Beiträge von Dani

    Einen schönen Abend Euch allen!


    Liebe Chrisu,
    ich möchte Dir mein herzliches Beileid mitteilen; ich fühle aus meinem tiefsten Inneren mit Dir. Auch wenn ich selbst mit dem Tod auf dieser Ebene noch keinen direkten Kontakt hatte (bin noch kinderlos), so habe ich doch Seite an Seite mit meiner Tante dieses Tal durchschritten. Ich habe schon früh gelernt, wie schmerzhaft das Leben sein kann. Von Gerechtigkeit ist keine Rede. Aber nur eine einzige Hoffnung macht es erträglich, mit diesen Verlusten umzugehen: die Hoffnung, dass wir uns alle, wenn unsere Zeit im Hier abgelaufen ist, "drüben" wieder sehen. Als D. gestorben ist habe ich am Abend mit meiner Oma "geredet" und sie gebeten, ihn in Empfang zu nehmen, damit er "drüben" nicht alleine ist. Denn im Jetzt und Hier können wir Freunde nur A. aktiv beistehen.


    Ich arbeite in einer Anwaltskanzlei im Zivilbereich. Einer der schlimmsten Fälle, der mir selbst sehr zu Herzen ging, war ein Verkehrsunfall, bei dem vor ca. 3 Jahren fünf Jugendliche (alle unter 20 Jahren) in einem Auto aufgrund Fahrerverschuldens verunglückt sind. Nur 2 der 5 Insassen haben überlebt. Wir haben die Ansprüche der Eltern der Verunglückten gegenüber der Versicherung durchgesetzt. Jedesmal, wenn ein Elternteil anrief, wurde mir schon beim Klang des Namens ganz mulmig. Die ärgste Erfahrung in diesem Zusammenhang war, dass nach 18 Uhr in unserer Kanzlei eine Besprechung mit allen Eltern der Verunglückten stattgefunden hat. Ich hatte an diesem Abend Spätdienst und habe die Eltern in Empfang genommen, bis der Chef Zeit hatte. Ich habe selten in meinem Leben 6 so gebrochene Menschen gesehen. Es kostete mich große Anstrengung, ruhig zu bleiben. Alle Eltern (auch die Väter) haben vor meinen Augen geweint. Ich tat mir so schwer, nicht ebenfalls in Tränen auszubrechen, obwohl ich keinen der Jugendlichen und keinen von den Eltern persönlich kannte. Aber der Schmerz war in diesem Moment so greifbar, dass niemand hätte daran vorbeisehen können.


    Aus Erfahrung von meiner Tante weiß ich, dass der Verlust eines Kindes immer schmerzen wird. Es gibt die schlimmen Tage im Jahr (Geburtstag, Namenstag, Todestag, Weihnachten etc.), an denen der Schmerz genau so stark ist, wie am Tag des Unglücks. Aber sie hat nach all den Jahren einen Weg gefunden, mit der Tatsache, dass C. nicht mehr körperlich anwesend ist, zu Leben. Dir, liebe Chrisu, wünsche ich, auch eben diesen - sicherlich steinigen und langen - Weg zu finden und die Kraft, diesen Weg zu beschreiten.


    Vielleicht findet sich ein oder mehrere Begleiter, die diesen Weg zumindest ein Stück mit Dir gemeinsam gehen wollen und können. Hier, in diesem Forum, bist Du sicher schon mal richtig. Ich denke, uns alle verbindet unsere Geschichte. Wenn Du willst, so werde ich Dich auf der Suche nach diesem Weg oder direkt darauf ein Stück (und sei es nur schriftlich) begleiten. Oft ist es einfacher, mit Fremden, die aber ihr Innerstes preisgeben, zu sprechen, als mit "Freunden & Bekannten", die alle keinen wirklichen Bezug zur aktuellen Trauer haben. Manchmal fühlt man sich, als würde man gemieden; fast so, als hätte man eine ansteckende Krankheit. Aber wir sind nicht krank. Wir sind im tiefsten Inneren verletzt und starren auf die Lücke, die unsere Liebsten hinterlassen haben. Vielleicht haben viele einfach auch nur Angst, selbst über ihre eigene oder die Sterblichkeit ihrer Liebsten nachzudenken und ziehen sich deshalb zurück.


    Aber bei meiner Tante und mir ist das exakte Gegenteil passiert. Durch den Tod von C. kam ich ihr so nahe, wie ich ihr mein Leben lang zuvor noch nie war. Jede Münze hat 2 Seiten.


    Liebe Chris!
    Du bringst die Situation mit meiner Oma fast auf den Punkt. Meine Oma war ein Paradebeispiel für einen "gefühlsmäßigen Kriegskrüppel". Sie konnte nicht mal ihre eigenen Kinder an sich heranlassen. Als meine Mama mit mir schwanger war, hat sie meine Mama soz. "verstoßen", weil mein Erzeuger und meine Mama nicht verheiratet waren. Sie wollte mit ihr und dem "Bastard" (also mir) nichts zu tun haben. Als ich dann auf der Welt war, hat sie in ihrer üblichen barschen Art festgestellt, dass jetzt, wo ich da bin, ich nicht mehr verleugnet werden kann. Sie hatte auch eine extrem schlechte Beziehung zu meiner Mama. Soweit ich weiß, hat meine Oma meiner Mama nicht einmal gesagt, dass sie sie lieb hat. Meine Mama hat darunter ihr Leben lang gelitten und um Omas Liebe gebuhlt. Leider vergebens.


    Nur ich war da eine Ausnahme. Solange andere Menschen dabei waren, gab sich meine Oma auch mir gegenüber extrem schroff. Aber sobald wir alleine waren, konnte ich alles von ihr haben. Ich war die Einzige, die sie umarmen und küssen durfte. Sie liebte mich, das weiß ich. Im Alter wurden aber leider die Diskrepanzen zwischen Oma und Mama immer schlimmer. Oma hat meine Mama als eine Art "Leibeigene" gesehen und sie jeden Tag rumkommandiert, als hätte meine Mama kein eigenes Leben. Und weil meine Mama eine ganz liebe Person ist und sowieso ständig um Omas Liebe förmlich bettelte, hat sie sich von der alten Dame zum Teil richtig schikanieren lassen. Das ging manchmal so weit, dass ich mit Oma ein "ernstes Wort" gesprochen habe.


