Gleich am nächsten Tag war eine ganz liebe Bestatterin und gleichzeitig Traurednerin da. Wir hatten viel von ihr gelesen, sie uns beim Institutsleiter gewünscht und glücklicherweise auch bekommen. Sie kam zu uns nach Hause, was eine große Erleichterung war, da wir einen jungen Hund haben, der eigentlich noch nicht alleine bleiben kann. Für Papa wollte ich nichts aus dem Katalog, so stürzten wir uns in unsere Hausaufgaben: Sarg wählen, Traueranzeige selbst gestalten, Fotos raussuchen, Sterbebildchen erstellen und einen Spruch dichten, der zu Papa gepasst hat. Blumenschmuck, Schleifentexte.. und und und. Ich fragte ob es möglich sei, noch einmal Zeit mit Papa verbringen zu können, bevor die Beerdigung stattfinden sollte. Das war möglich und wir entschieden uns, in ganz kleiner Runde eine intime Trauerfeier für Papa zu gestalten. Ohne zeitliches Limit, in einem geschützten Raum, mit lieben Menschen und seiner so geliebten Musik. Das sollte dann direkt am Samstag stattfinden. Spätabends war ich soweit mit allem fertig.. meine Mama und ich saßen in der Küche, haben 3 Stunden geredet, geweint.. und nachts um halb 3 habe ich mich dann in sein Zimmer gesetzt, das Hochzeitsbild - kein Jahr alt - vor mir, als er mich am Arm hielt.. und habe ihm einen 6-seitigen Brief geschrieben. Kleine Glücksbringerchen mit unseren Geburtsdaten habe ich mit einer liegenden 8 - das Unendlichkeitszeichen - miteinander verbunden, viele Fotos ausgedruckt und beschriftet.. wichtige Erinnerungen, die er mitnehmen sollte. Seine und meine Haarlocke miteinander verflochten.. wir durften nämlich bis um 8 Uhr morgens Sachen bringen, die mit in den Sarg gelegt werden konnten, bevor er final verschlossen wurde. Leider ist mein Papa corona-positiv gestorben (war aber schon der 11. Tag) und so gab es bestimmte Auflagen für den Sarg, etc. ABER... sie haben es mit reingelegt und sogar einen Fingerabdruck für mich genommen. Meine Mama hat seine Lieblingskleidung gewaschen, die ihm leider nicht angezogen werden konnte aber immerhin aufgelegt. Sch* Corona Die Vorstellung, dass er in einem Leichensack mit einem "infektiös"-Bapperl in den Sarg kam - ungewaschen und nicht hergerichtet, belastet mich.
Um halb 6 morgens war ich fertig.. um 9 war ich wieder auf den Beinen, um die finalen Sterbebildchen zu liefern. Am Nachmittag kam dann meine Patentante.. was richtig gut getan hat. Irgendwie gab es immer was zu tun, das Telefon stand nie still, man kam kaum zur Ruhe. War rückblickend gut, denn JETZT bin ich im Loch.
Freitag Nachmittag hatte ich 2 Stunden alleine für mich und skizzierte eine Zeichnung, denn ich wollte Papa eine letzte Botschaft auf seinem Sarg mitgeben.. und abends kam mein Mann endlich wieder und konnte auch ein paar Tage bleiben. Das war auch wirklich gut. In der Früh hatten wir noch 2 Stunden Gespräch mit unserem Pfarrer, was irgendwie auch Balsam war. Am Samstag, den 2. Juli, stand die Feier an. 6 Jahre zuvor hatten wir am 2. Juli seinen 60. Geburtstag nachgefeiert, da wir vorher in Australien waren. Da war alles so glücklich und die Freude so riesengroß, dass wir uns nach 8 Monaten endlich wieder hatten.. Das Bestattungsinstitut hat den Raum wunderschön hergerichtet.. mit einem großen Bild von Papa, welches letztes Jahr auf unserer Hochzeit entstand, mit Blumen, Kerzen.. und die Rednerin hatte schöne und tröstende Worte gefunden und ist Papas Lebenslauf behutsam durchgegangen, den meine Mama ihr geschrieben hatte. Als wir seine ersten beiden Lieder spielten, hat es mich fast zerrissen... es war so traurig... nach etwa einer halben Stunde hatten wir den Raum für uns und erzählten uns Erinnerungen und Geschichten von Papa und nach und nach ist einer nach dem anderen gegangen. Mein Mann und ich blieben, denn ich wollte in Ruhe den Sarg bemalen.. wir haben seine Lieblingsplaylist abgespielt, immer wieder, und nach 2 Stunden war ich fertig. Erstaunlicherweise war ich in diesen 2 Stunden nicht traurig.. es war eher schön, dass ich ihm noch etwas mitgeben konnte und hat mir sicherlich ein Stück weit geholfen, es irgendwann besser verarbeiten zu können.
