Fall ins Bodenlose

  • Wo soll ich beginnen, mein Leben, meine momentane Situation, meine Trauer, meine Verzweiflung, meine Überforderung zu beschreiben?


    Vielleicht vor fünf Jahren, als mein Vater an Krebs erkrankt ist und meine Mutter und ich ihn während seiner Krankheit und während seines Sterbens begleitet haben.


    Meine Mutter und ich hatten immer schon eine sehr enge, Viele sagen viel zu enge Bindung, aber als wir uns gemeinsam um meinen Vater gesorgt haben und ihn zu Hause bis zu seinem Tod betreut haben – ich bin damals in den letzten Wochen in die Wohnung meiner Eltern gezogen und habe mich von meiner Arbeit freistellen lassen – sind wir noch enger zusammen gewachsen. Auch danach natürlich, als wir gemeinsam getrauert haben und ich versucht habe, meine Mutter in ihrem Schmerz und ihrer Trauer beizustehen – die beiden waren seit ihrer frühesten Jugend, knappe 60 Jahre lang ein Paar gewesen.


    Meine Mutter ist dann vor knapp einem Jahr selbst an Krebs erkrankt und seit dieser Zeit habe ich praktisch mein eigenes Leben aufgegeben und war für sie da. Während der Operationen, während der Chemotherapie, als sie im Krankenhaus oder auch zu Hause war. Abgesehen von drei Monaten, die ich in meiner eigenen Wohnung verbracht habe, habe ich das ganze letzte Jahr in ihrer Wohnung auf der Couch geschlafen, um ihr beistehen zu können.


    Vor Weihnachten bekam sie den letzten Zyklus Chemotherapie und danach hat sie sich bis Anfang April scheinbar recht gut erholt, bis die Krankheit erneut zugeschlagen hat. Sehr heftig, unvorstellbar schmerzhaft und grausam. Vor zweieinhalb Wochen ist sie gestorben. Zu Hause in ihrem eigenen Bett. Ich habe keine Geschwister, keine nahen Verwandten, keine Kinder und seit knapp zwei Jahren auch keinen Partner. Ich habe mich in den letzten Tagen alleine um sie gekümmert. Ihr Morphium gespritzt, war für sie da, Tag und Nacht. Sie hat ganz schrecklich gelitten in den letzten Wochen ihres Lebens, besonders die letzten Tage waren ein einziger Kampf. Trotzdem hat sie alles sehr, sehr tapfer ertragen. Doch leider gab es keine Spur von friedlichem Einschlafen oder einem verklärten Gesichtsausdruck während des letzten Atemzuges, wie man das so oft hören oder lesen kann.


    In den letzten Wochen, als ich neben dem Bett meiner Mutter saß und ihre Hand hielt, habe ich viele Bücher gelesen – das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben und einige Bücher über Seelenwanderung und von Elisabeth Kübler-Ross und den Nahtoderfahrungen, die sie beschrieben hat. Doch nichts war mystisch am Sterben meiner Mutter, nichts verklärt, nichts, was darauf hindeutet, dass sie durch einen Lichttunnel gegangen ist oder irgendetwas Schönes oder Tröstliches zu Gesicht bekommen hätte. Sie hat geschäumt und erbrochen und als ich ihr nach ihrem letzten Atemzug abermals ihr Gesicht abgewischt hatte, habe ich bemerkt, dass ihr Mund ganz fest zusammengepresst war. Sie konnte die letzten zwei Tage nicht mehr sprechen und deshalb weiß ich auch nicht, wie sie ihr Sterben selbst erlebt hat, ob sie Schmerzen hatte oder was sie gefühlt hat. Das empfand ich besonders schlimm, dass sie ganz plötzlich, von einer Minute zur anderen zu schwach zum Sprechen wurde, obwohl sie geistig völlig klar war und ich von nun an nicht mehr mit ihr kommunizieren konnte.


    Nun ist sie, wie gesagt, seit zweieinhalb Wochen nicht mehr hier. Ich habe ihren 17jährigen Hund geerbt und muss nun die Wohnung meiner Eltern räumen, in der ich schon meine Kindheit verbracht habe und die die beiden beinahe 50 Jahre lang bewohnt haben.


    Ich bin kurz nach dem Tod meiner Mutter mit dem Hund für ein paar Tage in meine Wohnung gezogen, doch der alte Herr fühlt sich dort derart unwohl, dass er mir einige Male in die Wohnung gepinkelt hat und so bin ich mit ihm wieder in die Wohnung meiner Eltern gezogen. Auch aus dem Grund, dass ich in Ruhe alle Kästen und Schubladen durchschauen kann, um zu sehen, was ich behalten möchte und was ich weggeben muss.


    Ich merke nun aber, dass mir mehr und mehr die Kraft ausgeht, dass ich in den letzten Tagen nur wie ohnmächtig und gelähmt die vollen Regale und Vitrinen (mein Vater hat Zinnfiguren gesammelt und Dioramen gebaut, sowie wunderschöne Bilder gemalt und war sein ganzes Leben lang künstlerisch sehr produktiv) anstarre und einfach total damit überfordert bin zu entscheiden, was nun mit diesen ganzen Dingen, an denen mein Vater mit vollem Herzen gehangen ist, geschehen soll. Außerdem macht es mich völlig fertig, in dieser Wohnung, die sich seit dem Tod meiner Mutter schlagartig energetisch total verändert hat dahin zu vegetieren.


    Ich habe Freunde, sogar ein paar sehr gute. Allerdings haben alle Familie, teilweise auch kleine Kinder und sind mit ihrem eigenen Leben sehr beschäftigt. Viele bieten ihre Hilfe zumindest bei der Wohnungsräumung an, doch wenn es dann tatsächlich dazu kommt, dass ich jemanden brauche, sieht die Sache dann oft anders aus und es ist plötzlich niemand mehr da.


    Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie ich mich fühle. Mein Leben ist auf so vielen verschiedenen Ebenen aus den Fugen geraten. Allem voran steht natürlich, dass ich die wichtigste Bezugsperson in meinem Leben verloren habe – meine Mutter war ein Leben lang ständig für mich da, manchmal mehr als mir lieb war – ich kann immer noch nicht fassen, dass sie nun einfach vom Erdboden verschwunden ist.


