Hallo ihr Lieben,
nachdem ich hier nun schon einige Zeit lese, möchte ich Euch meine Geschichte(n) erzählen. Mein Name ist Anja, ich bin 36 jahre alt und habe am 27. Mai meinen lieben Papa verloren.
Die erste Erfahrung mit dem Tod machte ich 1986, als meine Urgroßmutter verstarb. Ich hatte ein sehr inniges verhältnis zu ihr, bis 1981 wohnten wir im gleichen Haus,ich war so oft bei ihr, konnte ihr stundenlang zuhören, wenn sie Geschichten erzählte. Als sie starb, war ich mit meiner jüngeren Schwester in den Ferien. Am Tag ihrer Beerdigung kamen wir nach Hause und ich wunderte mich, dass Papa schon da war, wo er doch um diese Zeit gewöhnlich noch arbeitete. Bis dahin wußte ich noch nichts vom Tod meiner Urgroßmutter. Als meine Eltern uns sagten, dass sie gestorben sei, brach eine Welt für mich zusammen, es war so furchtbar für mich.
Am 25. Mai 1993 verstarb die mutter meines Vaters an Krebs. 2 tage, bevor sie daheim starb, habe ich sie zuletzt besucht. Sie sah unheimlich schlecht aus, wie sie so in ihrem Bett lag, eine Frau, die ihr Leben lang nur gearbeitet hat, immer für ihre Lieben da war...
Mein vater saß am Todestag seiner Mutter auf dem Balkon und weinte, ich konnte ihn irgendwie nicht trösten, wie auch? So saß ich einfach neben ihm, weinte leise mit ihm. Plötzlich sah er mich an und sagte: "Werde wie deine Großmutter!" Diesen Satz habe ich nie vergessen und gerade jetzt geht er mir so oft durch den Kopf.
Ende 1999 war ich zum ersten Mal schwanger. Wir freuten uns sehr auf dieses Kind. An heilig Abend mußte ich jedoch ins Krankenhaus( Blutungen), aber dem Baby ging es gut- bis ich es am 9. Januar doch verlor. Für mich brach eine Welt zusammen.
Mitte Mai 2000 die 2. Schwangerschaft, auch auf dieses Kind haben wir uns gefreut, zwar irgendwie verhaltener, aber wir sagten uns auch, 2 mal " Pech" , das kann nicht sein. Anfang Juli verlor ich auch dieses Kind. Was geblieben ist, ist die Frage nach dem WARUM und die Antwort, dass das Leben doch grausam ist. Ich glaube, ich habe es bis heute nicht so richtig überwunden.
Im September 2004 starb der vater meiner Mutter, knapp 80jährig. Wir waren zu der Zeit im Urlaub in Griechenland, dazu gibt es eine recht sonderbare Geschichte, die ich sicher auch hier einstellen werde, aber der Reihe nach, ich denke, dieser Beitrag wird chaotisch genug.
Ja und jetzt am 27 Mai verstarb mein Papa. Fragt nicht, wie ich mich fühle, ich weiß es selbst nicht, kann es ist so verdammt schwer, es in Worte zu fassen.
1995 wurde bei ihm Prostatakrebs festgestellt, den man mehr oder weniger in den Griff bekam. Durch die Behandlungen ging viel seiner Lebensqualität verloren, aber nicht sein Mut und sein Wille, weiter zu leben. Durch die erforderliche Bestrahlung war seine blase so geschädigt, dass sie entfernt werden mußte, er bekam ein Stoma. Aber das ist noch nicht alles, er trug auch einen leberschaden davon. Erste Anzeichen machten sich 2005 bemerkbar. Ab etwa 2007 war er öfter im Krankenhaus als daheim, war phasenweise sehr verwirrt, was durch seine schlechte Leberfunktion bedingt war. Ende des Jahres stand fest, dass nur eine Lebertransplantation ihn noch retten konnte. Diese erfolgte dann endlich am 10. Januar 2009. Zunächst verlief auch alles gut, was waren wir froh, keine Anzeichen einer Abstoßung. Nach einigen Wochen klagte er über Rückenschmerzen. Das begann so im März, wir dachten, es käme vom vielen Liegen im Krankenhaus. Als er stationär zu einer Untersuchung in der Transplantationsklinik war, wurde dann festgestellt, dass die Rückenschmerzen nicht vom liegen kamen. Krebs an der Wirbelsäule, im Becken, an den Rippen- und an der Leber. Nein, das konnte und durfte nicht wahr sein! (dazu muß ich sagen, damit ein transplantiertes organ nicht abgestoßen wird, wird das Immunsystem heruntergefahren, so hat der krebs leider leichtes Spiel).
