Beiträge von Violette_Orchidee

    Du hast recht... am Ende ist es nie genug. Was man auch macht, man hat nie genug Zeit, weil es immer etwas gibt, was man noch hätte machen oder ändern wollen.


    Ich glaube, es fällt mir gerade deshalb so schwer, mir selber zu vergeben, weil sie sozusagen mein einziger Großelternteil war, zu dem ich wirklich ein sehr gutes Verhältnis hatte. Ich habe zwar geschrieben, dass ich bisher noch niemanden beerdigen musste, aber verloren habe ich vor Jahren trotzdem meine Großeltern mütterlicherseits. Das hat aber mehr damit zu tun, dass Mamas Mutter eine schreckliche Frau ist, die meine Familie lange terrorisiert und fertig gemacht hat. Ihr Mann, mein Opa, leidet darunter sehr, weil er durch ihr Verschulden keinen guten Kontakt mehr zu seinen Töchtern und Enkeln hat.

    Ich vermisse meinen Opa W., weil ich doch weiß, dass er der einzige Großelternteil ist, mit dem ich noch normal reden könnte, jetzt da Oma nicht mehr da ist. Aber seine Frau verhindert es ... Und mein anderer Opa hat leider Alzheimer und muss seit 1 Jahr im Altenheim leben. Von ihm ist nichts mehr geblieben, außer seiner Hülle und manchmal der ein oder andere grantige "Ausruf".

    Meine geliebte Oma war die einzige Konstante unter meinen Großeltern; die, die mir am meisten bedeutet hat. Ihr das nie gesagt zu haben, fühlt sich einfach so unglaublich schrecklich an.


    Ich glaube dir, dass sie weiß, wie sehr ich sie geliebt habe, es sogar noch tue. Nur erdrückt mich das Bedürfnis, ihr das gesagt haben zu wollen. Es schnürt mir die Kehle zu, bereitet mir Kopfschmerzen. Ich hasse unerledigte Dinge, ich konnte damit noch nie gut umgehen. Dass diese Sache nun endgültig unerledigt bleibt, ist für mich einfach nur schrecklich.


    Ich versuche nun, es irgendwie mit meinem Opa W. noch hinzubiegen. Ich schreibe ihm Briefe und sage ihm, wie sehr ich ihn lieb habe und ihn vermisse... andererseits bereitet es mir auch ein schlechtes Gewissen, weil ich weiß, dass er deswegen Probleme mit seiner Frau bekommen wird.


    Wie man es macht, man macht es falsch...

    Es stimmt nicht... niemand verdient den Tod. Es fühlt sich vielleicht für einen selbst so an, aber das liegt an der eigenen Einstellung zu einem selbst und hat nichts mit Wahrheit zu tun. Jeder Mensch macht, was er machen kann. Jeder Mensch macht die Dinge anders, kann sie vielleicht nur anders machen. Den Tod verdient man deswegen noch lange nicht...


    Für mich klingt das so, als wäre Jan wütend auf sich und die Welt, auf einfach alle. Er hat wahrscheinlich kein vernünftiges Ventil und du bekommst das in dieser Härte ab. Es ist so unfassbar schwer, das kann ich mir vorstellen, aber er trauert auch, so wie du. Bestimmt...

    Danke für deine Antwort, Stille Perle


    Ich weiß einfach nicht, wohin mit diesen Gefühlen. Jeden Tag geht mir durch den Kopf, wie leid es mir tut und, dass ich mich so gerne entschuldigen würde... aber irgendwie fühlt es sich immer so an, als sage ich das nur zu mir selbst.


    Ich habe angefangen, hin und wieder Oma zu schreiben, in einem Tagebuch... mehr aus dem Gedanken heraus, dass ich ihr eigentlich noch so viel erzählen wollte, aber auch da schreibe ich ihr, wie sehr es mir leid tut, aber es ist einfach... keine Ahnung. Es ist dieses beklemmende Gefühl, dass es zu spät ist.


