Liebe Anja,
nachdem ich mich hier im Forum ein wenig umgeschaut habe, möchte ich Dir hier antworten. Ich habe mein Herz, meine große Lebensliebe - meinen Mann - im April 2020 verloren mit gerade mal 59 Jahren. Ich wußte weder ein noch aus in der ersten Zeit. Ich habe dann sehr viel nachgedacht, gelesen und mit klugen Menschen gesprochen und fand heraus, was mir gut tut - und was nicht. Und genau das möchte ich mit Dir teilen, vielleicht hilft es Dir:
Hast Du Dir mal überlegt, dass Deine Trauer jetzt ein Teil der Liebe ist? Man beweint nur, was einem vorher große Freude bereitet hat. Diese Betrachtung hat mir sehr geholfen, die Trauer und den Schmerz anzunehmen. Ich bin heute in der Lage (nicht immer, aber oft), meine tiefe Trauer, alle Tränen liebevoll in die Hand zu nehmen, sie zuzulassen und sie zu begrüßen. Je mehr ich mich dagegen wehrte, um so schmerzhafter wurde es. Also erkenne ich diese Gefühle an, manchmal kann ich sie wie ein Geschenk für meinen Mann sehen, eine andere Seite, die Liebe zeigt. Das hilft mir sehr.
Dazu kommt: vor allem in der ersten Zeit haben mich jede Art von Zeitangaben von anderen (nach dem Motto - das wird nun sehr lange dauern ...als mein Mann starb, brauche ich Jahre ... ) fast verrückt gemacht, denn ich konnte mir nicht vorstellen, in diesem Zustand länger zu überleben. Mühsam habe ich mich davon frei gemacht. Es gibt absolut keine Zeitvorgaben für Deine Gefühle, Deine Trauer. Wehre Dich ruhig, wenn Dir jemand so etwas überstülpen oder auch nur berichten möchte. Ich weiß, die Leute meinen es gut und sind oft selber hilflos - aber jede Art von Vergleich oder eben eine Zeitangabe tun überhaupt nicht gut, Du solltest so etwas möglichst schnell von Dir weisen.
Als letztes: mir wurden sehr viele schöne Briefe, Karten usw. geschickt. Es gab aber auch Freunde/Bekannte, die mir meine neue Lebenssituation nochmals schriftlich bestätigten: "Dein Leben ist zu Ende, Dein Leben hat einen riesigen Riss, Dein Leben ist nun zerstört, es wird so schwer für Dich ...". Dazu kamen dann Dinge wie "ich möchte Dich nicht mit schönen Erinnerungen quälen ..." Das hatte auf mich eine katastrophale Wirkung, ich musste lesen, was offensichtlich ist. Ganz plötzlich ist in mir eine Art von Kraft aufgekommen - ich habe diesen (wohlmeinenden, ich weiß) Menschen in Briefen erklärt, dass sie völlig daneben liegen: das offensichtliche schwarz auf weiß zu lesen - das tut schrecklich weh. Schöne Erinnerungen sind wie Balsam. Das wissen nun die, auf die es mir ankommt. Sie haben es sehr gut aufgenommen und verstanden.
Eines ist gewiss - keine Seele geht verloren. Der Tod ist nicht das Gegenteil von Leben, sondern das Gegenstück zur Geburt. Du kannst also sicher sein, dass Dein Mann weiter über Dich wacht und Dir zur Seite steht, während Du Deinen Weg weitergehst. Und wenn Du Dir hier nicht sicher bist - frage ihn einfach mal.
Herzliche Grüße
Sommerwind