Schönen Guten Abend!
Es tut gut zu wissen, dass es da irgendwo auf diesem Planeten Menschen gibt, die mich verstehen.
Ja, ich schreibe gerne über meinen geliebten Lebensgefährten - er hieß Wolfgang. Er war ein so wundervoller Mensch und ich dachte, uns kann keiner etwas anhaben. Wenn wir nur zusammen sind und uns gegenseitig haben, dann sind wir unmenschlich stark.
Ich habe Wolfgang in einer Zeit kennen gelernt, wo es mir auch sehr schlecht ging und zwar kurz vor meiner Scheidung (war mit meinem ersten Mann 20 Jahre lang verheiratet). Wolfgang hat mich trotz meines Leides aufgrund der Scheidung nicht im Stich gelassen, hat mich unterstützt wo er nur konnte und so wuchsen wir von Tag zu Tag mehr zusammen. Wir wollten den weiteren Weg gemeinsam gehen. Wir haben wunderbare Jahre verbracht. Mein Sohn wurde der beste Freund von Wolfgang und wir verstanden uns alle prächtig, genossen viele gemeinsame Urlaube - später auch zu viert, wo dann auch die Lebensgefährtin von meinem Sohn dazukam und zu der Wolfgang auch ein wunderbares Freundschaftsverhältnis aufgebaut hat.
Deshalb ist die Trauer von den beiden um Wolfgang auch sehr gross.
Wolfgang war ein so intelligenter Mensch, dafür habe ich ihn von Anfang an bewundert. Sehr belesen und an allem interessiert. Wir haben oft nächtelang über Gott und die Welt diskutiert - das fehlt mir jetzt auch so dramatisch. Ich kann mit niemandem mehr solche Gespräche führen. Fange manchmal schon an mit mir selbst zu sprechen - aber das machen viele andere Menschen auch!
Man konnte unsinnige Sachen mit ihm machen, man konnte auch kindisch sein, man konnte sich fallen lassen, man mußte nicht immer perfekt sein - er war einfach wunderbar und hat mir stets das Gefühl vermittelt, dass er mich über alles liebt und das beruhte natürlich auf Gegenseitigkeit. Für mich war Wolfgang MEIN EIN UND ALLES. Ich habe ihm so oft gesagt, dass ich so glücklich mit ihm bin und dass ich bis ins hohe Alter mit ihm zusammen sein möchte. Es verging kein Tag, wo wir uns nicht ein mail schrieben und es verging auch kein Tag, wo wir uns nicht sagten, wie sehr wir uns lieben.
Er hat mir immer versichert, er würde immer bei mir bleiben, auf mich aufpassen, mich beschützen - wir hatten noch so vieles vor im Leben und jetzt ist alles vorbei.
Wolfgang hat auch gemalt und kurz vor seinem Tod hat er mir noch ein Bild geschenkt, wo im Vordergrund in weißer Farbe das Wort L O V E gemalt ist. Was hat er sich nur beim Malen dieses Bildes gedacht ? Wußte er da vielleicht schon, dass er bald von mir gehen würde ?
Meine Psychologin hat gemeint, das hat er mit Sicherheit nicht gewußt. Das war eine Kurzschlusshandlung. Zum Zeitpunkt, als er gesprungen ist, hat er überhaupt nicht gewußt, dass es mich gibt. Da war es in seinem Kopf nur "dunkel". Denn hätte er an mich denken können, hätte er diesen Schritt mit Sicherheit nicht gewählt und wäre umgekehrt, egal welche Probleme ihn zu dieser Tat getrieben haben.
Auf jeden Fall weiß ich heute, dass da viel in seiner Kindheit passiert sein muss. Sein Vater hat sich auch das Leben genommen, als Wolfgang noch ganz klein war. Über dieses Thema hat er mit mir aber nie gerne gesprochen. Erst jetzt habe ich von seinem besten Freund erfahren, dass er diesem erzählt hätte, sein Vater wäre bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Auch habe ich von seiner Schwester erfahren, dass sie als Kinder immer von ihrer Mutter gesagt bekommen hätten "Wenn ihr Probleme habt, dann müßt ihr diese selbst lösen und nicht andere damit belasten". Als ich das meiner Psychologin gesagt habe, hat diese die Hände vors Gesicht geschlagen und gemeint, armer Wolfgang. Er war gefangen, er kannte nichts Anderes, er ist so groß geworden, er durfte niemanden mit seinen Problemen belasten. Das hat er sein ganzes Leben lang so weiter gelebt.
Wenn ich das jetzt so schreibe, geht es mir schon wieder ganz schlecht. Warum habe ich ihm nicht helfen können ? Warum hat er sich mir nicht anvertraut ? Ich habe ihn doch so geliebt und das hat er auch gewußt.
Meine Psychologin meint, das hätte er niemals können. Er wollte und konnte auch nicht - niemanden mit seinen Problemen belasten.
Jetzt muss ich Schluss machen, das Schreiben fällt mir schon schwer!
Werde mich wieder melden
Noch einen schönen Abend an Alle!
LG
Andrea