Beiträge von nora006

    Ihr lieben Alle,


    Ich kann schreibend auch viel aufarbeiten (ad Lilospy) und habe auch schon eine Liste mit den "Bon mots" meines Vaters begonnen, die ich nicht vergesen will. Das hilft sehr, aber ein Gespräch mit Freunden ist immer besser als in eigenen Sud zu köcheln (für mich zumindest).
    Wenn ich allerdings aktiv ein Gespräch einfordere, dann reden wir genau 10 Minuten über meine Trauer und danach 4 Stunden über die alltäglichen Belange meines Gesprächspartners :-(
    Meine "beste Freundin" hat sich in den letzten Jahren sowieso bereits immer rarer gemacht und ist gerade frisch verliebt, frisch umgezogen, schon fast geschieden und geht so sehr in ihrem eigenen Höhenflug auf, dass sie für anderer Leute Leid, kein Ohr hat. Sie hat nie Zeit, wenn wir uns dann treffen, muß sie dauernd zwischendurch mit ihrem Neuen telefonieren, etc. Das bringt mir dann aber auch nichts, da kann ich´s gleich meinen Zimmerpflanzen erzählen.


    Wirkich gut stundenlang reden kann ich mit meiner Mutter, aber ich bin so gehemmt, weil sie es um so vieles schwerer hat als ich. Sie hat die Liebe ihres Lebens verloren und durchleidet viel Schlimmeres als ich. Letztens haben wir über Alpträume gesprochen (ich habe viele davon zur Zeit - die Nächte sind entsetzlich) und sie drängte mich, ihr davon zu erzählen. Ich wollte es nicht, aber dann sprach ich doch darüber und prompt hat sie jetzt aich Alpträume, was sie vorher nicht hatte. Und ich habe jetzt ein schlechtes Gewissen...
    Aus Rücksichtnahme will ich ihr auch nicht alle Aspekte meiner Trauer auflasten, die bei ihr vielleicht gar keine Rolle spielen, weil für sie anderes im Vordergrund steht.


    DANKE an euch alle und die vielen lieben Worte!


    Nora

    Danke für die guten Ratschläge, Christine!
    Aber mit dem Rauslassen der Gefühle tu ich mir schwer, weil ich langsam das Gefühl habe, das will keiner!
    Ich bin gerade ziemlich enttäuscht von meinem Freundes- & Bekanntenkreis. Einige vermeiden den Kontakt zu mir, andere benehmen sich so eigenartig mir gegenüber, dass ich aus dem Wundern nicht herauskomme. Ich weiß schon, dass viele Menschen einfach unsicher sind und nicht wissen, was sie sagen sollen. Die meinen es nicht böse, aber ich fühle mich richtig vor den Kopf gestossen. Ich bin jemand, der ein großer Problemlöser für andere ist und auch oft von Freunden aktiv nach Lösungen für akute Probleme befragt wird. Ich tue das dann auch immer selbstverständlich und auch gerne, weil es einfach meinem Naturell entspricht. Aber jetzt hätte ich mir gewünscht, dass auch ich einmal gefragt werde, wie es mir geht und andere zumindest versuchen, mich ein wenig zu unterstützen. Stattdessen hängen mir einige auch jetzt unverändert ihre Probleme um, erzählen mir 1 Stunde lang, wie furchtbar der Umbau der Wohnung gerade ist und fragen nicht mal nachdem sie mir ihre Probleme umgehängt haben: "Und wie geht´s Dir?"
    Ich würde gerne reden und meine Gefühle rauslassen, aber es mangelt offenbar an geeigneten Gesprächspartnern dafür. Mein armer Mann ist toll und eine Riesenhilfe, aber ich kann doch nicht pausenlos ihm alles umhängen.
    Ich bin wirklich enttäuscht von einigen engen Freunden, die sich nicht mal bemühen, mitfühlende Worte zu finden. Ich fühle mich ziemlich alleine gelassen von meinem "Sozialen Netz".


