Liebe Silvia,
dein Beitrag hat mich sehr berührt, ich erkenne mich in so vielem wieder, viele deiner Worte könnten direkt von mir sein. Gerade auch was du zuletzt geschrieben hast, am Anfang sind alle schockiert und betroffen, aber nach wenigen Wochen verschwindet der Mensch immer mehr aus ihrem Bewusstsein, es war für sie eben nur ein Nachbar oder Bekannter, aber kein Herzensmensch.
Auch ich habe vor vier Wochen ganz plötzlich meinen geliebten Papa verloren. Meine Eltern haben mich an jenem Tag mit dem Auto abgeholt, wir haben Einkäufe erledigt und sind noch ein bisschen durch die Gegend gefahren, wie wir alle drei es immer geliebt haben. Papa war immer sehr interessiert an allem was so rundum passiert, besonders an Neubauprojekten. An diesem Tag war ich leider schlecht gelaunt und genervt, Papa sagte noch ""Wichtig ist doch nur dass wir alle gesund durch den Sommer kommen" und ich habe nur irgendeinen dummen Kommentar abgegeben. Später haben mich meine Eltern nach Hause gebracht, ich sagte noch dass ich beim nächsten Mal bessere Laune haben werde, habe vage in ihre Richtung gewunken und das war das letzte Mal dass ich meinen Papa lebend gesehen habe. Kurz nach Mitternacht bekam ich einen Anruf von meiner Mama dass sie Papa tot in seinem Bett gefunden hat. Ich bin mit dem Taxi hin und es begann eine furchtbare Horrornacht. Ich habe noch kurz nach ihm gesehen, er lag mit offenem Mund und Augen auf dem Fußboden, ich bin schnell wieder raus, ich konnte das nicht ertragen. Wir mussten noch eine Ewigkeit auf einen Arzt und den Bestatter warten, dann haben sie ihn unter Ächzen aus der Wohnung bugsiert wie ein sperriges Möbelstück. Die Bilder dieses Tages liefen in Endlosschleife in meinem Kopf ab, immer und immer wieder. Wir hatten doch gerade noch vor ein paar Stunden miteinander gesprochen.
Ich kann und will das nicht akzeptieren, er war zwar schon 79 Jahre alt aber ich hatte immer so gehofft dass er mindestens Mitte 80 wird. Das Schlimmste ist dass es Vorzeichen gab, er hatte seit etwa zwei Wochen Nackenschmerzen, aber meine Eltern haben das beide als von Zugluft verursacht abgetan und dass das schon von allein wieder weg geht. Papa wollte nie ins Krankenhaus, er hätte 4 Tage später einen Termin bei seinem Hausarzt gehabt. Dort ist meine Mama dann allein hin und hat dort vom Arzt erfahren dass die Nackenschmerzen ein Vorzeichen für einen Herzinfarkt waren. Ich denke ständig ob man ihn nicht hätte retten können wenn er gleich zum Arzt oder ins Krankenhaus gefahren wäre. Heutzutage gibt es doch so viele Möglichkeiten.
Er war ein besonderer Mensch, ein echtes Original, immer mit einem fröhlichen Spruch oder Lied auf den Lippen. Am Tag seines Todes ist das Lachen aus unserem Leben verschwunden. Ich bin erst Ende 30 und sehe eine endlose lange Lebenszeit vor mir, die mir einfach nur sinnlos erscheint. Meine Mama ist auch schon Ende 70, hat keine Freunde, Bekannte oder Verwandte in der Nähe. Alles hat sie immer nur mit meinem Papa und mir gemacht. Aber ich kann auch nicht jeden Tag da sein. Ich habe einen Partner, aber keine Kinder, keine Geschwister und mein Bekanntenkreis hat sich auch ziemlich aufgelöst.
Ich habe jetzt ein Foto aufgestellt auf dem mein Papa und ich drauf sind. Was würde ich darum geben in diesem Foto leben zu können, noch einmal mit ihm sprechen, ihn umarmen. Er wurde ohne einen Abschied aus unserem Leben gerissen.
So, das musste mal raus. Danke für´s Lesen und einen lieben Gruß an alle
Stella