Liebe Jenny,
Dein Beitrag ist ja schon eine Weile her, ich habe ihn aber erst jetzt gefunden und mich haben deine Worte zu Tränen gerührt. Wie geht es dir denn mittlerweile, wie kommst du im Alltag zurecht?
Deine Geschichte hat mich ein wenig an meine erinnert. Mein Papa starb im Juni plötzlich mit 75, er war schon herzkrank, aber wir dachten er hat schon noch Zeit… und meine Mutter ist auch sehr mit sich selbst beschäftigt, seit ich ca 10 Jahre alt bin ist sie chronisch körperlich an ms erkrankt und war daher nie eine „klassische“ Mutter in ihrer Rolle. Mein Papa hat auch alles übernommen, sich aufgeopfert, auf so viel verzichtet, ihre Launen ausgehalten, ihre Undankbarkeit hingenommen. Ich bin bei einer Therapeutin seit seinem Tod, weil ganz viel Wut bei mir aufkommt. Ich stelle mir manchmal vor, wie es wäre, wenn sie gestorben wäre, mein Papa hätte vielleicht noch etwas mehr aufgelebt, er ist aus Sorge um sie kaum noch aus dem Haus, wollte sie nicht lange alleine lassen… mich beschämt der Gedanke, aber er war immer ein gütiger und liebevoller Papa, er hat sich viel mehr für uns Kinder und die Enkelkinder interessiert, als es meine Mutter tut. Und sie lässt nun kaum Hilfe von außen vom Pflegedienst zu, es ist einfach schwierig mit ihr, am liebsten wäre ihr, ich und meine Schwester machen alles. Aber dass es uns belastet und sie es für uns mal anders machen könnte, das kommt kaum bei ihr an. Sie ist auch kognitiv einfach nicht mehr so in der Lage dazu. Aber das macht mich oft noch wütender und trauriger. Ich habe auch eine kleine Tochter, sie konnte mit ihrem
Opa noch den ersten Geburtstag im Januar feiern, aber sie wird sich nicht mehr an ihn erinnern. Und ich erwarte im
November mein 2. Kind, habe die Urne meines Papas quasi auf meinem babybauch zum
Grab getragen..,Das tut so weh und ich beneide alle Freunde, die ihre Eltern haben, die von ihnen unterstützen werden und so lieb zu ihren Enkeln sind.
ich glaube für das Umfeld wird es schnell wieder zur Normalität und mich frägt auch kaum noch einer direkt, wie es mir mit dem Verlust geht, obwohl es noch keine drei Monate her ist.
Das bleibt glaube ich unser Los und es versteht nur jemand, der Ähnliches erlebt. Ich schäme mich schon auch ein wenig dafür, dass ich im Gegenzug andere Freunde wenig gefragt habe, wenn der Verlust eines lieben Menschens einfach schon eine Weile
Her ist. Aber eine Freundin, deren Papa lange verunglückt war, hat gesagt, dass es doch auch nach so langer Zeit immer wieder gut tut, darüber zu reden. Ich glaube, wir müssen unsere Kontakte gezielt
Danach auswählen, wer einem
Gut tut, Verständnis hat und man von sich aus einfach davon reden darf. Darauf warten, dass andere einem die Möglichkeit geben, enttäuscht glaube ich nur. Und ich hoffe, dass die Trauertherapeutin dir auch helfen kann, es ist glaube ich gut, einen Ort und Raum zu haben, einen „Termin“, um einfach so trauern zu dürfen, wie es gerade da ist.
alles Liebe dir und viel
Kraft