Beiträge von Susi1965

    Hallo liebe Zausel,

    ich weiss das schon sehr zu schätzen, dass ich noch eine Mutter habe die ihren 80. Geburtstag auch mit mir zusammen feiern möchte. Da es aber auch eine jüngere Schwester gibt die das Lieblingskind ist muss ich mich dem fügen, was die beiden zusammen beschlossen haben. Wie immer in unserem gemeinsamen Leben. René hat mich oft gefragt: Bist du nicht traurig, wenn deine Mutter mit deiner Schwester in Urlaub fährt und du noch nicht mal gefragt wirst ob du mit möchtest. Er konnte es nicht fassen, dass ich schon lange nicht mehr traurig war. Hat es mir nicht geglaubt, obwohl es so war. Meine Mutter hat auf meine Frage, warum wir nicht mal alle drei wegfahren können geantwortet: Du bist ja nicht für diese Länder. Stimmt! Aber wir hätten zu dritt eine andere Art von Urlaub machen können. Daraufhin kam nix mehr. Meine Mutter wollte hier im Norden ihren Geburtstag feiern, meine Schwester hat es ihr ausgeredet weil der Geburtstag auf Pfingsten fällt und somit Schützenfest im Sauerland. Nun wohne ich 600 km weit weg, bin am Ende meiner Kräfte, mein Kätzchen bekommt epileptische Anfälle wenn ich ihn in die Box stecke und alles soll in meinem Kopf noch richtig funktionieren. Ich weiss, dass ich dankbar sein darf, noch eine Mutter zu haben. Weiss halt nur im Moment nicht weiter. René würde sagen: Scheiss doch auf deine Familie. Hat sie dir jemals geholfen. Nur Lügerei. Aber es ist halt Familei

    Mein liebes Renéchen,

    ich habe vor ein paar Tagen unsere Schachtel mit Liebesbriefen im Kamin verbrannt. Es ging mir sooo schlecht dabei. Ich hoffe, du bist mir nicht böse. Ich weine seitdem sehr viel um uns. Aber wenn ich morgen sterbe, hinterlasse ich dieser kruden Nachwelt nicht unsere ganz privatesten Zeilen. Ich trage zuhause nur noch dein schönes, warmes, kanadisches Holzfällerhemd. Nachts trage ich deine zerlöcherten T-Shirts. Manchmal komme ich aus der Dusche und ziehe alles wieder an zur Arbeit. Außer der Schlafanzugshose natürlich. Ich kann es kaum ertragen zur Zeit. Meine Mutter möchte ihren 80. Geburtstag feiern. Sie hatte vorgehabt in unserer Gegend. Aber wie es in einer Familie so ist gibt es da Einsprüche. So muss ich wieder organisieren, kümmern, tun, machen. Ich kann aber nicht mehr, René. Selbst wenn du mir Kraft schickst, ich bin am Ende. Ich habe das Gefühl, dass mich meine eigene Familie zerstört. Sie denken nur nach über Geburtstag und anschliessendender Feier auf einem Schützenfest..... KRANK!!!!!

    Hallo Uwe,

    bist du vielleicht die Person, die unter anderem in Pruchten auf dem Campingplatz mit einem Wohnmobil die Erinnerungstour an seine geliebte Rosie gemacht hat? Ich habe da 2019 an der Rezeption gearbeitet. Wenn du das warst, bist du sehr oft an die Rezeption gekommen und hast sehr gerne darüber erzählt. Mich hat das damals sehr beschäftigt und ergriffen. Was es tatsächlich bedeutet, weiss ich aber jetzt erst.