    Nora

    Lieber Albert,


    Ich möchte Dir meine ehrliche und tief empfundene Anteilnahme aussprechen! Ich kann Dich so gut verstehen! Ich habe meinen Vater am 1.10. verloren (siehe eigener thread "Verlust meines Vaters") und stecke im selben tiefen Loch, wie Du, obwohl auch ich von meinem Mann aufgefangen werde.
    Ich kann Dir leider (noch) nichts tröstendes sagen, weil mein Schmerz selber noch so frisch ist wie Deiner, aber vielleicht hilft es Dir, zu wissen, dass es "da draussen" Menschen gibt, die wirklich genau nachvollziehen können, wie es zur Zeit in Dir aussieht geht und mit Dir mitfühlen.
    Ich habe mir als "Soforthilfe" ein großes Foto von meinem Vater aufgestellt, so wie er vor seiner Krebserkrankung ausgesehen hat, damit ich das Bild von seinem leidenden Gesicht mit einem anderen, einem schönen überdecken kann. Ich sehe es oft an - auch wenn´s weh tut - und rede mit ihm (mal laut, mal innerlich).
    Ich bin davon überzeugt, dass er mich sieht und hört und so ist er bei mir, auch wenn es auf eine andere Art ist als früher.
    Ich vertraue einfach darauf, dass die Zeit unsere seelischen Narben langsam aber stetig heilt. Es geht halt jetzt, in der ersten Zeit nach dem Tod unserer Väter, nicht anders, als durch dieses "trostlose Tal" durchzugehen. Ich grabe ganz bewußt nach schönen und lustigen Erlebnissen mit meinem Vater und tausche die mit meiner Mutter aus. Das hilft uns beiden.


    Ganz lieber Gruß,
    Nora

    Ihr lieben alle,


    Ich danke euch sehr für die Beiträge!


    ad Maki und Patricia:
    Ich glaube ganz genauso wie ihr, dass es meine Schwester noch einholt und zwar erst dann, wenn es mir endlich anfängt besser zu gehen und dann muß ich wieder (wie immer) die Starke sein, die zuhört und tröstet, nur zieht mich das dann nochmal ins schwarze Loch hinunter. Das macht mir Angst und ärgert mich zugleich. Denn ich will dann nicht 2x durch den dunklen Sumpf müssne, in dem ich jetzt grade sitze. Aber so wie´s aussieht, bleibt mir das nicht erspart.
    Ich weiß schon, dass jeder anders trauert, aber die Aktionen anderer sind einfach manchmal verdammt schwer nachzuvollziehen und zur Zeit habe ich einfach keine Kraft, anderen gegenüber verständnisvoll zu sein. Ich habe meine Stärke während der 4 Tage, die meine Mutter und ich am Sterbebett meines Vaters im Spital waren total verbraucht und jetzt fühle ich mich wie eine leere Hülle. Alle Wege, die danach zu erledigen waren und sind, habe ich mit meiner Mutter gemacht, alle Telefonate (Kündigungen von Jahreskarten, etc.) waren/sind meine Aufgabe. Aber zur Zeit möchte ich mich einfach nur verkriechen und Ruhe haben.
    Letzte Woche ging es mir besser, als dieses Wochenende - da war es wieder ganz entsetzlich.


    Außerdem habe ich eine irrsinnige Angst vor dem nächsten Todesfall. Mein Vater und ich waren einander sehr nahe, aber dennoch ist es doch von der Natur "vorprogrammiert", dass Kinder ihre Eltern begraben müssen. Das ist ganz normal. Aber wenn es mir jetzt bei meinem Vater so zu Herzen geht, wie soll ich es dann eines Tages überstehen, wenn ich meinen Mann verliere? Er ist 6 Jahre älter als ich und statistisch gesehen werden wir Frauen älter, also kann ich mir ausrechnen, dass ziemlich wahrscheinlich mein Mann vor mir sterben wird. Der Gedanke daran macht mich richtig panisch. Ich bin sonst kein Mensch, der ängstlich ist und dauernd Befürchtungen hegt und "was wäre wenn"-Gedanken wälzt - ganz im Gegenteil! Aber zur Zeit stehe ich neben mir und erkenne mich selbst nicht wieder.


