Beiträge von corny909

    Isabel L.K.

    Ich mache tatsächlich relativ viel Sport oder flüchte mich dann ins Lernen, wenn es zu arg wird. Ich war nie ein Mensch, der über Gefühle spricht, dementsprechend ist das schwierig bzw. fast unmöglich wenn es meinen Bruder angeht. Kurz nach dem Unfall war ich bei einer Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche - aber reden über mich war für mich nicht möglich. Wie schon in meinem ersten Beitrag erwähnt, saß ich stillschweigend dar und starrte die Stehlampe an. Dementsprechend könnte auch Nasch Vorschlag zum Problem werden, wobei es eigentlich was total schönes ist- find den Gedanken schon schön, bloß darüber sprechen - hab da irgendwie eine innerliche Blockade. Keine Ahnung ob aus Angst oder halt der gewahrten Distanz zur 12-jährigen Conny.


    Isabel L.K. wie könnte so ein Ritual aussehen? Bzw. Die Traumabegleitung..


    Danke euch, dass ihr mir schreibt - freut mich jedes mal wieder, von euch zu lesen <3

    Total doofe Frage, aber wie kann man die Trauer irgendwie verarbeiten? So wirklich Gefüle zugelassen, die von diesem Thema handeln, hab ich in den letzten fast 6 Jahren kaum nur ganz selten. Hab ganz arg Distanz dazu bewahrt. In einem Gespräch neulich mit einer Klassenkameradin, die mir zur Trauerverarbeitung auf welche Art und Weise auch immer geraten hat, hat mir das ganze wieder mehr ins Bewusstsein gemacht.
    Merk ja selber, dass es mir mit dem Thema nicht gut geht bzw. es ist kein Thema, das halt einfach so existiert. Für die 12-jährige Conny war es doch irgendwo ein kleines Trauma, war ja selber an der Unfallstelle.

    Hatte dann auch mal durch Zufall den Obduktionsbericht meines Bruders gefunden - aus Zufall sowas zu finden war auch heftig. Da sind ja auch Bilder drinnen - nicht in Farbe und die meisten so Schemenhaft dargestellt. Aber ganz am Ende waren zwei Bilder in schwarzweiß jeweils - eines mit Blut auf der Straße ud das andere die Leiche meines Bruders, abgedeckt mit einer weißen Decke oder was auch immer das war. Hab mir ihn erst letztens wieder angeschaut, da wir Thema Pathologie/Rechtsmedizin in der Schule behandeln. Und da bin ich besonders auf diese Bilder - mehr noch das zweite - aufmerksam geworden. Wenn ich jetzt so drüber nachdenke. Eine Leiche (find des Wort schon so grausam) eingehüllt - mein Bruder. Lange Zeit hat ich auch immer wieder den Gedanken, ich war ja an der Unfallstelle - evtl war er noch am Leben, wie meine Mutter und ich dort angekommen sind. Evtl hätt ich ihn nochmal lebend sehen können (rein objektiv und logisch, war er dort nicht mehr am Leben - aber was ist bei so einem emotionalen Thema noch objektiv betrachtbar). Diesen Gedanken hab ich besonders verdrängt, und rührt mich jetzt wieder zu Tränen.

    Der Ersthelfer, direkter Anwohner der Kreuzung, hat meinen Eltern nochmal gesagt, dass er noch gelebt hat, als er zu ihm hin ist und er ihn mit seinen wunderschönen braunen Augen (die ich auch habe) noch einmal angeschaut hat, bis er dann ja. Keine Ahnung ob das so stimmt, eigentlich hoffe ich, dass er schon vom Aufprall nicht mehr viel mitbekommen hat und sofort in die Bewusstlosigkeit bzw. gestorben ist. So ähnlich stehts auch im Obduktionsbericht. Spätestens beim Aufschlag auf den Boden eigentlich, da der Schädel danach nicht mehr intakt war (nett ausgedrückt).


    Es gibt drei Bilder, die mir an der ganzen Geschichte nicht mehr aus dem Kopf gehen. Das eine vom offenen Sarg, als es bei mir Klick gemacht hat. Das Bild mit seiner Leiche auf der Straße. Und.. Der Anblick von 2 RTWs, Polizei, Presse, anfliegender Hubschrauber usw. als wir den Hügel zur Unfallstelle hochgefahren sind. Im Nachhinhein hab ich gemeint, da meinen Bruder liegen zu sehen, was aber durch Lesen des Obduktionsberichtes "widerlegt" wurde. Dies mildert auch den Gedanken, mit ihm nochmal lebend sehen, weil ich dachte, ich hätt ihn da liegen sehen und hät mich verabschieden können. Mir ist natürlich klar, dass das für die 12-jährige kein schöner Anblick wäre und ich hätte ihn nie sehen können und trotzdem.. Ich vermiss ihn einfach und er war fast 17 ich 12 - da ist die kleine Schwester einfach uncool. Dementsprechend hatten wir auch kein so gutes Verhältnis zueinander und so gingen wir halt auch auseinander, was für mich das aller aller schlimmste an seinem Tod ist. Ich hab mir immer vorgestellt, dass wir in 10 Jahren gemeinsam am Tisch sitzen und uns einfach vertragen/gern haben, wie auch immer. Ich weiß, dass er mich trotzdem gern hatte, aber ja. Dieses im "schlechten" auseinander gehen - es tut so weh und mir tut es so leid. Er lebt nicht mehr und da ist keine Möglichkeit, des wieder grade zu Biegen. Ich denk da an jede Situation, in der ich einfach mal genervt von ihm war, weil ich halt immer die uncoole Schwester war - aber er dann gerade eben eigentlich nett - und diese Momente nicht genutzt zu haben, bricht mir das Herz. Es fühlt sich schrecklich an..

