Beiträge von Hexlein

    Gleich am nächsten Tag war eine ganz liebe Bestatterin und gleichzeitig Traurednerin da. Wir hatten viel von ihr gelesen, sie uns beim Institutsleiter gewünscht und glücklicherweise auch bekommen. Sie kam zu uns nach Hause, was eine große Erleichterung war, da wir einen jungen Hund haben, der eigentlich noch nicht alleine bleiben kann. Für Papa wollte ich nichts aus dem Katalog, so stürzten wir uns in unsere Hausaufgaben: Sarg wählen, Traueranzeige selbst gestalten, Fotos raussuchen, Sterbebildchen erstellen und einen Spruch dichten, der zu Papa gepasst hat. Blumenschmuck, Schleifentexte.. und und und. Ich fragte ob es möglich sei, noch einmal Zeit mit Papa verbringen zu können, bevor die Beerdigung stattfinden sollte. Das war möglich und wir entschieden uns, in ganz kleiner Runde eine intime Trauerfeier für Papa zu gestalten. Ohne zeitliches Limit, in einem geschützten Raum, mit lieben Menschen und seiner so geliebten Musik. Das sollte dann direkt am Samstag stattfinden. Spätabends war ich soweit mit allem fertig.. meine Mama und ich saßen in der Küche, haben 3 Stunden geredet, geweint.. und nachts um halb 3 habe ich mich dann in sein Zimmer gesetzt, das Hochzeitsbild - kein Jahr alt - vor mir, als er mich am Arm hielt.. und habe ihm einen 6-seitigen Brief geschrieben. Kleine Glücksbringerchen mit unseren Geburtsdaten habe ich mit einer liegenden 8 - das Unendlichkeitszeichen - miteinander verbunden, viele Fotos ausgedruckt und beschriftet.. wichtige Erinnerungen, die er mitnehmen sollte. Seine und meine Haarlocke miteinander verflochten.. wir durften nämlich bis um 8 Uhr morgens Sachen bringen, die mit in den Sarg gelegt werden konnten, bevor er final verschlossen wurde. Leider ist mein Papa corona-positiv gestorben (war aber schon der 11. Tag) und so gab es bestimmte Auflagen für den Sarg, etc. ABER... sie haben es mit reingelegt und sogar einen Fingerabdruck für mich genommen. Meine Mama hat seine Lieblingskleidung gewaschen, die ihm leider nicht angezogen werden konnte aber immerhin aufgelegt. Sch* Corona :-( Die Vorstellung, dass er in einem Leichensack mit einem "infektiös"-Bapperl in den Sarg kam - ungewaschen und nicht hergerichtet, belastet mich.


    Um halb 6 morgens war ich fertig.. um 9 war ich wieder auf den Beinen, um die finalen Sterbebildchen zu liefern. Am Nachmittag kam dann meine Patentante.. was richtig gut getan hat. Irgendwie gab es immer was zu tun, das Telefon stand nie still, man kam kaum zur Ruhe. War rückblickend gut, denn JETZT bin ich im Loch.

    Freitag Nachmittag hatte ich 2 Stunden alleine für mich und skizzierte eine Zeichnung, denn ich wollte Papa eine letzte Botschaft auf seinem Sarg mitgeben.. und abends kam mein Mann endlich wieder und konnte auch ein paar Tage bleiben. Das war auch wirklich gut. In der Früh hatten wir noch 2 Stunden Gespräch mit unserem Pfarrer, was irgendwie auch Balsam war. Am Samstag, den 2. Juli, stand die Feier an. 6 Jahre zuvor hatten wir am 2. Juli seinen 60. Geburtstag nachgefeiert, da wir vorher in Australien waren. Da war alles so glücklich und die Freude so riesengroß, dass wir uns nach 8 Monaten endlich wieder hatten.. :-( Das Bestattungsinstitut hat den Raum wunderschön hergerichtet.. mit einem großen Bild von Papa, welches letztes Jahr auf unserer Hochzeit entstand, mit Blumen, Kerzen.. und die Rednerin hatte schöne und tröstende Worte gefunden und ist Papas Lebenslauf behutsam durchgegangen, den meine Mama ihr geschrieben hatte. Als wir seine ersten beiden Lieder spielten, hat es mich fast zerrissen... es war so traurig... nach etwa einer halben Stunde hatten wir den Raum für uns und erzählten uns Erinnerungen und Geschichten von Papa und nach und nach ist einer nach dem anderen gegangen. Mein Mann und ich blieben, denn ich wollte in Ruhe den Sarg bemalen.. wir haben seine Lieblingsplaylist abgespielt, immer wieder, und nach 2 Stunden war ich fertig. Erstaunlicherweise war ich in diesen 2 Stunden nicht traurig.. es war eher schön, dass ich ihm noch etwas mitgeben konnte und hat mir sicherlich ein Stück weit geholfen, es irgendwann besser verarbeiten zu können.
    An diesem Abend ging es uns als Familie verhältnismäßig "gut". Die Trauerfeier hat uns allen wirklich gut getan.. man hatte einfach nochmal ZEIT mit Papa.. Wir sind abends dann Essen gegangen und haben für kurze Zeit ein wenig Normalität verspürt. Zurück im Haus hat es uns natürlich wieder getroffen wie eine Schaufel ins Gesicht.. aber ich glaube, dass man diese kleinen Auszeiten braucht.. eine Art Verschnaufpause und Krafttanken, um nicht zusammenzubrechen. Sonst ist man ja eh nur abwechselnd am Rödeln und Weinen... Tag für Tag.