    Was mich auch sehr belastet ist, wie schon erwähnt, die Art und Weise wie sie gestorben ist. Wie furchtbar sie leiden musste und was sie wohl selbst in ihren letzten Stunden empfunden haben muss.


    Dann die Räumung der Wohnung und was nun mit dem Lebenswerk meiner Eltern geschehen soll.


    Und schließlich die totale Einsamkeit – niemanden zu haben, auf den ich mich wirklich verlassen kann, niemanden zu haben, den ich heulend zu jeder Tages- oder Nachtzeit anrufen kann und der mich in den Arm nimmt, wenn gar nichts mehr geht.


    Wenn ich den alten, gebrechlichen Hund nicht hätte (der aber nicht so gebrechlich ist, dass ich es im Moment über´s Herz bringe, ihn einschläfern zu lassen), würde ich einen Koffer packen und mal einige Tage weg fahren – am liebsten so weit wie möglich, aber es würde schon genügen, einfach nur irgendeinen Tapetenwechsel zu haben. Das ist seinetwegen allerdings nicht möglich.


    Ich drehe mich im Moment im Kreis und habe keine Vorstellung, wie ich aus diesem Dilemma in der nächsten Zeit auch nur ansatzweise heraus kommen könnte.


    Geht es jemandem von euch ähnlich? Was sind oder waren eure Erfahrungen? Glaubt ihr, dass unsere geliebten Menschen, die von uns gegangen sind, weiterhin unter uns weilen? Dass es ihnen gut geht, dass sie in irgendeiner Form weiter bestehen? Oder glaubt ihr, dass sie einfach nur in uns, in unseren Herzen und Erinnerungen weiter leben? Natürlich werde ich meine Mutter und auch meinen Vater immer in meinem Herzen tragen und die Liebe besteht weiter, dennoch ist diese Vorstellung für mich nicht sehr tröstlich. Eine tröstliche Vorstellung ist für mich nur, dass Verstorbene als Individuen, die sich ihrer selbst bewusst sind glücklich und zufrieden in irgendeiner Form weiter bestehen. Als Seelen, Energiewesen, oder vielleicht auch wieder inkarnieren. Ich negieren nichts, stelle nicht in Abrede, dass diese Formen des Weiterlebens existieren, aber überzeugt bin ich davon nicht.


    Ich weiß, ich sollte mich gesünder ernähren, mich zu Bewegung aufraffen, ein wenig ausgehen, einfach „normale“ Dinge tun, doch stattdessen habe ich begonnen zu rauchen, esse kaum etwas außer Süßigkeiten und kann mich kaum aufraffen, mal die Treppe statt des Liftes zu benutzen.


    Wie kann es wieder bergauf gehen? Was meint ihr?

  • liebe Micky,


    GUT.... du hast dir ;fast ALLES was dich bewegt, WIE du dich FÜHLST, hier von der SEELE geschrieben...


    Das ist wirklich einer der der besten Wege, den du momentan einschlagen kannst... Meiner Meinung nach ist es einfach ganz wichtig, dass du ALLES, was du in der Vergangenheit für deinen Vater und deine Mutter getan hast , auch ihr...gehen... von dieser Welt... wirklich AKZEPTIERST... Da meine ich, bist du dir noch nicht so ganz sicher... aber das ist meine Meinung...


    AKZEPTIERE das du eine starke Bindung zu deiner Mutter hast/hattest...


    AKZEPTIERE du du auch eine starke Bindung zu deinem Vater hattest...


    AKZEPTIERE das du dich einsam fühlst...


    AKZEPTIERE das du keinen Partner hast


    AKZEPTIERE das du im MOMENT NICHTS AUSSORTIEREN kannst...


    ABER


    AKZEPTIERE NICHT...das du dir keine Auszeit nehmen kannst !!!...(Es gibt sehr gute Hundepensionen) ... Das sagt dir eine liebevolle Hundebesitzerin...


    Zu dem Gehen deiner Mutter...
    Ich weiss nicht, ob du das Buch von Gian Domenico Borasio:...Über das Sterben.... nicht schon durch die Krebserkrankung deines Vaters gelesen hast... Ich finde es sehr gut, weil es EMPATHISCH, die organischen Ausfälle, das langsame Aufgeben des Körpers schildert ( Borasio ist Arzt und hat die Palliativbetreuung sehr viel weiter gebracht)...


    Es ist wirklich ein langsames Versagen der Organe;des Körpers... Nicht mehr ... aber auch nicht weiger... Für uns, die Beobachter; leider sehr schwer anzuschauen...Aber deine Mutter hat es völlig anders empfunden...
    Da ich auch aus dem medizinischen Tätigigkeitsbereich komme, kann ich dir wirklich versichern, das der Körper sich tatsächlich schützt;... und der Gehende seine körperlichen Gebrechen nicht so wahrnimmt;, wie wir pflegenden Angehörigen. Ich hoffe sehr, dass dir das Trost gibt...


    DEINE MÖGLICHKEITEN....
    für die erste Trauerzeit...


    HIER schreiben... Meiner Meinung nach hilft das ungemein... Dadurch das du auch sehr viel geschrieben hast... und das ist wirklich GUT... ist das vielleicht auch dein Weg?


    Dennoch würde ich dir auch eine Trauergruppe empfehlen.... Ich/wir sind eine private Trauergruppierung, die sich alle zusammen gefunden haben, weil sie ihren Partner/ oder Eltern an einem bösartigen Hirntumor verabschiedet haben....


    Bitte, beachte das...VERABSCHIEDEN... es hilft dir weiter, die geistig/seelische Verbindung zu dem ...Gegangenen... als geistig ... seelische Hilfe ... zu sehen/leben...und das ... meiner Meinung nach... friedvoll...


    womit wir beim LEBEN sind...Es gibt immer ein LEBEN IN DER TRAUER....


