Trauerbewältigung Blockade

  • Hallo an alle,


    ich bin 26 und habe vor 3 Jahren meine Mutter aufgrund von Lungenkrebs verloren. Nun sind eben 3 Jahre vergangen und ich konnte noch immer kaum bzw wenig trauern.

    Mein Vater und meine Schwester haben die sogenannte Trauerphase schon abgeschlossen, auch wenn es Ihnen verständlicherweise noch immer an manchen Tagen nicht so gut geht.


    Der Tod meiner Mutter hat ein tiefes Loch in mein Leben gerissen, weil wir eine besondere Verbindung zueinander hatten. Sie war introvertiert, ein sehr herzlicher Mensch und ich war Ihr vom Wesen her sehr ähnlich. Ich spürte nach Ihrem Verlust monatelang eine Taubheit in mir die es mir fast nie möglich machte zu trauern. Irgendwie hat es mich so schwer getroffen, dass es mich in eine starke Depression reintrieb aus der ich nun seit einem halben Jahr versuche mithilfe einer Therapie rauszukommen.


    Ich gehe wieder regelmäßig trainieren, treffe wieder Freunde und meine Schwester hat nun eine Tochter bekommen. Jedoch kann ich trotz alle dem keine Freude empfinden auch wenn meine Taten einer Verbesserung meines Gemütszustandes gleichkommen. Es fällt mir einfach unheimlich schwer über meine Mutter zu sprechen, sie am Grab zu besuchen (habe ich nach der Beerdigung nicht mehr getan), ihre Fotos zu betrachten oder mir ihre letzten Nachrichten anzusehen. Ihr Tod fühlt sich einfach noch so unheimlich nah an, obwohl alle um mich herum schon dabei sind den Blick nach vorne zu richten kann ich es im Gegenzug nicht. Bei meiner Therapeutin über meine Mutter zu reden ist wie einen Topf zum kochen zu bringen .. dann bebt meine Stimme und mein Körper fühlt sich wie ein Kochtopf voller Gefühle an der droht überzugehen.


    Aufgrund dessen habe ich ein wahnsinnig schlechtes Gewissen, weil ich die Existenz meiner Mutter durch mein blockieren der Gefühle komplett verleugne. Ich fühle mich gefangen in einem Teufelskreis der nicht zulässt vernünftig den Tod meiner Mutter zu betrauern. Es wäre beruhigend für mich wenn ich mir ein altes Fotoalbum mit Fotos unserer Familie ansehen könnte ohne das Gefühl zu haben, dass es mich innerlich zerreißt.


    Mir ist klar, dass es hierfür keine Tipps gibt und die will ich auch gar nicht aber falls jemand sich die Zeit nimmt und mir Erfahrungen aus der eigenen Perspektive mitteilen könnte wäre ich sehr dankbar.


    Mfg

    Michi

  • Liebe Michi,

    aus meiner Erfahrung als Trauerbegleiterin ist es gut, dass du in Therapie bist. Hier ist irgend etwas in dir geschehen, das diese Blockade errichtet hat (was zuerst einmal ein Schutz ist) und (das ist das Schwierige) diese Blockade nicht mehr aufheben lässt. An dieser Blockade zu arbeiten, das finde ich sehr wertvoll.


    Ich habe trotzdem noch eine Frage an dich: Du schreibst:

    weil ich die Existenz meiner Mutter durch mein blockieren der Gefühle komplett verleugne

    Verleugnest du ihre Existenz oder ihren Tod?

    Das sind für mich zwei Paar Schuhe.

    Wenn du ihre Existenz verleugnest, dann auch das miteinander gelebte Leben.

    Wenn du ihren Tod verleugnest, dann willst du ein Leben ohne sie nicht.

    Oder verleugnest du ihre Existenz WEIL sie tot ist?

    Das würde bedeuten, dass du dich nicht erinnern willst, weil du den Schmerz nicht willst.


    Wie würdest du es definieren?


    Sei lieb gegrüßt

    Astrid.

  • Danke für Ihre rasche Antwort.

    Ich würde sagen, dass ich durch meine Blockade ihre Existenz verleugne und das macht mich wütend auf mich selbst und auch traurig, weil meine Mutter ein toller Mensch war, der es verdient hat auch mal an sie zu denken und die schönen Erinnerung im Kopf durchleben zu lassen, dieses mir aber seit 3 Jahren nicht möglich ist. Mein einziges Ventil für meine Emotionen sind Bücher, Filme und Musik, bei diesen Sachen habe ich keinerlei Probleme zu weinen, zu lachen oder nach was auch immer mir gerade ist.


    Ihren Tod habe ich wohl unterbewusst noch immer nicht richtig realisiert, also mir ist klar, dass sie nicht mehr da ist aber den Schmerz kann ich trotzdem nicht zulassen weswegen ich mich der Tatsache wohl auch noch nicht richtig gestellt habe.


    Ich konnte bei meiner Therapeutin erst 1-2 mal wenige Minuten über das Ableben meiner Mutter und über die letzten Wochen im Krankenhaus sprechen. Leider bin ich ein Mensch der sich nicht gerne verletzlich zeigt und so konnte ich zwar die ein oder andere Träne bei meinen Sitzungen rausdrücken aber der ganze Balast der sich in mir befindet wenn ich über die Situation nachdenke fühlt sich einfach so gewaltig an, dass ich meine Emotionen fast schon zwanghaft unter Kontrolle habe.


    Lg Michi

  • Liebe Michi,

    wir sind hier alle per du :)


    Therapie und auch Begleitung ist keine Sache von ein bis zwei Stunden.

    Das dauert.

    Und ich weiß, es fällt schwer, trotzdem: Sei geduldig mit dir.

    Stell dir vor, die ganze Blockade würde auf einen Schlag einbrechen, dann würde es dich überfluten und das

    wäre auch nicht gut.

    Mach langsam, in deinem Tempo. Und sei gut zu dir selber.


    Lg. Astrid.