Liebe Ursula,
ich habe jetzt deine Zeilen schon zum 3. Mal gelesen und ich habe immer noch Tränen in den Augen und eine Gänsehaut.
Vielen, vielen Dank. Ich weiss jetzt, dass meine Gedanken richtig sind und dass ich sie zulassen kann.
Die Sache mit den Schmetterlingen finde ich sehr schön.
Als wir am Tag der Beerdigung meiner Mama auf dem Heimweg waren, spannte sich ein ganz großer Regenbogen über den ganzen Himmel.
Er war ganz deutlich und klar zu erkennen, man sah den Anfang und das Ende ganz scharf (eine Seltenheit finde ich). Was ich in diesem Moment dachte, sprach meine Tochter aus. Sie sagte:" Den Regenbogen schickt uns Oma!"
Ich muß dazusagen, dass wir vor kurzen umgezogen sind und meine Tochter immer schon sagte, wenn sie ein eigenes Zimmer hat, will sie einen Regenbogen an die Wand malen.
Meine Tochter und meine Mutter hatten immer schon ein ganz spezielles inniges Verhältnis.
Meine Mama hat mich auch nie in den Arm genommen und gesagt, dass sie mich liebt. Sie hat das mit kleinen Dingen ausgedrückt, wie mit besonderen Karten zum Geburtstag usw.
Annalena (meine Tochter) ist ein sehr herzlicher Mensch und sie sagte immer schon was sie fühlt. So hat sie auch zu Mama oft einfach so gesagt:" Ich hab dich lieb!"
Anfangs hat ihr meine Mutter nicht geantwortet, sie konnte das nicht, aber eines Tages sagte sie:"Ich dich auch" und drückte Annalena.
Wir konnten das einander nicht sagen-leider! und jetzt ist es zu spät.
Meine Mama hatte vor 3 Jahren einen mentalen Zusammenbruch und mein Bruder und ich mußten sie in die Psychiatrie einweisen lassen. Damals hat sie den Kontakt für ein paar Wochen ganz abgebrochen und ich dachte, das verzeiht sie mir nie.
Allerdings war sie diejenige, die mich dann bat sie im Spital zu besuchen und ich war dann auch jeden Tag bei ihr.
Seit dieser Zeit war sie jeden Samstag bei uns, weil ich wusste, dass sie diese Auszeit von meinen Großeltern brauchte. Sobald ich Zeit hatte machten wir Ausflüge mit den Kindern, weil ich wußte sie braucht das.
Die belastende Seite waren aber die Telefonanrufe unter der Woche. Ich wußte nie woran ich war - wie ist drauf? Geht es ihr gut?
Mich belastete das sehr und ich musste aufpassen, dass mich nicht zu sehr mitrunter zog.
Am Anfang diesen Jahres ging es ihr total gut, sie machte Ausfluge und war voller Tatendrang. Im Juni änderte sich das plötzlich (ich weiss bis heute den Auslöser nicht) und sie begann sehr wenig zu essen und wurde zunehmende stiller.
Ich habe sie sehr oft darauf angesprochen, doch sie antwortete immer. "Es wird schon wieder. Du musst dich um deine Familie kümmern." Doch sie zählt doch auch zu meiner Familie!!
Sie wollte niemandem zur Last fallen und sagte immer:" Ich bin die Tochter und ich muss mich um meine Eltern kümmern und nicht umgekehrt!"
Am Samstag vor ihrem Tod bekam sie Fieber und eine Erkältung. Sie wollte aber per tu nicht zu einem Arzt und sagte wie immer:"Das wird schon wieder".
Am Montag bin ich dann zu ihr gefahren und habe ihr den Einkauf erledigt, ein paar Sachen im Haushalt gemacht und mit ihr diskutiert, warum sie zu keinem Arzt geht.
Aber sie war stur wie immer und denn sie hatte ja kein Fieber mehr. Am MIttwoch mittags habe ich mit ihr telefoniert, ob sie etwas braucht und mit ihr abgemacht, dass ich am Donnerstag morgens wieder zu ihr komme. Dazu kam es aber leider nicht mehr. Denn am Mittwoch um 18.00 Uhr bekam ich einen Arruf von meiner Oma, dass Mama angeblich um ca. 16.00 Uhr im Vorzimmer zusammengebrochen und gestorben ist.(lt. Notarzt an Herz- Kreislaufversagen).
Ich wohne 40km weit weg und als ich dort eintraf, war meine Mama schon weg und ich konnte mich nicht einmal verabschieden. Mein Opa (er hatte nie ein gutes Verhältnis zu meiner Mama) erzählte mir dann was genau abgelaufen ist, mit Notarzt und Hubschrauber usw. Seitdem bekomme ich dieses Bild nicht aus meinem Kopf (obwohl ich gar nicht dabei war).
Ich weiß nur, dass meine Mama von Leuten umgeben war, mit denen sie zu Lebzeiten immer gekämpft hat und ich war nicht da!!!!!!!
Ich mache mir deshalb sehr große Vorwürfe. Ich stelle mir die selben Fragen wie du.
Hätte ich was tun können? Hätte ich nur darauf bestanden, dass sie zu einem Arzt geht? Warum? Warum? Warum?
Ich habe im Moment sehr große Verlustängste und wäre am liebsten 24 Stunden bei meinen Kinder und meinem Mann. Auf der anderen Seite wird mir der Familienalltag auch teilweise zu viel und ich wäre gerne alleine um zu trauern?
Gestern zum Beispiel hat mich meine Tochter angeschnauzt, eigentlich wegen gar nichts und ich denke sie weiß selber nicht warum. Ich bin in Tränen ausgebrochen und habe mich in meinem Bett verkrochen. Mir fielen die Streitigkeiten mit meiner Mama ein und dass ich ihr jetzt gar nicht mehr sagen kann wie lieb ich sie habe!
Kurze Zeit später ist dann Annalena zu mir gekommen und wir haben beide zusammen geheult. Ich weiss aber nicht, ob ich sie mit meinen Tränen nicht überfordere, sie ist erst 9 Jahre alt.
Ich hoffe, ich habe dich mit meiner Geschichte nicht zu sehr belastet. Ich bin aber so froh, jemanden gefunden zu haben der mich versteht. Mit meiner Familie kann ich darüber nicht reden, daher verstelle ich mich so gut es geht, aber das ist ziemlich anstrengend für mich.
Vielen Dank für deinen Zuspruch und für deine Geduld, deine Zeilen helfen mir wirklich sehr.
Vielen, vielen Dank es tut sooooooooo gut.
Liebe Grüße Verena