    Ein Jahr, bevor Oma gestorben ist, war es besonders schlimm. Meine Oma hat alleine in einer kleinen Wohnung im Erdgeschoss eines Mietsblocks gewohnt. Ihr Essen bekam sie von Essen auf Rädern. Oma war zwar noch recht rüstig, aber halt stur. Demnach war für den Rest meine Mama zu Tag und Nacht zuständig. Meine Oma war Abhängig von Abführmitteln. D.h. sie hat täglich (!) Abführmittel eingenommen und entsprechend körperlich darauf reagiert. Das hatte zur Folge, dass meine Mama zu jeder Tages- und Nachtzeit abrufbar sein musste, falls für Oma mal der Weg zum Klo in ihrer 2-Zimmer-Wohnung zu weit war. Das alleine war noch nicht das Übelste. Sie hat auch noch selbst gebügelt, obwohl meine Mama ihr x-mal angeboten hat, das für sie zu übernehmen. Aber nachdem sie stur war, hat sie drauf bestanden, das selbst zu tun. Eines Tages wurde sie beim Bügeln ohnmächtig und ist gestürzt - mit dem Gesicht aufs heiße Bügeleisen. Als sie wieder zu sich kam, hat sie meine Mama angerufen und sie aufgefordert zu kommen, weil ihr Knie und Ellenbogen vom Sturz weh getan haben. Vom Gesicht sagte sie nichts. Als meine Mama in die Wohnung kam, hat sie fast der Schlag getroffen. Meine Oma musste daraufhin ins Krankenhaus und wurde 3 x bezüglich Hauttransplantationen operiert. Da war für uns klar, dass sie nicht mehr alleine bleiben kann. Die Entscheidung, dass sie ins Heim umziehen musste, war schwer zu treffen und doch unumgänglich. Und nachdem ich die einzige war, die ein wenig Einfluss auf sie hatte, musste ich ihr vermitteln, dass sie nicht mehr alleine wohnen konnte.


    Und genau das quält mich. Ich weiß, dass sie im Heim unglücklich war. Sie vermisste ihre Wohnung und die Nähe zu uns. Sie hat meine Mama oft angebettelt, mitkommen zu dürfen. Aber es war immer klar, dass das nicht umsetzbar ist. Ich habe das Gefühl, Oma hat beschlossen, im Heim nicht mehr Leben zu wollen. Und dafür gebe ich mir zum Teil die Schuld. Vielleicht hätten wir damals eine andere Lösung finden müssen. Vielleicht hatte sie das Gefühl "abgeschoben" worden zu sein... Diese Gedanken quälen mich immer noch.


    Ähnliche Gedanken kommen jetzt auch bezüglich D. hoch. Warum haben wir die beiden nich öfter in der Großstadt besucht? Warum war uns der Weg (120 km einfach) immer zu anstrengend oder wir zu faul? Mein Freund war vor ein paar Wochen für fast 2 Monate die Woche über in der Stadt. Hatte aber jeden Abend müde im Hotel nur TV gesehen. Er hat am Telefon immer davon gesprochen, D. anzurufen und mit ihm auf ein Bier zu gehen. Getan hat er es nicht. Auch er wirft sich vor, dass er die Möglichkeit nicht beim Schopf gepackt hat. Natürlich ist uns klar, dass wir alle eben nicht wissen, was die Zukunft bringt. Sonst hätte man wohl vieles anders gemacht.


    Es ist an der Zeit zu lernen, dass es nicht gut ist, immer alles auf später zu verschieben. Die Sachen die passiert sind kann ich nicht ändern, aber die Dinge, die vor mir liegen werde ich versuchen, anders anzugehen.


    Liebe liebe Grüße an Euch alle!
    Danke, dass ich da seid.

    Hallo Ihr Lieben!


    Liebe Silvia!


    Dass Du selbst so gefordert bist, macht Dich offen für all diejenigen, die selbst an vorderster Front des Lebens kämpfen. Ein Kind zu verlieren, gehört mitunter zu den extremsten Verlusten, die ein Mensch erleiden kann.


    Ich selbst musste durch dieses Tal der Leids noch nicht gehen, habe es aber hautnah bei meiner Tante miterlebt. Vor ca. 12 Jahren ist meiner Tantes einziges Kind bei einem Autounfall tödlich verunglückt. C. wurde nur 23 Jahre alt. In den ersten Wochen schwärmten förmlich die Menschen um sie herum, um ihr Beistand zu leisten. Aber nach einigen Wochen wurde diese "Andrang" auf einmal zur Flaute. Viele Menschen konnten nicht damit umgehen, dass Trauer die Sicht und Gefühlswelt der Betroffenen verändert.


    Ich bin damals, vier Wochen nach dem Unfall, 18 geworden und habem meinen Führerschein bekommen. Meine Tante hat all ihre Ängste auf mich projeziert und mich sooft wir uns sahen dazu ermahnt, immer vorsichtig zu fahren. Das hat sich in mir so festgesetzt, dass ich eine extrem brave Autofahrerin bin und auch keine Kompromisse bei Themen wie Alkohol und Autofahren habe.


    Zu meiner verunglückten Cousine hatte ich zu Lebzeiten keinen Kontakt. Da ich sie nur 2 oder 3 x gesehen hatte, fehlte mir der Bezug. Jedoch nicht so bei meiner Tante. Ich litt mit ihr, weil ihr Verlust so schwer und für mich so spürbar war. Gleich nach dem Tod von C. begann ich, mindestens 1 x die Woche meine Tante zu besuchen. Ich saß immer bei ihr am Küchentisch und habe entweder mit ihr über Belanglosigkeiten gesprochen oder aber sie hat von sich aus über C. erzählt.


    Der Verlust von C. hatte zur Folge, dass die Ehe meiner Tante und ihres Mannes in die Brüche ging. Das Kind, das beide verbunden hatte, fehlte und so zerbrach die Verbindung. Beide waren so mit ihrer eigenen Trauer beschäftigt, dass sie für den jeweils anderen keinen Raum mehr schaffen konnten und wollten. Und trotz meiner erst 18 Jahre spürte ich, dass meine so regelmäßige Anwesenheit meiner Tante gut tat. Und meine Besuche weiteten sich mit der Zeit zum Teil so aus, dass ich täglich nach der Arbeit noch für 1 bis 2 Stunden bei ihr vorbeigeschaut habe.