    Vor Dienstag, der Beerdigung, haben wir uns gefürchtet - alle! Es war auch der erste Tag, an dem ich auf dem Weg in die Kirche eine viertelte Tablette genommen habe, um nicht zusammenzuklappen. Es war so traurig... mehrmals saß ich genau in dieser Kirche, genau in dieser Bank, neben meinem Papa und habe bei Beerdigungen seine Hand gehalten. Nun war ich alleine dort - auf seiner Beerdigung :-( Der Sarg war mit Sommerblumen geschmückt, sein Bild stand daneben, unsere 3 Trauerkerzen darunter. Zwei Trauerherzen aus Sommerblumen waren auch dabei.. es sah wunderschön und feierlich aus. Und dennoch so unwirklich - ich hab es nicht in meinen Schädel bekommen!!! Dass da der Papa liegt und wir wegen IHM hier sein sollten... das konnte doch nicht sein ;(

    Die Rede bei seiner Mama 5 Jahre zuvor war soooo toll... daher haben wir uns viel erwartet. Leider ist der Pfarrer nur auf seine beruflichen Stationen eingegangen, da waren wir im Nachgang ziemlich enttäuscht. Aber umso dankbarer waren wir, dass wir eben die Trauerfeier vorab hatten. Das war deutlich liebevoller <3 wobei der Pfarrer es nicht schlecht gemacht hat, um Himmels Willen..


    Am Grab oben ging dann alles ganz schnell.. ich habs nicht kapiert, hatte meinen Schutzvorhang zu... danach wie im Nebel ins Restaurant. Emotionale Erschöpfung pur, als wir zuhause ankamen. Die Familie war noch da.. das hat gut getan aber wir waren doch sehr froh, als endlich alle weg waren. Abends sind wir nochmal aufs Grab.. es ist über und über mit Sommerblumen, wunderschönen Kränzen, Herzen und Schalen bestückt. Ich hab ein bemaltes Kreuz ausgesucht, welches ich dann irgendwann mit nach hier nehmen und in den Garten stellen kann.. als kleine Anlaufstelle, da ich ja nicht immer aufs Grab kann aufgrund der Entfernung :-(


    Mein Mann ist Mittwoch abends wieder gefahren.. ich habe noch 2 Tage gebraucht (eigentlich länger), bin zum Grab gegangen, habe mit Mama noch die Danksagung gestaltet.. seit Freitag Nacht bin ich nun wieder hier. Und ja, seither geht es mir schlecht. Es gibt nichts mehr, was ich für Papa tun oder organisieren kann. Die Nächte werden schlecht, ich fange an, zu träumen und Angst zu haben. Wandere vom Bett zur Couch, zum Stuhl, zur Bank, zur Treppenstufe, zum Badewannenrand.. und bin einfach tieftraurig, leer, antriebslos, dünnhäutig.. und kapiere es immer noch nicht. Ich schau mir Papas Bild an und es kommt nicht immer was bei mir an.. mir fehlt der KÖRPER dazu. Ohne den KÖRPER ist das Bild nichts als ein Bild.. mein Verstand weigert sich, die Schlussfolgerung zu ziehen. Mir fehlt die Seele... die Seele ist zwar irgendwo, aber sie schafft keine neuen Erinnerungen und Momente mehr. Ich kann das einfach nicht akzeptieren, dass er nicht mehr lebt.. dass ich keine SMS mehr bekomme, keine Anrufe, keine Umarmungen.... es darf einfach nicht wahr sein!! Und nun sitze ich hier und heule mir die Augen aus dem Kopf, ohne eine konkrete Situation zu beweinen. Die gibt es auch.. gestern habe ich unseren WhatsApp-Verlauf kurz angeschaut.. ich musste aufhören, mich hats zerrissen. Das sind solche Dinge, die lassen mein Herz wirklich brechen. Das ist ZU schmerzhaft, das geht nicht.. das würd mich verrückt machen. Aber vllt wäre es wichtig... irgendwie rennt mir die Zeit davon, bin ja nur noch 2 Tage krank geschrieben und dann Urlaub und dann wieder Arbeit. Ich kanns mir grad nicht vorstellen.


