Beiträge von GustavK

    Ich kann das Buch "Mein Vater ist nicht gestorben" von Christian Kortmann sehr empfehlen. Der Autor schreibt darin über das Leben und Sterben seines Vaters. Dieser muss ein sanfter und sehr interessanter Mensch gewesen sein, ein echter Philosoph und Lebenskünstler! Kortmann lässt uns an sehr intensiven und oft auch lustigen Erinnerungen teilhaben. Das ist wirklich sehr berührende und feinsinnige literarische Trauerarbeit, die einem auch in düsteren Zeiten das Licht am Horizont aufzeigt. :22:


    In einem Interview sagt der Schriftsteller: "Durch den Verlust habe ich meinen Vater noch einmal neu kennengelernt. Und zwar weniger in seiner Vaterrolle, die er nun nicht mehr ausfüllen konnte. Ich habe mich zum ersten Mal mit ihm als freiem, unabhängigem Menschen und seinem Lebensentwurf beschäftigt. Materiell hat mein Vater mir nichts vererbt, ich betrachte mich aber als reichen Gedanken- und Verhaltenserben. Die Fortsetzung des Dialogs und das Bewahren des Schönen, Guten und Wahrhaftigen ist die vielleicht vornehmste Aufgabe der Kunst und vor allem des Schriftstellers. Um dieses Gespräch fruchtbar zu führen, muss man akzeptieren, dass das Gegenüber gegangen ist, und lehnt sich zugleich gegen das Verstummen auf. Andere Menschen, heute oder in ferner Zukunft, werden das Buch lesen und den Dialog vielleicht weiterführen – wir senden und empfangen über lange Distanzen."


    https://www.verlagshausroemerw…uelles/kortmann-interview


    "Mein Vater ist nicht gestorben" von Christian Kortmann: mein absoluter Lesetipp! :love:

    Super Lesung, tolles Buch!


    »Mein Vater war in keiner Sache außergewöhnlich begabt – außer im Leben selbst.«


    Wenn ein Sohn so etwas von seinem Vater sagen kann, dann hat der Vater wohl etwas richtig gemacht.


    Obwohl der Vater des Autors an Krebs gestorben ist, führt er weiterhin sehr lebendige Dialoge mit ihm...




    »Es ist so weit«, sagt mein Vater am Telefon, als meine Mutter mich aus seinem Krankenhauszimmer anruft und ihm den Hö­rer reicht. Dann sagt er es noch einmal, weil er wohl ahnt, dass ich ihn nicht verstanden habe, ihn nicht verstehen will: »Es ist

    so weit.«

    Wo ich sei? Im Zug, kurz vor Hannover, sage ich. Früher Frei­tagnachmittag, der 1. Klasse-Großraumwagen ist gut besetzt.

    Ich schaffe es unter Tränen, ihm zu sagen, dass ich ihn sehr liebe und bewundere für alles, was er erreicht hat und ist. Meine

    Stimme wird laut und verzerrt sich durch das Weinen zu einem Kreischen. Ich spüre, wie der ganze Großraumwagen still zu­sammenzuckt – und es ist mir egal.

    Er sagt nicht, dass er mich auch liebt oder etwas anderes Pa­thetisches. Er bedankt sich für meine Worte.

    »Ich hoffe, dass ich es rechtzeitig schaffe …«, sage ich.

    »Ja, das schaffe ich schon«, sagt er: »Bis nachher!«

    Beim Umsteigen in Hannover muss ich den Bahnsteig wech­seln. Im Rekordtempo sprinte ich vom Zug die Treppen hin­unter und die nächsten Treppen wieder hinauf. Fast renne ich jemanden um, in Angst, zu spät zur wichtigsten Verabredung meines Lebens zu kommen.


    Das ist nur eine der vielen ergreifenden Szenen in diesem Buch.


    Viele Gedanken über Trauer, Verlust und Erinnerung, für die der Autor Worte findet, bewegen auch mich.


    Herzliche Grüße ins Forum

    Euer Gustav