    ad Christine:
    Bislang wird mein "erschrecktes Gefühl" noch nicht besser. Ich habe noch immer dieses "mein Herz schlägt mir bis zum Hals"-Gefühl und mir tut die Brust richtig weh, so als könnte ich nicht frei atmen und mir läge ein schwerer Stein auf der Brust.
    Ich habe die letzten 2 Nächte im Spital gar nicht mehr schlafen können, weil mein Vater schon so um jeden Atemzug gerungen hat, er hatte schon eine sehr rasche und schnappende Atmung und ich habe mich in meiner Atmung unbewußt der seinen angepaßt, was natürlich total anstrengend war und mich am Einschlafen gehindert hat. Und seither habe ich noch immer dieses beklemmte Gefühl in der Brust, so als wäre jeder Atemzug Schwerstarbeit.
    Das ist total hysterisch, ich weiß das auch, aber ich kriege es einfach (noch) nicht weg. Ich habe eine sehr liebe Hausärztin, die mich ohnehin sofort für 2 Wochen krank geschrieben hat und mir beruhigende Tropfen verschrieben hat, aber auf die kriege ich noch mehr Herzklopfen, daher nehme ich sie nicht mehr.
    Ich weiß selber nicht, warum mich das so extrem aus der Bahn wirft. Ich bin schon mein ganzes Leben lang immer die, die eher andere tröstet und berät, für andere alles "checkt" und nie selber Hilfe braucht. Aber das mein Vater jetzt doch so schnell gestorben ist, war vermutlich letztlich doch ein Schock für mich. Dabei war ich immer die, die versucht hat, meine Mutter darauf vorzubereiten, dass wir uns für alles wappnen müssen und mein Vater seinen 70er vermutlich nicht mehr erleben wird. Ich war die, die allen anderen die Befunde ausgedeutscht hat und am ehesten verstanden hat, wie schlecht sie tatsächlich sind. Aber das zeigt wieder einmal mehr: Vorbereitet ist man letztlich doch nie!



    Danke euch allen für eure Aufmerksamkeit, euer Zuhören, die Kraft und die stillen Umarmungen - das tut gut!
    Nora

    Liebe Linda, lieba Jutta,


    DANKE!!!! Eure lieben Worte helfen sehr! Ich hoffe, dass auch ich irgendwann diese Zuversicht wieder gewinne, die ihr ausstrahlt. Momentan habe ich die einfach nicht. Ich grüble viel und überlege oft, ob man im Leben das kriegt, was man verdient. Ob der Tod und die Art des Todes eine "Vergeltung" oder "Belohnung" für die Lebensführung sind oder ob alles einfach vorbestimmt ist, ohne dass es beeinflussbar wäre. Mein Vater starb an exakt derselben Krankheit und in exakt demselben Alter wie sein eigener Vater (Vorherbestimmt?) Und er rauchte sein Leben lang stark und bekam einen Krebs, bei dem Rauchen an erster Stelle des verursachenden Faktoren steht (Bestrafung?).
    Ich kenne einige wenige Menschen, die ich wirklich als schlechte, herzlose Menschen bezeichnen würde, die sich ihr Leben lang sehr asozial verhalten, damit aber durchkommen. Die sind gesund und erfreuen sich des Lebens, während mein Vater, der sein Leben lang immer und jederzeit für andere ansprechbar war, bereits mit 68 sterben mußte. Da frage ich mich schon, ob es eine höhere Gerechtigkeit gibt.
    Ich versuche dauernd, all die Bilder und Fragen und Grübeleien in meinem Kopf abzustellen, weil ich genau weiß, dass ich mich damit nur noch mehr quäle, aber irgendwie klappt das nicht.


    Ich bin froh, dass ich mich überwunden habe, hier zu schreiben, denn eure beiden Antworten haben mir gut getan - Danke für eure Anteilnahme und Zeit!