    Dass du im Moment protestierst ...und das ist am Anfang der Trauerzeit durchaus NORMAL...
    und dich dadurch nicht gut ernährst, rauchst...und dich nicht der Natur aussetzt... zumindest nur minimal...
    aber dies alles dir ja schon bewusst machst...


    ist ja auch schon der WEG in die RICHTIGE RICHTUNG...
    Es wird sich alles ...in der Zeit ... die DU als RICHTIG empfindest..
    von dir gelebt werden ...
    Habe MUT ...
    und ... es ist völlig egal, welche Art von Glauben du hast... wichtig ist ein Glaube, der DIR den so wichtigen Seelenfrieden gibt...
    und...
    ich denke, wenn ich lese, was du oben schon als Möglichkeiten in Betracht ziehst, dass du einfach "nur" deinen Verstand "ausschalten" musst... und dein "Innerstes zu Wort " kommen lassen solltest... Es ist möglich...


    Jetzt höre ich auf zu schreiben, weil ja auch andere ihre Sicht der Dinge und die Möglichkeiten, wie du dein Leben leben kannst... dir ans Herz legen...
    Fühle dich lieb und mitfühlend umarmt ...
    und... auch schon oft von mir und anderen geschrieben...


    DU BIST HIER GUT AUFGEHOBEN...


    Herzlichst ...deine Amitola(rainbow)


    die gestern ihre innere Vorstellung von dem ...DANACH ... gemalt hat...(malen ist auch eine gute Möglichkeit seine Trauer zu LEBEN) ...

  • Liebe Amitola,

    ich danke dir vielmals für deine einfühlsamen Worte! Ich bewundere deine Fähigkeit, so aufmerksam zwischen den Zeilen zu lesen und dich in andere Menschen, die du ja gar nicht kennst, hinein zu versetzen, obwohl du selbst trauerst und es dir auch sehr schwer ums Herz ist!

    Ich war verwundert darüber, dass du schreibst, ich solle akzeptieren. Es war mir bisher nicht bewusst, dass ich gegen Situationen oder Tatsachen kämpfe, die ich ohnehin nicht verändern kann. Ich muss noch ein wenig darüber nachdenken, aber ich denke, du könntest recht damit haben, dass das eine gewisse Grundhaltung bei mir ist, gegen Windmühlen zu kämpfen…

    Tja, und dass ich sehr in meinem Kopf gefangen bin und mir deshalb in meinem Glauben sehr schwer tue - auch damit hast du ins Schwarze getroffen. Ich war sehr spirituell, bevor mein Vater verstorben ist. Ich bin sogar Yogalehrerin, habe viel meditiert und dachte, oder besser gesagt, fühlte, dass ich auf dem für mich richtigen Weg war und mit meiner Spiritualität meiner Wahrheit ein ganz klein wenig näher rückte. Aber als mein Vater starb, und vor allem eben auch WIE er starb, so derart ohne auch nur das geringste Anzeichen einer Verklärtheit oder etwas Mystischem, das hat meine Spiritualität von einer Minute auf die andere unwiederbringlich zunichte gemacht. Wahrscheinlich war ich auch einfach nur zu dumm und zu naiv zu glauben, ich würde seine Seele oder eine Energieschwingung spüren, wenn sie seinen Körper verlässt oder etwas Ähnliches. Ich weiß; gar nicht genau, was ich mir eigentlich erwartet habe...

    Bei meiner Mutter war es ähnlich, auch wenn meine Erwartungen diesmal nicht ganz so hochgeschraubt waren. Da ich eine so enge Beziehung zu ihr hatte dachte ich, wenn es irgendeine Art von Leben nach dem Tod gibt, dann kann wird sie bestimmt noch einmal zu mir zurück kommen und mir ein Zeichen geben, dass es ihr gut geht. Ich möchte sie nicht fest halten, denn es ist wohl wichtig für sie, nicht hier bei mir gefangen zu sein, sondern ihren Weg weiter gehen zu können, unbeschwert, ohne die Verpflichtung, sich Sorgen um mich machen zu müssen. Ich weiß nicht, ob dies ein Zeichen von ihr ist, aber was ich schon die ganze Zeit spüre ist unendlich viel Liebe im Speziellen für sie, aber auch allgemein, seit sie mich verlassen hat. Vielleicht ist das ihre Energie, die ich in mir trage, denn sie war immer ein sehr warmherziger Mensch. Vielleicht ist sie also ganz nah bei mir und diese Liebe ist die Art und Weise, wie ich ihre Anwesenheit fühle.

    Vielen Dank auch für deine tröstenden Worte zum „Sterbeprozess“;. Das Buch kenne ich noch nicht, aber ich werde es mir besorgen. Ich hoffe wirklich inständig, dass meine Mutter ihre letzten Stunden anders empfunden hat als es für mich ausgesehen hat!

    Liebe Amitola, ich danke dir sehr, dass du mir deine Zeit geschenkt hast, meine Zeilen zu lesen und eine so empfindsame Antwort zu schreiben! Ich schäme mich ein wenig, dass ich einfach so in dieses Forum hinein geplatzt bin und sofort mein Herz aus dem Vollen ausgeschüttet habe, ohne vorher irgendwelche anderen Beiträge zu lesen oder auf irgendjemand anderen einzugehen, aber ich war gestern einfach so verzweifelt, ich wollte, ich musste das irgendwohin hinausschreien. Ich habe normalerweise auch immer ein offenes Ohr für Andere, aber im Moment fürchte ich, bringe ich keine tröstenden Worte für jemand anderen zustande, wenn ich selbst so tief im Sumpf stecke.

    Auch ich umarme dich in Dankbarkeit

    Micky

  • Ich habe noch eine Frage an euch. Ich bin sehr verwundert über mich, da meine Gefühle komplett Karusell fahren, ich empfinde alle paar Minuten anders – mal habe ich das Empfinden, ich schaffe das alles schon irgendwie und bin fast schon ein wenig zuversichtlich, kurz darauf macht sich absolute Verzweiflung und Ohnmacht breit.