    Erst vor ca. einem Jahr habe ich begonnen, mich zurückzuziehen. Ich hatte bemerkt, dass für mein eigenes Leben einfach zu wenig Zeit blieb, die Tage für mich zu kurz wurden. Das Leben meiner Tante hatte sich nach ca. 11 Jahren soweit stabilisiert, dass ich wusste, ich muss nicht mehr sooft Präsenz zeigen. Sie weiß, wenn sie mich braucht, bin ich da. Was ich damit eigentlich sagen möchte, liebe Silvia, ist, dass das Umfeld den Trauernden zu wenig Zeit einräumt. Bei meiner Tante waren wohl auch die meisten der Meinung, 2, 3 Monate müssten ausreichen, um über das Schlimmste hinwegzukommen. Dass dieser Prozess - gerade in diesem Fall - über 2 bis 3 Jahre dauerte, war den meisten wohl zu viel. Außerdem ist mir in diesem Zusammenhang oft aufgefallen, dass andere oft taktlos waren und Themen ansprachen, die meiner Tante in diesem Augenblick nur noch mehr Schmerzen bereiteten.


    Heute, 12 Jahre später hat sie ihren Weg gefunden, sich mit dem Verlust ihrer Tochter zu arrangieren. Sie ist froh, C. 23 Jahre für sich gehabt zu haben. Sie erinnert sich gerne an die Zeiten zurück, als sie C. noch bei sich hatte. Manchmal träumt sie von C. In diesen Träumen geht es um ganz normal Dinge wie ein Ausflug zu einem See etc. Am nächsten Tag, wenn sie aufwacht, ist sie nicht enttäuscht, dass es nur ein Traum war, sondern glücklich, noch einmal mit ihr gesprochen zu haben.


    Dir, liebe Silvia, wünsche ich viel Kraft und Stärke, um auch die nächste Prüfung Deines Lebens zu meistern. Und hier in diesem Forum sind Menschen, die alles was sie sagen so meinen. Dies deshalb, weil wir alle ähnliches erleben bzw. erlebt haben. Diese Unterstützung ist Dir sicher.


    Liebe Chris!


    Danke für Deine lieben Worte. Und Du erkennst "die Wurzel allen Übels". Natürlich habe ich den Tod meiner Oma nicht verarbeitet. Das wird wohl auch noch sehr lange dauern, da unsere Familiengeschichte äußerst schwierig war bzw. ist. Meine Oma war eine sehr schwierige Frau. Von ihren 4 Kindern sind nur 2 zur Beerdigung gekommen. Die anderen beiden beschlossen schon in Jugendjahren, dass ihre Mutter für sie "gestorben" sei. Ich und meine Oma sind immer sehr gut miteinander ausgekommen. Im Nachhinein habe ich das Gefühl, wir waren uns so nahe, weil wir uns so ähnlich waren. So böse Oma auch zu anderen war, so lieb war sie zu mir. Und nachdem ich als uneheliches Kind ohne Vater aufwuchs und meine Mama berufstätig war, wuchs ich zur Hälfte bei meiner Oma auf. Sie war ca. 1 Jahr lang in einem Altenheim, weil sie sich selbst nicht mehr verpflegen konnte. Mama und ich haben nur jeweils kleine 2-Zimmer-Wohnungen und sind ganztags berufstätig, so dass wir Oma nicht zu uns hätten nehmen können. Ich habe immer noch das Gefühl, dass Oma im Heim einfach keine Lust mehr zum Leben hatte, und sich soz. einfach zum sterben hingelegt hat. Organisch war sie nämlich fit. Keine Herzinfarkte, kein Krebs. Und trotzdem ist sie eines Sonntags einfach nicht mehr aufgewacht. Also gab es keine Möglichkeit mehr für mich, Abschied zu nehmen. Ihr noch einmal zu sagen, wie lieb ich sie habe.


    Jetzt, wo D. gestorben ist, merke ich, wie sehr mit Oma fehlt. Wie sehr er mir fehlt. Bei dem Gedanken, mit beiden nie wieder sprechen zu können, fließen wieder die Tränen. Sie hinterlassen eine große Lücke in meinem Leben.


    Die "Unregelmäßigkeiten" bei der Untersuchung meines Freundes entpuppten sich Gott sei Dank als Harmlosigkeit, die der Werksarzt dank des kleinen Blutbildes und der Ultraschalluntersuchung nicht richtig ausgewertet hat. MRT und CT sowie großes Blutbild zeigten, dass alles in bester Ordnung ist. Hier konnten wir beide ganz tief ein- und dann wieder aufatmen.


    Das Gespräch mit meiner Kollegin lief gut. Wir konnten uns aussprechen. Sie versteht mich, warum ich so reagiert habe und kann sie zwar nicht ganz verstehen, lege mein Augenmerk aber eher auf ihre Entschuldigung. Damit ist für mich diese Diskrepanz erledigt und vom Tisch.


    Am Donnerstag Abend gabs noch eine gute Nachricht. Eine ganz liebe Freundin von mir hat ein gesundes süßes Mädchen entbunden. Ich habs mir gestern angesehen und war entzückt vom Wunder des Lebens. So schließt sich der Kreis. Auch wenn es nicht einfach ist zu verstehen, beruht doch das ganze Leben auf einer geht und einer kommt.


    Fühlt Euch alle ganz sanft gedrückt.
    Ich denke an Euch.
    Dani

    Hallo zusammen!


    Gestern war A. und D's 15. Jahrestag. Ich habe ihr eine kurze SMS geschickt in der ich ihr sagte, dass wir an sie denken und ich mich über einen Anruf freuen würde, sollte sie sich jedoch nicht in der Lage fühlen, solle sie sich so viel Zeit lassen, wie sie eben braucht. Leider hat sie sich nicht gemeldet. Ich weiß aber, dass sie momentan bei ihren "Schwiegereltern" ist. Ich glaube, dass die beiden ihr in ihrem Schmerz am nächsten sind. Und vor allem, dass sie im Haus von D.'s Eltern ihm dort am nächsten ist. Bei seinen Eltern ist sie gut aufgehoben. Ich bin mir sicher, dass sie D. an seinem Grab besucht hat und ihren gemeinsamen Tag weitestgehend alleine verbrachte. Ich kann sie verstehen; ich denke, ich würde so einen Tag auch am liebsten alleine mit meinen schönsten Erinnerungen verbringen wollen. Aber ich weiß, wenn sie das Bedürfnis hat mich zu sehen oder mit mir zu sprechen, wird sie auf mich zukommen; sollte es auch mitten in der Nacht sein. Falsche Scheu gab es in unserer Freundschaft nie - und wird es hoffentlich auch nicht geben. So war ihr sicher klar, dass mein Zusatz, dass sie sich Zeit geben soll, von Herzen kommt und ehrlich gemeint ist. Ich erwarte nichts von ihr, sondern freue mich über jede Geste.


