein Mitgefühl aussprechen. Es ist gut das du den Mut hattest doch hier zu schreiben. Ich bin sicher, dass dir das Schreiben hilft.

    Man kann sich dadurch ein wenig sortieren, und unter Gleichgesinnten öffnet man sich leichter.


    Schreib hier wann immer du magst, es gibt immer jemanden der "zuhört".

    Alles Liebe <3

    Isabel

  • Liebe Sabine,

    meine allerherzlichste Anteilnahme zum Verlust deines geliebten Mannes. Ich trauere mit dir. Es ist ein wahnsinnig schwerer Weg, den wir gehen müssen und keiner von uns hätte geglaubt, dass es ihm/ihr passiert. Fühl dich umarmt. Du bist nicht allein. Unsere Lieben sind bei uns, nur können wir sie nicht sehen, davon bin ich überzeugt. Möge auch dir das Schreiben hier ein wenig Trost spenden.

    Alles Liebe

    Amelie

  • Liebe Andrea, Bettina, Tamara, Babajaga, Steffi, Isabel, Amelie, Birgit und Kerstin, lieber Frank,

    ich danke euch sehr für euer Willkommen, eure lieben Worte und Umarmungen. Man fühlt sich gleich weniger allein. Ich bin froh, dass ich mich getraut habe, hier zu schreiben. Leicht ist es mir nicht gefallen, ich hatte so etwas vorher noch nie getan, bin auch nicht in sozialen Netzwerken aktiv. Es gibt so vieles, das ich nun zum ersten Mal mache bzw. machen muss....

    Ja, es zieht einem den Boden unter den Füßen weg, das trifft es ziemlich gut. Dass da der Mensch, mit dem man die letzten fast 38 Jahre zusammen verbracht hat und mit dem man am allermeisten vertraut war, von einem Augenblick auf den nächsten nicht mehr da ist, es lässt mich immer noch erschaudern. Irgendwie wusste ich es ja schon immer, dass solche Dinge geschehen können, war deshalb auch oft in Angst bzw. habe mir Abschiede damit noch schwerer gemacht, dass ich immer im HInterkopf hatte, es könnte ja für immer sein. Aber es jetzt wirklich zu erleben ist doch noch einmal etwas ganz anderes.

    Vorgestern musste ich unseren 35. Hochzeitstag alleine "begehen". Ich war auf dem Friedhof, ich habe mir unser Hochzeitsfotoalbum angeschaut (Mein Gott, wie viele Menschen schon nicht mehr hier sind!), dann noch andere Fotoalben, und ich habe mir einmal mehr die Videoaufzeichnung von der Trauerfeier angesehen. Ich denke es war gut so, wie ich es gemacht habe. Neben dem Schmerz konnte ich auch ganz viel Liebe und Dankbarkeit spüren. Wir hatten viele glückliche Jahre zusammen und wir haben zwei wunderbare Söhne bekommen, die mich jetzt auch sehr unterstützen. Ein bisschen Stolz war auch mit dabei: wir haben es geschafft und unser Eheversprechen durchgehalten bis zum (irdischen) Ende. Und dann der irgendwie tröstliche Gedanke, dass ihm in seinem Leben das erspart geblieben ist, was ich jetzt erleben muss.

    Ich grüße euch alle ganz lieb! Danke dass ihr mir "zuhört"!

    Sabiene

  • Liebe Sabiene,


    nach so langer Zeit ohne den geliebten Menschen da zu stehen ist unbeschreiblich.


    Ich hoffe, dass Dir Deine spirituellen Gedanken helfen, den Verlust zu verarbeiten.

    Mich hat Dein Text dazu auf jeden Fall angesprochen.


    LG

    Mario

  • Hallo und willkommen Sabiene mit ie,

    Irgendwie habe ich Dich Neue heute Nacht erst gesehen.

    Obwohl Du schon vor einigen Tagen geschrieben hast.

    Gut., daß Du uns gefunden hast.

    Ich finde es interessant, daß Du sehr lange mitgelesen hast und offensichtlich auch ohne zu schreiben etwas für Dich mitnehmen konntest in Dein Leben.

    Ich empfinde das Schreiben als besonders hilfreich. Bzw den Austausch.

    Und ich freue mich, wenn mir jemand antwortet.

    Diese Freude hast Du bestimmt jetzt auch empfunden.

    Mein Schatz heißt auch Ralf und er ist am 23.11.20 umgezogen ins Anderland.

    Es ging so schnell und war sehr unerwartet. Ein septischer Schock. Der Rettungswagen hat ihn von hier zuhause mitgenommen und bis heute nicht wiedergebracht.

    Gestern hörte ich ein TatüTata am Haus vorbeifahren und habe mir ausgemalt, wie es sein würde, wenn sie ihn einfach zurück brächten.

    Wäre ein interessanter Roman. Jeder hat sich durch die gemachten Erfahrungen weiterentwickelt.....

    Ich mußte lächeln und empfand Wehmut bei dem Gedanken.

    Das zeigt mir, daß ich schon weit gekommen bin in meiner Trauer. ( Wenn man das überhaupt so sagen kann) meinem Trauer Prozess.

    Was hat Dir geholfen?

    Für mich war die Idee für die Zukunft mit dem Wohnmobil durchs Land zu fahren mit meinen 4 Hunden und eventuell den einen oder anderen dieses Forums zu besuchen, ein erster Gedanke nach vorne sehr hilfreich.

