Beiträge von thelostsoul

    LIebe Theresachristina,


    es sind immer die besonderen Tage, die einem den Verlust nochmal viel präsenter machen. Ich freue mich aber für Dich, dass Du Menschen an Deiner Seite hast, die den Verlust und die Traurigkeit mit Dir tragen. Und es ist ein wunderschöner Gedanke, den Du geschrieben hast: ihr habt zusammen gegessen mit ihr in Eurer Mitte. Und darauf kommt es an: sie in unseren Herzen zu tragen - solange wir da sind, die uns erinnern und die sie lieben, so lange sind sie nicht tot sondern nur vorausgegangen. Ich fürchte mich vor den beiden 1. Todestagen, die sind im April und Mai bei mir und schon jetzt wird mir mulmig wenn ich daran denke.


    und liebe MichaelaH, auch meine Mama ist am 7. Mai - einen Tag vor ihrem Geburtstag gegangen......wie lange Jahre war der 8. Mai ein glücklicher Tag für mich und jetzt gruselt es mich davor......


    LG an Euch beide

    Karin

    Wie schön Carmen - für mich gibt es wenig schöneres als eine schneebedeckte Landschaft und die klare kalte Luft. Ich gehe nachher auch nochmal meine Lieben besuchen - muss nachsehen ob das Licht noch brennt. Ist mir irgendwie wichtig....


    LG Karin

    Liebe Sandra,

    ich möchte Dir ebenfalls mein Mitgefühl senden und auch ein großes Stück Kraft.


    Ich kenne es gut, wenn man Entscheidungen treffen muss die einem alles abverlangen. Auch ich stand vor der Situation ob ich meinem Vater sage, dass er an Krebs sterben wird oder ob ich es nicht tue. Ich habe eine Entscheidung getroffen aus Liebe zu meinem Vater so wie Ihr das ganz sicherlich aus Liebe für Eure Mutter getan habt. Und Ihr kennt Eure Mutter und wisst selbst viel besser als jeder Arzt, jeder andere Mensch was ihr zuzumuten war. Es ist gut so wie es ist.


    Zu dem doppelten Verlust in so kurzer Zeit kann ich nur sagen, dass ich Dich aus eigener Erfahrung so gut verstehen kann. Man ist einfach wie betäubt.


    Ich sende Dir eine ganz liebevolle Umarmung,


    LG Karin

    Liebe Carmen - auch bei uns hat der Schnee heute eine weiße Decke über die Landschaft gelegt. Das ist wunderschön anzusehen. Leider nur halt nicht wenn man - wie Du - zum Doc muss und die Strassen dann schlecht sind.


    Ich hoffe, Du kommst gut hin und wieder zurück. Pass gut auf Dich auf.


    LG Karin

    es ist wirklich gut Euch zu haben auch wenn wir uns alle einen anderen Anlass gewünscht hätten um vielleicht miteinander zu schreiben oder durch Zufall uns zu treffen.


    Trotzdem tut es unheimlich gut Menschen gefunden zu haben, die zuhören und verstehen. Wer noch nicht in unseren Schuhen gestanden ist hat keine Ahnung wie das ist. Die Menschen meinen es oft sicherlich nicht böse wenn sie sagen es muss langsam wieder normal werden oder sie waren doch alt oder sonst irgendwelche allgemeingültigen Aussagen. Sie verstehen es einfach nicht weil sie es selbst noch nicht erlebt haben. Man kann Trauer nicht einfach abstellen wie einen Wasserhahn, man kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen wenn ein geliebter Mensch nicht mehr da ist. Man kann wirklich nur langsam - sehr langsam - lernen damit zu leben, damit umzugehen. Und dafür braucht jeder seinen eigenen Weg und seine eigene Zeit. Es gibt nichts allgemeingültiges.


    Ameliea und Bettinalein : ihr seid wirklich zwei so nette und aufmerksame Menschen - ich glaube unsere Schicksale ähneln sich sehr und wir verstehen uns deshalb so gut. Ja, es ist nicht einfach wenn man keine Familie und wenige Freunde hat - das alleine durchzumachen kostet unendlich viel Kraft. Oft hätte ich mir so sehr gewünscht jemanden zu haben bei dem ich mich einfach einmal fallen lassen kann. Aber nun, es war halt einfach nicht so. Ich hoffe, das erlebte macht uns irgendwann einmal stärker. Ich hoffe auch, dass ich meine Beiden irgendwann einmal wiedersehen darf in welcher Form auch immer. Das hält mich aufrecht und tröstet mich wenns mal wieder besonders schlimm ist.


