Beiträge von Claudia Z.

    Liebe Ulrike,

    was Dir passiert ist bzw Deiner Mama hat mich zutiefst berührt. Vor allem deswegen, weil unsere beiden Geschichten - ja sogar das Datum - sehr ähnlich sind.

    Für meine Mama gab es leider kein Palliativ-Bett als sie eingeliefert wurde, sie wurde dann auf der Internen weiter behandelt. Der Port wurde so dermaßen verpfuscht, dass sie eigentlich bei lebendigem Leib verhungert ist, da ja die Ernährungszufuhr über die Venen nicht mehr möglich war. Die Machtlosigkeit nichts tun zu können, in die verängstigten Augen der geliebten Mama zu sehen, von nicht qualifizierten, unfreundlichen Hilfs- oder Anlernschwestern abhängig zu sein, Ärzte die täglich wechseln und jeder etwas anderes sagt. Sobald der "Speiseröhrenkrebs" diagnostiziert war, kam dann schon die Ansage "bringen Sie Ihre Angelegenheiten in Ordnung" und "wir werden bei Ihrer Mutter keine Intensiv-Maßnahmen setzen um das Leiden nicht noch hinauszuzögern" etc.


    Ich lebe alleine und hatte nur meine Mama. Freunde zu finden ist in Corona-Zeiten fast unmöglich. Die Trauergruppe in Wien ist nur alle drei Wochen, also auch nicht gerade tiefergehend und hilfreich. Die Räumung der Wohnung ist immer noch nicht vollendet, da hier in Österreich sogar bei einer Mietwohnung, wo es kein Vermögen gibt, der Beschluss des Notars bis zu einem Jahr dauert. Die liebevoll ausgesuchten Gegenstände und über Monate barrierefrei renovierte Wohnung nun der Zerstörung durch den Hausverwalter zu übergeben und die Teddybären und schönen Kleider die sich Mami noch gekauft hat (nicht mehr anziehen konnte) der Caritas zu bringen, verursacht jedes Mal einen Nervenzusammenbruch.


    Aufgrund der derzeitigen Maßnahmen = pro Patient nur 1 Besuch 1 x in der Woche für 1/2 Stunde erlaubt, muss ich sagen: Das hätte meine Mama nicht überlebt mich nur 1 x in der Woche für eine halbe Stunde sehen zu dürfen und ich auch nicht.


    Die Therapien habe ich mittlerweile aufgegeben. Zu teuer und bringt nichts. Das täglich Aufstehen, Anziehen und ins Büro fahren ist ein Kampf. Am liebsten bin ich alleine zu Hause und sehe meine Lieblingsserien, andere Leute mit ihrem blöden Gequatsche "sei froh, dass sie nicht mehr leiden muss" und "sie war ja eh schon sehr alt", und andere "Weisheiten", will ich nicht mehr hören.

    Vielen Dank für die mitfühlenden Worte. Es ist tröstend, dass alle darüber nachdenken, was alles besser / anders hätte gemacht werden sollen. Leider gibt es keine sogenannte "Lebens-Schule" oder Crash-Kurs wo man lernt mit Krankheit und Tod umzugehen oder wie man sich verhält, wenn jemand Demenz hat oder starke Medikamente nimmt, die ebenfalls eine Persönlichkeitsveränderung hervorrufen. Was mir noch aufgefallen ist, auch von anderen Foren und Büchern: Die meisten sterben, nachdem der Besuch gegangen ist und immer in der Nacht, wohlwissend, dass kein Besuch mehr kommen kann und - wie in vielen Fällen - auch nicht angerufen wird.


    Ich habe mittlerweile 2 Therapeuten und mich einer Trauergruppe angeschlossen. Homöopathische Tropfen nehme ich auch. Durch Corona ist das soziale Netz kaputt. Ich bin dabei alte Bekanntschaften und Freundschaften wieder aufzufrischen bzw neue zu finden. Wieviele Jahre ich meine Mami so stark vermissen werde, weiß ich nicht, aber eines ist klar: Alleine zu Hause sein und nicht versuchen weiterzuleben, kann nicht hilfreich sein und meine Mami hätte das nicht gewollt.


    Ihre letzten Worte waren: Mach etwas aus Deinem Leben, Kind, das kann ja noch nicht alles gewesen sein.

    Obwohl mir die Ärzte sagten, ich solle "die Angelegenheiten ordnen" ... wollte ich einfach nicht wahrhaben, dass es zu Ende geht.

    Am 4.9.2021 ist Mami verstorben. Man hat mich, trotzdem ich ausdrücklich darum gebeten habe, nicht angerufen. Ich wäre in 10 Minuten im Spital gewesen. Stattdessen teilte mir ein chinesischer Arzt, mit starkem Akzent um 6.00 Uhr in der Früh mit, dass sie verstorben ist. Seither muss ich ständig daran denken, ob sie wohl die letzten Stunden gelitten, mich gerufen hat, mir noch was sagen wollte. Ich werde es nie erfahren. Ständig denke ich darüber nach, was ich nicht noch alles hätte tun können/sollen. Hätte ich den Krebs aufhalten können? Durch Corona fanden sämtliche Vorsorge/Folgeuntersuchungen nicht statt und als der Lockdown beendet war, bekam man keine Termine. Ich war am Abend noch bei Mami, habe ihr die Hand gehalten und versucht normal zu sein. Sie schlief schon dauernd ein. Nach 1 1/2 Stunden ging ich dann, um sie nicht zu überanstrengen und weil ich dachte "ich kann ja später wiederkommen", aber es gab kein später.