Liebe theresachristina ,
danke für deine liebe Antwort.
Ich war überrascht, dass es dir so geht wie mir damals - mit den Totenbett-Flashs beim Ansehen anderer Menschen. Du hast das Wort Trauma verwendet. Und ja, wo du es schreibst: ich glaube es ist etwas traumatisches, das wir erlebt haben. Und so erlebte ich mich damals - und jetzt auch, ein bisschen wie in den Filmen, wo sie die alten Traumas mit schwarz/weiß Backflashs darstellen, oder irgendwelche Kleinigkeiten, die als Trigger wirken.
Ich hab jetzt auch ganz viele Backflashs an Ma und den Unfall. Und Auslöser, die mich triggern, wo ich dann gelähmt bin kurz oder im Schock (zum Beispiel, wenn gleichaltrige Freund*innen über ihre Mamas reden, die ganz lebendig und aktiv sind; wenn sie über ihre Mama als Oma für ihr Baby/Kind sprechen ist es besonders schlimm - weil mein Kind meine Mama nie mehr erleben wird können; wenn ich ihre Kleider im Kasten sehe, ihre Ketten und Schmuck; wenn mir etwas in die Hand fällt, das sie mir geschenkt hat - und da ist überall etwas zu finden; wenn ich etwas Schönes sehe und mit ihr teilen mag weil sie sich so darüber gefreut hätte; wenn ich Hilfe brauche aber niemand mehr da ist der so bedingungslos unterstützt; wenn ich die Unfallstelle sehe; wenn ich ihre Handschrift sehe;...).
So stelle ich mir das auch bei einer posttraumatischen Belastungsstörung vor. Auch die Rastlosigkeit, das Nicht-Schlafen-Können, das sind glaube ich alles auch Symptome davon.
Damals wurde alles mit der Zeit wieder besser. Mein Entrückt-Sein aus der Welt, das ja fast 2 Jahre andauerte, während der ich nacheinander 3 Menschen beim Sterben zusah, hat irgendwann nachgelassen. Ich konnte am Krankenhaus wieder vorbeifahren, ohne am ganzen Körper zu verkrampfen, und ähnliches. Ich habe auch weniger Angst gehabt, dass das jetzt für immer so weiter geht und dass der Tod einfach die nächste Person wählt. Und die letzten Jahre waren wundervoll, leicht, spielerisch, voller Freude und Kleinigkeiten, Neubeginnen und Energie.
Jetzt, nach dem Unfalltod meiner Mutter erlebe ich mich nochmals allerdings viel verstörter als damals. "Die Mutter war's. Was braucht's der Worte mehr" - das hab ich einmal auf einer Parte gelesen, und ich denke das Mama-Tochter Band erklärt auch die Tiefe unserer Trauer.
Und diesmal frage ich mich, ob ich je zurückfinden werde zur Leichtigkeit. Ich mochte mich, ich war eine Fröhliche. Aber ich nehme einen Tag nach dem anderen, ich fokussiere mich auf die Basics: essen, trinken, etwas Ruhe, soweit das mit Baby möglich ist.
Was ich schon glaube ist, dass die schrecklichen Bilder nachlassen, auch bei dir. Doch ich glaube nicht, dass wir nochmal dieselben werden, die wir waren - denn so eine große Trauer, die verändert glaub ich schon nachhaltig.
Gestern hab ich eine alte Dame, die fast 100 ist, gefragt, wie sie den Tod ihres Verlobten im Krieg und all die Schrecknisse ihres Lebens überwunden hat. Und sie sagte:
"Man hält vieles aus. Und irgendwann merkst du, dass dir das Verzweifeln in Wahrheit ja auch gar nichts bringt."
Das womit ich mir schwer tue aktuell ist die Wut bzw. die Reizbarkeit, weil sie sich auch ohne Grund gegen meinen Partner richtet und der wirklich verständnisvoll und hilfreich ist. Bist du auch wütend?