    Habe zwei Bücher bestellt, aber nicht die Energie, sie zu lesen oder zu bearbeiten. Bin froh, dass ich das hier nun einmal runterschreiben konnte. Es ist ja nur der Verlauf... ohne all die Emotionen, die dazwischenhängen.


    Uff..... ja, das ist gerade Status Quo...

    Es kam raus, dass mein Papa sich vor dem CT erneut erbrochen hatte. Als das auffiel und man bemerkte, dass er ja nicht ernährt wurde, kam der Schluss, dass es eine Reaktion vom Gehirn sein musste. Dann schwupps ins CT wo festgestellt wurde, dass er eine so große Blutung im Kopf hatte, dass die linke Gehirnhälfte auf die rechte Seite gedrückt wurde, da es links aufgrund der Blutung keinen Platz gab. Dabei wurde diese Hirnmittellinie verschoben und der Druck wurde so groß, dass das Kleinhirn Richtung Spinalkanal geschoben wurde und drohte, eingeklemmt zu werden. In diesem Fall hätte mein Vater ganz schnell aufgehört zu atmen. Das war der Grund, warum wir uns so schnell für die OP entscheiden mussten. ABER DAS SAGTE JA KEINER! Und wir haben gefragt. Ich kann da sehr hartnäckig sein. In dem Fall hätte ich gesagt "was reden sie überhaupt noch mit mir, ab in den OP!". So haben wir uns viel zu lange Zeit gelassen..

    Auf die Frage, warum das CT morgens nicht stattfand wollte man erstmal wissen, woher wir das wüssten. Ja doof... hatte die Schwester bei Schichtbeginn meiner Mum erzählt, dass das morgens angesetzt war, aber kein Arzt Zeit hatte, das Intensivbett zum CT zu begleiten (Vorgabe). Es wurde jedenfalls nur drumrumgedruckst und gesagt, dass sie das ja gar nicht hätten machen MÜSSEN, da der Leitfaden 24 Stunden nach der OP vorsehe und das hätten sie ja schließlich eingehalten. Bla.. blablablablaaaaaaa! Aber er gab zu, dass es das Risiko gab, dass das mit der Blutung passiert. Umso bitterer für meinen Papa und uns. Der Oberarzt hat sich dann selbst zum ersten Mal alle CT-Bilder auf den Rechner gezogen und ganz von vorne begonnen und kommentiert. Das erste CT in dem ersten KH war gut, fast keine Schäden. Dann auf dem CT nach der OP in der Uniklinik, als der Pfropfen entfernt wurde, der Kommentar: "ah... da ist die rechte Seite schon betroffen aber schaut alles eigentlich ok aus. Ooooh, wobei, da sehe ich ganz schwach eine (weiße) Arterie.. die sollte ich da aber nicht sehen." Auf dem nächsten Bild war Kontrastflüssigkeit dabei und er sagte "oooooh, DA sollte ich sie aber sehen. Ist ja blöd.. auf dem einen ist was zu sehen, was ich man nicht sehen sollte und auf dem anderen sollte man es sehen, tut es aber nicht, hähähäää". Ja.. jedenfalls war das Kontroll-CT nach der OP dann ok, das Hirn sah noch gut aus und dann wäre das nächste eben das CT am morgen gewesen, welches nicht stattfand. Den Rest habe ich geschrieben. Der Arzt nannte es lapidar "eine Komplikation und halt Pech für meinen Vater". Für mich war und ist immer noch klar: hätte verhindert werden können.


