Beiträge von anja04

    Hallo Ihr Lieben,


    Es hat mich etwas Überwindung gekostet , heute abend hier ins Forum zu schauen, aber umso mehr habe ich mich gefreut über eure Antworten. Überwindung vielleicht deshalb, weil es irgendwie meine ersten Schritte sind, mich mit der Trauer um meine Mami auseinander zu setzen.


    Ja, meiner Mutter ging es schon längere Zeit nicht sehr gut. Eigentlich bereits zu dem Zeitpunkt, als ich Österreich verlassen habe. Ich habe es in jeder einzelnen Faser meines Körpers gespürt, dass irgendetwas schief gehen würde, die Abreise und die ersten Tage hier waren eine Qual. Trotzdem bin ich gegangen. Wenige Wochen darauf wurde Mami das erste Mal ins Krankenhaus gebracht, ich bin dann natuerlich sofort nachhause, um sie zu besuchen. Es war schrecklich, ich hätte sie beinahe nicht wieder erkannt, so körperlich geschwächt war sie. Nach eiem Monat wurde Mami wieder entlassen, und nur 2 Wochen drauf wieder ins Krankenhaus gebracht, die Nieren haben angefangen zu versagen. Aber Mami hat sich wieder aufgerappelt, wie immer, sie hatte schon oft gesundheitliche Probleme, und sie war immer stark gewesen.


    Ich erinnere mich an das erste Telefongespräch nach ihrer zweiter Entlassung, sie hat so fröhlich geklugen, einfach meine Mami, wie ich sie kenne, hat mir erzählt, dass sie nett einkaufen war und dass sie es so vermisst hat, herumzubummeln. Es ging ihr so gut, sie hatte so viel Energie!!! Dann ging es langsam wieder bergab, aber Mami hat dann angefangen, ihre Probleme herunterzuspielen, nein es ginge schon, ist nicht so schlimm...Ich habe jeden abend angerufen, einfach nur 10 minuten plaudern, nichts bestimmtes. Ich habe mich dann angefangen, zu ärgern, warum sie denn nicht zum Arzt geht, wenn es ihr doch schlecht geht, was sie auch nicht mehr verheimlichen konnte, weder vor mir noch vor meinem Vater. Ich war dann auch schon sehr gereizt, weil das nicht das erste Mal war, dass sie sich weigerte, zum Arzt zu gehen. Ein paar Tage später haben Mamis Nieren im Schlaf versagt. Mein Vater ist neben ihr gelegen und hat erst morgens bemerkt, was geschehen war.


    Ich kann irgendwie nicht mehr, es wird mir alles zuviel. Allein das alles zu beschreiben, ist so schwierig... Ich komme mir so kalt vor, als würde ich einen Bericht schreiben, aber eigentlich schreibe ich doch über die schlimmsten Wochen und Monate in meinem bisherigen Leben. Ich würde alles geben, nur um diese Welt für einige Momente anzuhalten, einfach um zu mir zu kommen. Ich fühle mich wie in einer Blase, aus der ich nicht hinauskomme, die aber vom Wind immer weiter und weiter getrieben wird, ohne dass ich das will, alles viel zu schnell... hier zu hause, abends, schaue ich in den Spiegel, und sehe mein wirkliches Gesicht... ich hoffe nur, es wird bald besser, und ich kann mich auf Abende zuhause bald wieder freuen, und keine Angst mehr vor diesen Stunden haben...


    Bis bald,


    anja

    Hallo,


    Meine Mutter ist letzten Oktober verstorben, im Schlaf, nach einigen Monaten sehr schlechten Gesundheitszustandes. Es schien alles besser zu werden, mein Vater, ich und meine Mutter selbst hatten Hoffnung, dass alles wieder in Ordnung kommt, dass es ihr wieder besser gehen würde, waren optimistisch.


