Beiträge von BarbaraPachl

    Liebe alle,


    danke, dass ich mich nun schon richtig als Teil der Gemeinschaft hier fühlen darf. Ich war ja lange irgendwie auf einer komischen Position. Einerseits von der Öffentlichkeit als die Vorzeige-Trauernde hingestellt (und zugleich stets darum bemüht, diese Zuschreibung zu relativieren und in Frage zu stellen), andererseits von vielen "echten" Trauernden missverstanden.


    Bis heute bin ich froh, dass ich den Weg in die Öffentlichkeit nicht gescheut habe, der viel mehr auf mich zugekommen ist, als dass ich ihn aktiv gesucht hätte. Ich denke, es wurde ein bisschen mehr nachgedacht (von "Nicht-Betroffenen" oder "Noch-Nicht-Betroffenen") und manche Tabus wurden ein kleines bisschen gelüftet, und ein paar Menschen haben Worte bekommen für das, was sie auch fühlen, aber eben nicht ausdrücken konnten.
    Aber jetzt genug zur Öffentlichkeit.


    Ich danke Euch für Euren Respekt, für Eure Ehrlichkeit, und dafür, dass Ihr bereit seid, zwei- oder mehrmals hinzuschauen.


    Für mich sind Trauernde vor allem:
    Menschen, die die Kunst des Stolperns und Wieder-Aufstehens täglich üben. Menschen, die wissen, dass kein Mensch nur in einer Schublade Platz hat. Menschen, die erfahren haben, dass es Dinge gibt, die man nicht erklären kann, und die nun die Größe haben, einen anderen nicht zu verurteilen, nur weil sie ihn gerade nicht verstehen. Menschen die einen offenen Blick haben, weil sie es nicht mehr nötig haben wegzuschauen. Weil sie das Schlimmste bereits gesehen haben. Menschen, die...


    Nun noch etwas Persönliches:
    Michi, ich habe mich nun ein bisschen in Deine Geschichte vertieft. Sie berührt mich sehr. Ich bin sicher, Dein Mann ist bei Dir.
    Weißt Du, beim Lesen Deines Posts fragte ich mich nur: glaubst Du, dass Gott da wirklich etwas getan hat, das für alle Beteiligten schlecht war? Ich kann so schwer daran glauben, dass Gott oder das Universum oder wie man ihn/sie halt nennen will, etwas tut, was nicht aus purer Liebe geschieht. Was ich mich frage ist: Kannst Du einen winzigen Teil von Dir denken lassen, dass das höhere Selbst Deines Mannes in jener Nacht gehen WOLLTE? Weil es gut war? Weil es genug war? Weil es grad am Schönsten war?


    Weißt Du, mir hilft das manchmal, wenn ich an meinen kleinen Sohn denke, der mit sechs Jahren gestorben ist. Er war so fein und zart und zerbrechlich. manchmal hatte ich so Angst, ob er auf dieser Welt bestehen würde. Ich habe ihn extra ein Jahr länger im Kindergarten lassen, um ihn vor der harten Schulzeit zu beschützen. Dann ist er, ein halbes Jahr vor seiner Einschulung, gestorben. Manchmal denke ich, er hat sich das ausgesucht. Hat die Rosinen im Leben genommen und sich diesmal eine "ruhige Lebenskugel" gegönnt. Für ihn war es gut. Und genug.


    Wenn ich das selbe bei meinem Mann denke, dann ist es ähnlich. Allerdings kam da irgendwann, sehr überraschend, die Wut ins Spiel. "Aha, Du sitzt jetzt auf Deiner Wolke und lässt die Beine baumeln, und ich kann den ganzen Käse hier alleine weitermachen? Na, Danke!" :022:
    Das war nicht angenehm, und wie gerne hätte ich mich weiter mit Heli verbündet im Sinne von "wir sind beide Opfer Deines Todes". Aber Heli ist kein Opfer, denke ich, denn ich bin sicher, es geht ihm gut.
    Wenn ich ihm das zugestehe und mir zugleich meinen wütenden Teil zugestehe, dann ....irgendwann... kann ich es mir auch "hier unten" gut gehen lassen, ohne das Gefühl zu haben, dass ich Hochverrat am "armen" Heli begehe.