    Der weitere "Plan" sah vor, meinen Papa zu stabilisieren und ihn dann nach und nach aufwachen zu lassen. Also Herzkreislaufunterstützung weg, Schlafmittel weg und im dritten Schritt dann die Beatmungsunterstützung weg... das sollte nicht ohne unsere vorige Zustimmung und Absprache stattfinden. Die Patientenverfügung und Generalvollmacht hatten wir dann an dem Tag übergeben. Dann durften wir ihn sehen... es sah nicht so schlimm aus, wie erwartet, von der Stelle der entnommenen Schädelplatte sah man nichts und es war auch nichts sehr geschwollen oder so. Zum Glück.. er war auf 35,8 Grad "gekühlt" und hatte ganz kalte Hände und Füße... der arme Papa.. ihm war sonst immer so kalt. Ist ja auch nix dran an ihm, wog ja nur 56kg :-( Da er corona-positiv war, mussten wir uns richtig krass "einkleiden". Schutzhemd, 2 Paar Handschuhe übereinander, FFP3 + OP-Maske, Haube und Schutzbrille. Irre, echt. WIe er so da lag hab ich mich beruhigt... man sieht es einem Menschen ja nicht an, wenn er hirngeschädigt ist und der Verstand lässt sich nur allzu willig täuschen. Mir ging es danach besser.. dachte, das wird schon wieder!! Es kommt mir vor als wäre das eine Ewigkeit her....


    Sein Zustand blieb stabil und am Sonntag fuhr ihn mein Mann auf dem Rückweg nach Hause (er musste arbeiten) besuchen... er verabschiedete sich von dem Mann, wie er ihn gekannt hatte, denn er hatte damals irgendwie als Einziger den Weitblick oder die Kraft, sich einzugestehen, dass der Papa nie mehr so werden würde, wie zuvor. Selbst wenn er das Aufwachen überlegen sollte. Man erzählte ihm an dem Tag, am Sonntag, dass Papa ohne Herzkreislaufunterstützung und mit nur wenig Unterstützung schon wieder selbst atmete.. und es war wieder die Rede von Reha. Wir haben uns Hoffnungen gemacht.. natürlich. Die Überlebenschancen stiegen auf über 10%. Jeder Tag mehr würde die Chancen erhöhen. Jetzt könnte ich mir ans Hirn klatschen aber klar, in dem Moment waren das große Erfolge!! Krass... echt :-(


