Hallo, liebe Winkey,
früher haben die Frauen über still geborene Kinder nicht gesprochen. Es galt als persönliches von Gott gesandtes oder zugelassenes Schicksal/Glaubens- und Vertrauensprüfung, das Gott den Frauen zugemutet hat. Wer Genealogie macht (also alte Familienaufzeichnungen durchforstet) wird hier und da Aufzeichnungen finden über still geborene Kinder.
Wissenschaftlich betrachtet geht man davon aus, das Frauen vor ca 100 Jahren von ca 10 Kinder auch ca 4 still geboren Kinder erlebt haben, die man einem zeitgleich erwachsenen Verstorbenen im günstigsten Fall auf einem Friedhof beigelegt hat - oder im heimischen Garten meist unter einen Obstbaum begraben hat. Regionsweise wurde unterschiedlichen Obstbäumen der Vorzug gegeben - bei uns in Mitteleuropa Apfel- oder Zwetschenbäume, in Gebieten, da Oliven wachsen, wurden still geborene Kinder im Schatten von Olivenbäumen zur letzten Ruhe gebettet.
Der sich verändernde Zeitgeist, die feinstofflicher werdende Umwelt brachte es mit sich, das man über geschlagene Frauen öffentlich zu reden begann. Dementsprechend entstanden die ersten Frauenschutzhäuser etwa ab 1970 in D, ab 1975 Österreich. Wenige Jahre später folgten Mutter - Kind - Einrichtungen für obdachlose Frauen und ihre (meist neugeborenen) Kinder ....Zeitgleich begannen Bestatter, Friedhofserhalter, (in D Klinikbetreiber, da dort diese Einrichtungen zur Bestattung von Kinderleichen verpflichtet sind) sensibler mit dem Thema der Beerdigung von Kinderleichen umzugehen.
In Österreich werden Kinderleichen - welche nicht im Auftrag der Angehörigen beerdigt wurden - im Auftrag des zuständigen Gesundheitsamtes beerdigt (meistens in Gemeinschaftsgräbern, Sammelbeerdigungen)
Hintergrund ist in ganz Österreich die Ansage "wenn die Angehörigen den Bestattungsauftrag nicht binnen Frist rechtsverbindlich in Auftrag gegeben haben". Die Frist lautet in jedem Bundesland anders, da das Bestattungsgesetz nur pro Bundesland gilt. In Tirol ist das Bestattungsrecht im Seuchenschutzgesetz veranktert, in der Steiermark beträgt die Frist 72 Stunden, in Wien 5 werktage - überall ab Ausstellung des Rosa Schein (Ergebnis einer durchgeführten Totenbeschauung)
Die Wiener Babygruppe 35b besteht seit Dez. 2000 (erstmals wurde in Wien auch Kinderleichen unter 500 Gramm im Auftrag des Wiener Gesundheitsamtes beerdigt!), wärend vorher "nur" Kinderleichen über 500 Gramm in der Gruppe 37 beerdigt wurden (und davor in einer anderen Gruppe)...Ich möchte damit ausdrücken, das es grundsätzlich in Wien (und Hamburg) schon eine sehr lange Traditionen gibt, Kinderleichen im Auftrag des zuständigen Gesundheitsamtes (D: Klinik) zu beerdigen.
Doch es gibt immer noch viele Probleme - und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.
1. in Wien werden grundsätzlich Klinikintern noch lange nicht alle anfallenden Kinderleichen grundsätzlich zur Beerdigung freigegeben (Vertraut als Schwangerschaftsabbruch/Fristenlösung, Eileiterschwangerschaft, Eierstockschwangerschaft, Bauchhöhlenschwangerschaft und Kürretage bzw. ähnlich medizinische Gründe)
2. es geht um die Kostenübernahme einer Beerdigung: die MA 40 mißt mit zweierlei Maß. Dementsprechend gelten früh verstorbene Kinder nicht als Familienmitglied! (Antrag haben wir ausgesendet, um diese Diskriminierung aufzuheben)...dementsprechend dürfen in Wien Familien ihre frühverstorbene Kinder auf eigene Kosten beerdigen oder aber sie müssen auf das Ihnen zustehende Begräbnisrecht verzichten (dann wird die Kinderleiche im Auftrag und auf Kosten des Wiener Gesundheitsamtes in der Gruppe 35b beerdigt, mit den Auswirkungen, das den Angehörigen kein Grabnachnutzungsrecht angeboten werden kann - die Angehörigen von sich aus aktiv werden müssen, um in Erfahrung zu bringen, das, wann, ob der Leichnam ihres Kindes beerdigt wird/ wurde ec. Zudem müssen dzt. die Eltern von unter 500 Gramm schweren Kinderleichen in Wien die Kremierung akzeptieren...wenn sie selbst nicht für die Beerdigungslosten aufkommen können! Dabei bricht für eine Frau vielschichter (als für einen Mann) die Zukunftplanung zusammen, denn in der Regel wollte die Frau beim lebenden Kind zu Hause bleiben und Jahre später erst wieder berufstätig werden....
