Abschiedsfest

  • Guten Abend ins Forum,


    heute war also die Beisetzung meiner Tanzfreundin. Ich hatte mir den Nachmittag frei genommen, so dass ich einigermaßen gesammelt auf dem Friedhof anlanden konnte. Es war furchtbar heiß, kein Lüftchen ging, die Kerzen in der Friedhofskappelle nahmen uns schier die Luft zum Atmen. Viele Menschen versammelten sich zu T.'s letztem Weg und gemäß ihrem Wunsch alle luftig und bunt gekleidet. Wir als Tanzgruppe gestalteten die Feier mit.


    Die Hinfahrt bekam ich trotz relativer Kopflosigkeit geregelt - doch beim ersten Klang mit Beginn der Trauerfeier öffnete sich mein Schleusentor und ging auch leider nicht mehr zu schließen. Die Versuche, mich dagegen zu wehren, gipfelten in einer großen Erschöpfung. Irgendwann ließ ich es einfach und weinte halt. Es war eine sehr anrührende, bewegende Feier. Viele Beiträge und im Mittelpunkt eine großartige Powerpoint-Präsentation mit vielen Fotos unserer Freundin - eines ergreifender und schöner als das andere - selbst die der vom Krebs Gezeichneten. T. wurde anonym beigesetzt - unter einer Linde. Wir sangen am offenen Urnen-Grab, das über und über mit Blumen gefüllt wurde, mein Gitarrenspiel lief gut - nur irgendwann schaute mich die Schwester meiner Freundin unverwandt und liebevoll an und da war es um mich geschehen - aus ihren Augen schaute ihre verstorbene Schwester. Die Finger fanden sich auf dem Griffbrett nicht mehr zurecht und so war es denn halt. Falsch und von Herzen. Zum Schluss tanzten wir auf offener Wiese - das tat gut und gerne folgten wir der Einladung zum Beerdigungskaffee. Diese Tanzgruppe, das wurde mir heute sehr schmerzlich bewusst, ist besonders. Es waren nur die Gründungsmitglieder anwesend - der harte Kern sozusagen, die Menschen, die mir dort am nächsten sind und das habe ich ganz tief genossen. Mit dem Tod meiner Freundin wurde mir noch einmal mehr bewusst, was mir eigentlich die noch lebenden Freundinnen und Freunde wert sind. Insbesondere meine beste Freundin, deren Leben vor wenigen Jahren auf der Kippe stand. Ich bin mir der Qualität dieser Freundschaft sehr bewusst und dennoch wird mir an Tagen wie diesen klar, wie wichtig mir diese Beziehung wirklich ist.


    Mein Prozess geht weiter - das Fühlen wieder erlernen und heute habe ich ein paar Schritte dazu getan.


    Danke fürs Zulesen!


    Hayat

  • liebe Hayat,


    lass die Tränen fliessen ...immer und immer wieder

    dann

    ist es auch nicht mehr "nötig " sich als "harten Kern" einer Tanzgruppe zu fühlen...

    und

    usik bei einer Urnenbeisetzung , dein Gitarrenspiel... das braucht ja "nur" Herzmusik zu sein

    lass es fliessen Grüsse

    sende ich dir

    deinenClaudia Amitola

  • Liebe Hayat, das klingt sehr berührend und stimmig.

    Bestimmt genauso wollte deine Freundin mit ihrem Leben gefeiert werden dachte ich mir, als ich deine Worte las. Ich wünsche dir viel Kraft


    alles Liebe


    m. <3

    Die Wahrheit triumphiert nie, nur ihre Gegner sterben aus (Max Planck)


    rilke.de/briefe/160703.htm


    VORÜBUNG FÜR EIN WUNDER


    Vor dem leeren Baugrund
    mit geschlossenen Augen warten
    bis das alte Haus
    wieder dasteht und offen ist

    Die stillstehende Uhr
    so lange ansehen
    bis der Sekundenzeiger
    sich wieder bewegt

    An dich denken
    bis die Liebe
    zu dir
    wieder glücklich sein darf

    Das Wiedererwecken
    von Toten
    ist dann
    ganz einfach

    (Erich Fried)

  • Ja, das war es, liebe Nebelfrau. In meinen 51 Lenzen habe ich sicherlich schon 3 - 5 Trauerfeiern erlebt (Scherz, es waren mehr...), darunter berührende, unpersönliche, schöne, konventionelle, unkonventionelle, blutleere und und und - doch diese hier war wirklich besonders. Im Nachhinein berührte mich vielleicht am meisten die Powerpoint-Präsentation im Hintergrund. T. erlebte ich in der Gruppe eher zurückhaltend, leise und doch sehr präsent, selbst in ihrer Abwesenheit. Auf den Fotos sahen wir sie so ganz anders und dennoch ganz sie selbst - eine unglaublich schöne, fotogene Frau, die keine Scheu vor der Kamera hat und es so ermöglicht einfach wundervolle Bilder von ihr zu hinterlassen - T im Sprung, im vollen Galopp zu Pferd, krebserschöpft in der Hängematte, aus vollem Hals lachend im Dirndl auf dem Volksfest. meditierend im Lotussitz am Strand... Und dieses ganz eigene Leuchten hat sie nie verlassen, selbst kurz vor dem Tod nicht.


    Auch die Reden sprachen nie von einer T. im Gestern, erzählten keine Biographien, sondern immer nur direkt aus dem Leben T's, was ihr wichtig war und was sie uns unbedingt noch mitgeben wollte. Wenn ich schon dereinst sterben muss, dann möchte ich meinen Übergang so gefeiert wissen! Ich werde die Patientenverfügung nochmal wieder ergänzen ;-)


    Danke von Herzen für Deine Worte :*


    Hayat