Papa verloren nach Kontaktstille

  • Ihr Lieben,


    ich schreibe hier, weil ich hoffe auf etwas mehr Verständnis zu stoßen als in meinem Umfeld.


    Ich habe im Juli 2018 meinen Papa verloren. Er war nicht mein leiblicher Vater, aber seit meinem 3.Lebensjahr mein sozialer Vater (später auch Adoptivvater), ich bin mit ihm groß geworden und habe ihn geliebt, als wäre er mein leiblicher Vater.


    Wir hatten viele schöne Zeiten miteinander, aber auch Tiefen. So richtig schwierig wurde es, als meine Mutter sich getrennt hat und ich mitgegangen bin. Mein Vater hat immer wieder gehofft, dass meine Mutter zu ihm zurückkommt, aber sie hatte gute Gründe gegangen zu sein. Mit der Trennung verschlechterte sich unser Verhältnis zueinander und als ich irgendwann von zu Hause ausgezogen bin, musste mein Vater mir Unterhalt zahlen, wovon er wenig begeistert war. Mein Vater hatte inzwischen eine neue Frau, aber sie konnte meine Mutter für ihn nicht ersetzen und er hing immer noch stark an ihr. Es kam dazu, dass mein Vater keinen Unterhalt mehr zahlte - ohne Ankündigung - und ich musste zusehen, wie ich nun alles bezahle. Aufgrunddessen kam es zwischen meinem Vater und mir zum Streit, ein Wort kam zum anderen und es fielen Sätze wie: Du bist ja eh nicht mein Vater, von mir, sowie die Adoption war der größte Fehler in meinem Leben, von meinem Vater. Das war das letzte Telefonat mit ihm. Ich war einfach so sauer und enttäuscht, weil er das auch einfach nicht vorher angekündigt hat und mir somit nicht die Möglichkeit gegeben hat mich darum kümmern zu können meine Unkosten runterzuschrauben. Rein rechtlich habe ich zu dem Zeitpunkt tatsächlich genügend Ausbildungsgehalt gehabt. Es gingen dann einige Jahre ins Land und von ihm kam nicht wirklich mehr was. Ich hatte ihn durch Zufall nochmal getroffen, da sind wir aber still aneinander vorbeigegangen. 1,5 Jahre später sah ich ihn nochmal, er war sehr dünn geworden, aber ich dachte mir nichts bei und war immer noch sauer, auch weil ich kein Bafög bekam, da er den Antrag für mich einfach nicht ausfüllte. Er meinte nur zu meiner Mutter er hätte andere Sorgen. Dann hatte ich nie wieder etwas von ihm gehört, obwohl ich zwei Straßen weiter wohnte. Es kam ein ein Tag, wo ich versuchte wieder Kontakt zu ihm aufzunehmen, aber er reagierte nicht. Am Abend wusste ich dann auch wieso. Ich hatte einen Brief vom Anwalt für Erbrecht bekommen, dass jemand versucht hatte meine Adresse ausfindig zu machen. Ich war verwirrt und da ich in dem Ort, wo der Anwalt ansässig war, eigentlich nur meinen Vater kannte, rief ich bei ihm zu Hause an. Seine Frau ging ran und teilte mir mit, dass mein Vater vor einigen Wochen verstorben war. Ich könnte das in dem Moment gar nicht richtig realisieren, fragte warum und legte einfach auf. Mein Vater hatte 3 Jahre gegen den Krebs gekämpft und den Kampf verloren. Ich wusste von nichts und habe auch noch die Beerdigung verpasst. Im Nachhinein wurde mir also klar, weswegen er so dünn war und was er damit meinte, er hätte ganz andere Sorgen als meinen Bafög Antrag - aber jetzt war es zu spät. Ich bat seine Frau, die ich leider gar nicht wirklich kannte, mir sein Grab zu zeigen, aber es gibt nur ein anonymes Grab, keine Tafel, kein Grabstein, einfach nur Wiese. Ich glaube nicht, dass mein Vater sowas gewollt hätte, jedenfalls damals definitiv nicht. Am Geld lag es nicht, denn mein Vater war sehr gut versichert. Ich nahm dann Kontakt zu meinem Adoptivbruder auf, der ebenfalls keinen Kontakt zu unserem Vater hatte, aber immerhin rechtzeitig Bescheid wusste, um zur Beerdigung zu gehen. Er erzählte mir, dass die Beerdigung das einfachste vom einfachsten war. Er kam an dem Tag nicht mal unter die Erde, da die Frau ein Sammelgrab mit Fremden organisierte. Mich macht das traurig. Ich hätte keinen Grabstein erwartet, aber vielleicht wenigstes ein Grab mit Tafel, wo der Name erwähnt wird, nun ist da nichts. Gleichzeitig musste ich mir Gedanken um das Erbe machen, denn mein Vater hat ein Haus, welches noch nicht abbezahlt ist. Mein Bruder und ich nahmen das Erbe an, die Frau schlug aus. Wir sind jetzt noch am Klären miteinander, wie es weitergeht mit dem Haus, aber jedes Mal, wenn ich da durch laufe, wird mir ganz anders. Ich bin in diesem Haus groß geworden und die Zeit von damals läuft dort einfach wie ein Film in meinem Kopf ab. Mit der Frau meines Vaters sind wir mittlerweile zerstritten.