    MichaelaH : Dir ebenfalls einen ganz lieben Dank für die lieben Worte und die liebe Umarmung, ich sende auch Dir eine zurück.


    LG thelostsoul

    Ihr Lieben,


    ich bin wirklich total ergriffen und überwältigt über Eure liebevollen Antworten und die Aufnahme hier bei Euch.

    Wenn wir auch alle wünschten keinen Grund zu haben hier zu sein tut es einfach nur gut sich aussprechen zu dürfen und verstanden zu werden.


    Ich habe mir gerade meinen ersten Post noch einmal angesehen und war erschrocken wie lange dieser geworden war. Ich hoffe Ihr seid mir deshalb nicht böse aber ich konnte bisher nicht wirklich darüber sprechen - es ging einfach nicht. Und so hatte ich hier angefangen zu schreiben und konnte irgendwie nicht mehr aufhören.


    theresachristina : ich habe mitgelesen und mitgeweint wenn du über deine Mama geschrieben hast. Es ist meinen Erlebnissen so ähnlich nur bist du und war deine Mama viel jünger. Es ist einfach furchtbar was diese Krankheit in kürzester Zeit aus einem Menschen macht. Fühl dich gedrückt- ich kann so gut verstehen.


    Bettinalein : danke dir sehr fürs mitfühlen und die liebe Aufnahme - ich fühle auch mit dir - eine Mama zu verlieren ist furchtbar- in jedem Alter


    Kathi57 : um Himmels Willen - auch dein Sohn. Das ist unvorstellbar - sein Kind zu verlieren ist das schlimmste das ich mir vorstellen kann. Das ist so nicht vorgesehen und ich kann deinen Schmerz mitfühlen auch wenn ich selbst kinderlos bin. Ja, für jeden anderen geht das Leben weiter nur man selbst steht alleine da und fragt sich nach dem Sinn. Ich habe darauf auch für mich noch keine Antwort gefunden aber im Moment lebe ich für meine Eltern jeden Tag weiter - ich habe es versprochen.


    Babajaga912 und mischi: ich danke Euch sehr - ja es ist tatsächlich so wie im Hohelied der Liebe geschrieben: Liebe kann alles….


    Mena : oh ich verstehe dich so gut - gerade bin ich wieder in der Wohnung meiner Eltern. Ich muss ausräumen so schwer mir das fällt weil ich mir meine Wohnung und die meiner Eltern nicht leisten kann und somit meine aufgeben muss und hier einziehen werde. Die Wohnung meiner Eltern aufzugeben kann ich nicht ich habe es meiner Mama versprochen - es war ihr so wichtig. Aber es ist unendlich schwer alles was ihnen lieb und teuer war wegzugeben. Nimm dir deine Zeit solange es geht und du brauchst das ist für deine Seele wichtig. Und ja, nach einer gewissen Zeit ist man vielen Menschen unangenehm mit seiner Trauer - ich ziehe mich mehr und mehr zurück. Bleib stark und melde dich hier wenn ich helfen und zuhören kann.


    Pia1962 : ja, es war viel und anstrengend und in weiten Teilen furchtbar aber es ist wirklich so, dass die Liebe einen durch solche Situationen durch trägt. Ich hätte mir das vorher niemals vorstellen können, war doch meine größte Angst immer Krebs. Aber man merkt wohl immer nur wie stark man ist wenn die einzige Option die man hat ist stark zu sein.