    Nasch ja dann schreiben wir vom gleichen Unfall, oh wow, die Welt ist kleiner als gedacht:)

    mit dem habe ich jetzt nicht gerechnet - aber alles gut, hatte deiner Tochter irgendeinen Bezug zu meinem Bruder?

    Liebe Grüße

    Wow - schlimmer als im Horrorfilm, es is schrecklich, was für Leid es auf dieser Welt gibt. Es gibt keine Worte, die das Geschehene ungeschehen machen.. Fühl dich gedrückt und vielleicht kannst du ganz viel Kraft schöpfen, wenn du dich hier austauschst oder einfach nur deine Gedanken hier von dir losschreiben kannst!

    Liebe Grüße <3

    Stille Perle Ja das kann ich total nachvollziehen. Bei uns ist es auch so, dass sein Zimmer fast noch genauso ausschaut wie am Tag vom Unfall - meine Mutter hat das Bett schön hergerichtet mit frischer Bettwäsche und unseren Kuscheltieren (komme von einem ehemaligen Bauernhof und wir haben noch Hühner, im Auslauf der Hühner haben mein Bruder und ich ganz viel Zeit verbracht und dementsprechend auch ganz viele Hühner-Kuscheltiere :)). Aber sonst sieht alles noch so aus wie vor mittlerweile fast 6 Jahren.
    Was ich daran recht schön find, dass der Geruch auch gleichgeblieben ist. Hört sich bisschen irre an, aber es riecht einfach noch an ihm, was ich total genieße:)

    Für meine Familie ist das Grab auch total der Anhaltspunkt, dort sprechen sie noch mit ihm und ja.. auch an Ostern z. B. haben meine Schwester und ich einen Tankgutschein bekommen und er im gleichen Wert dafür halt Blumen. Für sie lebt dort mein Bruder einfach irgendwo ein Stück weit weiter. Auch haben wir unter unserem Herrgottswinkel in der Küche ein Bild von Ihm und da heißts dann nicht, stells die Blumen zum Bild sondern stell die Blumen zum Martin dazu.

    Freut mich sehr, wenn ihr das *noch* so schöne Wetter genießen konntet:) Bei uns waren einige Gottesdienste (sind da alle recht engagiert, mein Papa ist Kirchenpfleger, meine Mutter Lektorin und ich Oberministrantin) und jetzt genießen wir noch den restlichen schönen Tag:)

    Ganz ganz liebe Grüße
    Corny:)

    Wow, erst mal vielen lieben Dank, dass Ihr mir alle geschrieben habt:) Freut mich total, ehrlich. Danke:)

    Mel021099 danke für deine lieben Worte und es tut mir wirklich sehr leid um deinen Sohn.. Für meine Eltern war es auch ein unglaublich harter Schlag ins Gesicht.

    Als wir die Nachricht über den Tod bekommen haben - es war wie im Film. Meine Mama und ich sind am RTW gesessen, meine Mutter total in Tränen aufgelöst - ich ziemlich gefühlskalt, als der Notarzt kam und halt echt wie im Film uns sagte: "Wir haben alles getan, was wir konnten, aber.." Schon komisch oder?

    Stille Perle Oh ja das kenn ich mit den Sachen von Verstorbenen, ich hab mir damals ein paar Tage nach dem Unfall eine Sweatshirtjacke meines Bruders aus seinem Zimmer geholt, die noch nicht gewaschen war. Das ist, was ich weiß, das einzige Kleidungsstück von ihm, was noch von ihm getragen, aber nicht gewaschen wurde. Später hab ich mir noch den grünen Pulli von ihm "geklaut";) den er am letzten Hl Abend anhatte - außerdem war grün seine Lieblingsfarbe - sein ganzes Zimmer war grün:D
    Mit den Sachen hab ich dann immer geschlafen oder einfach nur gekuschelt, es gab eine Zeit, da konnte ich ohne seinen Pulli in den Armen nicht einschlafen - hat ihn auch in allen Urlauben usw. dabei. Kenne das also sehr gut, was für eine Bedeutung so ein Kleidungsstück haben kann :)
    Bei mir ist es auch derselbe Ausdruck: Der Unfall oder auch wenn ich von ihm rede, ist es nicht sein Name Martin, sondern halt mein Bruder. Wenn ich über ihn rede, ist es mein Bruder. Sogar mein Freund hat mich erst vor Kurzem gefragt, wie er eigentlich heißt, weil ich halt immer nur von meinem Bruder spreche:)

