Beiträge von Petra-Wien

    Ich habe soeben dieses Forum im Internet gefunden und möchte zuallererst meinen herzlichen Dank an die Betreiber und aktiven Mitglieder aussprechen, sich für eine solch kostbare Sache zu engagieren wie diese Unterstützung von Menschen mit individuellen Trauergründen.


    Vor einigen Stunden habe ich über den angeblichen Tod jener Frau gehört, bei welcher ich aufgewachsen bin, die mich großgezogen hat, welche im Grunde meine eigentliche Mutter war. Meine gesamten Kindheitserinnerungen sind eng mit ihrer Person verknüpft. Ihre leibliche Tochter hat mit einem Anruf erzählt, dass sie nach einer eigentlich erfolgreich verlaufenden Operation unerwartet verstorben ist.


    Seitdem steht es in meinem Kopf still. Ich weiß tief in mir, dass dies nicht passiert sein kann und verstehe nicht, wie man solche Witze machen kann. Sie war immerzu dagewesen, es übersteigt meinen Horizont, das dies nun anders sein sollte. Wo sollte sie denn sonst sein, wenn nicht in ihrer Wohnung vor dem Fernseher, in der Küche, bei der Hausarbeit. Ich war den ganzen Abend in Versuchung, sie anzurufen und habe mich nicht getraut. Das kann einfach nicht passiert sein, es ist unmöglich. Vor kurzem war ich an einer U-Bahnhaltestelle in ihrer Nähe und hatte noch daran gedacht, sie anzurufen, ob ich die spontan besuchen könnte. Ich kann mir nicht verzeihen, dies nicht getan zu haben, womöglich wäre dann dieses Missverständnis gar nicht zustande gekommen. Vor kurzem hatte sie Geburtstag und ich habe sie zum ersten Mal seit all den Jahren an diesem Tag nicht angerufen. Bei dem eventuellen Fall, dass sie wirklich nicht mehr lebt..wie könnte ich mir dies jemals verzeihen. Womöglich ist es meine Schuld. Noch niemals war ich mit einer solchen Situation konfrontiert.


    Nächste Woche ist das Begräbnis angesetzt. Ich verstehe nicht, wie man so etwas groteskes tun kann. Damit würde sie für tot erklärt werden, offiziell. Wer kommt auf diese abstruse Idee, einen solchen Schlusstrich zu ziehen. Ohne einem Beerdigungstermin wäre es doch so, als würde sie leben. Seit längerem denke ich daran, sie endlich wieder zu besuchen. Ich könnte mir nicht vorstellen, bei diesem Besuch Abschied von ihr zu nehmen. Weswegen denn. Schließlich war sie immer da gewesen. Es ist unlogisch, weswegen so etwas passiert sein könnte. Es kann einfach nicht sein.


    Ich stecke nun in mir fest. Wie ist es möglich, sie anzurufen, sie zu besuchen. Einen Nachmittag am Wochenende mit ihr zu verbringen, wie es immer war. Ich weiß nicht, ob es wirklich möglich sein kann, dass dies nicht mehr geht. Ich kann mir das nicht vorstellen.


    Ich denke gerade, dass meine Zeilen vielleicht stark verwirrt anmuten. Womöglich erscheint es nicht so, als wäre ich erwachsen und Akademikerin, sondern ein Kind, das wirr im Fieber fantasiert.


    Vielleicht ist es Schock, unter dem ich stehe? Dass ich vermeide, richtig "hinzusehen", was passiert ist? Doch was sollte passiert sein, es kann ja nichts passiert sein.


    Ich möchte, dass dieser Anruf zurückgenommen wird und ich sie besuchen kann wie immer und mich entschuldigen kann, mich an ihrem Geburtstag nicht gemeldet zu haben. Es tut mir sehr leid. Sie weiß schließlich, dass ich sie sehr liebe und sie eine der wichtigsten Menschen in meinem Leben ist.


    Ich möchte ihr Blumen mitbringen und sie an der Wohnungstüre umarmen. Wie immer.