    Ameliea : da sind wir ja wirklich Schwestern im Geiste. Ich beneide immer Menschen die Geschwister und/oder eigene Familie haben. Man ist schon sehr sehr alleine am Krankenbett und erst recht am Totenbett. Ganz zu schweigen von nachher. Ich hoffe, Du hast wenigstens ganz viele Freunde die dir zur Seite stehen. Bei mir ist es eine einzige Freundin die mich trägt. Ich drücke dich fest und schicke dir Kraft


    Kiry : ja es ist wirklich schwer beide Eltern in so kurzer Zeit zu verlieren. Und viele Menschen verstehen das nicht und sagen mir die beiden wären doch sehr alt geworden. Ja das stimmt und ich bin so dankbar für die Zeit aber ich habe beide so unendlich leiden sehen und das hat mir das Herz gebrochen. Es ist wirklich schwer wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden- oft fühlt es sich für mich an als wäre ich unter einer schweren grauen Decke und es kostet mich schon fast alle Kraft morgens aufzustehen. Aber es geht mir ganz genauso wie dir: ich bereue es nicht. Fühl dich gedrückt.


    Euch allen nochmal herzlichen Dank für die liebevolle Aufnahme hier und ich habe immer ein offenes Ohr für Euch.


    LG Karin

    Liebe Maike,


    herzlichen Dank für Deine freundlichen Worte.


    Ja, ich bin ein anderer Mensch als ich vorher war und ich weiß leider nur nicht, ob ich mir so gefalle. Ich bestehe eigentlich nur noch aus Traurigkeit, Müdigkeit, Erschöpfung, Vergessen und Schuldgefühlen gegenüber meinen Eltern. Und damit gehe ich meinem Umfeld ziemlich auf die Nerven - aber ich komme nicht heraus aus der Spirale.


    Danke Dir, dass Du Dir meinen endlos Text angetan hast - ich hätte aber nicht gewusst in dem Moment wie ich kürzer hätte formulieren können.


    Dein Verlust tut mir ebenfalls sehr leid - ich kann mir nur ansatzweise vorstellen wie das für Dich ist und war.


    Sei ebenfalls umarmt

    Karin

    Teil 3

    Mama wollte dann nach Rücksprache mit den Ärzten eine recht harmlose Chemo versuchen. Mitte Februar wurden beide zusammen nach Hause entlassen - ich hatte mit dem Sozialdienst der Klinik zusammen beide in Pflegestufe 2 einstufen lassen können und auf die Schnelle einen Pflegedienst gefunden, der zweimal täglich kam und sie bei der Körperpflege unterstützt hat - alles andere habe ich übernommen.


    Ich habe Mama zu ihrer ersten Chemo begleitet - sie hat sie leider überhaupt nicht vertragen. Am Nachmittag war es ihr entsetzlich schlecht - ich habe mit den Ärzten gesprochen und Tabletten geholt und sie zuhause so gut es ging gepflegt und für Erleichterung gesorgt.


    Inzwischen hatte ich Kontakt zum Hospiz aufgenommen, es kam der ambulante Dienst zu einem Gespräch vorbei und hat beide in die Versorgung aufgenommen. Mein Papa hat das abgelehnt - er hatte keine Schmerzen und war mit der Sauerstoffversorgung einigermassen ok. Mama hatte große Schmerzen und Übelkeit und sie bekam einen Notfallplan mit starken Medikamenten und wurde in die Rufbereitschaft aufgenommen. Die Pfleger, die uns zuhause besucht haben sagten, dass es bei Mama sehr schnell gehen würde - ich konnte und wollte es nicht glauben.

    Ich bin jeden Morgen zu Ihnen gefahren, habe ihnen Frühstück gemacht, habe Mittagessen nach ihren Wünschen gemacht, eingekauft, Tee gekocht, gelagert, zugehört, Medikamente vorbereitet, Rezepte geholt, Arzt- und Kassengespräche geführt. Und ich habe es gern gemacht. Ich selber war mir nicht wichtig - Freunde haben sich Sorgen gemacht aber ich wollte das nicht hören. Wir haben keine Familie hier, ich habe keine Geschwister und meine Eltern keine guten Freunde hier. Wir waren also vollkommen alleine.


    Meine Mama ist nach ihrer ersten Chemo ins Krankenhaus gekommen, sie hatte einen schweren Infekt und ihr Bauchwasser musste innerhalb weniger Tage mehrfach punktiert werden. Papa war zuhause und wir haben auf die Genehmigung seiner neuen Therapie gewartet.


    Dann habe ich Papa, der sich inzwischen gut erholt hatte zu seiner neuen Therapie gebracht - diese hatte er augenscheinlich gut vertragen. Mama hat eine zweite Chemo mit halber Dosis versucht und kam erneut mit einem schweren Infekt für eine Woche ins Krankenhaus. Ich bin zwischen ihr und Papa gependelt.