    Isabel L.K. danke für deine Nachricht:) wie es dem Rest der Familie geht? ganz ehrlich - weiß ich nicht so genau.. Ich bin ein eher introvertierter Mensch, der alles mit sich selber ausmacht. Ich gehe auch z. B. nicht zum Grab, weil mir der Gedanke einfach keine guten Gefühle bringt. Meine Großmutter und meine Eltern sind aber bspw. jeden Tag dorten (wohnen auf dem Land, also direkt neben der Kirche und neben meinen Großeltern). Ich glaube, dass alle anderen schon über meinen Bruder reden, aber ich nicht - bin das nicht. Glaub, das ist auch ein Aspekt des Verdrängens - aber mir taugts auch einfach nicht, deswegen waren auch diese Sitzungen bei der Psychologin ganz grauenvoll für mich. Bin halt eine, die alles mit sich selber ausmacht.

    Danke euch allen nochmal und ich freue mich total, wieder von euch zu hören:)

    Alles Liebe!

    Hallo ihr Lieben :)
    also erstmal, ich bin neu hier und habe mich gerade angemeldet.. Also kurz zu meiner Geschichte, ich bin jetzt 18 Jahre alt und habe mit 12 Jahren meinen großen Bruder bei einem Unfall verloren.. also wie man merkt - ist schon 6 Jahre her. Nur ist es so, dass ich das ganze nie wirklich bzw. eigentlich gar nicht verarbeitet sondern total verdrängt habe. Für mich ist das kleine Mädchen von damals eine andere Person - komisch ich weiß, aber halt alles ziemlich verdrängt. Durch ein Gespräch mit einer Schulkameradin (geh in die 13. Klasse FOS) wurd mir das Thema mit meinem Bruder wieder bisschen mehr bewusst - und das es halt doch ein großer Teil von mir ist. Ich hab das Bedürfnis, mich mit euch auszutauschen - und doch weiß ich gar nicht über was genau. Vielleicht denkt ihr euch auch, ja is doch eh schon 6 Jahre her usw. doch für die damals 12-Jährige ist es immer noch ein Ding. Jetzt grad frage ich mich, was ich hier mache oder schreibe - aber würds gern mal auf mich zukommen lassen. Ach ich weiß ja auch nicht:)

    Eventuell noch ein paar Sachen: Er war 16 und wurde an seinem 17. Geburtstag beerdigt.. Am Tag des Unfalls, es war kurz vor 7 Uhr morgens, wollte mich meine Mutter in die Schule fahren, wie jeden Montag halt, weil sie in der Nähe arbeitet. Noch in der Einfahrt wurden wir von einem Nachbarn aufgehalten, dass mein Bruder einen Motorradunfall hatte. Also gleich dahin - ca. 1km vom Haus entfernt. Also er wurde trotz Wahnweste übersehen - wobei ich dem dem Autofahrer keinerlei Schuld gebe - Unfälle passieren. Noch an der Unfallstelle gestorben und ja. Muss ehrlich zugeben, kapiert hat das die kleine Conny damals nicht. War wie im Tunnel. Erst am nächsten Tag, als wir uns verabschieden durften (am Sarg) hats bei mir Klick gemacht. Hab eine ganze Stunde nur folgenden Satz vor mich hingesagt: Des is ned mei Bruada (komme aus Bayern;)) ~ Das ist nicht mein Bruder. Ja, da hats Klick gemacht. Die Zeit danach war schwierig und dann doch irgendwie auch nicht - hab mich ins Lernen geflüchtet - top Noten geschrieben. Seitdem ist auch Lernen oft Stress-Coping für mich. Hab mich distanziert und das ganze verdrängt. War bei 3 Psychologen, bei der Dritten dann ca. ein halbes Jahr denk ich mal. Hauptsächlich wegen meiner Selbstverletzung. Ohne Witz es war für mich die reinste Tortur ohne Ende. Ich hatte so unglaublich Angst, wirklich panische Angst mich da reinzusetzen. Bin da dringesessen und hab eine Stehlampe angestarrt. Die Frau war super lieb und konnte mit ihr solange reden, bis es zu dieser Thematik ging. Den Unfallhergang konnte ich ihr ganz gefühlslos beschreiben - was mein Verdrängen glaub ich noch deutlicher macht. Aber zu Gefühlen oder irgendetwas emotionales - keine Chance. Ich kenne diese Stehlampe in und auswendig. Hab kein einziges Wort mehr rausgebracht, wie gesagt echt ne Tortur für mich.
    Naja das dazu, wollts gar nicht so ausschweifen lassen, tut mir leid.

    Danke an alle fließígen Leser, die sich dieses Textes angenommen haben. Bin gespannt auf Antworten bzw. ob welche kommen. Ganz ganz lieben Dank schonmal. Und wieder denk ich mir grad - soll ich das wirklich so abschicken - oh man:) Ich machs jetzt und mach mir keine Hoffnungen:) Danke euch!