    Nora

    Hallo,


    Am 1.10.2009 ist mein Vater (68a) seinem Krebsleiden erlegen. Im Juli 2007 wurde der Blasenkrebs in bereits weit fortgeschrittenem Stadium festgestellt und seit damals kämpfte mein Vater mit einer Zuversicht und Kraft, die ich noch nie an einem anderen Menschen erlebt habe. Er überstand 2 schwere OPs gut und kämpfte sich durch 2 Chemozyklen, die ihm extrem zusetzten und auch die Metastasen leider nicht aufhielten. Im August 2009 fingen dann diverse Infektionen an, denen sein Körper einfach nichts mehr entgegenzusetzen hatte und die Rettung mußte ihn mehrere Male ins Krankenhaus bringen, um die Infektionen zu bekämpfen. Am So, den 27.9. war es wieder mal soweit und ich holte die Rettung, um mit ihm ins Krankenhaus zu fahren (das war immer mein Job, weil meine Mutter, die ihm daheim pflegte das nervlich nicht schaffte). Am Mo, den 28.9. rief mich dann das Spital an, um sicherzustellen, ob wir eh ins Krankenhaus kommen, weil sich sein Zustand rapide verschlechtert hat und von da an blieben meine Mutter und ich auch über Nacht im Krankenhaus bis mein Vater am Do, den 1.10. um 5 Uhr früh starb.
    Das waren definitiv die schwersten Stunden meines Lebens. Jeder Atemzug war ein Kampf, den sein schwacher Körper ausfocht udn das mitanzusehen hat mich total erschüttert. Seither kriege ich das Bild seines ausgemergelten Gesichts nicht mehr aus meinem Kopf. Als er seinen letzten Atemzug tat, schlief meine Mutter gerade und ich war bei ihm. Wie ich diesen Moment jemals "verarbeiten" soll, weiß ich nicht. Das Herz schlug mir bis zum Hals, ich war richtig erschrocken in dem Moment, als ich begriff, das er jetzt aufgehört hat zu atmen. Dieses "erschreckte Gefühl" werde ich seither nicht mehr los.
    Einerseits bin ich dankbar dafür, dass wir bei ihm sein konnten, uns verabschieden konnten und ihn seine letzten Tage so angenehm wie möglich machen konnten, aber andererseits habe ich Angst, dass ich dieses Erlebnis nicht verkraften kann.
    Ich fühle mich total aus der Bahn geworfen, kann nicht verstehen, dass das Alltagsleben einfach weitergeht. Es ist so unbeschreiblich entsetzlich, dass es für mich zur Zeit unvorstellbar ist, dass es jemals besser wird (auch wenn mein Verstand weiß, dass es so sein wird).
    Mein Vater war erst 68 Jahre alt und immer ein extrem tatkräftiger und aktiver Mensch. Er kümmerte sich um alles, wußte immer Rat und half wo er konnte, egal ob es an Muskelkraft, Ideen oder Geld fehlte. Ich weiß, das klingt jetzt kitschig und verklärt; aber er war wirklich so.
    Meine Mutter war immer Hausfrau und ist sehr unselbständig und braucht bei den vielen Terminen, die wir teilweise hinter uns und teilweise noch vor uns haben, extrem viel Beistand von mir. Alles, was mit Organisatorischen Dingen zusammenhängt, muß ich regeln, was normalerweise kein Problem für mich ist, aber diese Kraft geht mir aus und ich kann einfach nicht mehr.
    Meine Mutter ist so unglaublich ruhig, ja fast gelassen. Meine Schwester hat ihre Trauer offenbar am 1.10. und beim Begräbnis (16.10.) erledigt und macht jetzt in Sachen Alltag weiter, als wäre nichts gewesen. Nur ich kann und will noch nicht zum Alltag übergehen, ich muß so oft weinen, mir fallen so viele Geschichten und Dinge von meinem Vater ein und ich kann so oft an ncihts anderes denken, als dass er mit unsäglich fehlen wird. Wir waren uns so ähnlich, haben viele gemeinsame Interessen gehabt, viel gemeinsam unternommen.


    Wenn ich mit anderen Menschen darüber rede, kommen nur die üblichen Phrasen, die mich richtig wütend machen. Ganz besonders gefühllos finde ich diejenigen, die jetzt schon mit Aussagen, wie "Dein Leben geht weiter..." kommen. Es ist grade erst passiert und ich kann und will das jetzt noch nicht ad acta legen. Ich fühle mich einfach allein gelassen. Viele Freunde sind zwar betroffen, aber einfach sprachlos und daher auch keine Hilfe. Mien armer Ehemann, der mir ein gewaltiger Beistand war und ist, weiß auch nicht, was er mir sagen soll. Er ist einfach da, läßt mich weinen und nimmt mich in die Arme. Aber ihm gegenüber habe ich schon fast ein schlechtes Gewissen.


    Wenn ich sehr alte Menschen auf der Straße sehe, ertappe ich mich dabei, dass ich wütend werde. Warum hat mein Vater schon gehen müssen? 68 Jahre ist heutzutage nicht alt! Er hatte noch so viele Pläne, wollte in der Pension noch so viel tun ...
    Und was ist, wenn das Leben nach dem Tod genaus weitergeht, wie es kurz vor dem Tod war? Sprich: voller Schmerzen, körperlichen Beeinträchtigungen und Wut?
    Mein Vater ging nicht in Frieden. Er war noch nicht so weit. Er glaubt fest daran, den Krebs besiegen zu können und war seit der Verschlechterung seines Zustandes (ca. April 2009) wütend und zornig. Er war noch weit davon entfernt, sein Schicksal anzunehmen, sein Leben abzuschließen und ruhig aus dieser Welt zu gehen. Er hat bis zum allerletzten Atemzug gekämpft und sich gewehrt. Und es war für mich nicht zu ertragen, ihm dabei zuschauen zu müssen.


    Ich hadere zur Zeit selbst mit vielen Dingen. Ich weiß eigentlich auch nicht, was ich mir davon erwarte, meine Geschichte hier zu posten. Aber vielleicht hilft es, mir wenigstens alles von der Seele schreiben zu können.


    Nora