    Liebe Grüße

    Susanne

    Ach René,

    heute ist ein Tag zum Durchheulen. Die "Feier"tage sind überstanden, habe geglaubt, dann geht´s besser. Das Gegenteil ist der Fall. Silvester war ich- entgegen meinem Vorhaben- bis Mitternacht wach. Es ging da noch relativ gut. Habe mir aus unserem Schlafzimmerfenster das Feuerwerk angeschaut. Pauli war draussen und auch durch Rufen und Pfeifen Stunden vorher nicht rein zu bekommen. Er hat mir schon leid getan. Ich mir aber auch. Habe dir zugeprostet und dir Luftküsse in den Himmel geschickt, obwohl ich gar nicht an die Himmelstheorie glaube. Aber wonach greift man nicht alles in seiner Verzweiflung. Nun, im ersten, Neuen Jahr ohne dich wird mir erstmal bewusst, dass es das erste neue Jahr ohne dich ist. Alles auf Anfang, ein ganzes Jahr lang duchhalten ohne dich. Dann heute von deinem Facebook Account ein Jahresrückblick 2023 mit Musik untermalt. Warum muss das jetzt auch noch kommen. Der Rückblick ging eh nur bis zur Jahresmitte denn dann warst du ja schon tot. Und die wirklich wichtigen und traurigen Momente waren natürlch nicht dabei. Scheiß Facebook, bin eh kein Freund, Zeitfresser. Aber du warst nunmal dabei. Versuche, dein Profil zu löschen. Deine Ex-Frau fummelt mir zuviel darin rum. Wir sind seit 25 Jahren verheiratet und sie muss jetzt gemeinsame Fotos von uns beiden liken. Du hast sie gehasst wie die Pest und jetzt mischt sie sich doch noch in unser Leben ein. Deine mit ihr gemeinsamen Kinder fordern ihren Pflichtteil, dafür hat sie auch gesorgt. Ich bin doch einfach noch traurig und habe genug mit mir selber zu tun. Weiss gar nicht, wie man so ein Nachlassverzeichnis erstellt bis zu deiner letzten Unterhose hin. Das ist grausam und gruselig. Ich habe alles für sie zusammengestellt: 4 Fotoalben von dir als du klein warst. Mit deinen Eltern, deine Eltern als sie jung waren, also ihre Großeltern, deine Hefte, als du Schreiben gelernt hast, die Koordinaten der Seebestattung von ihren Großeltern, deine Schulzeugnisse,... Darauf reagieren sie gar nicht mehr, sie wollen nur Geld sehen. Als du gestorben bist haben sie lieber schön warm in ihren Hotelbetten gelegen, obwohl sie wussten, dass du die Nacht nicht überlebst. Haben am Morgen auch erst gemütlich gefrühstückt. Um 2.00 Uhr bist du gestorben, um 08.00 Uhr bin ich nach Hause gefahren, um 09.00 ist deine Tochter gekommen und hat ihre Mutter mit an dein Totenbett gebracht, weil ja die Luft rein war. Das hättest du nie gewollt, das wusste deine Tochter auch ganz genau. Und trotzdem wurde dein Wille nicht akzeptiert. Diese Familie ist einfach nur erbärmlich. Ich möchte doch einfach nur in Ruhe gelassen werden und meine Trauer verarbeiten.

    Christiane hat mir an Neujahr "Viel Freude für 2024" gewünscht. Musste mal wieder schlucken. 48 Jahre sind sie und ich befreundet. Habe es erstmal sacken lassen und am Abend zurückgeschrieben. Dass ich meine Freude erstmal wieder lernen muss. Dass ich mir für 2024 Stärke, Mut und Zuversicht wünsche um alles zu schaffen. Auch das Praktische. Aber in einer Spassgesellschaft wünscht man sich wohl viel Freude. Ob sie sich vorstellen könnte, wenn ihr Albrecht heute tot wäre, dass sie sich auch viel Freude wünscht fürs neue Jahr. Ihre Antwort: Tut mir leid, wenn ich mich im Ton vergriffen habe. An Silvester ist man ja auch nicht mehr ganz nüchtern. Mehr nicht! Wenn sie das bereut hätte... es waren viele Stunden dazwischen, wo sie es hätte korrigieren können. "Ein Frohes neues Jahr, ich denke an dich und nehm dich mal in den Arm" hätte doch schon gereicht. Vielleicht bin ich zu hart? Du hast immer gesagt, sie ist dumm wie Brot. Ich habe sie immer verteidigt und mir meine Freundschaft nicht schlechtreden lassen. Auch von dir nicht. Hab immer gesagt, ich kenn sie länger als dich und sie wird immer meine Freundin bleiben. Wir hatten einige Bewährungsproben, aber diese hier wird sie wahrscheinlich nicht überstehen. Meine Geduld ist auch bald ausgereizt.