    Mama sprach kaum noch mit mir und Papa und lag immer nur im Wohnzimmer auf der Couch und hat geschlafen. Sie hat kaum noch gegessen, egal was, sie hat die Astronautenkost abgelehnt und war mir sehr böse wenn ich sie gebeten und gebettelt habe zu essen. Mir war das einfach wichtig, ich dachte wenn sie isst dann geht es ihr einigermassen. Aber sie konnte wohl nicht mehr und ich hab das so nicht erkannt.


    In der Nacht zu Ostersonntag hat Papa angerufen, Mama wäre gestürzt im Wohnzimmer und er könnte sie nicht aufheben. Als ich dorthin kam lag Mama auf dem Boden und hat aus einer Kopfwunde geblutet. Ich habe sofort den Rettungsdienst gerufen, sie kamen und nahmen Mama mit. Papa konnte sich nicht mehr auf den Füssen halten und ging ins Bett - ich fuhr hinterher ins Krankenhaus und blieb 12 Stunden mit Mama in der Notaufnahme. Dann wurde sie Ostermontag auf Station verlegt. Zwischenzeitlich ging es in der Nacht auf Ostermontag Papa schlecht, er hatte Luftnot trotz Sauerstoffgabe. Da wir am Dienstag ohnehin wieder zu seiner Therapie ins Krankenhaus mussten haben wir das abgewartet. Dienstag ging es ihm nicht gut und im Krankenhaus sagten sie, die Therapie hätte zu gut angeschlagen und es wären so viele Krebszellen zugrunde gegangen dass das nun zu Nierenversagen und Luftnot führen würde. Er kam wieder ins Krankenhaus auf die Nachbarstation von Mama.


    Ich habe beide täglich besucht und nach zwei Tagen haben sie die beiden wieder zusammen in ein Zimmer gelegt. Am Freitag kam ich zu Besuch und mein Papa war ganz furchtbar unruhig weil er Luftnot hatte. Er bekam Morphin gespritzt. Ich habe noch mit dem Arzt gesprochen, er hat ihn noch untersucht und sagte es wäre nichts zu sehen an der Lunge. Die Niere würde sich gerade erholen. Papa lag im Bett wie ein Embryo als ich gegangen bin - ich dachte er erholt sich sicher bald. In der Nacht rief Mama an und sagte, dass Papa gestorben sei. Ich bin sofort hin - er starb im Bett neben Mama - wahrscheinlich ohne etwas davon zu merken. Als ich kam lag er in einem leeren Zimmer, zugedeckt im Bett. Ich bin zu ihm, habe ihn abgedeckt, habe ihm gesagt wie sehr ich ihn liebe, habe ihn gestreichelt und geküsst. Und dann bin ich mit meiner Mama zu ihm - wir haben uns gemeinsam verabschiedet - das Fenster geöffnet damit die Seele frei sein kann. Danach haben wir ihn zugedeckt und ich habe Mama in ihr Bett gebracht, bin noch etwas bei ihr geblieben und um zwei Uhr nachts weg. Am nächsten Tag habe ich die Beisetzung organisiert und mich um die weiteren organisatorischen Dinge gekümmert und dann bin ich zu Mama.