    Eine ganz schöne und für mich sehr überraschende Sache hat sich heute ergeben, von der ich Euch berichten möchte. In einem meiner Beiträge hatte ich von meiner Kollegin gesprochen, die mich mit ihrem Verhalten ziemlich abgewatscht hat. Heute, fast 3 Wochen später, hat sie von sich aus das Gespräch gesucht. Sie sagte, dass sie mir sagen möchte, wie Leid ihr mein Verlust tue, dass sie mit mir fühle. Sie habe viel über die explosive Situation nachgedacht sei zu dem Schluss gekommen, sie habe überreagiert und sei nicht auf meine Situation eingegangen. Es tue ihr furchtbar Leid, sich so verhalten zu haben. Das war kurz vor Feierabend. Ich war und bin total überrascht, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Sie hat gesagt, dass sie morgen mit mir ausführlich darüber sprechen möchte, weil ihr wichtig ist, diese Sache nicht zwischen uns steht; schließlich hätten wir uns so gut verstanden. Ich freue mich über dieses Zeichen von Größe. Einen Fehler eingestehen zu können ist in meinen Augen ein großer Akt. Vor allem, weil sie sich da eigentlich sehr schwer tut.Umso mehr weiß ich es zu schätzen, dass sie heute - nach so vielen Tagen, die ein Ansprechen der Situation sicher nicht leichter gemacht haben - das Thema angesprochen hat.


    Montag und Dienstag hatte ich extrem schlechte Tage. Ich bin chronisch krank. Aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation hat sich mein Krankheitsbild in den letzten Wochen verschlechert. Also bin ich zu Hause geblieben. Am Dienstag habe ich mich hingesetzt, um A.'s Wunsch, unsere schönsten Erinnerungen an D. aufzuschreiben, nachzukommen. Ich habe von einem gemeinsamen Ausflug von vor ca. 8 Jahren geschrieben. Ich dachte eigentlich, ich wüsste davon nicht mehr viel. Aber wisst ihr was? Als ich anfing zu schreiben, habe ich diesen Tag förmlich noch einmal erlebt. Ich fühlte mich wie an diesem Tag im Sommer - zufrieden und ausgeglichen. Ich konnte mich überwiegend an große Teile von Gesprächen an diesem besagten Tag erinnern. Meine Aufzeichnungen für nur diesen einen Tag sind über 6 Seiten lang. Diese Aufzeichnungen sind mir förmlich aus den Fingern geflossen, ohne nachzudenken. Es war, als wäre es gestern gewesen.


    Umso trauriger war, dass ich gestern mit der Post eine Danksagungskarte von A. erhalten habe. Da wich das Gefühl der am Vortag empfundenen Zufriedenheit wieder einer tiefen Traurigkeit, welche alles andere Denken Lügen strafte.


    Ich wünschte, die Welt wäre an diesem einen Tag vor fast 8 Jahren stehen geblieben - und nicht vor 3 Wochen.


    Wie geht Ihr mit Euren Ängsten um? Ich mache mir mittlerweile Gedanken, ob meine Gefühle und Verhaltensweisen noch "normal" sind. Die Angstzustände werden nicht weniger. Es reicht eine Kleinigkeit, meine Eingeweide flattern, mein Magen verknotet sich und ich kann schwer atmen. Davon, dass ich seit D.'s Tod extrem nah am Wasser gebaut bin, ganz zu schweigen. Schlafstörungen habe ich schon seit Jahren. Ich bin es gewohnt, nicht durchzuschlafen und trotzdem empfinde ich es lästiger als sonst. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich still daliege und den Atemzügen meines Freundes lausche. Und wenn ich die nicht höre, tappe ich im Dunklen nach ihm, um ihm eine Regung oder einen Laut zu entlocken. Und wenn er schlaftrunken grunzt, werde ich nicht ruhiger. Dieses Grunzen sagt mir lediglich, dass jetzt, in diesem Moment, alles in Ordnung ist. Zu allem Überfluss hat sich bei ihm bei einer Routinekontrolle beim Arzt eine Unregelmäßigkeit ergeben, die derzeit in einigen ambulanten Untersuchungen abgeklärt wird. Diese Tatsache alleine lässt in meinem Kopf die ärgsten Zukunftsvisionen aufblühen, obwohl bis jetzt die Tests sämtlich gut, also ohne Befund ausgefallen sind.


    So stark ich mittlerweile an mir zweifle, so klar ist mir aber auch, dass 3 Wochen eine kurze Zeit ist. Bei meiner Oma hat es gute 4 Monate gedauert, bis sich meine Gefühlszustände wieder normalisiert haben.


    Ich danke für Eure mentale Unterstützung und wünsche Euch allen einen ruhigen Abend.


    Dani

    Hallo Ihr Lieben!


    Ich bin jedes Mal aufs neue berührt, wenn ich hier vorbeischaue und Eure Beiträge lese. Ihr gebt mir das Gefühl, nicht alleine zu sein - und vor allem: verstanden zu werden.


    Das ist leider nicht überall so. In der Arbeit z.B. teilen sich die Meinungen. Die einen, die mich schon jahrelang kennen, respektieren meine Veränderung. Ich bin in meinem Wesen momentan irgendwie gedämpft. Ich bin nicht grantig oder so. Es ist einfach so, dass die Traurigkeit mich viel stiller hat werden lassen. Ich kann und will nicht einfach so weitermachen wie vorher. Noch nicht. Meine Welt steht eben noch still bzw. dreht sich viel langsamer als vorher. Dass sich die der anderen normal weiter dreht, ist für mich ok.


    Der eine Teil meiner Kollegen spürt die Stimmung in mir und respektiert sie. Meine Zimmerkollegin z.B. eher nicht. Sie hat mitbekommen, was passiert ist, hat aber nicht mit einem Wort mit mir darüber gesprochen. Sie ist gute 5 Jahre jünger als ich, was eigentlich nichts heißt. Wir arbeiten nun seit 6 Jahren zusammen. Gute Freundinnen werden wir nie werden; das war von Anfang an klar. Sie ist halt in ihrer Art und in ihren Sichtweisen so ganz anders als ich. Sie sieht sich meist als "Nabel der Welt". Trotzdem haben wir in den letzten Jahren irgendwie einen Weg gefunden, miteinander umzugehen. D.h. ich halte mit meiner Meinung hinterm Berg, damit nicht ständig dicke Luft ist. Und so funktionierte das ganz gut.


