Beiträge von angelbride

    Erst einmal vielen dank für die lieben Antworten!


    Heinz Dieter, ich habe deine Geschichte gerade auf deiner Homepage gelesen - es ist unfassbar, wie das Schicksal so oft und so ungerecht zuschlägt. Ich wünsche dir ganz viel Kraft!
    Ja, die Geburtstage... Fast noch schlimmer als Todestage, wenn du mich fragst.
    Und ja, das mit dem sich wünschen, der erste zu sein, der gehen darf.. Es schien zwar immer so weit entfernt, aber das haben wir uns doch auch gewünscht. Als Kinder dachten wir sowieso immer, wir würden gemeinsam sterben...
    Es ist einfach als wäre man nicht mehr man selbst. Denkst du, man schafft es irgendwann, sich damit ab zu finden?



    Sabrina...
    Sabrina war die Jüngere von uns beiden. Sie war immer schon etwas kleiner, hatte ein etwas rundlicheres Gesicht und war allgemein etwas kurviger als ich. Bis in die 2. Klasse Hauptschule konnten uns trotzdem nur Menschen unterscheiden, die uns sehr gut kannten. Unsere Eltern fanden es immer wichtig, unsere Individualität zu betonen und haben uns deshalb immer verschieden angezogen - wir haben das gehasst. Wir wollten immer, dass man sieht, dass wir Zwillinge sind. Als wir dann älter geworden sind hat es uns aber immer mehr genervt, dass wir uns so ähnlich waren. Sabrina hat sich dann die Haare Platinblond gefärbt und sich in eine eher "tussige" Richtung entwickelt, während ich mir die Haare in allen möglichen Farben gefärbt habe und öußerlich ihr absolutes Gegenteil war.
    Sie war immer etwas frühreifer als ich, brachte stets irgendwelche Jungs mit nach Hause, was mich dann oft eifersüchtig gemacht hatte, weil ich mich oftmals von ihr ausgeschlossen fühlte.
    Sie war bei allen beliebt, war viel offener und selbstbewusster als ich.
    Obwohl wir auf den ersten Blick total unterschiedlich waren waren wir uns doch sehr ähnlich. Wir mochten dieselben Filme und Bücher, hatten das gleiche Lieblingsessen, standen meist auf die gleichen Jungs.
    Ich konnte eigentlich über alles mit ihr reden, sie war einfach immer da. Und obwohl wir zum Schluss in sehr unterschiedlichen Welten lebten (sie arbeitete, ich studierte) war sie immer die einzige, von der ich mich vollkommen verstanden und akzeptiert fühlte. Sie konnte auch immer sagen, wenn ich nicht die Wahrheit erzählte, oder wenn mir ein Junge gefiel - ich konnte ihr nie irgendetwas verheimlichen.
    Als Kind konnte ich nur schlafen, wenn ich wusste, dass sie auch da war - wenn wir bei Freundinnen übernachteten, dann nur im Doppelpack, ansonsten bekam ich Heimweh. Eigentlich habe ich bis ich 16 Jahre alt war ständig Heimweh nach meiner Schwester bekommen. Sogar auf meiner Maturareise, mit 18 Jahren, musste ich sie jeden Abend anrufen und konnte nur einschlafen, wenn außer mir noch jemand im Zimmer war. Ich war tatsächlich froh, als die Maturareise vorbei war...