    Sie war gefasst aber wieder sehr weit distanziert. Sie wollte gerne nach Hause - aber so sehr ich das gewollt hätte, ich konnte sie nicht mitnehmen. Sie konnte ja zu diesem Zeitpunkt nichts mehr essen und trinken und auch keine Medikamente nehmen. Ohne diese hatte sie aber starke Schmerzen und starke Übelkeit. Ich habe dann im Krankenhaus alle Hebel in Bewegung gesetzt so dass Mama auf die gerade eröffnete Palliativstation verlegt werden konnte. Dort hatte sie ein sehr schönes Einzelzimmer und die Pflegekräfte haben sich rührend um sie gekümmert . Sie und ihre Wünsche und Bedürfnisse standen im Mittelpunkt - man hat sie nicht mehr gequält sondern versucht ihr Freude zu bereiten. Eineinhalb Wochen nachdem Papa gestorben war hat die Klinik mir gesagt es wäre besser, wenn ich jetzt bei Mama bleiben würde. Ich habe dann noch zwei Nächte bei ihr geschlafen. Sie hat mich nicht mehr erkannt glaube ich und sie konnte auch nicht mehr sprechen. Der Atem hat furchtbar gerasselt. Die Schmerzmittel mussten so hoch dosiert werden, dass sie im Dämmerschlaf war. Sie hat nur immer mit ihren unglaublich großen Augen in die Gegend geschaut und den Arm auf der Suche nach Halt hochgestreckt. Es wär für mich so herzzereißend anzusehen. Am Samstag, wenige Stunden vor ihrem Geburtstag hat sie versucht mir etwas zu sagen. Ich habe mich so sehr bemüht aber konnte sie nicht verstehen. Ich habe ihr dann gesagt, dass sie gehen kann wenn sie gehen muss. Dass ich sie liebe, dass ich zurechtkomme, dass sie mir alles beigebracht hat was ich brauche im Leben. Dass ich sie nie vergessen werde und sie immer im Herzen haben werde. Ich habe ihr Lieder gesungen, ich habe sie gestreichelt und dann hat sich ihr Atem verändert. Ich bin still bei ihr gesessen und habe zugehört wie sie gestorben ist. Ich habe mich nicht getraut sie ganz in den Arm zu nehmen oder etwas zu sagen weil ich dachte, ich halte sie sonst fest und sie kann nicht gehen und quält sich noch mehr. Und dann war sie tot - meine Mama war auch nicht mehr da. 14 Tage nach meinem Vater ist sie gestorben und ich war alleine. Ich habe dann noch der Schwester geholfen, sie zu versorgen und fertig zu machen. Dann habe ich sie mit der Decke zugedeckt, die ich für sie gehäkelt hatte und habe mich verabschiedet und bin gegangen.


    Ich habe dann nur noch funktioniert, beide Begräbnisse organisiert, das Grab gekauft, die Beerdigung durchgestanden. Die Grabstelle fertig gemacht - die ganzen organisatorischen Dinge, die ein Sterbefall mit sich bringt. Ich habe viel geweint und war innerlich wie tot. Keine Freude, kein Glück, kein Schmerz nur unendliche Traurigkeit.

    Bis heute konnte ich ihre Wohnung nicht ausräumen - es ist wie eine Sperre und es ist schon acht Monate her. Irgendwie glaube ich, dass sie irgendwann zur Türe hereinkommen und alles ist nie passiert.

    Ich bin nicht mehr dieselbe seither, ich kann keine Freude mehr empfinden. Nach aussen hin tue ich so als wäre alles schon wieder ok aber innerlich bin ich wie gelähmt, wie abgestorben. Die Zeit war so entsetzlich für mich - ich finde mich gar nicht mehr.


    Bitte entschuldigt die lange Geschichte - sie ist ganz sicher auch furchtbar durcheinander geschrieben. Aber ich wollte mir das so gerne einfach einmal von der Seele schreiben weil ich auch niemanden habe, der sich das anhören möchte. Alle möchte gerne, dass ich wieder normal bin und es ist doch schon so lange her und sie waren doch alt und krank. Ich begreife das ja auch intellektuell aber mein Herz ist trotzdem gebrochen - meine Eltern sind nicht mehr da - beide nicht mehr - innerhalb von 14 Tagen einfach weg.


    Danke fürs Lesen wer es bis dahin geschafft hat.