    Liebe Grüße

    Ich glaube... und hoffe, dass ich dir damit nicht zu nahe trete, aber... mutiger ist es doch, wenn man lebt. Mut ist nicht, das Leben zu beenden. Ich glaube, das ist Verzweiflung... Mut ist, zu leben, wenn man es eigentlich nicht mehr will oder kann. Du bist mutig, weil du weiterlebst. Bitte lebe...

    Dort, wo dein Ben jetzt ist, dort lebt er weiter. Wo auch immer das ist, in den Herzen der Hinterbliebenen, in den Gedanken. Er bleibt, denn sein Leben hat Spuren hinterlassen. Er ist nie ganz weg.

    Hallo liebe Community,


    in den letzten Tagen habe ich mich in diesem Forum ein wenig umgesehen und mir eure verschiedenen Geschichten und die dazugehörigen Posts durchgelesen.

    Das hat mich dazu bewegt, es auch einmal mit meinem… „Problem“ hier zu versuchen. Ich weiß nicht, was ich mir davon erhoffe und ob es mir wirklich hilft, aber ich möchte euch meine Geschichte erzählen.

    Vielleicht noch kurz zu mir: Ich bin 27 Jahre alt und hatte bisher das unsagbar große Glück, noch keinen einzigen Todesfall in meinem familiären Umkreis gehabt zu haben... aber jetzt ist es ganz plötzlich passiert.


    Vor ziemlich genau einem Monat (am 12. April) ist meine Oma ganz plötzlich und unerwartet von uns gegangen. Ich kann es bis heute noch nicht ganz begreifen…

    [Das ist jetzt mein 3. Versuch, hier keinen Roman zu schreiben…]


    Omas sind irgendwann alt, vor allem, wenn man als Enkelkind schon weit über 20 ist. Omas sind alt und sie sterben irgendwann. Die Realistin in mir weiß das, aber das naive Enkelkind, das immer eine liebende Oma gehabt hat, die jeden Tag für sie dagewesen ist, die kann nicht verstehen, dass die Oma plötzlich weg ist. Einfach weg. Aus irgendeinem Grund habe ich den Gedanken, dass Oma eines Tages nicht mehr da sein könnte, immer nur als abstrakt und in unerreichbar weiter Ferne gesehen. In meiner Lebensplanung war für mich nie vorgesehen, dass meine Oma plötzlich nicht mehr da sein könnte… vor allem nicht so plötzlich. Es ging alles so unglaublich schnell… Donnerstag hieß es noch „Du wirst im Krankenhaus nur etwas aufgepäppelt, in ein paar Tagen kommt du wieder nach Hause.“ Freitag sagte der Arzt im Krankenhaus dann: „Damit hat hier niemand gerechnet… auch ich nicht, als ich vor 2 Stunden noch nach ihr gesehen habe.“ Meine Oma ist morgens im Krankenhaus zu einer Untersuchung abgeholt worden, zu dem Zeitpunkt ist Papa nach Hause gefahren. Als er 25 min später zuhause angekommen war, hatte er bereits verpasste Anrufe vom Krankenhaus. Er solle sofort zurückkommen, Oma läge im Sterben. Die Untersuchung hat nicht mehr stattgefunden. Und als Papa 25 min darauf wieder im Krankenhaus ankam, war Oma 5 min zuvor verstorben. Es ging so unglaublich schnell…

    Mir ist bewusst, dass Oma mit ihren 82 Jahren ein stolzes Alter erreicht hat und ich weiß auch, dass es besser für sie gewesen ist, einfach so einzuschlafen und nicht mehr den Leidensweg gehen zu müssen, der ihr am Donnerstag vom Arzt nach ein paar Untersuchungen noch offenbart worden war. Ich weiß auch, dass es ganz natürlich ist, dass ich so traurig bin, war sie doch mein Leben lang jeden Tag da. Ich bin mit ihr im selben Haus aufgewachsen, sie war quasi wie eine zweite Mutter.