    Was mich besonders irritiert ist, dass ich im Moment (zumindest scheinbar) mehr darunter leide, dass ich nun die Wohnung meiner Eltern räumen muss und ich mich damit völlig überfordert fühle als ich leide, dass meine Mutter nicht mehr da ist. Es gibt Momente, da fehlt sie mir schrecklich und ich muss ganz furchtbar schluchzen und gebe Geräusche von mir (wenn ich alleine bin ;-)), die mich selbst erschrecken. Aber es gibt auch Momente, da bin ich ihretwegen gar nicht so traurig, da vermisse ich sie gar nicht so sehr, da fühlt sich das alles an, als wäre ihr Fortgehen schon lang vergangen und als hätte ich sie schon ein Stück vergessen. Dabei sind noch nicht einmal drei Wochen vergangen, seit sie nicht mehr da ist…

    Und was mich noch mehr irritiert ist Folgendes: Ich habe meinen Ex – Mann, von dem ich nun schon seit 10 Jahren getrennt bin um Hilfe gebeten. Eine seiner großartigsten Eigenschaften sind sein großes Herz und seine Hilfsbereitschaft. Außerdem hat er mich immer schon auch in schlimmen Phasen aufheitern können und so tun mir stundenlange Gespräche mit ihm jetzt besonders gut. Auch er ist über den Tod meiner Mutter sehr betroffen, denn die beiden mochten sich sehr gerne, also kann er meine momentanen Gefühle sehr gut verstehen.

    Ich habe ja schon geschrieben, dass ich seit dem erneuten Ausbruch der Krankheit meiner Mutter, ganz besonders viel Liebe für sie in mir fühle und diese Liebe seitdem sie gestorben ist sich immer mehr in meinem Herzen ausbreitet. Vielleicht ist das auch der Grund, so meine Vermutung, dass diese Liebe jetzt wieder auf meinen Ex – Mann übergesprungen ist. Ich fühle mich wie ein 15 jähriges Schulmädchen, muss ständig an ihn denken und vergehe vor Sehnsucht. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass diese Liebe einseitig ist…

    Ich habe das Gefühl durchzudrehen. Wie kann das denn passieren, dass ich mich gerade jetzt – in tiefster Trauer und wenn mein Leben sich gerade im ärgsten Chaos befindet in solche romantischen Gefühle verrenne?!? Ist das vielleicht eine Flucht davor, dass ich mich nicht so sehr mit der Trauer auseinander setzten muss?? Oder ist das eine nachvollziehbare Reaktion auf die Einsamkeit, die ich empfinde und die tiefe und schmerzhafte Sehnsucht nach Geborgenheit?? Kennt jemand von euch ähnliche Reaktionen?

    Alles Liebe und seid umarmt
    Micky

  • Liebe Micky!
    Das Gefühlskarusell ist völlig normal! Das Weggeben von Dingen kann trotz damit verbundenen Schmerz auch befreiend sein! Äußere Ordnung für innere Ordnung! Du entsorgst ja nicht deine Erinnerungen ;) . All die wundervollen Momente kann dir keiner nehmen! Sie sind fest in deinem Geist verankert! Deine Eltern leben in deinem Herzen als pure Liebe weiter!
    Das dir dein Ex-Mann zur Seite steht und du mit einem innerlichen Gefühlscaos kämpfst zeigt mir, dass du bedingungslose Liebe lebst! Gratulation dazu! Nimm seine Hilfe an und sieh seine momentane Anwesenheit und Unterstützung als ein Geschenk! Gespräche über vergangene Zeiten werden dir weiterhelfen die Realität zu akzeptieren und anzunehmen - das ist auch Trauerarbeit. Da darf neben den Tränen auch mal ein herzhaftes Lachen dabei sein!
    Achte auf dich und deine Bedürfnisse!
    Liebe Grüße und eine Umarmung schickt dir Marsue!

  • Liebe Micky,


    zu fast allen deinen Fragen und Gefühlen kann ich dir zur Antwort geben: "Oh, Jaaa"...


    Gerade erst gestern habe ich zu einer Frau aus unserer privaten Trauergruppierung gesagt, weil ich und andere zu dieser "innerlich geprüften" Meinung kamen...
    Wenn man einen geliebten Menschen nicht plötzlich, was tragisch ist , weil man sich kein bisschen auf den beginnenden Abschied einstellen konnte, von seinem Leben verabschieden konnte... ist das einfach ein Schock...


    Wir, die wir einen Menschen an Krebs oder einer anderen unheilbaren Krankheit verloren haben, konnten uns ... ich sage mittlerweile glücklicherweise... einfach langsam verabschieden... Das ist eine Gnade, die du irgendwann auch verspüren wirst...


    GERADE , so kurz nach dem Gehen deiner Mutter bist du einfach in einer ... ich nenne es euphorischen Grundstimmung... Bitte, sei nicht entsetzt von dieser Wortwahl....


    Du bist EINFACH FROH...
    aber fühlst dich ja auch ein bisschen schuldig dadurch...
    das sie endlich
    ALLE IHRE EINSCHRÄNKUNGEN UND BESCHWERDEN ÜBERSTANDEN HAT


    Deswegen bist du durchaus zu bestimmten Zeiten ... eben halt glücklich und erleichtert...


    GENIESSE einfach diese Zeiträume...
    und
    wenn du weinst und schluchzt und das ganze tiefe Elend dich überfällt... lass es raus...das ist gut...


    GUT
    ist ebenfalls, dass du dir die emotionale und praktische Hilfe von deinem ersten Mann holst...Er ist dir einfach vertraut und es gibt dir, durch diese besagte Vertrautheit... ein gutes Gefühl...


    Mein erster Mann fühlte und fühlt sich auch immer noch irgendwie , auf eine nette Art und Weise , seit dem Gehen meines Lebensgefährten irgendwie "mitverantwortlich" für mein Wohlergehen in diesem, meinem Leben... Er hat jetzt seine dritte Ehefrau, zu der ich auch ein sehr gutes Verhältniss habe...