    Montag war meine Mama dann da und die Ärzte sagten, dass sie ihm tagsdrauf aufwachen lassen wollen und vorher gerne mit uns telefonieren würden. Ab da wurde ich ganz ruhig.. ich habe nachts eine 3-Tages-Kerze angezündet und ein Foto von ihm aufgestellt und sogar gut geschlafen. Dienstag Früh, am 28.6., war ich organisiert und strukturiert. Wir warteten auf den Anruf, der um 10:00 kam. Sie wollten den Schlauch ziehen.. hatten die letzten zwei Tage schon langsam angefangen, ihn aufwachen zu lassen. Und er atmete selbst. Bekam nur eine Unterstützung in dem Sinn, dass sich die Lunge genug blähte, um den Sauerstoff ausreichend aufnehmen zu können. Das bekam er noch, Propofol - und neuerdings Morphium... wir sollten uns drauf einstellen, uns zu verabschieden. Ohne zu wissen, ob er vielleicht doch selbst weiterleben konnte - wenn auch nicht mehr bei Sinnen ;-( Wir waren 2 Stunden bei ihm, haben mit ihm gesprochen, ihn gestreichelt.. wir wurden gefragt ob wir gerne einen Seelsorger hätten, der Papa die letzte Ölung geben könnte und erstaunlicherweise war das sehr schön, obwohl wir alle nicht seeeeehr gläubig sind. Danach sind wir raus, damit der Arzt den Schlauch ziehen konnte.. wir waren extra mit 2 Autos da denn ich wollte UNBEDINGT bis zu bitteren Ende bleiben. Ich wäre auch die ganze Nacht bei Papa geblieben, ich hätte ihn niemals alleine gelassen. Das hätte er mich auch nicht, wer es umgekehrt gewesen. Tja und was soll ich sagen... dann ging es so schnell, dass wir fast zu spät waren bis wir eingekleidet waren. Der Unterschied vom Verlassen des Zimmers bis zum Wiedereintritt nur 20 Minuten später war so gravierend, dass ich dachte, er wäre schon tot. War er aber nicht.. ich war die letzten Minuten alleine mit ihm, habe seine Hand gehalten, mit ihm gesprochen und irgendwie auch völlig entsetzt zugesehen, wie sich sein Körper veränderte und die Linien auf den Monitoren eine nach der anderen flach wurden. Erst atmete er nicht mehr.... dann irgendwann.. spürte ich den Herzschlag nicht mehr, der Puls auf dem Monitor war mit einem "?" gekennzeichnet.. und dann, um 15:52, ging der Monitor aus. Mein Papa war tot ;(Er wurde so schnell kalt, auf Höhe der Rippen bekam er Flecken, das Gesicht war wachsig weiß/gelblich, der Mund stand weit auf... es war unbeschreiblich!! Der Mensch war mein Papa.. aber es war so schrecklich, das habe ich jetzt noch nicht verarbeitet. Auch wenn ich andererseits extrem dankbar bin, dass ich ihn begleiten durfte. Ich hoffe so sehr, dass er es gespürt hat, dass er nicht alleine war. Dass sein Hexlein bei ihm war bis zum Schluss. Mein Papa.. ;(<3 Im Endeffekt konnte er alleine atmen.. aber so schwach, dass die Lunge nicht genügend aufgepumpt (?) wurde, um den Körper mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen. Daher setzte irgendwann die Atmung aus und dann auch das Herz. Im Endeffekt war es dann Herzkreislaufversagen. Aber man sah auch deutlich, dass der eben NICHT aufgewacht ist.. und sollte er sein restlichen Leben so verbringen? Nein, das hätte es auch nicht sein dürfen. Das wird einem erst in diesem kurzen Moment bewusst.. und ist einerseits wichtig, um zu akzeptieren, andererseits schrecklich desillusionierend weil man auch in Frage stellt, ob er die letzten wenigen Tage überhaupt noch was mitbekommen hat. Was man sich ja wünscht. Ich wünschte mir, ich wäre beim Schlauch ziehen und sofort dabei gewesen :-(


    Ich dachte immer, dass ich mich in dem Fall nicht losreissen könnte aber seltsamerweise ging es.. nach einer halben Stunde bin ich gegangen.. einmal noch zurückgerannt und durchs Fenster geguckt.. aber dann bin ich los. Mein Bruder und meine Mama haben vor dem Zimmer gewartet und als wir wieder an der frischen Luft waren, haben wir kurioserweise erstmal auf einer Parkbank gesessen und jeder ein Snickers gegessen und etwas getrunken. Es war ja schon 16:30 oder später..


    Es ist noch alles wie im Nebel..

    Ich muss die Nachricht splitten:


    Hallo ihr lieben Menschen - danke für Euer "Ohr", bzw. "lesendes Auge"..


    Gestern war es genau zwei Wochen her, dass mein Papa nicht mehr da ist. Das habe ich zum Anlass genommen, um zum ersten Mal alles von der Seele zu schreiben. Aber ich habs nicht geschafft, es fertig zu stellen.. daher erst heute. Es ist so lang und noch nicht mal fertig.. aber es tut gut, es aufzuschreiben und in sich reinzufühlen. Und weil ich Angst habe, es zu vergessen. Niemand muss das lesen.. ich bin einfach so froh, diesen Raum hier gefunden zu haben.


    Drück Euch!!

    Manu



    Mein Papa wurde im April 66 Jahre alt. Seine Geburtstagskarte habe ich noch mit dem bekannten Liedtext von Udo Jürgens eingeleitet.. welch Ironie :-(

    Seit 3 Monaten bekam er Rentenbezüge und konnte sich langsam auf ruhigere Zeiten einstellen. Corona verbot nicht mehr alles, das Wetter war gut, er konnte den Garten endlich genießen und Pläne schmieden.


    Am 22. Juni bekam er dann aber während des Abendessens einen Schlaganfall. Meine Mum kennt sich mit sowas aus und hat blitzschnell erkannt und reagiert. Papa konnte die linke Seite nicht mehr bewegen, nicht mehr sprechen. Er rutschte vom Stuhl und meine Mum hat ihn mit Kissen gestützt und saß bei ihm, bis der RTW und die Notärztin kamen. Er hat sie die ganze Zeit mit großen Augen angeschaut und das sollte auch leider das letzte Mal gewesen sein..