    Mein ganz großes Problem, was ich mit mir selbst habe, sind meine Schuldgefühle. Um das zu erklären, muss ich leider ein klein wenig ausholen…

    Vor nun etwa 6-7 Jahren ist bei meiner Oma zwei Tage vor Weihnachten Magenkrebs diagnostiziert worden. Nach den Feiertagen kam sie ins Krankenhaus, ihr wurde der Magen entfernt, sie ging in die Reha, erholte sich und wurde ein halbes Jahr später von den Ärzten gesund erklärt. Soweit, so gut, sollte man meinen. In dieser Zeit jedoch, begann Oma sich sehr zu verändern. Sie entwickelte Charakterzüge, die man bis dato von ihr einfach nicht gewohnt war. Sie wurde rücksichtslos, zuweilen unverschämt und in den letzten 1-2 Jahren wurde es so schlimm, dass sie meinen Eltern ständig Schlechtes unterstellte und sehr gemeine Lügen über meine Mutter verbreitete. Das meiste davon habe ich nur durch meine Eltern und Brüder erfahren, da ich studienbedingt weiter weg wohne. Aber es reichte, um das Bild von meiner liebenswürdigen, hilfsbereiten Oma etwas zu trüben. Ich besuchte sie dennoch jedes Mal, wenn ich meine Eltern besuchte (schließlich war es ja nur ein Treppengang nach unten), aber irgendwann wurde aus dem Bedürfnis, meine Oma zu besuchen, ein unangenehmes Pflichtgefühl. Ich ärgerte mich immer öfter über ihr Verhalten und was sie sagte. Aus damaliger Sicht hatte sie ein großes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Jedes Mal, wenn man sie fragte, wie es ihr ging, bekam man eine negative Antwort. Es ging ihr nie gut oder ok. Das zerrte auf Dauer etwas an den Nerven, da sie doch von allen Ärzten immer bescheinigt bekam, dass sie gesund sei. Kerngesund, möchte man fast sagen.


    Heute weiß ich, dass ich ihr damit großes Unrecht angetan habe. Die Ärzte im Krankenhaus äußerten sich zu Omas Todesursache folgendermaßen: „Ihr ist zwar damals der Magen entfernt worden, um den Krebs zu besiegen, aber offenbar gab es doch schon Metastasen, die sich in Herz, Lunge, Nieren, Speiseröhre und Gehirn ausgebreitet haben.“ Für mich ist absolut unverständlich, wie das nicht entdeckt werden konnte, aber darum geht es mir nicht…


    Ich habe so damit zu kämpfen, dass ich Oma gegenüber so unfair gewesen bin. Ich war es nicht direkt, ich war ihr gegenüber niemals unfreundlich oder dergleichen, dafür habe ich sie trotzdem zu sehr geliebt. Aber all das Schlechte, was ich über sie gedacht habe und, dass ich es als lästige Pflicht empfunden habe, sie besuchen zu müssen, wenn ich mal zu Besuch im Elternhaus gewesen bin, das nagt so sehr an mir. Ich wollte mich bei ihr entschuldigen, ich musste mich bei ihr entschuldigen, aber wir haben es zu spät erfahren. Die Wesensänderungen gehen wohl auf die Metastasen im Hirn zurück. Mir ist klar, dass ich das nicht wissen konnte, niemand wusste es. Aber dieses Gefühl, ihr Unrecht getan zu haben, zerfrisst mich innerlich. Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, wann ich ihr das letzte Mal gesagt habe, dass ich sie so sehr liebhabe.


    Wie geht man mit so etwas um? Im Gegensatz zu Oma bin ich kein religiöser Mensch, ich finde keinen Trost in der Kirche. Mit meiner Trauer bin ich zwar nicht allein, ich kann mit meinen Eltern reden und auch mein Lebensgefährte ist mir eine unfassbar großartige Stütze, aber keiner von ihnen kann mir dabei helfen…

    Ich glaube, ich hoffe… dass es hier Antworten gibt…


    Entschuldigt, dass es jetzt doch noch ein so langer Text geworden ist…


    Liebe Grüße