    Als sich z.B. vor einem Jahr ihr Freund ohne Voranmeldung von ihr trennte, hab ich mit ihr gelitten. Sie tat mir so leid. Wir haben viele tiefgründige Gespräche geführt und ich war für sie da. Nach ca. 2 Monaten, als sie das Schlimmste hinter sich hatte, rief er sie an - und schwupp - waren sie wieder zusammen. Eine Aussprache gab es nicht. Für mich unverständlich. Aber wenn es ihr gut tut, war es mir recht. Z.B. ist es auch bei uns in der Firma nicht üblich, mehr als 2 1/2 Wochen Urlaub zu nehmen. Sie wollte letztes Jahr vier Wochen. Ich stand hinter ihr und hab beim Chef dafür gesprochen. Sie ging in die 4 Wochen Urlaub (mittem im Sommer, wo also allgemein Notbesetzung angesagt ist) und ich war in der Arbeit. In diesen 4 Wochen starb dann auch meine Oma. Machte das ganze natürlich nicht leichter. Ich konnte nur 2 Tage (inkl. Beerdigung) ausfallen, obwohl ich nicht nur psychisch, sondern auch physisch total litt. Ich kann mich nicht mal genau daran erinnern, wie ich die Tage in der Arbeit rumbekommen habe. Ich weiß nur noch, dass am ersten Tag nach Omas Tod ich in der Mittagspause mit meiner Mama zum Bestatter gefahren bin, um die Beerdigung zu besprechen. Danach gings wieder in die Arbeit; ging ja nicht anders. Mein Chef war schon nicht erfreut, dass ich am Tag der Beerdigung nicht zur Arbeit kam...


    Damit will ich eigentlich sagen, dass ich - trotz unserer Differenzen - immer bemüht war, die Stimmung gut zu halten. Als D. starb, befanden meine Kollegin und ich uns grad in einer "ungünstigen Phase", was heißen will, sie sprach schon seit 2 Tagen aus mir unerklärlichen Gründen nicht mehr mit mir. Aber nachdem mir D.'s Tod so naheging, war es mir egal. Einer unserer Chefs provozierte daraufhin eine Aussprache, die auch den Grund für ihre Laune offenbarte (eine absolute Kleinigkeit; sie fühlte sich übergangen, weil ich etwas, was wir im Vorfeld grob besprochen hatten, mit anderen Kollegen und dem Chef abgestimmt hatte und sie im Nachheinen nicht noch mal detailliert darüber informiert habe). Als ich ihr im Laufe des Gesprächs dann sagte, dass - wenn sie wegen dieser Kleinigkeit seit Tagen den Mund nicht mehr aufkriegen würde - ich sie nicht verstehen könnte. Das wäre so kindisch. Es gäbe schließlich Schlimmeres auf der Welt, als diese Kleinigkeiten. Daraufhin zog sie die Augenbrauen hoch und meinte wörtlich: "Kindisch bist Du. Hättest ja mit mir reden können. Aber es mag ja sein, dass Du in Deiner momentanen überspannten Gefühlslage das so siehst. Für mich ist das aber wichtig."


    So, das war's. Soviel Ignoranz und Egomanie kann ich nicht akzeptieren. Ich bin traurig, dass jemand, dem ich immer beistand, so wenig Einfühlungsvermögen an den Tag legt, wie sie. Schwamm drüber. Aus solchen Sachen lerne ich.


    Gestern hatte ich ein Telefonat mit meiner Freundin K. Bei ihr hat A. die letzte Woche über gewohnt. Der Termin bei D.'s Hausarzt ist gut verlaufen. Er hat A. sogar gesagt, dass D. zwar bei ihm war, er aber keine Auffälligkeiten diagnostiziert hatte. Allein diese Tatsache nimmt ihr viel Last von den Schultern. Jetzt kann sie sich keine Vorwürfe mehr machen, sie hätte etwas merken, anders machen müssen etc. Dieser Arzt hat ihr auch angeboten, ihre psychologische Betreuung zu übernehmen. Sie hat das Angebot angenommen. Mittlerweile hat A. beschlossen, die Wohnung aufzugeben. Das finde ich gut - nicht nur aus finanziellen Aspekten. Ich bin der Meinung, dass in der Wohnung für sie nur immer der eine, der schlimmste Tag erinnerlich sein wird; aber wenig von den schönen fast 15 Jahren. Mal sehen, wann sie es umsetzen will; denn dann werden wir selbstverständlich mit hochgekrempelten Ärmeln da stehen und helfen.


    Mein Freund und ich haben gestern besprochen, dass wir am Donnerstag zu D.'s Grab fahren werden, um ihm Blumen zu bringen und einen "ruhigen Abschied" von ihm zu nehmen. Auf der Beerdigung war das irgendwie für uns beide nicht möglich. Donnerstag deswegen, weil seit seinem Tod 4 Wochen vergangen sind. Ich kann es gar nicht fassen, dass 4 Wochen ins Land gezogen sind. Meine innere Uhr spricht eine ganz andere Sprache.


    Für A. bricht jetzt noch einnmal eine sehr belastende und schlimme Zeit an. Am Mittwoch haben sie und D. ihren 15. Jahrestag. Und einen Monat später hat er Geburtstag. Mir ist klar, dass diese Tage für sie immer schwer bleiben werden. Aber jetzt, so kurz nachdem er uns verlassen hat, empfinde ich diese Häufung wichtiger Tage als extreme weitere Prüfung für A. Aber sie ist stark.


    Mein Freund und ich haben begonnen, Begebenheiten, die wir mit D. erlebt haben, aufzuschreiben. Das hat A. sich gewünscht. Es ist schön, über ihn zu sprechen, zumal mein Freund ein besseres Gedächtnis zu haben scheint als ich. Er bringt Storys auf den Tisch, die in den Tiefen meines Hirnes vergraben sind und erst auf seine Intervention hin nach oben blubbern.


    Ich wünsche Euch allen viel Kraft und Stärke. Ich habe mir vorgenommen, hier im Forum zu bleiben. Und eines Tages, wenn meine Welt sich wieder richtig dreht, bin ich mir sicher, auch für den ein oder anderen von Euch da sein zu können.


    Fühlt Euch umarmt!
    Dani

    Hallo zusammen!


    Nach einem anstrengenden Arbeitstag bin ich nun nach Hause gekommen und hab zuerst einmal den PC eingeschalten, um hier vorbeizusehen. Ich bin gerührt, dass ihr alle so lieb mit einer für Euch völlig fremden Person umgeht. Danke.


