Auf der anderen Seite des Weges

  • hallo an alle!!!
    ich hab mich grad auf die suche gemacht, ein formum zu finden, wo mir mein bauch sagt, dass ich da all meine gedanken niederschreiben kann und wo es menschen gibt, die meinen schmerz (leider) verstehen und meine gedanken und gefühle nachvollziehen können!


    mein vater ist vor 6 wochen an einer scharlach-sepsis gestorben…..mein vater ist an einer kinderkrankheit gestorben, allein dieser gedanke ist so absurd!!!
    anderseits denk ich mir, mein vater hat kinder über alles geliebt, nicht nur seine eigenen 4 kinder, nicht nur seine enkeln, er war so narrisch auf kinder, wollte uns und allen die sterne vom himmel holen, so sehr hat er kinder geliebt! vielleicht musste oder wollte er auch deswegen mit einer kinderkrankheit sein leben verlassen?


    ich hatte 34 jahre ein leben, ein leben mit meinem vater, und seit 3.3 hab ich ein anderes leben, ein leben ohne meinen vater…
    ich weiss, die frage warum ist immer eine schlechte frage, auch die frage, warum er mit 57 sterben musste…


    mein vater wurde zwei tage vor seinem ableben in den tiefschlaf gesetzt, und ich war die einzige und letzte, die er im wachen zustand noch gesehen hat…er war sehr durcheinander und er dachte immer, ich bin meine mutter, was mir aber egal war, weil ich wusste, dass er eine vertraute stimme hörte, egal ob es die stimme seiner frau, seiner tochter oder seiner söhne ist! er hatte so angst, ich konnte es in seinen augen sehen, er hatte so angst, seine augen zu schliessen, er war unruhig und wollte immer aufstehen….schaute mich auf einmal an und sagte zu mir „komm lass uns einen kaffe trinken gehen!!!“
    ich war so überrascht über den satz, lachte und sagte zu ihm, dass wenn wir das alles überstanden haben, wenn dieser blöde scharlach endlich aus seinem körper draußen ist, dann bekommt er den schönsten, tollsten und besten kaffee von mir gemacht, den er je getrunken hat (ich arbeite in der gastronomie:-)!!!
    und ich sagte ihm, dass alles gut wird, dass wir das schaffen werden! ich war in dem moment so verzweifelt, meinen vater so zu sehen, wuste nicht genau, was ich sagen sollte, damit er sich beruhigt und keine angst mehr haben muss!
    und zwei tage später ist er gestorben…meine worte waren die letzten, die er von jemanden vertrauten gehört hat „ alles wird gut, wir schaffen das!!!“


    meine familie, ja auch meine therapeutin, die ich schon aufgesucht habe, meinen alle, dass ich mir keinen vorwurf machen soll, dass ich dies zu ihm gesagt habe, alle meinen, dass ich ihm das richtige gesagt habe, dass er wusste, dass wir das schaffern werden!
    meine kopf versteht das, sagt mir, dass es ok war…aber mein herz tut sich damit so schwer, mein herz leidet neben der ganzen trauer und dem ganzen schmerz so sehr darunter, dieses schelchte gewissen zu haben, dass ich ihm sagte, alles wird gut!!!!


    ich bin ein mensch, der sich vorstellen musss, wo er wohl jetzt grad ist….ich muss das gefühl haben, dass er bei uns ist, auch wenn er wir ihn nicht sehen können…und mein vater war so ein bescheidener mensch, doch mit einer grosszügigkeit anderen gegenüber, dass ich mir vorstelle, er sitzt am abendstern! der ist klein aber so strahlend, so hell, der ist immer da und ich kann ihn immer sehen…und ich weiss, mein vater ist bei mir, bei uns…
    und ich weiss, mein vater hätte uns zum abschied diese worte gesagt, hätte er die möglichkeit dazu gehabt:
    Der Tod ist nichts,
    Ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen,
    Ich bin ich, ihr seid ihr.
    Das was ich für euch immer war, bin ich immer noch,
    gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt.
    Sprecht mit mir, wie ihr es immer getan habt,
    gebraucht nie eine andere Redeweise,
    seid nicht feierlich oder traurig,
    lacht weiterhin über das, worüber wir gelacht haben
    betet, lacht, denkt an mich,
    betet für mich.
    damit mein Name im Haus ausgesprochen wird,
    so wie es immer war, ohne irgendeine besondere Bedeutung,
    ohne die Spur eines Schattens.
    Das Leben bedeutet das was es immer war,
    der Faden ist nicht durchschnitten.
    Warum soll ich nicht mehr in euren Gedanken sein,
    Nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin?
    Ich bin nicht weit weg.
    Ich bin nur auf der anderen Seite des Weges.


    danke fürs zuhören euch allen…dass ich mir dies hier von meiner seele schreiben kann!
    Caro

  • Liebe Caro...


    Herzlich Willkommen bei uns in unserer Forumsfamilie!


    Es tut mir leid, dass Du Deinen Vater verloren hast, finde sehr schwer die richtigen Worte, um Dir das zu sagen, was ich Dir gene sagen möchte. Er war noch sehr jung. Und dann so eine Krankheit, die wirklich ja eine Kinderkrankheit ist. Man sagt ja immer, dass wenn Erwachsene Kinderkrankheiten bekommen, dann ist das sehr gefährlich. Leider.


