Beiträge von wuerschtl

    hallo, maki,


    erstmal finde ich es gut zu wissen, dass das personal rücksichtsvoll und nett war in eurer situation. das ist ja leider nicht standard - was auch daran liegt, dass die kollegInnen manchmal selber ziemlich mitgenommen sind von einem solchen verlauf. wer selber kinder hat, den haut sowas einfach um. da wird dann manchmal zur kompensation recht reserviert gehandelt, was für die angehörigen ziemlich derbe sein muss.


    aus meiner perspektive als pflegende muss ich professionell handeln - und das professionelle handeln wird meistens so gesehen, dass man seine gefühle im griff hat und weiß, was zu tun ist. ich war letztens sehr erstaunt (und erfreut, auch wenn der begriff vielleicht unpassend erscheint): eine unserer stationsärztinnen hatte ein angehörigengespräch und inhalt des gesprächs war die tatsache, dass der patient, um den es ging, sterben würde. die angehörigen waren eigentlich noch ziemlich hoffnungsvoll gewesen, aber der zustand des patienten hatte sich derart rapide verschlechtert, dass wir keine chancen mehr gesehen haben. die angehörigen haben also mit der ärztin im besprechungsraum gesessen und alle haben geweint - auch die ärztin. der war das anfangs etwas unangenehm, später sagte sie dann aber, "das war ja auch zum heulen, da musste ich auch mitheulen, das ging nicht anders."


    ich kenne das gefühl auch, dass ich merke, oh je, jetzt kommt der dicke kloß im hals und dann steht mir auch schon das wasser in den augen. mittlerweile nehme ich das aber dann auch hin und denke, ja, das ist zum heulen und das löst auch in einer professionell pflegenden solche gefühle aus. und wenn ich versuche, die ins kalte zu drehen, dann werde ich über kurz oder lang wahnsinnig oder bekloppt oder einfach nur fies.


    es ist aber schwer. das ist eine der schwierigsten situationen überhaupt, die angehörigen eines sterbenden menschen gut zu begleiten, ohne jedes mal danach völlig erledigt nach hause zu fahren. ich bin immer ganz froh, wenn es den angehörigen gelingt, sich ein bisschen zu öffnen, damit wir das alles authentisch gestalten können. das ist ein vertrauensbeweis, den ich sehr zu schätzen weiß.

    hallo, liebe sandra!
    ich habe gelesen, dass du immer mal wieder mit einem "dicken kopf" zu tun hast - was nach deinen erlebnissen ja auch kein wunder ist. dein kopf ist voll, vom weinen schwillt alles an und ohnedies ist trauer auch körperlich wahnsinnig anstrengend. ich würde dir gerne den tipp geben, mal zur akupunktur zu gehen bzw zu jemandem, der TCM (traditionelle chinesische medizin) anbietet. meine persönlichen erfahrungen damit sind sehr gut (gerade bei nebenhöhlenproblemen). in der chin. medizin wird nicht nur darauf geguckt, dass die nase voll ist oder der kopf dröhnt, sondern es wird auch genau geguckt, woher das kommt, warum das so ist und was man umfassender machen kann als eine schlichte symptombehandlung.
    trauer führt zu einer art "substanzverlust" - du verbrauchst unmengen an energie, das schlaucht einfach richtig. "substanzverlust" meint in diesem zusammenhang nicht 20 kg auf einmal abzunehmen (das kann natürlich auch passieren), sondern einen energieverlust, der dich völlig alle machen kann. es gibt gute tees beim TCM, die dir helfen können, wieder ein bisschen durchzuwärmen und das innere feuer wieder einigermaßen brennen zu lassen.
    eine freundin von mir ist ärztin und TCM-therapeutin und hat vor kurzem einen mann behandelt, dessen ehefrau plötzlich gestorben war. der hatte migräneattacken und herzrhythmusstörungen und fühlte sich völlig kraftlos. die beiden haben zwei stunden in der praxis gesessen und ganz in ruhe über alles gesprochen. der mann hat eine teerezeptur verschrieben bekommen und akupunktur und hat sich nach etwa zwei wochen wieder ganz gut gefühlt, zumindest körperlich. die migräne war weg, die rhythmusstörungen rückläufig und der hatte plötzlich auch mal wieder die ambition schwimmen zu gehen und regelmäßig gut zu essen. dadurch hat er wieder ein bisschen zugenommen und "energie getankt".
    eine gute idee wäre auch qi gong oder tai chi.
    guck doch mal, ob das was für dich wäre.


    alles gute.