    Heute ist Donnerstag, und das heißt, dass mein Gemütszustand sehr zu wünschen übrig lässt. Seit D. gestorben ist, fühle ich mich traurig. Und am Donnerstag, seinem Todestag) fühle ich mich noch niedergeschlagener als sonst. Und wisst ihr was? Ich sehe seit 3 Wochen jeden Donnerstag auf die Uhr, wenn sie 20.37 Uhr anzeigt. Ich kann gar nicht fassen, dass er schon 3 Wochen nicht mehr bei uns ist. Noch fühle ich nicht wirklich, dass er tot ist. Es fühlt sich eher an, als wäre er im Urlaub. Ich habe letzten Sonntag mit A. viel gesprochen, geweint und resümiert.


    Sie hat dann noch via Internet Danksagungskarten für die Trauergäste geordert. Dabei war sie ganz ruhig, so als würde sie eine E-Bay-Auktion durchführen. Das soll sich jetzt nicht falsch anhören. Ich will damit nur sagen, dass ich den Eindruck hatte, dass dieses Bestellen der Karten eine Arbeit war, die sie - obwohl so nah mit dem Todesfall zusammenhängend - eine Art Ablenkung für sie war. Sie musste etwas tun. Und sie musste es gut und genau machen. Demzufolge hat sie sicher gute 2 Stunden daran gearbeitet. Ich habe sie in Ruhe alleine machen lassen und hab mich im Hintergrund gehalten.


    Erst, als sie mich bat, zu ihr zu kommen und den Text zu lesen, ging ich zu ihr. Sie wollte, dass ich den Text auf Fehler durchlese. Ich weiß, sie hätte es nicht ertragen, bei dieser - für sie so wichtigen - Arbeit einen Fehler gemacht zu haben. Sie hat einen wahnsinnig lieben Text verfasst, der mir wiedermal das Wasser in die Augen getrieben hat. Nachdem sie aber sehr gefasst war, habe ich mich bemüht, die Stimmung liebevoll neutral zu halten. Ich habe ihr dann gesagt, dass der Text wunderschön ist und D. ihn sicher mögen würde. Dann bat sie mich, zusammen mit ihr ein Foto auszusuchen, welches auf die Karten gedruckt werden sollte. Sie gab mir eine Foto-CD, die ich in den PC einlegte. Als ich den Foto-Ordner geöffnet hatte, begannen meine Innereien wieder zu flattern. Es waren Fotos aus einem Urlaub. Beide braungebrannt, superglücklich und so lebendig, dass es mich innerlich fast zerissen hat. Ich kann nicht verstehen, wie jemand auf einem Foto so lebendig und gesund aussehen und doch tot sein kann. D. hat nicht geraucht, Alkohol nur in Maßen getrunken und sogar Sport war kein Fremdwort für ihn. Es ist mir unbegreiflich. Ich schweife ab. Wir haben also ein Foto ausgesucht und die Bestellung abgeschickt. Wir vereinbarten, dass sie am nächsten Tag zu mir kommen würde, um sich den Korrekturabzug anzusehen.


    Am Tag darauf (Montag) war ich zwar körperlich in der Arbeit, gedanklich aber nur bei A. Ich wusste, sie würde heute noch vorbeikommen, dann aber wieder in die Großstadt fahren, um aus der Wohnung neue Sachen zu holen etc. Ich machte mir also viele Gedanken, was ich für sie tun könnte. In meiner Mittagspause bin ich dann in ein (eigentlich gut sortiertes) Büchergeschäft gegangen. Ich wollte sehen, ob ich nicht ein gutes Buch über das Abschiednehmen finden kann. Leider gab es zu diesem Thema nur Gedichte. Neben der Buchhandlung befindet sich ein Schreibwarenladen. Dort bin ich dann rein und hab spontan eine Art Tagebuch für Erwachsene gekauft. Also ein gebundenes Buch mit einem Band zum verschließen. Dazu einen Füller und Tintenpatronen. Wieder in der Arbeit angekommen habe ich die Sachen erstmal alle eingepackt und mich dabei gefragt, warum ich gerade diese Sachen gekauft hatte. Und dann fiel mir ein, dass A. x-mal gesagt hat, dass ihre größte Angst ist, irgendetwas, was mit D. zusammenhängt, zu vergessen. Ich dachte, wenn ich ihr dieses Buch gebe, kann sie all ihre Gedanken von früher bis heute festhalten und wird so nie etwas vergessen.


    Am Abend rief sie mich dann an und meinte, sie würde in ca. 10 Minuten da sein. Es ginge ihr aber sehr schlecht, so dass sie nur kurz den Korrekturabzug ansehen und die Bestätigung abschicken wolle. Ich bzw. wir sollen ihr nicht böse sein. Warum auch? Bevor sie kam, habe ich mit meinem Freund besprochen, dass er ihr die Tüte mit unserem Buch geben soll, soz. als Symbol dafür, dass auch er für sie da ist. Dass ich für sie da bin, ist ihr völlig klar. Aber nachdem die Männer mehr miteinander zu tun hatten, wollten wir ein Zeichen setzen, dass mein Freund nicht nur mit D. befreundet ist, sondern vor allem auch für sie da ist. Als sie dann kam, sah sie schrecklich aus. Tiefe Augenringe, brüchige Stimme. Ich hatte schon alles hergerichtet: den Korrekturabzug ausgedruckt, PC angeschaltet. Sie hat sich alles durchgesehen, mich und meinen Freund ums Korrekturlesen gebeten und dann die Bestellung abgeschickt. Dann wollte sie ganz schnell weg.


    Ich habe meinem Freund dann nur zugenickt, weil er wie ein Häufchen Elend auf der Couch saß und den "richtigen Zeitpunkt" für die Übergabe nicht fand. Dafür gab es auch keinen "richtigen Zeitpunkt". Als sie mich zur Verabschiedung in den Arm nahm, wir uns wie immer auf die Backen küssten, löste sie sich von mir, dreht sich um, sagte zu meinem Freund nur "Tschüss, bis dann" und wollte schon weg. Er bat sie, noch 2 Sekunden zu warten. Ich sah, wie widerwillig sie seiner Bitte nachkam. Am liebsten wäre sie einfach weggelaufen. Er drückte ihr die Tüte in die Hand und sagte, sie solle, wenn sie sich danach fühle - einfach reinsehen. Sie würde wissen, was wir damit sagen möchten. Daraufhin nahm sie ihn in die Arme, drückte und küssste ihn und weinte. Ich stand dahinter und konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie bedankte sich und ging.


    Als sie bei der Tür draußen war, standen mein Freund und ich im Gang. Er sprang förmlich auf mich zu, riß mich in seine Arme und hat mich so fest gedrückt, dass ich kaum Luft bekam. So standen wir da und weinten miteinander.