    Er kam erst in ein KH bei uns in der Region, es wurden direkt alle Zugänge gelegt, Blutverdünner gegeben und festgestellt, dass er einen Pfropfen in der Halsschlagader hatte. Da dies wohl dort nicht entfernt werden konnte und er zudem corona-positiv war, wurde er in die Uniklinik einer anderen Stadt gebracht, die 1 Stunde von uns entfernt liegt. Wir hätten uns Großhadern gewünscht aber keiner weiß, warum er dann woanders hinkam. Vermutlich eine Mischung aus Kapazitäten, der Special OP und dem positiven Status.


    Zu diesem Zeitpunkt war ich mit 800 Menschen aus unserem Unternehmen auf dem Sommerfest, welches ich mitorganisiert hatte. Mein Mann rief mich um 23:00 an und sagte mir, dass mein Papa einen Schlaganfall bekommen hatte und er mich abholen würde. Meine Mum und er hatten ausgemacht, es mir erst nach Ende der Veranstaltung zu sagen, um mir den Abend nicht zu verderben, auf den ich mich so gefreut hatte. Zudem waren wir auf einem Schiff und ich hätte sowie nicht an Land gehen und können. Ich hab gar nicht kapiert, was er mir da gesagt hat! Wir wollten doch alle danach noch in die Kneipen ziehen und dann saß ich da auf dem Stuhl und hab mich erstmal voll innerlich dagegen aufgelehnt, so verrückt sich das anhört. Wie, mein Papa hatte einen Schlaganfall.. das kann nicht sein! Und: wie, ich kann nach 2 Jahren nicht traditionell mit den KollegInnen in die Kneipe gehen. Das muss echt der Schock gewesen sein. Natürlich bin ich NICHT in die Kneipe gegangen und das Gesagte sickerte so langsam ein während ich wartete bis mein Mann da war. Ich begann, mir große Sorgen zu machen. Auf dem Weg haben wir mit meiner Mama telefoniert, die berichtete, dass Papa nun in der anderen Klinik ist, das Zeitfenster optimal war und er dann um Mitternacht den Pfropfen entfernt bekommt und wir dann mal weiterschauen müssen. Zu dem Zeitpunkt keine Lebensgefahr. Es war vielmehr schon die Rede von Reha und dass wir das schon hinbekommen würden. Meine Mama hat ihre Oma, die 4 Schlaganfälle hatte, 7 Jahre lang gepflegt und wir alle haben Schlaganfälle immer nur mit körperlichen Einschränkungen verbunden oder mit Einschränkungen, die man wieder erlernen konnte. Wie falsch wir doch lagen :-(

    Nachts hatte sie dann nach der OP noch mit dem KH telefoniert, Papa war stabil, alles war gut gegangen, die Schäden nicht zu groß und morgen sehe man weiter. Wir konnten ein paar Stunden schlafen, wenn auch nicht viel. Da ich aufgrund meines Mannes 670km von daheim entfernt wohne, war ich tierisch unruhig, weil ich daheim sein wollte.