    Sie war einfach meine Sabrina, wir hatten dieselben Freunde, dieselben Hobbies, sind am Wochenende zusammen weg gegangen,...
    Sie war einfach immer da, und jetzt wird sie nie mehr da sein. Ich glaube, das habe ich nach 1 1/2 Jahren noch immer nicht so ganz verstanden. Dass ich jetzt einfach so alleine bin...
    Wir wohnen direkt neben dem Friedhof, und ich gehe eigentlich jeden Tag an ihrem Grab vorbei.
    In unserem Dorf ist vor ca 3 Jahren schon einmal etwas ähnliches passiert. Schulkameraden aud der Hauptschule waren auch Zwillinge. Nach einem Streit ist einer von ihnen mit dem Auto weg gefahren und verunglückt. Sabrina und ich haben damals oft darüber gesprochen, wie es wohl für den zurückgebliebenen Zwilling sein muss. Es war unvorstellbar. Von diesem Zeitpunkt an hatte ich extreme Verlustängste, die haben sich seit Sabrinas Tod noch viel mehr verstärkt. Ich kriege oft Panikattacken, wenn jemand nicht pünktlich erscheint, meine Mutter muss mich immer anrufen, wenn sie bei ihrer Arbeit angekommen ist nur damit ich weiß, dass ihr nichts passiert ist.
    Ich habe auch schon über eine Therapie nachgedacht, aber der eine Psychiater, zu dem mich meine Eltern kurz nach Sabrinas Tod geschickt haben, hat mir gleich Antidepressiva verordnet und die will ich eigentlich nicht nehmen. Es ist doch volommen normal, nach so etwas zu trauern! Das gehört doch nicht einfach unterdrückt und weggesperrt, das muss doch raus...


    Wie geht ihr damit um?
    Und viele von euch haben doch bestimmt auch Schlafprobleme, oder? Kennt ihr da irgendein natürliches Mittelchen?


    Noch einmal Danke für die vielen lieben Zusprüche!
    LG, Corinne

    Ich weiß nicht einmal so recht, was ich hier überhaupt tue, ich hasse es darüber zu reden und noch mehr hasse ich es, dass ich nicht darüber reden kann/will.


    Meine eineiige Zwillingsschwester ist vor 1 1/2 Jahren gestorben. Wir waren 19.


    Wie gesagt, ich rede nicht wirklich oft darüber, vor allem, weil ich andere nicht damit "nerven" will. Ich fühle mich dann meistens so, als würden die sich denken, dass ich eh nur Mitleid will.
    Und auf der anderen Seite hab ich ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen,


    Sabrina starb in einem Autounfall, während ich auf dem Geburtstag einer Freundin war.
    Meine Mutter hat mich auf dem Handy angerufen und gesagt, ich solle sofort nach Hause kommen. Ich konnte schon an ihrer Stimme erkennen, dass etwas passiert war, aber in meiner damaligen Naivität dachte ich (oder redete mir ein?) dass unsere Katze gestorben sei, die von uns allen sehr geliebt wurde und damals etwas kränklich war. (Die heute übrigens immer noch lebt)
    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass etwas so schreckliches in unsererFamilie geschehen könnte.
    Plötzlich war ich alleine.


    Die Frage, die ich mir immer und immer wieder stelle ist die: Bin ich jetzt überhaupt noch ein Zwilling?
    Irgendwie bin ich weder das eine, noch das andere - weder Zwilling, noch Einzelkind.
    Ich habe mich stets als Zwilling definiert - wir wuchsen in einem relativ kleinen Dorf auf und jeder nannte uns nur "die Zwillinge".
    Da war immer jemand, mit dem ich alles teilen konnte/musste. Ich habe nie gelernt, alleine zu sein, ich habe nie gelernt, ich selbst zu sein. Ich war eben Sabrinas Schwester, und Sabrina war meine Schwester und das waren wir und das war unsere Wahrheit und unsere Welt.


    Ich weiß nicht, wie ich ohne sie weiter leben soll, irgendwann zurück blicken und vielleicht zu realisieren, dass ich 60 Jahre lang ohne sie gelebt habe. Das will ich nicht. Das ist unmöglich, das ist unvorstellbar.
    Andererseits kann ich auch nicht einfach aufgeben, das könnte ich meinen Eltern nicht antun.
    Sollte es mich erschrecken, dass ich keinen anderen Grund zum weiterleben finde, als die Trauer meiner Eltern?


    Ich bin jetzt 21 Jahre alt, vor einem Monat war unser Geburtstag. Der zweite, ohne sie.
    Man sagt mir, ich solle sie hinter mir lassen, weiterleben, darüber weg kommen.
    Man sagte mir schon vor 1 1/2 Jahren, dass es leichter wird.
    Es wird nicht leichter, oder zumindest merke ich noch nichts davon.
    Ich hasse es, dass ich mich selbst nicht mehr erkenne, nicht mehr weiß, wer ich bin.