    Ralfsheidemarie

  • Sorry das ich erst jetzt antworte. danke für die " Kraft Wünsche "

    Obwohl Joachim und ich nicht so eine große Welle um unseren Hochzeitstag gemacht haben war ich sehr aufgewühlt hab viel geweint. Aber am Abend war da ein warmes Gefühl der Liebe.

    Egal ob wir nun keine Hochzeitstage mehr zählen können------ DIE LIEBE BLEIBT

  • Liebe Steffi., solange Du lebst kannst Du die Jahre zählen, die vergangen sind seit dem Tag Eurer Hochzeit. Eure Hochzeit als Geburtstag, Jahrestag. Es ist doch schön, wenn Du das feierst, daß ihr Euch füreinander entschieden habt und ja zueinander gesagt habt.

    Ralfsheidemarie

  • Und vielleicht ist es irgendwann ein Tag der Dankbarkeit.

    Dankbar für das Miteinander. Dankbar Für das Zusammentreffen und das gegenseitige verlieben. Dankbar Für das Zusammenbleiben und die vielen gemeinsamen Jahre.

    Für was Du alles noch dankbar sein kannst weiß Du am allerbesten.

    Ich habe mir das immer gewünscht. Einen Partner fürs Leben.

    Ich habe ihn erst mit 60 Jahren getroffen. Und heiraten wollte er nicht mehr, das hatte er schon mal. Krank war er und vom Leben gezeichnet.

    Immerhin haben wir 6 Jahre miteinander gehabt. Bis sich der Krebs dazugesellt hat.

    Ralfsheidemarie

  • Liebe Steffi, liebe RalfsHeidemarie,

    da haben wir heute Abend die gleichen Gedanken gehabt!

    Ja, die Liebe bleibt und sie ist stärker als der Tod. Das hat unsere christliche Tradition ja schon immer gesagt, aber ich glaube ich habe es erst jetzt so richtig begriffen.

    Auch bei uns war es übrigens so, dass wir den Hochzeitstag selten richtig gefeiert haben. Und doch hatte ich dieses Jahr den ganz starken Impuls, ihn zu einem besonderen Tag zu machen, und ich denke ich werde das auch in Zukunft tun. Es wird ja immer ein guter Tag bleiben, um mich in Dankbarkeit an unsere lange glückliche Zeit miteinander und als Familie zu erinnern. Der Schmerz gehört ab jetzt zu diesem Tag dazu, aber ich hoffe er wird mit jedem Jahr erträglicher.

    Alles Liebe

    Sabiene

  • Liebe RalfsHeidemarie,


    dir noch ganz herzlichen Dank für dein warmherziges Willkommen! Uns beide eint ja, dass unsere lieben Ralfs so ganz plötzlich verstorben sind, bei dir im November und bei mir dann 2 Monate später.


    In den ersten Tagen und Wochen hatte ich noch gar keine Kraft für einen Austausch mit Fremden, ich war vollständig mit der Familie, mit all dem notwendigen Planen und Organisieren und der Trauerpost ausgelastet. Als das alles nachließ und in der Leere sich dann die ganzen schmerzhaften Gefühle ausbreiten konnten, habe ich angefangen, ganz viel zu lesen (und zu hören) und wunderbare Blogseiten, Podcasts und Bücher entdeckt, zuletzt auch dieses Forum. Ich wollte einfach verstehen, was da gerade bei mir passiert, wie das ist mit der Trauer und wie andere damit umgehen. Selbst im Forum zu schreiben und mich vor Fremden im Internet so zu öffnen, hat mich ziemlichen Mut gekostet, aber jetzt bin ich sehr froh darüber.


    Was mir bisher geholfen hat? Zunächst einmal kommen bei mir sicher eine ganze Reihe positiver Faktoren zusammen: ich erlebe Rückhalt und Unterstützung in der Familie, insbesondere von meinen Söhnen, von denen der jüngere auch gerade wieder bei mir eingezogen ist, für die nächsten 2 Jahre voraussichtlich; ich lebe finanziell abgesichert, und als introvertierter Mensch habe ich eine gewisse "Begabung" zum Alleinsein. Auch mit meinem Ralf habe ich nie so symbiotisch zusammengelebt wie manche anderen Paare, wir hatten immer auch unsere eigenen Lebensbereiche. Und dann natürlich all das, was ich in den letzten Jahren über mich und über das Leben gelernt habe: dass Achtsamkeit und Akzeptanz (für mich) gute Begleiter in Lebenskrisen sein können, wie ich mit schwierigen Gefühlen und Gedanken umgehen kann, dass Leid zum Leben einfach dazu gehört und dass es wichtig ist, sich im Leid nicht in sich zu verschließen, sondern das Herz offen zu halten und Mitgefühl zu üben, für andere und für sich selbst.

    Ich mußte lächeln und empfand Wehmut bei dem Gedanken.

    Dieser Satz von dir gefällt mir so gut, genauso geht es mir auch oft!

    Und schön, dass du im Reisen eine Zukunftsperspektive für dich gefunden hast! Ich weiß noch nicht, was es bei mir sein könnte, aber ganz sicher nicht das Reisen. Durch meine häufige Migräne sind Reisen für mich schon seit langem problematisch und der Gedanke, alleine längere Autofahrten, Zugfahrten oder Flüge überstehen zu müssen, macht mir einfach nur Angst. Vielleicht werde ich ganz langsam anfangen müssen mit kleineren Verwandtenbesuchen...

    Ganz liebe Grüße

    Sabiene