    Am nächsten Vormittag, Donnerstag, riefen die Ärzte an und baten meine Mutter, zu kommen. Mein Papa hatte wohl am Vortag im RTW erbrochen, etwas davon in die Lunge bekommen und bekam in Folge eine Lungenentzündung und Fieber und es sähe nicht gut aus. Er wurde ins Koma versetzt :-( Ab diesem Zeitpunkt war ich schon nur noch am Heulen und wollte unbedingt abends nach Hause fahren, hatte aber Mann und jungen Hund hier und ich war, ehrlich gesagt, auch gar nicht in der Lage. Ich hatte solche Angst... ich kann es Euch gar nicht sagen. Wir beschlossen, tagsdrauf, am Freitag Mittag, dann zu kommen. Als meine Mum am Donnerstag Nachmittag im KH ankam, hatte sich Papas Lage angeblich stabilisiert, die Temperatur wurde gesenkt. Wir waren erstmal erleichtert. Er wurde da gerade fürs CT fertig gemacht, welches von 10:30 vormittags auf Nachmittag und dann in ihrem Beisein NOCHMAL verschoben wurde. Auf dem Rückweg rief sie mich noch an und berichtete mir... dann gerade als sie zur Haustüre rein ist, hörte sie schon das Telefon klingeln. Die Ärzte waren dran: es gab eine Komplikation, wir müssten uns innerhalb von 15 Minuten entscheiden, ob sie operieren sollen oder nicht!! Sowas kann man nicht.. zumal uns keiner sagte, warum. Nur, dass der Hirndruck enorm angestiegen war und sie ein Stück Schädel rausnehmen müssten, um das zu lindern. Sollte er die Folgen der OP überleben - was bei 40% lag - wäre er danach ein 80 - 100% Pflegefall. Vielleicht blind, vielleicht stumm, auf jeden Fall rechtsseitig gelähmt... es sei schon so viel kaputt gegangen. Bei Nicht-OP würde er recht schnell aufhören zu atmen. Wir waren außer uns, haben wirr geredet, waren total überfordert. Das war soooo schrecklich, wir haben eine Telefonkonferenz einberufen und ich habe nochmal mit dem Neurochirurgen gesprochen. Am Ende haben wir uns nach einer dreiviertelten Stunde FÜR die OP entschieden, um alles versucht zu haben. Der Arzt rief schon dauernd abwechselnd auf dem Telefon meiner Mum und mir an.. Meine Welt stand still, wie soll man das ertragen? Wie soll man das entscheiden?


    Die OP dauerte recht lange und gegen 1 Uhr nachts dann die Meldung, dass er die OP an sich überlebt hatte. Alles weitere müsste man dann sehen.

    Am Freitag Mittag haben wir uns dann auf den Weg nach Hause gemacht. Meine Mama war im KH und rief auf dem Heimweg an... die linke Hirnseite war sehr kaputt, die Überlebenschance der folgenden Tage sank auf unter 5%. Es gab wohl eine Hirnblutung, die die linke Hirnhälfte abgedrückt hatte, sodass viel Gewebe abstarb - er bekam 6 Blutbeutel Transfusion. Er wurde voll beatmet, lag im künstlichen Koma und hatte ein handgroßes Stück Schädelplatte entnommen bekommen. Mein Mann ist gefahren.. ich kann mich gar nicht mehr an die restliche Fahrt erinnern. Diese brutale Angst um meinen Vater war da das allerallerschlimmste... kann ich nochmal mit ihm reden? Kann ich nochmal in seine Augen sehen? Hat er Schmerzen? Soll es das jetzt echt gewesen sein?? Das darf doch nicht sein!! Das alles ist auch im Rückblick noch so schmerzhaft, dass ich es kaum aushalten kann. Es zerfetzt einen!!


    Am Folgetag wurden Fragen in mir laut: warum musste
    man so schnell operieren? Was ist passiert? Warum wurde das CT verschoben? Wann und wie lange bekam er die Blutverdünner? Warum wurde die Blutung nicht erkannt, bzw. so spät und das bei DIESER Menge und warum hatte man uns das nicht gesagt?! Und und und.. meine beste Freundin ist glücklicherweise Ärztin und eine gute Anlaufstelle für erste Fragen.


    Mittags telefonierte ich eine halbe Stunde mit dem Anästhesisten und später fuhr ich mit meinem Bruder ins KH. Wir sprachen eine Stunde mit den zwei Anästhesisten und dem Oberarzt (der aber nicht dabei war bei der OP). Der Oberarzt war so unfassbar unemphatisch und riss ungelogen mehrfach Witze und schlug meinem Bruder sogar auf den Oberschenkel ob einer seiner unangebrachten Scherze. Den beiden Anästhesisten war das zusehends unangenehm.









    Hallo zusammen,


    heute kam mir der Gedanke, dass ein Austausch vielleicht gut tun könnte. Derzeit fühle ich mich verloren, hilflos und weiß nicht wohin mit meinen Emotionen.


    Am 28. Juni ist mein Papa nach 6 Tagen Bangen völlig unerwartet gestorben und ich bekomme überhaupt keinen "Packan" an die Situation. Ich weiß nicht, wie ich die Trauer greifen und verarbeiten soll und fühle mich wie ein Fähnchen im Wind... diese Woche bin ich noch krank geschrieben, danach haben wir 2 Wochen Urlaub (als ob...) und dann soll ich am 1. August wieder "frisch gestärkt und einigermaßen sortiert" zu arbeiten anfangen.


    Wie soll das gehen? Ich habe doch noch nicht mal begriffen, dass er nicht mehr da ist..