    Hallo Lena,

    es ist einfach immer wieder neu unfassbar, was es für schlimme Schicksale gibt. Jedesmal macht es mich sprachlos obwohl ich selber zu den ungewollt zurückgebliebenen gehöre. Wir waren alle so lange zusammen verheiratet, waren Lieblingsmenschen. Wenn ich das Lied von Roland Kaiser höre " Du bist und bleibst meine Seele" muss ich immer weinen, obwohl ich eher Tote Hosen Fan bin und mir das Lied "Steh auf wenn du am Boden bist" tagelang, wochenlang angehört habe. Ich nehme dich einfach mal in den Arm ohne Worte. Jedes Wort ist im Moment zuviel weil alles nur weh tut...

    Liebe Grüße

    Susanne

    Hallo zusammen,

    ich wollte einmal meine Lieder mitteilen, die mich über meinen Schmerz hinweg tragen:

    Steh auf, wenn du am Boden bist von den Toten Hosen

    Land in Sicht von Nino de Angelo

    Extreme und trotzdem liebe ich dich von Roland Kaiser

    De Klock is dree von Ina Müller

    Sie beisst und kratzt . Das Lied mochte mein Mann für mich. Ich fand das immer doof. Jetzt wo er tot ist höre ich es mir immer an;(

    Sie alle helfen mir ganz doll wenn ich sie laut höre

    Lieber Tommi,


    einen wunderschönen Kranz hast du für deine Frau ausgesucht.

    Es ist gut, dass du den Weg hierhin gefunden hast. Ich bin auch erst seit kurzem hier, das Schreiben befreit ein bisschen. Und das Wissen, dass man mit seinem starken Trauerschmerz nicht alleine ist. Als ich deinen Beitrag gelesen habe, musste ich weinen. Es ist ganz furchtbar, was unsere Liebsten ertragen und wie sie leiden mussten. Mein Mann war auch ein "starker Kerl" und zum Schluss habe ich ihn -genau wie du deine Frau- nur noch am Rollator, am Stock und im Bett gesehen. Und man selber ist so hilflos, kann nur Mut zusprechen. Man glaubt ja immer noch an ein Wunder. Aber wenn man dann das Wort "austherapiert" hört, ist das ein Schock. Für beide. Nun sind wir übrig geblieben, unsere Liebsten leiden nicht mehr, wir leiden weiter. Ich wusste nicht, dass Trauer so weh tun kann. Deine Gedanken, dein Kopfkino... das ist die ganz langsame Verarbeitung der schrecklichen Geschehnisse, des furchtbaren Schicksals, das wir hier alle so nicht gewollt haben. Ich habe auch einen Horrorfilm erlebt auf der Palliativstation als mein Mann gestorben ist. Das kann man nicht loswerden. Ich sitze immer noch oft fassungslos da und schüttele einfach ungläubig den Kopf. Bei dir ist alles noch ganz frisch und die Gefühle überrennen einen wie ein Tsunami: Angst, Panik, Verzweiflung, Wut, unerträgliche Sehnsucht, Liebe, Trauer, Hilflosigkeit... und dazu kommt noch der ganz normale Wahnsinn, den man zu bewältigen hat.

    Es ist ein langer, schwerer Weg der vor uns liegt. Aber wir werden das schaffen, da müssen wir fest dran glauben!