    Du brauchst jetzt im Moment einfach einen Menschen, der deiner Mutter ebenfalls emotional nahe stand... der sie auf eine zwar andere Art und Weise... aber auch geliebt hat...
    und DU
    brauchst einfach einen Menschen, dem du vertraust, der dich kennt.. und irgendwann habt ihr euch geliebt... Auch wenn das Gefühl jetzt einseitig ist... würde dir auch raten, das du es erst einmal als deine "innere Kraftquelle ansiehst...
    Ich glaube durchaus, das es keine neuerliche Verliebtheit ist... sondern eine für die wichtige innere Unterstützung ... mmmmhhh?


    Also die ESSENZ ^^ aus meinem Geschriebenen :


    LEBE ALLE DEINE GEFÜHLE TOTAL AUS... DAS IST GUT UND RICHTIG....


    Herzlichst
    deine Amitola

  • Liebe Amitola,
    liebe Marsue,

    ich kann nur wiederholen - danke…

    tja, mit dem Zusammenhang zwischen äußerer und innerer Ordnung hast du wohl recht. Das Problem ist nur, dass ich nun schon seit mehr als zwei Wochen wieder in der Wohnung meiner Eltern lebe, weil ich eben alle Dinge durchstöbere und hin und her überlege, was ich damit mache. Mein Vater war ungemein produktiv - hat gemalt und sich künstlerisch betätigt und die Wohnung ist bis zur Decke voll mit seinen Kunstwerken. Das kann ich natürlich nicht in den Mistkübel werfen, aber genauso wenig behalten. Es ist ein Dilemma. Und ich hause hier inmitten von Umzugskartons und halb abgeräumten Wänden – es ist wirklich kaum mehr auszuhalten, ich muss in den nächsten Tagen unbedingt hier raus!

    Hm, Krebs eine Gnade…Ich weiß, auch Elisabeth Kübler-Ross spricht immer wieder davon, dass Krebs ein Segen ist, eben aus diesem Grund, dass man einigermaßen Zeit hat, seinen Abschied vorzubereiten. Ich kann das leider (noch) nicht so sehen. Ich verstehe schon, dass es ein ganz schrecklicher Schock ist, wenn jemand ganz plötzlich aus dem Leben gerissen wird. Noch schwerer zu ertragen ist es, wenn man mit diesem Menschen noch eine Rechnung offen hatte. Es ist nicht auszudenken, wie man empfindet, wenn man in der Früh noch einen Streit hatte und am Abend kommt der geliebte Mensch nicht mehr nach Hause.

    Aber ist es nicht für den Verstorbenen noch schlimmer, so einen Leidensweg wie bei einer Krebserkrankung durchmachen zu müssen? Diese ständige Angst vor Metastasen, diese schrecklichen Schmerzen, die Übelkeit und das nichts-essen-Können, dieses langsame Dahinsiechen…Sowohl bei meinem Vater als auch bei meiner Mutter war es so, dass die beiden ab der letztendlichen Diagnose, dass es wohl keine Hoffnung mehr gibt, körperlich bereits so geschwächt waren, dass sie sich eigentlich kaum mehr auf das Sterben vorbereiten konnten, sofern das überhaupt möglich ist. Was ich als pflegende Angehörige dennoch in dieser Zeit als wohltuend empfunden habe, war, dass ich meine Liebe unbeschränkt zum Ausdruck bringen konnte und, da ich die Möglichkeit hatte, Familienhospizkarenz zu nehmen, meine Zeit beinahe ausschließlich meinen Eltern widmen konnte.

    Ich finde das sehr schön, dass auch dein Ex – Mann, liebe Amitola, dir zur Seite steht. Mir voraus hast du allerdings, dass eure Gefühle offenbar sehr klar abgegrenzt sind. Ich hoffe, ich schaffe es, meinen Ex – Mann auch „nur“ als Freund zu sehen und katapultiere mich da nicht noch tiefer in ein Gefühlschaos. Im Grunde habe ich wahrscheinlich nie aufgehört, ihn zu lieben, ich kenne ihn ja schon seit 25 Jahren…Ich weiß nicht, ob diese Liebe bedingungslos ist, wie du schreibst, liebe Marsue, wäre sie bedingungslos, würde ich wohl nicht darunter leiden, oder?!

    Ich bemühe mich jedenfalls, eure Ratschläge umzusetzen! Mein neues Mantra: Akzeptiere deine Situation, nimm sie an und lebe deine Gefühle aus… ;) !

    Alles Liebe
    Micky

  • Liebe Micky,
    kannst du dir vorstellen einige dieser schönen Kunstwerke deines Vaters z. B. auf einem Flohmarkt zu verkaufen? Vom Erlös gönn dir einen schönen Urlaub, das wünschen dir sicherlich auch deine Eltern!


    Bitte deine Freunde, dass sie dir beim Ausräumen und vor allem auch ein wenig beim Aussortieren helfen. Ich kann mir gut vorstellen, dass da nicht viel weitergeht, denn mit jedem Stück, was man in Händen hält, verbindet man auch Erinnerungen. Bedenke aber immer, dass all die schönsten Erinnerungen du in deinem Herzen trägst!!!
    Ich hatte Rotz und Wasser geheult, als ich das Schlafzimmer umgestaltet habe. Ich war mir nicht sicher, ob ich den großen Kasten weggeben soll. Eine Freundin hat ganz nüchtern gesagt, liebe marsue es ist ein Kasten! Du wirfst nicht die Erinnerungen weg sondern ein Möbelstück! Ich bin ihr heute noch dankbar dafür, denn sie hatte recht! :)


    Deine Vorsätze sind sehr positiv - ich wünsch dir viel Kraft und Liebe bei der Umsetzung! Sei nicht zu hart zu dir selbst, wenn sich nicht alles gleich umsetzen lässt!
    LG Marsue

  • Liebe Marsue,


    danke für den Tipp! An einen Flohmarkt hab ich auch schon gedacht, aber es handelt sich um tausende Zinnfiguren und Dutzende von Dioramen (kleine selbstgebaute Schaukästen) und unzählige Ölbilder und Aquarelle - ich bräuchte Jahre um das alles los zu werden. Ich habe aber schon Kontakt zu ehemaligen Sammlerkollegen meines Vaters aufgenommen, da hab ich ein wenig Hoffnung, da sie seine Arbeiten immer sehr bewundert haben...