    Ich habe erst vor kurzem ein ganz blödes Kinderspiel gekauft: Spongebob Monopoly. Mein Freund hasst Monopoly. Aber wir haben festgestellt, wenn es uns ganz schlecht geht, dann lenkt eine kleine Runde von diesem dämlichen Spiel uns ein wenig ab. Manchmal sind es eben die kleinen Sachen.


    Chris hat in einem Beitrag gefragt, ob mein Freund mir bei meiner Trauer beistehen kann. Als meine Oma starb, war er mein stärkster Halt. Wir sind ja schon sehr lange zusammen und er kennt mich. Ich muss nicht viel oder gar nichts sagen und er versteht mich. Als Oma starb, wusste er wohl instinktiv, was er wann tun oder lassen oder sagen sollte. Ich denke, er konnte so gut auf mich eingehen, weil er nicht so einen extremen Bezug zu meiner Oma hatte. Bei D.'s Tod sieht die Sache ein wenig anders aus. Auch er muss einen schlimmen Verlust verarbeiten. Man hat im Leben nur einen oder zwei richtig echte Freunde (ich rede nicht von Kumpels); und D. war zweifellos einer davon. Wir stützen uns gegenseitig, so gut wir können. Sind wir traurig, dann spielt er mir zulieben eine Runde Spongebob-Monopoly, obwohl er lieber die Spielfiguren essen würde, als damit zu spielen...


    Wir werden das schon packen. Es wird aber viel Zeit brauchen.


    Fühlt auch alle von mir umarmt und gedrückt für Eure liebe Anteilnahme. Ich bin mir sicher, hier mit meiner derzeitigen Situation am absolut richtigen Platz zu sein.

    Hallo zusammen!


    Ich möchte mich erstmal ganz herzlich für Eure lieben Worte bedanken. Ich bin tief berührt und weiß gar nicht, was ich sagen soll.


    Auf einzelne Fragen möchte ich noch ein wenig eingehen. Z.B. auf die Frage, an was D. gestorben ist. Die Autopsie ergab, dass die Bauchspeicheldrüse ihren Dienst versagt hat. In welcher Form genau, ist mir nicht bekannt. Eine solche Frage scheint mir A. gegenüber auch unangemessen. Außerdem ändert es für mich an der Tatsache, dass er nicht mehr da ist, rein gar nichts. Ich kann also nur wiedergeben, was sie mir von sich aus erzählt hat. A. war nichts bekannt, dass D. ein Leiden an besagtem Organ gehabt hat. D. war - wie A. in einer wunderschönen Abschiedsrede bei seiner Beerdigung gesagt hat - ein sehr stolzer Mann, der eine Aversion gegen Ärzte und Kliniken hatte. Er hat am Tag vor seinem Tod Mattheit und Bauchschmerzen geäußert. Auf ihre Frage hin, ob sie einen Arzt holen soll, hat er das vehement verneint. Ihr wurde nach der Autopsie gesagt, dass - selbst wenn sie ihn (notfalls auch gegen seinen Willen) ins Krankenhaus gebracht hätte - er die Nacht bzw. den nächsten Tag nicht überstanden hätte. Und selbst wenn der (ich nenn es mal aus Unwissenheit so) Defekt früher erkannt worden wäre, so wäre die Alternative zum schnellen Tod, der angeblich sofort eingetreten war, ein Leben mit vielen Operationen, Magensonde, Schmerzen, Morphium etc. gewesen. A. hatte gestern einen Termin bei D.'s Hausarzt. Sie wollte wissen, ob D. vorher in diesem Bereich in Behandlung war etc. Außerdem hatte sie vor, den Arzt nach einem Psychologen zu befragen, der ihr zur Seite steht. Ich bin einfach nur froh, dass sie bereit ist, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie ist wahrlich nicht alleine; es stehen ihr viele Menschen bei - und doch stoßen wir alle schnell an unsere Grenzen. Wir sind alle nicht vom Fach und können nur aus dem Bauch heraus für sie da sein.


    Was mich selbst betrifft, so ist dies leider schon der 3. Todesfall innerhalb von 12 Monaten, der mich mitten ins Herz trifft. Erst starb überraschend meine Oma (ohne großartige Vorerkrankungen), dann eine ganz liebe Kollegin (an Krebs), die ich auch ein halbes Leben kenne und jetzt D.


    Ich bin ein Mensch, der sehr sensibel ist und mit dem Tod von mir nahestehenden Menschen gar nicht klar kommt. Aber ich denke, dass kann keiner. Da bin ich sicher keine Ausnahme. Als z.B. meine Oma starb, habe ich von jetzt auf gleich 40 Grad Fieber und Atemnot bekommen. Ich habe einen total lieben Hausarzt, der sich meiner in solchen Ausnahmesituationen annimmt und zum Teil wohl auch den Psychologen für mich gibt. Seit Omas Tod ist bei mir so eine Art chronische Bronchitis geblieben. So, als nähme mir ihr Tod die Luft zum atmen. Außerdem reagierte ich bei Omas und D.'s Tod zusätzlich mit absoluter Schlaflosigkeit und Angstzuständen. In akuten Phasen - so wie jetzt - bekomme ich vorübergehend gegen die Angstzustände und gegen die Schlaflosigkeit Medikamente. Das hilft aber nur zum Teil. Kommt mein Freund ne halbe Stunde später als sonst, sehe ich ihn schon vor meinem geistigen Auge in einem Autowrack liegen etc.


    Nochmals vielen lieben Dank für Eure Worte.

    Hallo zusammen!


    Ich habe hier schon seit ein paar Tagen reingelesen, mich sogar angemeldet, bislang aber den Mut nicht gefunden, aktiv zu werden. Ich habe beschlossen, mich mitzuteilen in der Hoffnung, wertvolle Tipps zu erhalten.


    Um der ganzen Tragödie gerecht zu werden, muss ich ein wenig ausholen:


    Meine beste Freundin kenne ich, seit ich 15 bin. Also ein halbes Leben lang. Sie ist ein Jahr älter als ich, hat für mich aber immer zusätzlich die Funktion einer "großen Schwester" erfüllt. Auch jetzt, da wir beide die 30 überschritten haben, hat sich an unserem innigen Verhältnis nie etwas geändert.


    A. meine Freundin ist seit ihrem 16. Lebensjahr mit D. zusammen. Die beiden waren nie getrennt, hatten nie Streit. Die große Liebe eben. Für mich immer ein Mysterium der Perfektion. Auch nach so vielen Jahren spüre ich die tiefe Liebe beider zueinander, so als wäre aus 2 Menschen einer geworden. Bei A. und D. ging immer alles glatt. Von der Wohnungssuche in der Großstadt, die dafür bekannt ist, dass Wohnraum Mangelware ist bis zur Jobsuche.