An diesem Abend ging es uns als Familie verhältnismäßig "gut". Die Trauerfeier hat uns allen wirklich gut getan.. man hatte einfach nochmal ZEIT mit Papa.. Wir sind abends dann Essen gegangen und haben für kurze Zeit ein wenig Normalität verspürt. Zurück im Haus hat es uns natürlich wieder getroffen wie eine Schaufel ins Gesicht.. aber ich glaube, dass man diese kleinen Auszeiten braucht.. eine Art Verschnaufpause und Krafttanken, um nicht zusammenzubrechen. Sonst ist man ja eh nur abwechselnd am Rödeln und Weinen... Tag für Tag.
Vor Dienstag, der Beerdigung, haben wir uns gefürchtet - alle! Es war auch der erste Tag, an dem ich auf dem Weg in die Kirche eine viertelte Tablette genommen habe, um nicht zusammenzuklappen. Es war so traurig... mehrmals saß ich genau in dieser Kirche, genau in dieser Bank, neben meinem Papa und habe bei Beerdigungen seine Hand gehalten. Nun war ich alleine dort - auf seiner Beerdigung Der Sarg war mit Sommerblumen geschmückt, sein Bild stand daneben, unsere 3 Trauerkerzen darunter. Zwei Trauerherzen aus Sommerblumen waren auch dabei.. es sah wunderschön und feierlich aus. Und dennoch so unwirklich - ich hab es nicht in meinen Schädel bekommen!!! Dass da der Papa liegt und wir wegen IHM hier sein sollten... das konnte doch nicht sein
Die Rede bei seiner Mama 5 Jahre zuvor war soooo toll... daher haben wir uns viel erwartet. Leider ist der Pfarrer nur auf seine beruflichen Stationen eingegangen, da waren wir im Nachgang ziemlich enttäuscht. Aber umso dankbarer waren wir, dass wir eben die Trauerfeier vorab hatten. Das war deutlich liebevoller wobei der Pfarrer es nicht schlecht gemacht hat, um Himmels Willen..
Am Grab oben ging dann alles ganz schnell.. ich habs nicht kapiert, hatte meinen Schutzvorhang zu... danach wie im Nebel ins Restaurant. Emotionale Erschöpfung pur, als wir zuhause ankamen. Die Familie war noch da.. das hat gut getan aber wir waren doch sehr froh, als endlich alle weg waren. Abends sind wir nochmal aufs Grab.. es ist über und über mit Sommerblumen, wunderschönen Kränzen, Herzen und Schalen bestückt. Ich hab ein bemaltes Kreuz ausgesucht, welches ich dann irgendwann mit nach hier nehmen und in den Garten stellen kann.. als kleine Anlaufstelle, da ich ja nicht immer aufs Grab kann aufgrund der Entfernung
Mein Mann ist Mittwoch abends wieder gefahren.. ich habe noch 2 Tage gebraucht (eigentlich länger), bin zum Grab gegangen, habe mit Mama noch die Danksagung gestaltet.. seit Freitag Nacht bin ich nun wieder hier. Und ja, seither geht es mir schlecht. Es gibt nichts mehr, was ich für Papa tun oder organisieren kann. Die Nächte werden schlecht, ich fange an, zu träumen und Angst zu haben. Wandere vom Bett zur Couch, zum Stuhl, zur Bank, zur Treppenstufe, zum Badewannenrand.. und bin einfach tieftraurig, leer, antriebslos, dünnhäutig.. und kapiere es immer noch nicht. Ich schau mir Papas Bild an und es kommt nicht immer was bei mir an.. mir fehlt der KÖRPER dazu. Ohne den KÖRPER ist das Bild nichts als ein Bild.. mein Verstand weigert sich, die Schlussfolgerung zu ziehen. Mir fehlt die Seele... die Seele ist zwar irgendwo, aber sie schafft keine neuen Erinnerungen und Momente mehr. Ich kann das einfach nicht akzeptieren, dass er nicht mehr lebt.. dass ich keine SMS mehr bekomme, keine Anrufe, keine Umarmungen.... es darf einfach nicht wahr sein!! Und nun sitze ich hier und heule mir die Augen aus dem Kopf, ohne eine konkrete Situation zu beweinen. Die gibt es auch.. gestern habe ich unseren WhatsApp-Verlauf kurz angeschaut.. ich musste aufhören, mich hats zerrissen. Das sind solche Dinge, die lassen mein Herz wirklich brechen. Das ist ZU schmerzhaft, das geht nicht.. das würd mich verrückt machen. Aber vllt wäre es wichtig... irgendwie rennt mir die Zeit davon, bin ja nur noch 2 Tage krank geschrieben und dann Urlaub und dann wieder Arbeit. Ich kanns mir grad nicht vorstellen.
Habe zwei Bücher bestellt, aber nicht die Energie, sie zu lesen oder zu bearbeiten. Bin froh, dass ich das hier nun einmal runterschreiben konnte. Es ist ja nur der Verlauf... ohne all die Emotionen, die dazwischenhängen.
Uff..... ja, das ist gerade Status Quo...