    Doch dann dieser Anruf. Und dieser eine Satz, den mein Vater zu mir sagte. Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben einen so grossen Schmerz gespürt, einen so tiefen Stich in meinem Herzen und noch nie habe ich so geschrien und geweint ... ich habe die Nachricht im Ausland erhalten, und die Stunden der Rückreise waren unerträglich. Die nächsten Wochen habe ich wie in einem Rausch erlebt, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass meine Mutter weg war. In der Wohnung war alles wie gewohnt, ihre Sachen waren überal. Ich erwartete eigentlich immer, dass sie einfach zur Wohnungstür rein kommt. Aber sie kam nicht wieder.


    Nun ist es schon etwa 6 Monate her, ich bin wieder zurück gegangen ins Ausland, einen neuen Job anzufangen, mein Vater hatte mich beinahe dazu gedrängt, etwas ganz Neues anzufangen, eine Distanz zu gewinnen. Nun sitze ich hier, mein Vater zuhause. Wir sind beide alleine, so alleine, und am liebsten würde ich alles packen und auf der Stelle zurückgehen. Ich habe hier niemanden, mit dem ich über alles reden könnte: enge freunde habe ich hier nicht, meine Freunde zuhause will ich damit nicht belasten, schon gar nicht per mail oder skype.


    So habe ich angefangen, eine Art Doppelleben zu führen: nach aussen, im Job, immer ein Lachen, am Wochenende manchmal am Abend nett unterwegs. Bloss niemandem zeigen, wie es wirklich ist, seine liebe Mutter zu verlieren, niemanden eine Angriffsfläche bieten, wenn man nicht so funktioniert, wie es die anderen erwarten. Niemandem zeigen, wie gelähmt man eigentlich ist, am Ende sich selbst belügen und denken, es gehe einem eh gut ... Aber dann, zuhause, am Abend, kommen all diese Bilder wieder, das letzte Telefonat, all die Fragen, all die Vorwürfe und die Vorstellung, wie denn genau das alles passiert ist. Und diese Ungläubigkeit: eigentlich kann das gar nicht wahr sein, das kann irgendwie nicht sein, oder? Und der Schmerz, der dich einnimmt von oben bis unten und manchmal nicht weggeht bevor du weinend einschläfst.


    Ich habe in den letzten Wochen unglaublich traurige und einsame Momente erlebt, die im Innersten, Innersten unwahrscheinlich weh tun. Irgendwie kann es niemand nachvollziehen oder die richtigen Worte finden...Am wenigsten ich selbst. Ich weiss nicht, wie ich mit mir selbst umgehen soll. Ich habe Angst vor meinen eigenen Emotionen, und vor allem, mit diesen Emotionen alleine zu sein, weil sie so weh tun...Ich habe mir einen Ratgeber zugelegt, von Doris Wolf, er liegt neben meinem Bett. Aber ich kann einfach nicht anfangen, ihn zu lesen, aus lauter Angst. Angst davor, zu lesen, nicht "richtig" zu trauern, wie all die anderen, vielleicht auch davor, einzusehen, dass man loslassen muss und nichts rückgängig machen kann. Und das schlechte Gewissen, weil ich irgendwie nach aussen hin immer ein Lächeln bereit habe, und die Frage, ob meine Mutter genauso getrauert hätte wie ich?


    Meine Mutter war erst 56, ich bin 23, habe noch mein ganzes Leben vor mir, aber sie nicht an meiner Seite... ich kann es irgendwie nicht akzeptieren, obwohl ich weiss, dass ich das muss. Es muss weiter gehen, und ich weiss, dass meine Mutter mir das auch gesagt hätte. Aber es ist so schwierig, und kostet so viel Kraft, die ich einfach nicht habe....


    Ich hoffe auf ein paar Eindrücke von Euch, vielleicht könnt Ihr mir sagen, wie Ihr mit dem Verlust umgeht und woher Ihr Eure Kraft nehmt, wie ihr mit all den Fragen und Zweifeln zurecht kommt...


    Ein ganz liebes Dankeschön fürs Lesen!


    Anja