    Eure thelostsoul

    Teil 2

    Mitte Januar hat meine Mama dann angefangen sich immer wieder zu übergeben. Papa war wieder im Krankenhaus zu der Zeit. Sie konnte nichts mehr essen, es war ihr immer schlecht und sie hat 10 kg abgenommen. Dass sie abgenommen hatte ist mir gar nicht aufgefallen gewesen - wahrscheinlich war ich viel zu sehr mit den Sorgen und Nöten um Papa beschäftigt. Sie sagte, es wäre ganz sicher deswegen weil sie sich wegen Papa so gesorgt hat und aufgeregt hat. Als sie eine Woche lang fast nichts mehr essen konnte und alles erbrochen hat ist sie zum Hausarzt gegangen. Ich war dabei. Er sagte, es wäre eine Magenschleimhautentzündung, gab ihr Medikamente und Essensempfehlungen. Es wurde leider nicht besser. Ich habe den Arzt wieder angerufen, er sagte das wird schon. In der Zeit bin ich entweder im Krankenhaus bei meinem Papa oder im Testzentrum wegen Coronatest oder bei meiner Mama um ihr etwas zu kochen und sie zu trösten. Nachdem sich wieder einige Tage nichts gebessert hat habe ich meine Mama zum Arzt gebracht um sie nochmals ansehen zu lassen. Er machte ein Ultraschall, ich war bei ihr gesessen. Dann sagte er, dass sie freie Flüssigkeit im Bauch hätte und das wäre nie ein gutes Zeichen und wenn er sie wäre würde er nichts mehr machen lassen....Wir bekamen eine Überweisung ins Krankenhaus und sollten sofort dort hin. Ich habe in meiner Verzweiflung dann den behandelnden Arzt meines Vaters (der ja auch im Krankenhaus war) angerufen und er organisierte, dass wir in die Notaufnahme kommen durften. Dort hat man meine Mama mit Ultraschall untersucht und festgestellt, dass sie ganz ganz ganz viel unverdautes im Magen hatte und hat ihr eine Magensonde gelegt - es kamen fünf Liter zu Tage. Dann hat man sie ins CT gebracht und anschließend wieder zurück. Ich habe sie überall hin begleitet. Nach Stunden kam dann ein Arzt vorbei und holte mich von meiner Mama weg. Am Tresen der Notaufnahme hat er mir dann eröffnet, dass es ihm so leid tun würde aber meine Mama hätte unheilbaren Bauchspeichendrüsenkrebs der auch schon gestreut hätte. Und ich soll das bitte meiner Mama sagen. Mir zog es den Boden unter den Füssen weg, ich musste mich erstmal kurz setzen und bin dann zurück zu meiner Mama. Sie sag mich an und sagte: Krebs oder ? Und dann habe ich ihr die Diagnose gesagt und wir haben uns in den Arm genommen und zusammen geweint. Mama hat mir dann versprochen, dass wir alles so lange es geht so normal wie möglich machen. Sie kam dann auf dieselbe Station wie mein Vater aber in verschiedene Zimmer. Ich konnte meinem Vater das nicht sagen wie es um Mama steht, nur dass sie im Zimmer neben ihm wäre. Mama hat es ihm dann selbst nach zwei Tagen gesagt - leider nur telefonisch weil sie sich (obwohl in nebeneinanderliegenden Zimmern) wegen Corona nicht besuchen durften. Ich bin jeden Tag zu beiden zu Besuch gekommen, musste mich vorher immer testen, anmelden und zu beiden gehen. Zwischendurch war die Station dann immer wieder wegen akuter Coronafälle komplett für Besucher geschlossen, so dass ich dann nur Kleider und Getränke über den Patientenbegleitservice schicken.


    Nach ein paar Tagen legten die Schwestern netterweise beide in ein Zimmer zusammen. Papa hatte plötzlich heftige Herzrhythmusstörungen und es wurde ihm ein Herzschrittmacher implantiert. Das musste ich entscheiden, die Ärzte haben mich gefragt. Ich habe mir sehr schwer damit getan - das musste alles innerhalb weniger Minuten entschieden werden und ich hatte Angst, dass er damit dann nicht sterben könnte wenn es soweit wäre. Aber wir haben der Implantation zugestimmt und es ging ihm damit besser. Er hatte nur so entsetzlich geschwollene Arme und Beine und noch immer eine Haut wie ein Elefant - das kam noch von der - mittlerweile abgesetzten - Tablettenchemo.

    Mama hat sich innerhalb weniger Tage wahnsinnig verändert. Wir waren uns immer so nah, haben uns jeden Tag gesehen, jeden Tag mehrfach telefoniert. Sie war der wichtigste Mensch in meinem Leben. Und plötzlich hat sie sich ganz zurückgezogen, ging nicht mehr ans Telefon, hat kaum noch mit mir gesprochen. Ich konnte sehen, wie schlecht es ihr ging und ich konnte mir nur vorstellen was das alles mit ihr machte - ich habe sie verstanden.

    Liebe Alle,

    ich habe bisher nur still mitgelesen und so manchen Trost aus Euren Konversationen gezogen. Jetzt will ich versuchen doch auch einmal meine Geschichte aufzuschreiben.