    Ich kann dich im Schlafzimmer sitzen und heulen sehen - das kann ich sehr gut nachvollziehen. Wir versuchen verzweifelt das Vergangene zu bewahren, auch wenn uns das nur in Form von alten Möbelstücken möglich ist. Aber es stimmt: Die Erinnerung bleibt und die Liebe auch.


    Weißt du, die Wohnung aufzugeben ist vielleicht auch deshalb so schmerzhaft für mich, weil ich hier aufgewachsen bin und die ersten 20 Jahre meines Lebens verbracht habe. Und auch die 27 Jahre danach konnte ich immer hierher kommen, wurde immer warmherzig empfangen, wurde bekocht, hab mich hier immer "zuhause" gefühlt. Es ist für mich undenkbar, dass es diese Wohnung nicht mehr gibt, genauso undenkbar wie, dass es meine Mama nicht mehr gibt...


    Alles Liebe
    Micky

  • Ihr Lieben da draußen,


    im Moment kämpfe ich erbärmlich mit der Einsamkeit. Nach Hause zu kommen und keiner ist da, das Telefon still, nichts am Wochenende vor. Außer Wohnung Räumen und solche Dinge, die nicht im Geringsten Spaß machen. Meine Freunde sind gestresst, hetzen von einem Termin zum anderen, Job, Kinder, Partner, eine Feier hier, eine Feier dort, sind andauern im Laufschritt. Nicht, dass ich das so beneidenswert finde, aber so komplett alleine zu sein wie ich ist wieder das andere Extrem. Ich fühle mich wie in einem Vakuum.


    Ich war jetzt ein Jahr damit beschäftigt, für meine Mutter da zu sein - da war auch nicht viel Zeit, Freundschaften zu pflegen oder mich um einen neuen Partner umzusehen. Und genau diese Einsamkeit holt mich jetzt ein und schnürt mir die Luft ab. Ich weiß, dass es morgen vielleicht schon wieder anders aussieht, aber die Einsamkeit schlägt einfach ganz plötzlich zu - unerwartet und grausam und meistens abends oder in der Nacht.


    Ist das nicht bizarr - ich lebe in einer Großstadt, Tür an Tür mit vielen Menschen und bin einsam, einsam, einsam. Fühle mich so ignoriert, nicht wahrgenommen. Dabei bin ich ziemlich sicher, dass niemand meiner Arbeitskollegen oder Menschen, die mich kennen annehmen würden, dass ich mich so alleine fühle.


    Ich bin ja immer noch in der Wohnung meiner Mutter und hatte hier im Haus eine Parte aufgehängt, weil ich dachte, hier leben Menschen mit meiner Mutter schon jahrelang, manche jahrzehntelang zusammen und meine Mutter war ein sehr warmherziger, offener Mensch, der sich auch gerne mit anderen unterhalten hat oder ausgeholfen hat, wenn mal jemand was gebraucht hat. Ein einziges Mädchen, die im selben Stock wohnt wie meine Mutter ist zum Begräbnis gekommen und hat sich mit mir unterhalten. Ich treffe öfters Leute im Stiegenhaus, doch niemand anderer hat auch nur ein einziges Wort über den Tod meiner Mutter verloren oder gesagt, dass es ihm oder ihr leid täte.


    Habe ich zu hohe Erwartungen an die Menschen? Ist es Zufall, dass ich mich gerade unter besonders ignoranten Menschen befinde? Oder ist das eine ganz normale Reaktion der Umwelt, die auch die meisten von euch erleben mussten?


    Gute Nacht
    Micky

  • Liebe Micky,


    da morgen für das Wochenende meine "private Lebens.Trauer-Gruppe kommt, wünsche ich dir einfach eine gute Nacht oder besser gesagt einen guten Morgen... da du das vermutlichst erst morgen liest...


    Liebe "Steinböckin",
    sei einfach mal ein bisschen geduldig... schon wieder ein mmmhhh... ;)
    Alles kommt zu der Zeit... die du innerlich als richtig empfindest...
    Die Existenz sorgt für uns...
    wenn wir es völlig entspannt zulassen.... ^^
    Namaste
    deine Amitola


    Und ausserdem...
    wie war das mit dem "Donauinselfest" .. welches Marsue vorgeschlagen hat??? Ich lege es dir auch ans Herz :8:

  • Liebe Amitola,


    ich nehme an, du liest diese Zeilen erst, wenn deine Trauergruppe schon wieder weiter gezogen ist, aber ich wünsche dir dennoch eine bereichernde Zeit mit ihr!


    Tja, mich zu entspannen und geduldig zu sein fällt mir im Moment sehr schwer - Yoga oder Steinbock hin oder her... ;)


    Ich war heute übrigens ganz "artig" auf dem Donauinselfest - wirklich nur deshalb, weil ihr es mir verordnet habt... :2: Ich hab´s zwar nur eine Dreiviertelstunde ausgehalten, aber immerhin.


    Namaste
    Micky

  • Liebe Micky,


    erst mal ein herzliches Willkommen hier bei uns im Forum.
    Wir fühlen alle hier was du durchmachst, denn wir teilen alle ein ähnliches Schicksal und egal wie viel Zeit vergangen ist, es tut immer noch weh.
    Bei mir sind es nun 2Jahre und 8Monate seit mein Liebster nicht mehr da ist und er fehlt mir immer noch unendlich.
    Das schlimmste an der ganzen Sache ist leider, dass wir lernen müssen damit zu leben, aber........
    glaube mir es wird mit der Zeit etwas leichter auch wenn man hin und wieder mal in ein Loch fällt.