    Du bist hier gut aufgehoben. Wir alle hier haben geliebte Menschen hergeben müssen...Den Schmerz können wir dem anderen nicht abnehmen, aber wir können ihn miteinander teilen, und das ist schon ein gutes Gefühl, genau das zu wissen. Einfach dass jemand uns "zuhört", den Schmerz kennt und versteht. Das wirst Du hier bestimmt finden. Wir begleiten Dich....deshalb schreib Dir alles von der Seele. Hier ist immer jemand, der Dir antworten wird,


    Mach Dir bitte keine Vorwürfe, was Du zu Deinem Vater gesagt hast, dass alles gut werden wird. Wir wissen ja eigentlich nie wie irgendwas endet, wir haben die Hoffnung, dass es gut wird, dass vielleicht ein Wunder geschieht, deshalb können wir doch immer guten Gewissens sagen. " es wird alles wieder gut"... Wir wollen es ja auch so gerne, und wir wollen dem Kranken ja auch diese Hoffung geben...


    Ich finde, Du hast richtig gehandelt....glaube mir, ich hätte genauso gehandelt.


    Es stimmt, für Dich beginnt ein neues und anderes Leben. Du kennst nur das Leben mit Deinem Vater, und jetzt reist Du in die unbekannte und neue Zukunft, das macht Angst und der Weg ist voller Schmerz. Das braucht Zeit, viel Zeit, und diese Zeit musst Du Dir auch nehmen. Denn Du darfst trauern, weinen und sehr traurig sein.


    Wir begleiten Dich auf diesem Weg.


    Ein stiller Gruss
    Deine Manuela

    Memento
    Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang,
    nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
    Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
    Allein im Nebel tast ich todentlang
    und lass mich willig in das Dunkel treiben.
    Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
    Der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr -
    und die es trugen, mögen mir vergeben.
    Bedenkt: Den eignen Tod, den stirbt man nur;
    doch mit dem Tod der anderen muss man leben.

  • Liebe Caro,


    auch von mir ein liebes Willkommen hier im Forum.
    Es tut mir sehr leid, daß auch du deinen Vater hergeben mußtest.

    Zitat

    „ alles wird gut, wir schaffen das!!!“

    Weißt du, diese Worte kann man (wie immer) von verschiedenen Seiten sehen.
    Als du sie ausgesprochen hast meintest du natürlich:
    "Alles wird gut - so wie es vorher war" - denn das ist es, was wir uns von ganzem Herzen wünschen. Und es ist auch gut so, uns und auch den Kranken diesen Trost zu geben.


    Aber - wer sagt uns, die wir hier traurig und voll Schmerz auf dieser Erde zurückbleiben, daß dies "es wird alles gut" für den Sterbenden nicht etwas "ganz anderes" bedeutet? Vielleicht:
    Es ist "gut" so, wie es ist. Du "darfst" in Ruhe und Frieden gehen. Ohne dir um uns Sorgen zu machen. Und auch wenn wir traurig sind und dich vermissen werden - wir werden es schaffen!


    Die letzen Worte, die dein Papa von jemandem Vertrauten gehört hat - ich meine, sie waren gut und richtig! Sie haben ihm geholfen. Und ich hoffe sehr, daß sie einmal auch dir helfen können. Du hast sie aus deinem momentanen Gefühl heraus gesagt - das KANN nicht falsch sein!
    Ich verstehe den Schmerz in deinem Herzen sehr gut. Aber du mußt kein schlechtes Gewissen haben. Es war richtig so, wie du es gesagt hast.
    Setz dich hin und trinke diesen "versprochenen" Kaffee. "Gemeinsam" mit ihm - er auf dem Abendstern sitzend und du hier.
    Er ist nicht weit von dir - nur auf der anderen Seite des Weges. Und er wird dich immer begleiten.


    Viel Kraft in dieser schweren Zeit und alles Liebe
    Jutta

    Der Tod eines geliebten Menschen ist wie
    das Zurückgeben einer Kostbarkeit,
    die uns Gott geliehen hat.

  • Liebe Caro,


    auch von mir ein Willkommen in unserem Forum. Tatsächlich findest Du hier Raum um Deiner Trauer Ausdruck zu verleihen, wir gehen ein paar Schritte des Weges mit Dir mit - doch da die grosse Trauer die Fortsetzung der Liebe zu Deinem Vater ist, wollen und dürfen wir diese nicht wegnehmen - nur aushalten gemeinsam können wir.


    Das mit den Schuldgefühlen ist immer so eine Sache - Schuldgefühle ausreden wollen (á la "Du brauchst Dir keine Vorwürfe machen) nutzt meistens gar nichts, wie Du sicher selbst am besten weißt. Schuldgefühle sind auch von tatsächlicher Schuld zu trennen, das ist ganz wichtig - aber auch Schuldgefühle können jetzt in der Frühphase der Trauer um Deinen Vater für Dich wichtig sein, denn sie suggerieren, dass die Situation kontrollierbar gewesen wäre, dass Du oder jemand etwas hätte tun können um den unglaublichen Tod Deines Vaters an Scharlach zu verhindern. Am absolut schwersten zu ertragen ist die Hilflosigkeit - das tatsächlich niemand mehr hätte tun können um das Geschehen aufzuhalten.


    Von daher würde ich diesen Schuldgefühlen auch unter einem anderen Blickwinkel versuchen zu begegnen und sie freundlich anzunehmen - je mehr Zeit fortschreitet und je mehr Du in der Trauerarbeit vorankommst und das Geschehene annehmen kannst, umso mehr verschwinden die Schuldgefühle dann von selbst!


    Alles Liebe,
    Markus