Von ihm selbst habe ich es nicht erfahren, sondern von meiner Mutter. das war am 13. März, zu diesem zeitpunkt lag er noch in der Transplantationsklinik, kam dann ein paar Tage später nach Hause. Am 28. Mai sollte er noch eine Chemo bekommen.
An Himmelfahrt kam er wieder ins krankenhaus, weil die Schmerzen so stark waren. Davon erfahren habe ich erst- zufällig!- am Samstag, also 2 Tage später, als ich daheim anrief(wir wohnen 150 km von meinen Eltern entfernt) und es mir meine Mutter sagte, sie hatte es niemandem erzählt !!!
Am 26. Mai konnte ich meinen vater endlich besuchen.
Als ich ihn da so in seinem Bett liegen sah, sah ich seine Mutter noch einmal, so sehr glichen sich die Bilder, es tat so weh, ihn da liegen zu sehen.
Mein Paps hat nie gejammert, nie geklagt. Er schlief, ich hielt seine Hand, wohl eine halbe Ewigkeit, strich ihm sanft über den Kopf, mir Mühe gebend, die Tränen zu unterdrücken. irgendwann kam er kurz zu sich, sah mich an und fragte, wo ich jetzt herkäme. Er hat sich gefreut, das spürte ich.
Ich saß noch eine weile bei ihm, hielt seine Hand, sagen konnte ich nicht viel. Irgendwann mußte ich auch gehen, sagte es ihm, da meinte er ganz resolut" nein!" und so blieb ich noch eine Weile. Ihm kamen dann die tränen, als ich mich verabschieden mußte, die er mühsam versuchte, zu unterdrücken.
Ich habe hin gedrückt, ihm einen Kuß auf die Wange gegeben und ihm gesagt, dass ich ihn lieb habe und das alles gut wird.
Für meinen Paps ist tatsächlich am nächstenTag alles gut geworden, keine Schmerzen mehr und keine Qual, kurz vor Mittag ist er gestorben.
Als ich es erfuhr, brach eine Welt für mich zusammen, auch wenn es absehbar war, so konnte es doch einfach nicht wahr sein, doch nicht jetzt schon.
Mein paps war ein ganz stiller Mensch, hat nie gejmmert, nie geklagt, war immer für uns da, gerecht und fair.
Am Tag nach seinem Tod ging ich mit meiner Schwester zu meiner Mutter. Meine Mutter war schon immer psychisch ziemlich labil, aber was jetzt kam...
Sie hatte wohl schon Tage vor dem Tod meines Vaters begonnen, seine sachen aus dem Kleiderschrank auszuräumen. Wir dachten, uns trifft der Schlag.
Nach einigen Diskussionen bleib uns nichts weiter, sie in die Nervenklinik einzuweisen, da sie u.a. auch mit Selbstmord drohte.
In der Klinik ist sie noch heute. Inzwischen hat man festgestellt, dass sie manisch- depressiv ist. Es ist der blanke Horror im Moment für mich.
Einerseits mache ich mir Gedanken, wie es mit ihr weitergehen soll, andererseits mache ich mir Vorwürfe, nicht richtig um meinen Vater trauern zu können, weil ich den Kopf dazu nicht frei habe, andererseits funktioniere ich in der Firma fast wieder ganz"normal".
Nebenbei fahre ich fast jeden Sonntag in die Klinik um Mutter zu besuchen und ihre Wäsche zu holen und zu waschen ( samstags muß ich grundsätzlich arbeiten) und neue Wäsche bringen.
Ich denke so oft an meinen Paps, vermisse ihn, nie mehr wird er mit mir reden, nie mehr werde ich ihm begegnen, nur in meinen Gedanken.
Und dort so oft und doch zu wenig.
Nun habe ich Euch rechtschaffen zugetextet um Euch einen klitzekleinen Einblick zu geben.
Es tut unheimlich gut hier zu lesen, Trost zu erfahren und zu erfahren, man ist nicht allein.
Danke dafür !
Liebe Grüße,
Anja