    Liebe Grüße

    Susanne

    Warum bin ich heute trauriger, wehmütiger als an den Feiertagen selber? Ich frage mich die ganze Zeit, war Weihnachten schon? Kommt Weihnachten noch? Die Tage sind einfach so an mir vorbeigezogen, wie in einem Film. Ein Film, in dem ich keine Rolle spiele. Ein Außenstehender, der zuguckt. Darüber habe ich heute den ganzen Tag nachgedacht. Wie konnte das passieren, ich wollte doch ganz bei mir sein und bewusst ganz alleine nur mit René. Es gab ein Weihnachten, dass in meinem Leben überhaupt keine Rolle spielt. Oder spielt dieses "gefühlt nichtvorhandene" Weihnachten eine ganz große Rolle. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich Weihnachten dieses Jahr von seinem Sockel geholt habe, ansonsten wäre es wahrscheinlich nicht zu ertragen gewesen.

    Obwohl ich alleine war, habe ich mich festlich angezogen, mich geschminkt, Glitzerpuder ins Gesicht. Hab mich damit einfach besser gefühlt, bisschen Würde bewahren halt;). Aber der "Sockel" ist weg, das "Magische" an Weihnachten. An diese Stelle ist nun etwas anderes getreten: Stille und Aushalten. Am 24.12. abends musste ich diese Stille mit der Weihnachts-CD von Cher durchbrechen. Sie war mein "Erste-Hilfe-Koffer" wenn es gar nicht mehr geht und es hat funktioniert:). Danach brauchte ich sie nicht mehr: Stille und Aushalten. Ich wünsche mir so sehr, dass diese Erfahrung etwas mit mir macht. Mich stärker, kräftiger macht. Vielleicht kommt das noch. Im Moment fühle ich mich nur verstört und irritiert, weil ich gefühlt keine Erinnerung habe, dass diese Feiertage schon gewesen sind.

    Und nun kommt Silvester. Weihnachten ist ein besinnliches Fest wo es okay ist, wenn man alleine ist und nachdenkt. Aber an Silvester ist jeder um einen rum ausgelassen, in Feierlaune und in freudiger Erwartung was das nächste Jahr bringen mag, gute Vorsätze. Davon bin ich meilenweit entfernt. Was gibt es zu feiern, was soll ich mir vornehmen, wie soll man es schaffen, im nächsten Jahr froh zu werden. Ein ganzes Gebirge steht vor einem, schwere Trümmerteile. Ach Scheiße, voll die Sinnkrise heute. Morgen muss das wieder anders werden. Ich hasse es, in Selbstmitleid zu ertrinken. Das bin nicht ich!