    Ich wünsche dir viel Kraft und ganz besonders viel Geduld. :005:


    Alles Liebe
    Trauerelfe

  • Guten Morgen Micky!
    Freut mich, dass du ein wenig Zeit auf der Donauinsel verbringen konntest! :thumbsup: Wenn es deine Zeit und Kraft erlauben, dann kümmere dich wieder um dich selbst! Pflege deine Freundschaften, triff dich mit Bekannten, nimm Einladungen an,... Das Leben ist lebenswert! Ein wesentlicher Faktor ist die Eigenverantwortung und Selbstliebe! Glück entsteht in dir selbst! Niemand kann dir etwas geben, was du dir nicht selbst schenkst! ;)
    Ich wünsch dir einen schönen Tag! Carpe diem!
    Alles Liebe Marsue!

  • Hallo liebe Micky
    Ja es ist wirklich schlimm die Eltern die Mutter zu verlieren, aber glaube mir sie hätte nicht gewollt das du so leidest. Sie wollte doch immer nur das beste für dich. Geh raus, fahre weg, geh unter Menschen. Du kannst mir glauben das hilft dir.
    Ich habe auch meinen lieben Mann verloren, ich versuche mich immer abzulenken und viel zu tun. Ich kann bis heut noch nicht richtig essen und bin immer noch Wahnsinnig traurig, aber ich habe für mich jetzt beschlossen das ich zum Arzt gehe und versuche eine Mutter-Kindkur zu bekommen. Ich begreife auch langsam das man sich auch Hilfe von ausen holen muß.


    Sei ganz lieb umarmt
    Andruscha

  • Liebe Andruschka,


    erstmal mein tiefes Mitgefühl zu deinem Schmerz! Und vielen Dank, dass du in deinem eigenen Leid tröstende Worte für mich findest!


    Ich bin tief berührt von deinem Schicksal! Weißt du, ich bin genauso alt wie du und es ist "nur" meine Mama gestorben. Wenn ich das Schicksal von so manchem und mancher hier im Forum lese komme ich mir mit meiner Geschichte ein bisschen komisch vor. Immerhin ist es ja "normal" und einfach der Lauf der Dinge, dass Eltern mal versterben. Und wenn ich versuche, mir vorzustellen, dass dein geliebter Mann, mit dem du so viele Jahre - mehr als dein halbes Leben - verbracht hast vom einen auf den anderen Tag nicht mehr da ist und dich mit zwei kleinen Kindern zurück lässt... Ich kann das gar nicht nachempfinden, so unvorstellbar ist das... Trotzdem war meine Mutter der wichtigste Mensch in meinem Leben und deshalb leide ich auch ganz schrecklich.


    Du meisterst deine Situation hervorragend und ich finde es ist auch vollkommen legitim, dass du dich nach einer Schulter zum Anlehnen gesehnt hast. Wenn unsere Schicksale auch ganz unterschiedlich sind und ich eben, wie gesagt, um meine geliebte Mama trauere, so kann ich DAS sehr wohl ganz genau nachempfinden, weil es mir genauso geht. Eine solche Ausnahmesituation alleine durchstehen zu müssen ist besonders schwer. Du musst für deine Kinder funktionieren, der Alltag geht in deiner Situation dann natürlich besonders schnell wieder weiter, du musst für deine Lieben da sein, kochen, waschen und noch dazu Trost spenden und ihnen Halt geben - all das, was du selbst im Moment nicht hast!


    Es ist so wahnsinnig schwierig Ratschläge zu geben - es gibt kein Patentrezept für das Leben, jedes Schicksal ist individuell und jeder Mensch reagiert darauf auf seine individuelle Art und Weise. Mir fällt spontan das Buch "4 minus 3" ein. Barbara Pachl-Eberhart hat, soweit ich mich erinnere, auch 4 Monate nachdem ihre ganze Familie ausgelöscht worden ist wieder einen Mann kennen und lieben gelernt, mit dem sie, soweit ich glaube, immer noch, und das sind nun schon mehrere Jahre glücklich zusammen ist. Es ist also nichts unmöglich! Auch wenn natürlich eine neue Beziehung nach so kurzer Zeit in den meisten Fällen wohl unter keinem guten Stern steht.


    Aber, wie Angie schon geschrieben hat, es kommt einzig und allein nur auf dein Gefühl an. Ich glaube, man merkt recht schnell, ob einem etwas oder jemand gut tut, oder nicht. Oft schaltet sich der Kopf dazu und die Vernunft verhandelt und streitet dann oft mit dem Bauchgefühl. Aber wenn du tief in dich hinein hörst, dann weißt du ganz genau, was dir gut tut!


    Ich glaube auch, dass es - besonders in der Ausnahmesituation, in der wir uns befinden - sehr wichtig ist zu versuchen, im Augenblick zu leben. Das dankbar anzunehmen, was uns gerade über den Weg läuft (das meine ich ganz allgemein und nicht im Speziellen Männer ;-)!!). Aber wenn jemand da ist, der eine Schulter zum Anlehnen bietet, dann lehn dich an, wenn es für dich angenehm und eine Erleichterung ist und versuche nicht, an morgen oder die nächsten Wochen und Monate zu denken und wie sich alles weiter entwickeln könnte.


    Es wird nie wieder so sein wie mit deinem geliebten Mann, aber wenn du ein wenig Glück hast, kann es irgendwann wieder genauso schön sein. Ganz anders, aber genauso schön!


    Zu meinem Fall: Ich bin gerade von der Urnenbeisetzung nach Hause gekommen und fühle mich, als hätte mir jemand den Stoppel raus gezogen und alle Luft abgelassen. Ich kann grad die Finger zum Tippen bewegen, aber das war´s auch schon...


    Ja, meine Mama wäre sehr traurig, wenn sie mich so niedergeschlagen sehen würde, ich weiß. Ich weiß auch, dass ich rausgehen sollte, etwas unternehmen sollte, aber ich habe zwei "Anhängsel" an die Trauer um meine Mutter: Erstens muss ich die Wohnung meiner Eltern so schnell wie möglich räumen, und die beiden haben leider ein Museum aus der Wohnung gemacht und gesammelt, was das Zeug hielt. Und zweitens hab ich von meiner Mama einen 17jährigen, also ururalten Hund geerbt. Ich hänge sehr an ihm, da ich ihn selbst als Welpen aus Griechenland mitgebracht habe und meine Mutter hat sich dann erbarmt und ihn bei sich aufgenommen, weil ich ihn wegen meiner Berufstätigkeit nicht dauerhaft bei mir haben konnte. Dieser Hund ist aufgrund seines Alters beinahe blind und sehr gebrechlich und er muss nun schon den Tod meiner Mutter verkraften. Ich kann ihn unmöglich in eine Hundepension abschieben, um mal ein paar Tage raus zu kommen, das bring ich nicht übers Herz, da er sich dort nicht mehr zurecht finden würde.


