Warnung: Die folgenden Zeilen werden recht hart.
Hallo alle zusammen,
dankeschön für das liebe "willkommen" und danke für eure Zusprüche. Ja einige haben es auf den Kopf getroffen: das Ereignis - oder auch die Folgen - des Tods meiner Mum kommen mir vor wie ein Traum. Das eigentliche Leben meist recht real doch diese Veränderung blende ich unterbewusst meist aus...
Ich möchte hier nun von den Tagen nach ihrem Tod erzählen - für zartbesaitete ist das vlt eher nix (könnte erschrecken) aber ich möchte es trotzdem mal niederschreiben. Habe vorher den Thread "Tod eines Bestatters" gelesen, wo es dann auch um den Umgang mit Toten ging: ums nochmal-berühren und waschen/anziehen und so..
Meine Mum starb bei uns zu Hause in der Nacht um 00:10. Wie schon gesagt hatten wir sie etwa 2 Stunden vorher noch gebadet. Als sie starb befanden wir uns alle bei ihr und bewegten uns nicht mehr vom Fleck und schliefen alle die ganze Nacht neben ihr.. Berührten sie, hielten ihre Hand. Es war immer ihr Wunsch nach ihrem Tod 3 Tage zu Hause zu bleiben (Scheintod :)). Es war zwar klar, dass sie wirklich tot war, jedoch wollten wir ihr diesen Wunsch erfüllen - auch für uns. Wir hätten es nicht ertragen sie sofort "wegzugeben". Sie lag dort mit offenen Augen und offenem Mund auf dem Bett und wurde immer kälter - und dann auch hart. Das war sehr eigenartig - jedoch war es auch der noch angenehme Beweis, dass sie tot war.
Am ersten Tag, also Mi, waren wir die meiste Zeit zu Hause und mieden auch den Kontakt mit ihr nicht. Ihr Mund schloss sich dann von selbst und sie lächelte leicht :). Mein Bruder küsste ihr immer wieder die Backe.. anfangs fand ich das auch noch angenehm, allerdings wurden bald ihre schönen Augen trüb und schließlich auch schwarz. Auch hatte sie schon den ganzen Körper voller "Leichenflecken". Da konnte ich es dann nicht mehr. ich drückte nur noch ihre Hände um sie zu berühren. Mir wurde immer bewusster, dass das nur noch ein winziger Teil meiner Mutter war, nicht mehr sie...
Am zweiten Tag war sie morgens eigentlich noch wie am Tag davor und wir hatten ihre engsten Freunde und Verwandte eingeladen, sie abends ein letztes Mal zu sehen. Es war eigenartig ihr jedes Mal wenn man das Zimmer betrat Hallo zu sagen, doch ich genoss es. Es war ein langsames bewusst-werden, unsere Art der Verabschiedung. An diesem Nachmittag mussten wir kurz zum Leichenbestatter - eine eigenartige Angelegenheit. Als wir nach Hause kamen, ging ich zu Mama ins Wohnzimmer und wollte sie begrüßen. Wir hatten die Tür zum Garten geöffnet um den Raum kühl zu halten, und es hatte die Bettdecke weggewindet. Ich kam also in den Raum und sah es sofort: Sie blutete: ihr rann Blut aus dem Mundwinkel und auch aus dem Schritt. Es war im ersten Moment ein furchtbarer Anblick. Das Blut rann und rann als würde es irgendwie herausgepumpt. Mittlerweile waren an ihrer Stirn auch die Adern herausgetreten und sie hatte angefangen stark zu riechen, was mir bis dort noch gar nicht aufgefallen war. Sie sah meiner Mutter nur noch entfernt ähnlich. Ich konnte das Blut nicht abwischen also ging ich zu meinem Vater und sagte ihm "Wir haben ein Problem mit der Leiche - die Leute können wohl nicht kommen." (ich konnte sie nicht mehr Mama nennen.) Das war ein paar Minuten bevor die Leute erwartet wurden. Als er es sah, wirkte er erschüttert. Nach einem Telefonat mit dem Leichenbestatter legten wir ihr einfach ein Tuch in den Mundwinkel, sagten so vielen Leuten wie möglich ab und ließen die restlichen kommen.
Am nächsten Tag mittags sollte man sie abholen kommen. Wir waren den ganzen Vormittag damit beschäftigt, ihren Sarg zu bemalen, da ich sie keinesfalls in eine unpersönliche Holzkiste packen wollte.. Als ich ein paar mal ins Zimmer schaute, war es wirklich kein angenehmer Anblick mehr: sie roch ziemlich übel und ihr Hals und Gesicht waren aufgequollen. Und obwohl mich diese Bilder noch einige Nächte in meinen Träumen verfolgten, würde ich diese Tage niemals hergeben. Hätte ich ihren Körper sofort hergeben müssen, hätte ich glaube ich nicht damit umgehen können, dass sie "tot" ist. Ich genoss es, jedes Mal aufs Neue zu sehen: sie ist tot! - obwohl ich gleichzeitig noch eine große Zuneigung zu dem Körper hegte. Vielleicht klingt das für einige von euch grausam oder ähnliches, doch so war es nicht gemeint. Aber es war nur noch der Körper. Und das war gut zu realisieren.
Als die Stunde des wegbringens nahte, sprachen wir darüber, ob wir sie noch waschen wollten oder umziehen, doch es hätte niemand von uns mehr gekonnt. Sich so genau anzusehen, wie weit der Zerfallsprozess in diesen wenigen Tagen vorangeschritten war, hätte wir nicht mehr ausgehalten. Außerdem bin ich überzeugt, dass meine Mama sich in keiner Weise darum scherte, wie ihr Körper in den Sarg gebetet wurde. Als der Bestatter schließlich kam, war ich geradezu froh, dass sie nun gehen würde. Noch länger wäre zu lang gewesen. Die letzten Minuten war mir auch der Geruch einfach zu intensiv - unerträglich.
Das war unsere Art, die ersten Schritte des Verabschiedens zu begehen. Ich weiß nicht ob ich das noch einmal bei einer mir geliebten Person aushalten würde - ob es mir bei irgendjemandem sonst noch einmal so wichtig sein wird, den Körper zu begleiten. Jedoch kann ich es mir sehr wohl vorstellen - nur bitte noch nicht jetzt. Ich weiß allerdings, dass es für uns in diesem Falle das richtige war, und mir enorm hilft, die Dinge zu sehen wie sie sind. Ich glaube auch nicht dass ich mir etwas "erspart" hätte, wenn man sie uns gleich genommen hätte: lieber weiß ich wie die Dinge sind, als ewig in Zweifel und Unsicherheit zu leben und mich von meiner Phantasie quälen zu lassen.
Ich hoffe es geht auch meinem Bruder so. Er hat nur einmal plötzlich erwähnt, es habe ihn so erschüttert - habe es so schlimm gefunden - als Mama angefangen hat zu bluten.. Ich hoffe er verkraftet diese Bilder...
Hm, das wurde jetzt doch ein recht krasser Beitrag. Hoffe ich habe niemanden erschreckt. Ich muss noch sagen für die die nun schockiert sind: irgendwie wird alles in Ordnung wenn man es akzeptiert - auch der Zerfallsprozess. Naja, musste nun einfach auch mal meine Erinnerungen zu diesem Thema aufschreiben.
Danke fürs Interesse
GLG Rosalie