    Ich denke seitdem viel nach und ärgere mich darüber, dass ich so lange gewartet habe, wieder Kontakt zu meinem Vater aufzunehmen und das ich diese Warnsignale einfach nicht verstanden habe. Ich fühle mich oft schlecht, weil wir im Streit auseinander gegangen sind und so böse Sätze gefallen sind, aber jetzt kann ich mich nie wieder entschuldigen. Ich weiß, dass ich keine alleinige Schuld am Streit träge und mir keine Vorwürfe machen sollte, aber es ist schwer. Es ist halt doch etwas anderes, ob man einfach keinen Kontakt mehr hat, aber jederzeit wieder vor der von ihm stehen könnte oder ob er einfach nie mehr wieder kommt. Ich vermisse ihn unheimlich, bin traurig und würde so gerne nur einmal noch mit ihm reden.

    In meinem Freundeskreis stoße ich damit auf Unverständnis, denn alle denken sich, dass es ja gar nicht so schlimm sein kann, da wir ja gar keinen Kontakt hatten zum Schluss. Für mich macht aber gerade das es so schlimm. Wenn ich meine Trauer äußere, dann kann ich mir gleich anhören, dass ich mich nicht so haben soll oder mir eine Therapie suchen soll. Aber brauch man eine Therapie, nur weil man trauert? Mir wird jetzt erst so richtig alles bewusst, da ich vorher durch das Erbe gut abgelenkt war. Ich habe oft Tage, wo ich einfach traurig bin und mich verkriechen will, aber ich gehe trotzdem arbeiten bzw. zur Uni, mach was mit Freunden oder ähnliches. Ich bin deswegen auch nicht unglücklich, aber halt oft traurig. Ich habe das Gefühl, dass mein Umfeld Trauer mit Depressionen gleichsetzt und ich frage mich oft, ob ich doch kein Recht dazu habe (immer noch) traurig zu sein. Ich merke auch, dass der Schmerz von Tag zu Tag etwas erträglicher wird. Ich würde mir wünschen, ich hätte gewusst, dass er krank war, hätte ihn besuchen und mich aussprechen können, andererseits weiß ich auch, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, Kontakt zu mir aufzunehmen, wenn er gewollt hätte. Allerdings war mein Vater ein Mensch, der oft zu stolz war und Schwäche und Krankheit nie gerne nach außen hin präsentiert hat. Ändern kann ich es nun sowieso nicht mehr und muss lernen damit zu leben. Ich fühle mich nur irgendwie so unverstanden und allein gelassen, da war nie jemand, der mich mal in den Arm genommen hat oder ähnliches. Kurz darauf habe ich dann noch meinen Onkel verloren. Beide sind mit 56 gestorben. Jetzt habe ich nur noch meine Mama, die gesundheitlich stark belastet ist und das macht mir Angst. Es wird aber von mir erwartet, dass alles weitergeht wie immer. Ich will auch gar nicht jammern, aber das musste mal raus.


    Danke fürs Lesen ❤️

  • Liebe Liaschatz93,


    ich nehme dich erst mal gaaanz liebevoll & verständnisvoll in den Arm, wenn ich darf ?!

    (als Mama, meine gr. Tochter 23, Sohn 18).


    Auch wir 3 trennten uns von meinem Mann und Vater, da er leider schon seit Langem sehr trank, immer mehr ... dazu starke Depressionen bekam & sich leider keinerlei Hilfe nahm

    (noch nie).


    Der Kontakt der Kinder war wenug, da es ihnen nie gut ging danach

    (Sehr lange Geschichte).


    Leider verstarb er ganz plötzlich Mitte Juni 2018.


    Wir waren SOOO traurig, ....

    Und es verstand fast auch niemand.


    Ich erzähle dir unsere Teil-Geschichte , dass du weisst, dass ich denke wie es dir geht & du dich fühlst.


    Wenn du magst, darfst du dich gerne melden. ;)


    Stille Perle