    Nun hat er sich vor ein paar Tagen auch noch eine Blasenentzündung zugezogen und pinkelt überall hin. Meine Mama ist vor knapp vier Wochen gestorben und ich war mit ihm nur drei Tage in meiner Wohnung und bin dann wieder in ihre Wohnung übersiedelt, weil in meiner Wohnung dreh ich überhaupt durch, wenn er alles anpinkelt... Ich halte es hier aber schon kaum mehr aus, es macht mich richtig krank zwischen Umzugskartons und im Chaos zu leben, gar nicht zu reden von der "toten" Energie, die hier herrscht. Ich kann ihn auch nicht lange allein lassen, weil er wegen seiner Blasenentzündung mindestens alle paar Stunden runter muss. Ich habe also nur zwei Optionen: Noch ein bissl abwarten, ob es besser wird und versuchen, noch ein wenig Kraft dazu aufzubringen ODER Hund einschläfern und versuchen, auch dazu die Kraft aufzubringen. Es ist ein Dilemma, das ich ganz alleine entscheiden muss. Wenn es eindeutig wäre und es wirklich klar wäre, dass er nimmer leben will und kann - ok, dann würde ich nicht zögern, wenn es für ihn eine Erlösung wäre. Aber er frisst nach wie vor leidenschaftlich gerne und ist halt einfach sehr, sehr alt, aber ich bin nicht sicher, ob er schon zum Sterben bereit ist...Ich möchte ihn nicht umbringen, weil er "unbequem" für mich ist!


    Hmmmm, ich schick dir zum vorläufigen Abschied einen großen "Drücker" und eine weibliche imaginäre Schulter zum Anlehnen -
    Micky

  • Hallo, liebe Marsue,


    ja, da hast du natürlich recht - alle Gefühle können nur aus einem selbst heraus entstehen, auch wenn unsere Umwelt sie dann zu gegebener Zeit auslösen.


    Die Sache mit dem "was unternehmen" hab ich ja oben gerade Andruscha erklärt, damit tue ich mir im Moment sehr, sehr schwer und finde im Augenblick keine Lösung. Ich kann mich nur in Geduld üben, wie ihr es mir schon geraten habt. Das fällt natürlich auch nicht gerade leicht! Außerdem fühle ich mich im Moment oft auch in GEsellschaft von manchen Menschen sehr einsam. Das kennt ihr bestimmt - die anderen erzählen sich Banalitäten, lachen, haben Spaß und ich sitze daneben und denke daran, dass meine Mama nicht mehr da ist und mach mir Sorgen um sie, ob es ihr jetzt wohl gut geht.


    Aber manchmal passieren doch eigenartige Dinge. Ich hab ja bereits geschrieben, dass ich mich schrecklich einsam fühle und dass es Phasen gibt, in denen ich mich sehr von meinen Freunden enttäuscht fühle, weil sie nur immer wieder sagen, ich solle mich melden, wenn ich was brauche. Ich hab das Gefühl, dass das in vielen Fällen nur leere Worthülsen sind. Im Grunde ist (fast) jeder froh, wenn ich mich dann eh nicht melde. Zwei oder drei Mal hab ich um Hilfe gebeten, was mir ohnehin unglaublich schwer fällt, und dann bin ich abgeblitzt.


    Am Sonntag, genau in so einer Stimmung, wo ich zu Hause gesessen bin und mich total isoliert von der Welt gefühlt habe, unendlich einsam und verlassen, bekam ich ein sms. Von einem Mann, mit dem ich mich vor beinahe 10 Jahren ein paar Mal getroffen habe. Wir haben uns recht rasch wieder aus den Augen verloren und kaum mehr voneinander gehört. Alle paar Jahre bekam ich zu Weihnachten oder zum Geburtstag ein sms, sonst hatten wir keinerlei Kontakt mehr. Und am Sonntag hat er mir auf einmal ein sms geschrieben, ob ich Lust auf einen Kaffeeplausch hätte. Einfach so. Nach 10 Jahren. Ich hab mich total gefreut. Er hat mich mit dem Motorrad abgeholt und ich kam mir vor wie mit 15 auf einem Moped zu sitzen - richtiges Sommerfeeling! Wir haben einen Kaffee getrunken, er hat mir total einfühlsam zugehört und dann hat er mich wieder heim gebracht. Es war eine winzigkleine Geste. Aber für mich war es wie ein kleines Wunder, weil mir diese zwei Stunden so gut getan haben. Und irgendwie finde ich es magisch, dass dieses sms genau zum richtigen Zeitpunkt kam. Ich will da jetzt gar nichts hinein interpretieren, vielleicht sehen wir uns nie wieder, aber diese kleine, an sich unwichtige Begebenheit war für mich wie das "Wunder aus dem Universum", von dem Amitola letzte Woche geschrieben hat (dass das Universum zum rechten Zeitpunkt für uns sorgt, wenn wir Geduld haben und es geschehen lassen) und hat mir so unendlich gut getan!


    Bitte helft mir weiter, nach den Wundern im Universum Ausschau zu halten!


    Alles Liebe
    Micky

  • Liebe Micky,
    Vielen Dank für Deine tröstenden Worte. Ja es ist alles sehr schwer, man muß immer in Bewegung sein und sich ablenken. Den Hund wenn er noch so argiel ist und gut frisst dann las ihn bei Dir er bringt dich auch auf andere Gedanken und lenkt dich ab. Versuch doch an die schönen Errinnerungen zu denken die ihr alle zusammen hattet glaub mir das hilft.


    Bis Bald. Ich schicke Dir einen :005: und eine :24: