Beiträge von Ride On

    Hallo liebes Forum

    Ich wollte einfach mal wieder "hallo" sagen, Hallo in eine Runde von lieben Menschen, die mich verstehen, weil sie ähnliches erlebt haben.

    Es ist jetzt ein halbes Jahr her und noch kein bisschen leichter. Ich denke unzählige Male jeden Tag an ihn und kann "es" immer noch nicht realisieren, geschweige denn akzeptieren. Vor allem abends, wenn ich meine Tochter ins Bett bringe und kaum Ablenkung habe, kommen die Gedanken. Die Erinnerungen daran, was er in seinen letzten Monaten aushalten musste, quälen mich. Und diese Endgültigkeit macht mich noch immer so unfassbar wütend. Mit allem Geld der Welt..Ich könnte mich auf den Kopf stellen und es gäbe keine Möglichkeit, ihn zurückzuholen. Ich möchte so gern mit ihm reden, so gern... Wie soll man das akzeptieren und damit leben? Ich habe das Gefühl, wir (unsere Eltern, seine Frau und Sohn, und ich) leben um ein großes schwarzes Loch herum. Er hat so eine große Lücke hinterlassen. Er fehlt einfach so...

    Meine Psychotherapeutin ist etwas verwundert angesichts meiner großen Trauer, sie kenne das eher vom Tod von Eltern oder Partnern. Kann ich nicht verstehen...

    Es wird alles nicht leichter. Es ist noch gar nicht lange her, der Schmerz ist noch unerträglich groß wie vor einem halben Jahr, und gleichzeitig ist es doch so lang her, dass ich das Gefühl habe, meine Umgebung erwartet, dass ich jetzt wieder "zur Normalität übergehe". Ich "funktioniere" ja eh, mache meinen Job, arbeite, tue. Aber "normal".... Normal wird für mich nie wieder irgendwas sein...

    Ich könnte hier seitenweise schreiben, aber die Nachrixht ist schon lang genug.

    Vielen Dank, dass ich euch hier zuquatschen und zujammern darf.

    Liebe Grüße an alle Menschen da draußen

    Ricarda

    Was du von der Beerdigung erzählst, klingt wirklich furchtbar. Dass, finde ich, ist auch eine der vielen Sachen, die einen Tod von Geschwistern so furchtbar macht: dass man seine Eltern so leiden sehen muss. Wie geht es deiner Familie inzwischen?


    Was du zu deinem Verhältnis zu deinem Mann gesagt hast, kommt mir bekannt vor. Mein Mann kannte meinen Bruder zwar schon recht gut, aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass er meinen Schmerz nicht nachvollziehen kann und bin lieber bei meinen Eltern als bei ihm. Ich fühle mich ihm gegenüber auch manchmal schuldig, weil unsere Beziehung dauernd so belastet ist und ich nicht die lockere, gut gelaunte Ehefrau bin, und habe das Gefühl, ich muss bald wieder "normal" werden.


    Die Beerdigung meines Bruders war für mich irgendwie... komisch. Seinen Namen auf der Tafel auf dem Friedhof zu lesen, war furchtbar. Es war einfach so falsch. Auch meine Eltern haben dann sehr geweint. Als wir am Grab selbst dann waren... Ich weiß auch nicht... Irgendwie hatte ich dann auch ein Gefühl von "Jetzt ist alles so, wie er das geplant. Die Musik hat er ausgesucht, die Urne hat er ausgesucht, der Platz hätte ihm gefallen, die richtigen Freunde sind da, das Wetter ist schön". Diese richtigen "Rahmenbedingungen" haben mich irgendwie beruhigt, weil ich mir vorher viele Gedanken gemacht hatte, ob es alles so wird, wie er es gerne gewollt hätte. Durch die Beerdigung ist es für mich aber nicht realer geworden oder so, das war es vorher auch schon. Und Abschied genommen hatte ich, als er im Sterben lag bzw. auch noch kurz danach, aber für mich bedeutete die Beerdigung nicht Abschied nehmen.

    Dass das Gefühl der Leere danach noch deutlicher war, kann ich aber nachvollziehen. Jetzt hat man irgendwie nicht mehr so viel zu tun/zu planen und könnte eigentlich zur Normalität übergehen, wenn da nicht... Tja, wenn da nicht dieses furchtbare, fast körperlich schmerzende Vermissen wäre.


    Für mich ist mit meinem Bruder auch meine Kindheit gegangen, an die irgendwann nur noch ich Erinnerungen haben werde, unsere Running Gags, mein fester Rettungspunkt, zu dem ich immer fliehen konnte... Mein kluger, immer einen guten Rat gebender, großer Bruder. Warum nur...

    Wir alle kennen diesen unsäglichen Schmerz, einen geliebten Menschen gehen zu lassen... ihn nicht mehr um sich zu haben... Das ist etwas, das einem ersteinmal den Boden unter den Füssen wegzieht...

    Dein Bruder wird auch weiterhin an euerem Leben teilhaben und bei euch sein - auf ganz andere Weise! Aber das braucht ganz viel Zeit bis das im Herzen und in der Seele ankommen darf...

    Bis dahin heißt es einfach Tag um Tag zu bestehen.

    Liebe Ricarda,

    was manche ( viele) auf ihrem Erdenweg erleiden müssen ist so unfassbar.

    Hier wirst Du Menschen finden denen es genau so ergangen ist.

    Das ist ein kleiner Trost…

    Ich fühle mit Dir.
    Nicole

    Danke euch beiden für die netten Worte. Es tut wirklich gut, unter Menschen zu sein, die verstehen, wie es einem geht. Bei vielen anderen in meinem Umkreis fühle ich mich so unverstanden. Hab das Gefühl, dass jetzt, nach einer Woche, die Trauer schon "unbequem" wird. Oder ich hab das Gefühl, "die mit der traurigen Geschichte" zu sein, man hört sich alles an und denkt danach "Ach, wie gut, dass es mich nicht getroffen hat". Auch kein schönes Gefühl. Bin aber wohl auch empfindlich zurzeit. Man kann es mir nicht so leicht recht machen.


    Auch deine Worte fühle ich zu 100 %. Furchtbar, was du erleben musstest.

    Du sagtest auch, dass deine Beziehung auch so überschattet von allem war. Wie geht es deiner Beziehung? Hast du das Gefühl, die furchtbaren Erlebnisse und das gemeinsame Traurig sein schweißt euch zusammen oder trennt es dich eher noch weiter von deinem Partner?

    Und wie war die Beerdigung? Wie ist es dir seitdem ergangen? Hat dieser symbolische Abschied "gut" getan (naja, gut sicherlich nicht, aber ich hoffe, du weißt was ich mein) oder ist die "Leere" seitdem eher noch schlimmer?

    Olivia, ich fühle so sehr mit dir.

    Am Donnerstag ist mein 36jähriger Bruder gestorben. Ihn hat der Krebs auch schier aufgefressen. Er war auch nicht mehr er, es war eine Erlösung für ihn und dennoch, genau wie du sagst, war und ist alles so viel schlimmer als zuvor ausgemalt.

    Deine Worte sprechen mir so sehr aus dem Herzen.

    Ich fürchte, ich kann dich nicht trösten... Manchmal hilft zumindest mir bei all dem Hadern mit der Ungerechtigkeit des Lebens und dem ewigen "Warum nur er" schon die Erinnerung daran, dass auch bei anderen Menschen das Schicksal schwer zugeschlagen hat. Fair ist das Leben einfach nicht.

    Dennoch tut es mir furchtbar Leid für dich, dass auch du diese unendlich schmerzhafte Erfahrung machen musst.

    Ich versuche mich mit der Vorstellung zu trösten, dass es meinem Bruder (und vielleicht auch deiner Schwester) dort, wo sie jetzt sind, unheimlich gut ist.

    Und irgendwann sehen wir sie wieder.

    Hallo liebes Forum


    Am Donnerstag ist mein großer Bruder nach sehr schwerer Krankheit in unseren Armen gestorben. Wir, unsere Eltern, seine Frau und ich, haben seine letzten drei Tage gemeinsam mit ihm verbracht bis zum Ende. Ich bin sehr froh, dass ich bei ihm sein konnte. Dennoch weiß ich nicht, wie ich diese Eindrücke verarbeiten soll. Und noch weniger weiß ich, wie ich mich damit abfinden soll, dass er nun einfach nicht mehr da ist. Ich hatte einige Wochen Zeit mich gedanklich "vorzubereiten", aber diese Endgültigkeit hat mich nun dennoch umgehauen. Ich kann nie wieder mit ihm reden, ihn nie wieder um Rat fragen, ihn nie wieder umarmen. Wie soll ich damit nur leben.


    Er war mir sehr, sehr wichtig. Wir hatten immer viel Kontakt, er hat ganz in der Nähe gewohnt. Sein zweieinhalb jähriger Sohn und meine eineinhalb jährige Tochter spielen gern miteinander. Ich bin die Patentante seines Sohns, er war der Patenonkel meiner Tochter. Ich dachte, wir würden ihnen zusammen beim Aufwachsen zusehen, zusammen in den Urlaub fahren und vieles mehr.


    Ich habe keine Lust auf ein Leben ohne ihn, auf ein Leben mit diesem furchtbaren, fast schon körperlichen Schmerz.

    Er hat sich als AC/DC-Fan das Lied "Ride On" für seine Beerdigung gewünscht. Ride on... Weitermachen... Aber wie soll ich das nur machen.


    Danke, dass ich mich bei euch ausheulen darf. Normalerweise mach ich das bei meiner Mama, aber sie muss mit ihrem eigenen Schmerz zurechtkommen. Mein Mann weiß nicht recht mit meiner Trauer umzugehen und ihm wird das glaub ich zu viel (unsere fünfjährige Beziehung war von Anfang an von traurigen Dingen überschattet, Krebsdiagnose meiner Mutter, Hirntumor-Diagnose meines Bruders und dann das Rezidiv, das zu seinem Tod geführt hat...), wir sind gerade erst in unser selbst gebautes Haus gezogen, die Umzugskisten sind noch nicht ausgepackt. Alles viel zurzeit.


    Viele furchtbar traurige Grüße

    Ricarda