Ein Thread zum Lachen 
Wenn die Mutter im Gay-Club kokst
Cool oder peinlich? Die junggebliebene Mutter unseres Redaktors steht mit 68 Jahren in der Blüte ihres Lebens. Dass sie dabei auch mal übertreibt, kann manchmal ganz schön anstrengend sein.
Viele meiner Freunde beneiden mich um meine «coole» Mutter. Während andere Teenager um jede zusätzliche Stunde im Ausgang betteln mussten, führte ich ernsthafte Grundsatzdiskussionen mit meiner Mama über mein – ihrer Ansicht nach – unterdurchschnittlich ausgeprägtes Sozialleben. Ich möchte hier anmerken, dass ich nicht etwa ein freundeloser Eigenbrötler mit Amokläufer-Tendenzen war. Mir waren eben wochenendliche Trinkgelage im örtlichen Jugendzentrum und dann und wann mal eine Nacht in der Provinzdisco völlig ausreichend.
Als ich dann etwas später, nach meinem Outing, in die grosse Stadt zog – zwecks Studium und Erwachsenwerden und so – war Mommy Dearest ausser sich vor Sorge. Jedoch nicht etwa, weil sie Angst um ihren wunderbaren, einzigartigen Sohn hatte, der nun den Gefahren der bösen Welt nun schutzlos ausgeliefert war. Nein. Die Anrufe und SMS, mit denen ich tagtäglich bombardiert wurde und die sich inhaltlich alle glichen, sahen so aus: «In der Innenstadt hat ein neuer Club aufgemacht, da ist am Freitag Gay Night! Geh da hin!», oder alternativ: «Geniess das Leben! Sex & Party & Sex! LG, Mama»
In der DDR gab es kaum Drag Queens
Okay. Danke für diesen wertvollen Beitrag, Mutter. Irgendwann hatte ich das Gefühl, als wünschte sie sich (mehr oder weniger) heimlich, mit mir auschen zu können. Als würde sie durch mich nachholen wollen, was sie in ihrer Jugend in der damaligen DDR verpasst hatte. Es ist eigentlich ganz furchtbar. Ich begann, Mitleid mit meiner eigenen Mutter zu haben.
So kam es, dass ich Mama tatsächlich dazu einlud, mich und meinen mittlerweile recht ansehnlichen und feierwilligen Freundeskreis eine Nacht lang zu begleiten. Ein ziemlich abgefuckter Undergroundclub spielte harten Techno, zwei abgehalfterte Drag Queens in goldenen Paillettenkleidern begrüssten die Gäste mit Vodka-Shots und in den Ecken machten leicht bekleidete Leute, deren Geschlecht auf den ersten Blick nicht eindeutig zuzuordnen war, schamlos miteinander rum.
Meine Mutter war im Himmel! Noch nie habe ich sie – zu diesem Zeitpunkt zählte sie knapp über 60 Lenze – derart ausgelassen und glücklich gesehen. Sie tanzte bis die Wolken wieder lila waren (wirklich wahr!) losgelassen zu den monotonen Rhythmen aus den schlechten Lautsprechern in diesem viel zu heissen, viel zu engen Kellerclub mit ihr völlig fremden jungen Menschen. Kichernd liess sie sich von den Transen Schnäpse am laufenden Band ausgeben und angeblich soll sie einen meiner Freunde sogar um Koks angeschnorrt haben. «Nur ein bisschen, zum Probieren.» So sagt man sich. Ich werde es als dummes Gerücht abtun und mich davor hüten, Mami nach der Wahrheit zu fragen.
Meine Mutter. Oft fühle ich mich, als spielte ich in einem schlechten Mutter-Kind-Rollentausch-Film und würde gerne rufen: «Mama, ich liebe dich sehr. Aber kannst du bitte einfach in Würde altern?» Dann denke ich an diesen einen Abend zurück. Und an meine Kindheit. Ich hatte immer die besten Geburtstagsfeiern. Und Pausenbrote. Und damals schon die coolste Mama. Die hoffentlich niemals alt wird.
Quelle: http://ch.tilllate.com/de/story/disco-mama?ref=20min-story