    Ich kenne sie auch, diese Stunden oder Tage, wo man im Bett liegt und (stumm oder laut) schreit "lieber Gott, bitte, warum nimmst Du mich denn nicht auch zu Dir?"
    Einmal hatte ich dabei ein unglaubliches Erlebnis. Ich habe in der Nacht einen furchtbaren Nervenzusammenbruch gehabt und habe in einem fort gebetet: "Nimm mich zu Dir, bitte, ich meine es ernst! Bitte! Ich meine es wirklich erst!...." Nach einer halben Stunde, als ich noch immer so betete, habe ich plötzlich gespürt, wie sich zwei unendlich warme Hände unter mich schieben. Es hat sich angefühlt, als würde ich schweben, getragen sein von ... Irgendwie war plötzlich klar, "Gott" hat mich sowieso längst zu sich genommen, immer schon. "Ich bin bei Dir, du bist bei mir", das ist übrig geblieben von jener Nacht. :30:


    Tot oder lebendig, dieser scheinbare Gegensatz kommt mir manchmal so vor wie die Frage, ob wir gerade angezogen sind oder nackt. Natürlich angezogen, meistens, aber ...gleich unter der dünnen Schicht unserer Kleider sind wir doch auch nackt. Das ist kein wirklicher Gegensatz. Und genauso denke ich, dass wir, so wie wir hier leben und atmen und spazieren gehen, gleichzeitig auch "tot" sind. Also das, was wir später sein werden und was unsere Liebsten schon in purer Form sind. Es ist gar kein so großer Unterschied, es gibt viel mehr, was uns verbindet.


    Ich wünsche Dir, ich wünsche Euch winzige Momente der Freude, des Lächelns, der Begegnung.
    Oder auch große. Stunden. Tage. Lachkrämpfe, Heulkrämpfe, Schreikrämpfe (warum gibt es bloss so wenig Orte, wo man ungestört schreien kann...?)


    Eure Barbara

    Liebe Michi, liebe Manuela, liebe alle,


    zuallererst: ich habe ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil ich dachte, man sieht, dass der Link zu "vier minus drei" von mir, also der Autorin selbst ist.
    Jetzt merke ich, dass man mich nur findet, wenn man auf mein Profil klickt und mein Benutzername nur aus Zahlen besteht.
    So war das nicht gewollt! Sorry!


    Zugleich möchte ich nun aber die "Gelegenheit" nutzen, ein paar Worte zu
    ...nein, nicht zu verlieren, eher: zu finden.


    Dieses Thema "sooo schnell wieder in Beziehung" taucht immer wieder auf, natürlich. Ich habe es in meinem Buch ziemlich genau beschrieben, wie es dazu kam, und auch warum die Liebe zu meinem neuen Partner nicht in Konkurrenz zur Liebe steht, die ich für meinen gestorbenen Mann empfinde. Ich bin dankbar dafür, und staune selbst am meisten, wie es mein Herz schafft, so vieles gleichzeitig zu beherbergen, weiß aber auch, dass mein Fall eine Verkettung vieler (auch, so paradox es klingt) glücklicher Umstände war. Vor allem, was meinen neuen Partner angeht und seine fast unermessliche Größe, Weisheit, Geduld und Spiritualität.


    Ich weiß, dass jeder Trauerweg anders verläuft und bezeichne den meinen weder als exemplarisch noch als besonderer als irgendeinen anderen Weg. Preise kommen und gehen, Bestseller kommen und gehen genauso, zurück bleibt im besten Fall ein Staunen und ein tiefer Respekt vor der Einzigartigkeit eines jeden Menschen, egal, ob er (sie) gerade vor irgendwelchen Kameras versucht, das auszudrücken, was sie begriffen hat, oder ob sie zu Hause mit ihren Kindern über einen Engel-Papa spricht, oder vielleicht ebenso mutig die Sphären der ganz großen Einsamkeit durchwandert. Es geht nicht um das, was man im Außen bekommt, das sagt nichts, außer, dass man eben gerade im Scheinwerferlicht steht, weil es eben auch diesen Platz auf der Großen Bühne des Lebens gibt und auch er besetzt sein will.


    Ich habe vor einiger http://www.amazon.de/review/R2…&linkCode=#wasThisHelpful ein Kommentar zu einer Rezension auf Amazon geschrieben, im dem ich mich bemüht habe, das Thema der unterschiedlichen Trauerwege noch genauer auszudrücken.
    http://www.amazon.de/review/R2…&linkCode=#wasThisHelpful


    Ich wünsche Euch alles Glück der Erde und Geborgenheit bei jedem Eurer Schritte!
    Barbara Pachl-Eberhart