    Tja,

    nun haben wir den Tag bzw. Abend auch hinter uns gebracht. Schwer war es. Ganz bewusst habe ich mich an Weihnachten für das Alleinesein entschieden. Einladungen abgesagt. In unsere Heimat an den Niederrhein zu fahren, wäre mir zu weit gewesen, ich wollte hier bei dir bleiben und auch ganz bei mir. 27 Jahre lang stand ich an Heilig Abend den ganzen Tag in der Küche und habe für uns ein Mehrgangmenue gekocht und du hast dich von meinen Kochexperimenten überraschen lassen. So gefreut hast du dich immer über die Menuekarte. Nie wusstest du, was es gab. Tagsüber ging es eigentlich recht gut. Bis ich an deinem "Grab" in unserem Garten stand, mit deinem letzten Weihnachtsgeschenk an meinem Finger. Ich habe dir drei (für Putzi, Nelly und dich) rote Christbaumkugelherzen und einen Tannenbaumzweig hingelegt. Gekocht habe ich mir auch etwas, aber so wie es früher mit uns beiden war, ging es natürlich nicht: Schneckensuppe und Vitello Tonnato. Angerührt habe ich nichts, statt dessen eine Flasche Sekt aufgemacht. Ein paar Kleinigkeiten habe ich mir selber als Geschenk eingepackt. Ein Taschenbuch, ein Parfum. Ausgepackt habe ich nichts, statt dessen ganz laut die Weichnachts-CD von Cher gehört. Nicht das süsse Weihnachtsgedudel, das kann ich in diesem Jahr nicht ertragen. Pauli war draussen, hat mit dem Laub gespielt und Mäuse gesucht. Er hat immer noch "ADHS". Da hast du uns was aus dem Tierheim angeschleppt, ich sag es dir. Ach René, du fehlst mir so! Andere werden so alt, dass man sie fast mit der Schöppe erschlagen muss....Bei uns ist alles anders gelaufen, warum nur? Hoffentlich komme ich irgendwann mal an den Punkt, wo ich dankbar bin, dass es dich gab und für unsere gemeinsame, schöne, abenteuerliche Zeit. Wenn du mich so sehen würdest, würdest du zu mir sagen: "Nun steiger dich doch da nicht so rein". Vielleicht fahre ich heute mal ans Meer, aber das sage ich ja schon 6 Monate lang zu mir. Seit du tot bist, habe ich das nicht mehr gemacht. Und auch sonst nicht viel. Arbeiten, nach Hause kommen. Versuchen, die Dinge, den Alltag auf die Kette zu kriegen. Ich finde es schlimm, dass alles so weitergeht wie vor deinem Tod. Du bist nicht mehr da und trotzdem läuft alles weiter. Das Gute ist, dass ich mich nicht einsam fühle, mit dem Alleinsein komme ich gut klar. Ausserdem habe ich zuhause ja eh das Gefühl, dass du bei mir bist. Und trotzdem: was würde ich dafür geben, wenn ich dich noch einmal ganz, ganz feste drücken könnte...

    Guten Morgen ihr Lieben,

    gestern habe ich viele Kleidungsstücke (warme Pullover, Schals, Mützen und Handschuhe) zum "Haus der 100.000 Bücher" nach Sundhagen gebracht. Bis vor ein paar Tagen wollte ich, dass im Kleiderschrank alles so bleibt wie vor René´s Tod. 5 Monate sind vergangen und doch kommt es mir vor wie gestern. Tatsächlich hatte ich aber 2 Tage hintereinander das Gefühl, die Kraft zum Abgeben der Kleidungsstücke zu haben. Jedes einzelne Stück habe ich vorher anprobiert, manches behalte ich und trage es in Erinnerung an René weiter. Eine Frau in Männerklamotten:rolleyes: Trotzdem ist der Kleiderschrank immer noch gut gefüllt, ich kann mich nur schrittweise und schweren Herzens trennen. Alles kostet so viel Kraft und trotzdem habe ich das Gefühl, nichts auf die Reihe zu kriegen. Wie war oder ist das denn bei euch?

    Liebe Grüße

    Susanne

    Ich kann gar nicht fassen, was es hier alles für liebe Antworten und Beiträge gibt. Ich musste wirklich weinen, als ich das alles von euch gelesen habe. Vielen Dank für euer Mitgefühl und eure Anteilnahme. Wenn ich irgendwie kann, möchte ich aber auch Trost spenden. Ich weiß nur noch nicht richtig, wie das hier alles funktioniert. Mein erster Beitrag ist auf einer "Pinnwand" gelandet, Da kam dann erstmal keine Kommunikation zustande. Ich glaube, jetzt bin ich hier richtig. Nochmal danke, danke, danke. Ihr seid alle so lieb.

    Hallo zusammen.

    Vor ein paar Tagen habe ich dieses Forum gefunden und den ein oder anderen Beitrag gelesen. Vieles hat mich traurig gemacht, aber ich weiß jetzt auch, dass ich nicht alleine bin mit meinem Schicksal und der unendlichen Trauer. Ich wusste gar nicht, dass Trauer so weh tun kann. Manchmal kaum auszuhalten. Im realen Leben gibt es kaum Menschen, die einen trösten können oder einem Kraft geben. Man fühlt sich mit seiner Trauer alleine gelassen. Zeigt man sie, wird man in der Gesellschaft schnell gemieden, als wenn man eine ansteckende Krankheit hätte. Zeigt man sie nicht, benehmen sich die Menschen, als wenn nie etwas geschehen wäre. Alles soll so sein wie früher. Dabei ist gar nichts mehr wie früher. Alles kaputt, alles in Trümmern, ein Alptraum, ein Scherbenhaufen. Man hat das Gefühl seiner Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft beraubt zu sein. Ich muss nun ein Leben führen, dass mir aufgezwungen wurde, das ich so nicht will. Wie geht das? Wie macht man das?