    Mein Freund und ich sind seit 12 Jahren zusammen. D.h. A. hat unsere Beziehung schon in den Anfängen mitverfolgt. Demzufolge bestand diese 4-er-Freundschaft seit ca. 12 Jahren. Unsere Männer verstanden sich vom ersten Augenblick an sehr gut; fast als wären sie seelenverwandt. Wenn wir zu viert loszogen, waren A. und ich wie nette Beiwerke, die aber bitte den Herrenplausch nicht stören sollten. Wir fanden das Männergefüge immer putzig und nahmen es ihnen nicht übel.


    Dies alles nur, um deutlich zu machen, in welcher Position ich und mein Freund stehen.


    Am Donnerstag, 22.05.2008 blieb die Welt stehen. Ein Anruf, der alles verändert:


    Es ist Abend, das Telefon läutet. Mein Freund geht ran und ich denke, dass es meine Mutter ist, die mir was sagen möchte. An der Art, wie mein Freund spricht merke ich, dass nicht meine Mutter am Telefon ist. Er reicht mir den Hörer mit den Worten "I. ist dran". I. ist die Schwester von A.


    Ich sehe auf die Uhr: 20.37 Uhr. Als müsse ich mir merken, wann die Welt zum Stillstand kommt. Mein Magen krampft sich schon zusammen, bevor ich überhaupt erfahre, warum sie mich anruft. Bevor nur ein Wort gefallen ist, ist mir klar, dass dieser Anruf nichts Gutes bringt. Ich habe furchtbare Angst, dass A. etwas passiert ist. Dies alles fliegt mir in Sekundenbruchteilen durchs Gehirn. Ich nehme den Telefonhörer und melde mich. I. sagt, dass A. ihr gesagt hat, sie solle mich anrufen. In meinem Kopf dreht sich alles. Warum habe ich so ein schlechtes Gefühl? A. hat gesagt, man soll mich anrufen; also gehts ihr doch gut. Warum fühle ich mich dann nicht erleichtert? Warum flattern meine Eingeweide?


    Und dann kommen die Worte, die ich nicht verstehen kann: "D. lebt nicht mehr. Er ist tot."


    In meinem Kopf kommt alles zum Stillstand. Ich verstehe die Worte nicht. Habe jedes davon schon unzählige Male gehört; aber nie in der Kombination. Und genau das ist das Problem. Zusammen ergeben sie für mich keinen Sinn. I. redet weiter - ich kann ihr nicht folgen. Noch immer versuche ich, die Worte zu verstehen. Mein Freund sitzt neben mir und starrt mich an, als könne er dadurch in meinen Kopf sehen und erfahren, warum ich so still bin. Ich starre vor mich hin; I. redet. Ich merke, dass ich Gänsehaut am ganzen Körper habe, meine Knie im sitzen zittern und mir Tränen übers Gesicht laufen. Also hat mein Körper vor meinem Gehirn begriffen, was die Worte bedeuten.


    Ein neuer Gedanke stürmt in meinen Kopf: Verweigerung. Ich unterbreche I. und sage ihr, dass sie sich täuschen muss; irgend etwas falsch verstanden hat. Sie täuscht sich nicht. Ich bin fassungslos, wie paralysiert. Kann mich nicht bewegen, nichts sagen, nur weinen. Auch dem Gespräch folgen kann ich nicht wirklich. Ich nehme nur Brocken zur Kenntnis. D. - tot - A. - gefunden - plötzlich - Gerichtsmedizin. Wir beenden das Gespräch.


    Ich sitze da und starre vor mich hin. Ich kann es nicht begreifen und ich will es auch nicht begreifen. Das kann nicht sein! Wir saßen noch an meinem 30. Geburtstag alle beisammen und hatten einen so lustigen Abend, den wir doch wiederholen wollten! Ich zittere immer noch. Aus dem leisen Weinen ist von mir unbemerkt schon ein Heulkrampf geworden. Mein Freund nimmt mir den Hörer aus der zitternden Hand und sieht mich fragend an. Ich ignoriere diesen Blick. Will ihm nicht sagen, was ich selbst nicht verstehe. Er wartet ein paar Sekunden und fragt mich dann direkt, was passiert ist. Ich stottere ihm etwas vor. Er begreift schneller als ich. Seine Augen füllen sich mit Tränen und ich kann buchstäblich zusehen, wie er in sich zusammenfällt. Wir sitzen da und jeder ist für sich völlig fassungslos. Unsere Gedanken sind bei D. und bei A.


    Die ganze Nacht liegen wir wach. Er, weil ihm die Fassungslosigkeit den Schlaf raubt und ich, weil ich auf einmal die völlig irrationale Angst habe, wenn ich einschlafe, sterbe ich oder merke nicht, wie mein Partner neben mir stirbt. Eine lange quälende Nacht, der noch viele weitere folgen.


    Am Mittwoch, 28.05.2008, haben wir D. zu Grabe getragen. A. war so tapfer. Sie hat alles organisiert und sogar eine Rede gehalten, die ausnahmslos jedem Trauergast die Tränen in die Augen trieb. Wir haben uns nach der Beerdigung das erste Mal nach D.'s Tod unterhalten. Sie war so anders. Sie war so bemüht um Stärke, dass es mir Angst machte. Wir verblieben so, dass sie sich bei uns melden würde.


    Am letzten Sonntag kam sie zu mir. Mein Freund war unterwegs, was auch gut so war. Sie kam in die Wohnung mit einer dicken Sonnenbrille auf. Als sie sich auf die Couch setzte und die Brille abnahm, brach sie völlig in sich zusammen. Ich habe mich mein ganzes Leben lang noch nie so nutzlos gefühlt, wie in diesem Moment. Ich wusste nich, was ich sagen sollte, habe sie in den Arm genommen und mit ihr geweint.


    Ich bin völlig hilflos. Sie macht sich Vorwürfe, die an den Haaren herbeigezogen sind, zweifelt an ihrer Beziehung, redet sich ein, eine schlechte Partnerin gewesen zu sein etc.


    Sie hat nichts, überhaupt nichts falsch gemacht. Ich fühle mich miserabel und schlecht, wenn sie Fragen stellt, warum man ihn ihr genommen hat, womit sie das verdient hat, was sie so falsch gemacht hat, so bestraft zu werden etc.


    Was kann ich tun, um ihr beizustehen? Ich habe total Angst, etwas zu sagen, was evtl. bei ihr total falsch ankommt, und alles noch verschlimmert.