    vielleicht hab ich das ein bischen drastisch ausgedrückt - ich meine natürlich nicht sowas wie "ooh, drei monate sind jetzt rum, jetzt fliegt das hier alles raus." das tempo entscheidet jede/r für sich. ich fand es ziemlich beeindruckend, wie straight meine freundin das gemacht hat. die hat mit der aufräumaktion auch mit ihrer oma "aufgeräumt", bei der sie auch einen großen teil ihrer kindheit verbracht hat. das war natürlich nicht immer witzig und super, da hat's auch mal ordentlich geknallt. und das alles hat sie bei der aufräumerei quasi "mit erledigt". das hat ihr gut getan. das ist natürlich schon eine große sache, die wohnung dann auch konsequent leerzu räumen. aber sie hat das dann alles sorgfältig renoviert und vermietet und ihren fireden damit machen können. mich hat beeindruckt, wie gut ihr das getan hat.

    liebe sternSandra,
    mir hat mal eine freundin erzählt, dass sie nach einem gewissen zeitablauf (bei ihr waren es ca. 3 monate) keine lust mehr hatte "auf dieses trauer-museum" (die oma war gestorben und das hat ihr regelrecht den boden unter den füßen weggezogen). sie hat dann angefangen dinge zu entsorgen, die ihr schlagartig sperrig vorkamen, da flog mit einem mal eine ganze schrankwand in den bereitgestellten container, das bett flog hinterher, die hat geackert, bis ihr alle knochen weh taten (sie hatte auch hilfe, aber hat sich mit verve verausgabt).
    sie hat einige bücher behalten, ein bisschen geschirr, einen stapel alter schellack-platten und tischwäsche. der rest - weg.
    nun ist das aufräumen nach dem tod eines ehepartners wahrscheinlich noch heftiger, man lebt im idealfall eng zusammen und da ist es sicher gut, bei der auswahl sorgfältig zu sein. grundsätzlich aber ist "der ganze kram" (wie meine freundin das ausdrückte) auch etwas, was die draufsicht zustellt und wo sich das freimachen von solchem ballast stück für stück auch gut für die seele auswirkt.

    liebe kat!
    ich habe mit bestürzung gelesen, was dir wiederfahren ist und ich ziehe meinen hut vor deiner leidensleistung. das klingt vielleicht ein bisschen merkwürdig, aber das, was du jetzt leisten musst, ist schwerstarbeit - du musst erleben, wie deine gefühle mit dir achterbahn fahren und das bis in die tiefsten untiefen hinab und zack! wieder hinauf, du musst deine kräfte einteilen und für deinen sohn da sein - und für dich.


    den tod des ehepartners in unmittelbarer nähe zu erleben, zu hause, im privatesten bereich, das verursacht bei den angehörigen, die ich in den letzten jahren kennengelernt habe, eine massive verstörung, denn das zu hause, das "nest", der persönliche schutzraum, den sich menschen gemeinsam aufbauen und individuell gestalten, das ist plötzlich der ort, an dem die liebste person gestorben ist. das ist eine derart wuchtige bedrohung, die einen quasi aus dem leben katapultiert.


    ich habe kürzlich einer freundin geholfen, die wohnung ihrer mutter auf-und auszuräumen. nicht gleich die große riesenaktion, sondern alles nach und nach. vielleicht ist das noch zu früh für dich, darüber nachzudenken, aber vielleicht kannst du dir überlegen, ob du für dich und deinen sohn das umfeld ein bisschen ändern magst, damit ihr platz für euer leben findet. das heisst ja nicht, den mann und die erinnerungen an ihn hinauszuschmeißen.
    an anderer stelle hier im forum habe ich vorgeschlagen, ein tagebuch zu schreiben. der tip ist aus dem bereich der katastrophen-psychologie und es wird empfohlen, nach möglichkeit täglich ca. 20 min all das aufzuschreiben, was dir durch den kopf geht. du erkennst vielleicht dann auch, wann es dir wie geht, welche situationen dir deine gefühle wieder nach unten drücken, du erkennst auch, was dir gut tut und - das erlebte wird ein bestandteil deines lebens. so fies das klingt, aber dieses erlebnis und dieser verlust gehören ab jetzt zu deinem und dem leben deines sohnes dazu. es hilft nicht, das voneinander zu trennen.


    und wenn dir nach einem stück torte ist, dann gönn' dir das :-) vielleicht magst du dir ja auch ein paar walking-stöcke kaufen und rennst mal durch den park? bewegung ist ein gutes mittel, um viel loszuwerden. überlege dir, was dir gut tut. das darfst du, das musst du sogar. erlaube dir, an dich zu denken.


    alles liebe!

    lieber trauriger-engel.
    ich habe dieses "kräftemessen" - wer ist in der familie überhaupt "befugt" zu trauern und wer nicht - öfter bei uns auf der intensivstation erlebt. da stehen die angehörigen am bett des patienten und harken schon mal vor dem tode auseinander, wer was erbt und wer nicht, da werden entschlüsse gefasst, dass der zu besuch kommen darf, die andere aber nicht usw.
    uns wird also aufgetragen, eine entsprechende "türpolitik" zu gestalten, weil sich die familie außerstande sieht, ihre internen querelen selber zu regeln und zu gestalten.


    du hast, so wie ich das aus deinen schilderungen herauslesen kann, einen guten draht zu deiner schwiegermutter gehabt und ich schließe mich der idee an, dass du mit eifersucht konfrontiert wirst. das scheint auch derartig nagend zu sein, dass man dir auch nach einem gewissen zeitablauf immer noch "eins reinwürgen" will. da wird eine schuldige gesucht, um die eigene gefühlslage zu kompensieren, um das irgendwo hinzupacken und das scheinst du zu sein.


    der ratschlag, dich dagegen zur wehr zu setzen und dich stark zu machen, ist natürlich in deiner jetzigen situation schwierig umzusetzen, wo du dich gerade ganz elend und klein fühlst.
    du hast das bedürfnis, dich zu verteidigen, zu erklären, dass du es wert warst, von der schwiegermutter geliebt zu werden. wenn man für diese gefühle kein feedback bekommt, ist das schwer.
    hol' dir etwas her, was dir gut tut. mach' etwas, was dir spaß macht, sport, kochen, lesen, was weiß ich. mach dir klar, dass dir niemand dieses gefühl der zuneigung zu deiner schwiegermutter kaputt machen kann und darf. und verstricke dich nicht in rechtfertigungen, dass es allen grund gegeben hat, dass deine schwiegermutter dich geliebt hat. das ist dein gefühl und das ist deine erinnerung, das gehört dir ganz allein.


    schreib' all das auf, was dich zu desem thema bewegt. kauf dir ein etwas großformatigeres notizbuch (vielleicht so größe DIN A 3) und da schreibst du jeden tag etwa 20 min lang all deine gefühle, gedanken und ideen hinein. das hilft dir einerseits, deinen kopf zu sortieren und nachzulesen, wie es dir geht (und auch eine entwicklung zu erkennen) und andererseits, den tod deiner schwiegermutter und all die dinge, die sich darum herumranken, in deine eigene biographie einzubauen. so tickt dieser tod und all die fiesen auseinandersetzungen und deine gefühle dazu nicht als separate zeitbombe auf einem - symbolisch gesehenen - regalbrett herum.


    mach' es gut.

    Guten Tag, liebe Mitmenschen, ich habe mich heute hier registriert, weil mich der Umgang mit Trauer und trauernden Menschen interessiert - primär aus beruflicher Sicht, wenngleich mir Trauer um einen geliebten Menschen aus der Familie und dem Freundeskreis durchaus bekannt ist.
    Ich arbeite seit 15 Jahren als Fachkrankenschwester auf einer Intensivstation (in Norddeutschland) und die Situation der Angehörigen ist mir oftmals ein quälender Umstand. Einerseits bin ich mit der PatientInnenversorgung beschäftigt und muss z. B. regelmäßig ins Nachbarzimmer flitzen, andererseits ist mir die Betreuung der Angehörigen durchaus wichtig. Oftmals entscheide ich aus dem Bauch heraus, was "gut" wäre (wohlgemerkt, der Konjunktiv), biete also den Angehörigen Getränke an, regele mit ihnen ggf. Übernachtungsmöglichkeiten oder zeige ihnen, wo man mal rauchen kann. Manche geben mir ein feedback und bedanken sich und ich denke, dann ist es auch gut gelaufen.
    Was mich interessiert: was ist den Angehörigen eines Intensivpatienten besonders wichtig gewesen, als deutlich wurde, dass der Patient sterben wird? Gab es etwas, was Ihnen in der Situation besonders gut getan hat (Worte, Gesten etc.), gab es aber auch etwas, wo Sie dachten (oder es auch geäußert haben), "das geht gar nicht!" ?


    Ich arbeite zwar in einer deutschen Klinik, denke mir aber, dass die Unterschiede zu Österreich nicht allzu groß sind - oder?


    Ich freue mich auf einen Austausch.