...und mit meinem Bruder ist ein Teil von mir gestorben

  • Ich weiss, einfach nicht mehr weiter. Vor 10 Monaten ist mein Bruder gestorben. Er war ein Jahr älter, als ich und wir haben uns in den schweren Zeiten der Scheidung unserer Eltern und der psychische Krankheit meiner Mutter Halt gegeben. Er ist plötzlich auf dem Fußballplatz tod zusammengebrochen. Von heut auf morgen war er weg und ich bin ein bisschen mit ihm gestorben. Ich hab keine Lebensfreude mehr, nichts macht mehr Sinn. Wie kann das Leben weitergehen, wo er doch fehlt? Noch immer hab ich Alpträume. Ich habe Wut in mir, weil er mir genommen wurde. Ich war gläubig, aber an diesem Tag, hab ich den Glauben verloren. Ich wünschte ich könnte mich noch daran festhalten, aber es geht nicht. Du wächst mit dem Glauben auf, dass es einen Gott gibt, der auf dich aufpasst und wenn die Großeltern sterben, wird dir gesagt, dass sie dich im Herzen begleiten und beschützen. Und dann merkst du, dass der Mensch, dem das Selbe erzählt wurde, niemanden hatte, der ihn beschützt. Ich habe auf einmal Angst vor dem Leben. Hört sich vielleicht alles kindisch oder dumm an, aber das sind Gedanken, die ich habe. Wenn jemand stirbt, ist die Trauer furchtbar und es zerreisst einen, aber nach 10 Monaten, tut es immer noch so weh. Ich renn gegen eine Mauer der Trauer und kann nicht ausbrechen.
    Ich weiss nicht mehr weiter... Ich studiere Sozialpädagogik und lerne, wie man Menschen aus Krisen befreit, aber auch wenn ich das alles versuche, selbst einzuhalten, wird es nicht besser.
    Ich suche nach Menschen, die wissen, wie sich das anfühlt und es würde mir sehr helfen, wenn ich Anregungen bekomme, wie ich mit allem Umgehen kann. Ich will endlich mit der Trauer leben lernen, weil vergehen wird sie nie.

  • liebe mia, ich glaube, ich kann gut nachfühlen wie es dir geht. ich war 17 als mein bruder mit 18 verunglückt ist. ich bin von meinem ferienjob heimgekommen und im bad waren noch seine fotos an der wand (er hat immer fotos ausgearbeitetr und sie dann einfach an der wand abtropfen lassen). dann war da der anruf und plötzlich war alles anders und aus. er war mein einziges geschwister.

    das ist jetzt 22 Jahre her und es ist nicht besser geworden, nur anders, entfernter, als hätte man eine dicke decke darüber gelegt. es tut mir so leid, dass du das erleben musst, noch mehr, weil ich erlebe, dass der schmerz und die trauer durch nichts besser geworden sind. noch heute muss ich weinen, wenn ich zu lange über meine bruder nachdenke, halte nicht zu viel fragen aus. ich kann mich nicht daran gewöhnen, er ist einfach nicht mehr nach hause gekommen. befremdend war für mich damals, dass sich alles um meine eltern gedreht hat - geschwisterleid ist nicht vorgekommen.


    ich hoffe, dass du raum für dich hast, wo du dein unglück herausschreien kannst, damit der druck nachlässt. aber es staut sich wieder auf.
    ich wünschte, ich könnte dir etwas hoffnung machen. ich kann es nicht. du musst damit leben lernen und es mit dir mit tragen - aber du wirst auch wieder etwas schönes am leben finden. du hilfst deinem bruder nicht, wenn du müde bist vom leben - er hätte sicher nicht gewollt, dass du so unglücklich bist. das hilft dir vielleicht doch. ein bruder beschützt seine schwester - und wenn er nicht mehr da ist, dann musst du das jetzt für ihn tun. sei geduldig mit dir und nimm die traurigkeit an - lass dich aber auch herausziehen, wenn dir jemand helfen kann, weil er mit dir ausgeht oder dich unter leute bringt. ich wünsche dir viel viel kraft und auch weichheit, die trauer zuzulassen und auszuleben.
    geckolein