3. wenn in Wien eine Beerdigung im Auftrag der Angehörigen angesagt ist, kann der Friedhofserhalter nach 10 Jahren (Ablauf der Mindestruhezeit) den Angehörigen das Nachnutzungsrecht wirtschaftlich anbieten (unabhängig davon, wer die Beerdigung bezahlt hat)
4. da ausnahmslos alle Beerdigungen in der Gruppe 35b im Auftrag des Wiener Gesundheitsamtes getätigt wurden, ist geplant, diese Gräber in der Gruppe 35b nach Ablauf der Mindestruhezeit zu räumen und neu zu belegen. (Manche Familien haben das Gefühl, das sie ihr Kind damit ein zwetes Mal verlieren. Die Grab- bzw Gedenkstätte meiner Kinder besteht seit 1987, und ich kann mir eine Grabauflösung zu meinen Lebzeiten nicht vorstellen)
5. Da die Kinderbegräbnisse in der Gruppe 35b im Auftrag des Wiener Gesundheitsamtes umgesetzt wurden/werden, kann die Friedhofsverwaltung die Angehörigen nicht personenbezogen verständigen (wir haben das heuer ersatzweise 195 Briefe geschrieben und die zuständigen Kliniken um Aussendung erbeten, denn die Kliniken haben lt. Krankenakte der Mutter die Kontaktdaten der Angehörigen.
Einem ersten Anruf vom Dokumentationszentrum des Wiener AKH haben diese Mitarbeiterinnen Bedenken wegen der Aussendung (dabei betrifft es hier 105 Begräbnisse zu etwas mehr Kinder, weil Zwillinge/Mehrlinge in einem Grab liegen). "Eltern hätten nicht ihr Einverständinis dafür gegeben, den auf Grund der Krankenakte vorhandenen Datensatz für eine Aussendung - Angeregt durch eine Selbsthilfegruppe - zu verwenden."
Andere Spitäler (St. Anna, Kaiser - Franz - Joseph - KH waren sofort für die Weiterleitung bereit) und das mit dem datenschutz kann man sehen wie mit einem Wasserglas: halb voll oder halb leer.
Insgesamt habe ich 195 Briefe gestaltet entsprechend der Begräbnisse in der Gruppe 35b der Begräbnisse 2000, 2001, 2002. Die Angehörigen der genannten Kinder können die Verlegung der Kinderleiche z.B. bei der Verwaltung der Wiener Friedhöfe beantragen ...rechtlich betrachtet: ausschließlich auf eigene Kosten, wobei ich dzt abklären lasse, ob Fötensärge aus Karton zur Beerdigung zur Anwendung kommen dürfen, denn zum zeigen in der Klinik und zum Transport z.B. zur Feuerhalle wurden diese Särge entworfen..... (Anfrage habe ich dieser Tage an den Volksanwalt Dr. Peter Kostelka und an Herrn Tichacek - Verwaltung der Wiener Friedhöfe gesand. Als die Wiener Friedhofsverwaltung noch MA 43 hies, war Herr Tichacek zuständig für Tarife und Recht)
ein weiteres Problem sind die zahlreichen lebend geborenen Kinder, die versicherungstechnisch die Klinik nicht lebend verlassen haben. Sie wurden zwar lebend geboren und starben einige Tage/Wochen/Monate später...sie wurden von den Kliniken als Totgeburt gemeldet, in dem jenes Datum, an dem diese Kinder lebend den Mutterleib verlassen haben, als Todesdatum eingetragen und so auf dem Totenbeschauschein (Rosa Schein) draufsteht. Die Angehörigen fühlen und wurden /fühlen sich mehrfach betrogen...angefangen bei der Tatsache, das die MA 40 lebend geborene und später verstorbene Kinder sehr wohl als Familienmitglieder anerkennt und dementsprechend ein Begräbnis außerhalb der Gruppe 35b bezahlt hätte, wenn die Eltern den Bestattungsauftrag gegeben hätten. Zudem kommt, das lebend geborene Kinder in vielen Religionen mit einem anderen Ritus beerdigt werden als still geborene Kinder.... Mehr Informationen dazu hier Zudem kommt: das lebend geborenen Kindern Geburts- und Sterbeurkunde sowie Familienbeihilfe zusteht, "unabhängig" von der Tatsache, wie lange diese Kinder außerhalb des Mutterleibes gelebt haben. Beispiele: Ein Kind wird am 31.8. lebend geboren und es stirbt am 6.9.des gleichen Jahres, so stehen diesem Kind für 2 Monate die Familienbeihilfe zu. Ein Kind wird am 1.1. geboren und es stibt am 31.1. des selben Jahres (also innerhalb des gleichen Kalendermonats) so stehen diesem Kind nur für ein Monat die Familienbeihilfe zu (fragt nach bei dem für Dich zuständigen Finanzamt). Familienbeihilfe gibt es meines Wissens dzt. 5 Jahre rückwirkend.
Ich kann nur die Hinweise (z.B. dass das österr. Opferschutzgesetz auch bei Angehörigen verstorbener Kinder zur Anwendung kommen kann) ins Netz stellen und erklären wie was aus meiner Sicht und gemäß meinen Erfahrungen läuft. Ich gehe davon aus, das manche Angehörige in ihrer Trauerarbeit weiterkommen, weil Sie Antworten auf Ihnen wichtige Fragen erhalten. Andere Angehörige werden aktiv:
- lassen den Leichnam ihres Kindes verlegen
- suchen das Gespräch mit uns
- suchen juristischen Rat bei einem Rechtsanwalt ihrer Wahl (Erstberatung kostenfrei)
- gehen an einem Di Vormittag (wenn werktag) zum Bezirksgericht und reden dort mit einem Richter (kostenfrei, anonym)
Ich gehe davon aus, das es grundsätzlich nicht mehr Kinderleichen als vor 100 Jahren gibt, aber man fängt zunehmend deutlicher öffentlich darüber zu reden an - insbesondere, da eine Frau in heutiger Lebensplanung durchschnittlich nur mehr 2 Kinder lebend zur Welt bringen will.... .
LG
Eine Mutti von 3 Sternenkindern