    Ich heiße Susanne, bin 58 Jahre alt. Am 14.06. ist mein Mann René an Darmkrebs mit Metastasen im Bauchfell gestorben. Im Oktober 22 haben wir die Diagnose mit dem Wort "unheilbar" bekommen. Ich hatte selber in jungen Jahren Lymphdrüsenkrebs darum weiß ich, die Diagnose Krebs muß nicht mit dem Tod enden. Aber das Wort "unheilbar" war dann doch eine andere Hausnummer. Wir haben trotzdem auf 2/3 Jahre gehofft, die wir noch zusammen leben dürfen. Zumal eine Chemotherapie begonnen wurde, die macht man doch nicht, wenn man nur noch wenige Monate zu leben hat. Aber es ging alles schief, was nur schieflaufen kann. Bis zum nächsten schlimmen Wort "austherapiert". Dann geht der Arzt raus, macht die Tür hinter sich zu und man gucken, wie man damit klarkommt. Nach diesen Worten hat mein Mann noch eine Woche gelebt: ohne Medikamente, ohne Essen, ohne Trinken.

    Wir beide wollten, dass er zuhause stirbt, es war alles in Vorbereitung, aber er war zu schwach für den Transport. Ich habe die letzten Tage und Nächte bei ihm im Zimmer auf der Palliativstation verbracht. Ich habe mir Sterben anders vorgestellt: man gleitet friedlich in eine andere Welt. Nun bin ich eines besseren belehrt worden. Es war der erste Horrorfilm meines Lebens in dem nur wir beide mitgespielt haben. Ich bin immer noch fassungslos, was da alles mit einem Menschen passiert der im Sterben liegt. Trotzdem bin ich froh, bis zum Schluss bei dir gewesen zu sein, auch wenn du nichts mehr mitbekommen hast. Als du deinen letzten tiefen Atemzug gemacht hast, bin ich noch ein Weilchen bei dir sitzen geblieben und habe dann im Schwesternzimmer Bescheid gesagt, dass du es geschafft hast. Woher die Kraft und Ruhe hergekommen ist, ist mir bis heute ein Rätsel. Die Schwester hat mich in den Arm genommen und ich habe erstmal auf dich geschimpft. Dass du mich einfach so alleine lässt, Sie haben dich "schick" gemacht: dir Lichter in die Hand gedrückt, Rosenblätter auf der Decke verteilt. Als ich der Schwester sagte, dass dieser Kitsch so überhaupt nicht dein Fall gewesen wäre, mussten wir dann doch unter Tränen lächeln. Ein paar Stunden habe ich noch bei dir im Zimmer gesessen, dir aus dem "Gästebuch" der Palliativ vorgelesen, mit dir einen Sekt getrunken, auf das Leben und den Tod angestossen, dein Glas dann auch noch geleert. In das Buch habe ich dann auch etwas geschrieben. Wie sehr ich dich liebe, wie schön unser lezter Hochzeitstag war. Der 25. Da warst du schon krank. Wir haben geahnt, dass es der letzte sein könnte. Wir waren zusammen essen, nur wir beide. Es war eine sehr private Angelegenheit für uns mit diesem Gedanken im Hinterkopf. Wir haben es so richtig krachen lassen, es war ein sehr schöner Abend. Auf dem Rückweg im Auto haben wir dann zusammen geweint.

    Es fällt mir alles so schwer ohne dich, du fehlst mir so.