    Ich bin nicht mehr ganz so jung (56 Jahre) aber ich habe letztes Jahr meine beiden Eltern verloren - die Umstände waren nicht schön.


    Zuerst hat mein Vater aus heiterem Himmel in 2019 die Diagnose Schilddrüsenkrebs mit Lungenmetastasen in einem unheilbaren Stadium erhalten. An meinem Geburtstag habe ich mit dem Arzt ein Telefonat geführt in dem er mir eröffnet hat, dass mein Vater angeblich nur noch wenige Wochen zu leben hat und er ersticken und verhungern würde. Ich habe ihn gefragt ob das schon gesichert sei - er sagte das Ergebnis der Biopsie sei noch nicht zurück. Daraufhin habe ich ihn gebeten, meinem Vater das nicht so zu sagen sondern das Ergebnis der Biopsie abzuwarten - dass er Krebs hat das wusste er ja schon aus dem Krankenhaus. Im Endeffekt ergab die Biopsie dann einen nicht zu behandelnden Schilddrüsenkrebs aber eine Variante mit der er noch einige Zeit leben kann.


    Er wurde operiert und dann hat man ihn nur beobachtet, alle 6 Monate eine CT und ein Gespräch mit dem Arzt. Von der Operation hat er sich recht gut erholt und hatte dann eineinhalb recht gute Jahre. Dann aber hatte er plötzlich eine Schwellung am Kiefer und unter dem Kinn - natürlich war der Krebs zurück und auch die Lungenmetastasen sind rapide gewachsen. Er bekam dann eine Chemo in Tablettenform, die er zwei Wochen lang recht gut vertrug aber dann ging es los. Seine Haut am ganzen Körper war wie eine Elefantenhaut, er konnte nichts mehr essen und kaum noch aufstehen. Zu Nikolaus 2022 bekam er dann wohl eine Lungenembolie und musste ins Krankenhaus. Jeder, der zu Coronazeiten einen Menschen in ein Universitätskrankenhaus begleiten musste kann verstehen wie das war. Er kam in die Notaufnahme und wir saßen dort über 10 Stunden, danach wurde ich heimgeschickt und er musste in der Notaufnahme bleiben. Erst am Morgen wurde er auf die Station verlegt. Dort musste er zwei Wochen bleiben, war an Sauerstoff angeschlossen und konnte nichts essen, kaum einmal kurz aufstehen - er wurde jeden Tag weniger. Der Arzt hat ihn dann am 22.12.2022 entlassen und sagte zu mir: das ist sein letztes Weihnachten. Ich konnte das meinen Eltern nicht sagen......Ich habe noch schnell alles für zu Hause organisiert - er brauchte ja 24 Stunden Sauerstoff und dann habe ich nur noch gehofft und gebetet, dass über die Feiertage nichts zusätzlich passiert - es hätte uns wohl keiner geholfen.


    Meine Mutter war vollkommen am Ende ihrer Nerven - sie hatte große Angst um ihn. Weihnachten ging vorbei und er erholte sich ein klein wenig. Die Ärzte hatten eine neue Therapie mit Antikörpern beantragt und er schöpfte Hoffnung - Mama und ich auch. Ich war fast nur noch bei Ihnen, habe mein Leben komplett aufgegeben und das gerne. Ich konnte von zu Hause aus arbeiten und habe das von ihrer Küche aus gemacht. Ich habe mich während der ganzen zwei Jahre in denen mein Vater mit dem Krebs kämpfte immer alles für sie organisiert. Die Arzttermine, die Ergebnisbesprechungen - der Arzt hat nur mit mir gesprochen und ich musste meinem Vater und meiner Mutter alles erklären und für sie verständlich machen. Das habe ich von Herzen gerne gemacht aber es macht etwas mit einem wenn man seinen Eltern immer wieder erklären muss, dass der Krebs tödlich sein wird und fortschreitet. Ich hätte mir so oft gewünscht, dass das die Ärzte gemacht hätten. Während dieser Zeit war ja auch Corona - ich habe also meine beiden Eltern zuhause gehabt und habe für sie alles eingekauft und nach Hause gebracht. Gekocht hat meine Mama und sich um das leibliche Wohl meines Vaters gekümmert.