Mein wundervoller, geliebter Bruder ist gestorben

  • Hallo liebe Forumsmitglieder,


    zu meinem Bruder hatte ich immer eine ganz besondere Beziehung, anders als zu meiner Schwester. Mike, mein Bruder, war immer für mich da, hat mir immer zu gehört, hat mich getröstet und wenn ich mal weg gebracht oder abgeholt werden musste, dann hat er das immer auch gerne gemacht. Er war 8 Jahre älter als ich. Und er hatte Mukoviszidose, eine Krankheit die sich bei ihm besonders auf die Lunge ausgewirkt hat. Seine Lunge war kaputt und er musste alle drei Monate ins Krankenhaus, eine I.V. Therapie machen. Für ihn stand am Ende seines Lebens entweder der frühe Tod oder eine Lungentransplantation und er hat sich für letzteres entschieden, weil er unbedingt arbeiten und ein normales Leben leben wollte. Trotz seiner weit fortgeschrittenen Krankheit ist er jeden Tag mit zur Firma meines Vaters gefahren und hat so gut es ging versucht zu arbeiten, weil er die Normalität wollte und mit seiner Krankheit die aufsehen erregen wollte.
    Am 15. Februar wurde er dann in die Klinik gebracht, weil er einen Lungenriss hatte. Das war der letzte Tag, an dem er sein zu Hause gesehen hat. Er wurde stationär aufgenommen und auf die Hochdringlichkeitsliste für eine neue Lunge gesetzt. Seine CO² Werte waren einfach viel zu hoch.
    Ganz genau 2 Monate später wurde er transplantiert, hat die neue Lunge bekommen, auf die er so sehr gewartet hatte. Seine Kollegin wurde 3 Wochen vor ihm transplantiert und bei ihr lief alles so gut, nach 2 Wochen war sie von der Intensivstation runter, sie war sein großes Vorbild, so sollte es bei ihm auch sein. Aber er war ganz anders. Mike lag über 3 Monate auf der Intensivstation, hat 2 schwere weitere Nachoperationen, 2 leichtere Nachoperationen und eine Lungenentzündung überstanden, die manchmal nicht mal Leute überleben die nicht chronisch krank sind und über 1,5 Monaten auf der Intensivstation lagen. Für die Ärzte grenzte es an ein Wunder, das er diese Lungenentzündung überstanden hatte.
    Man kann es sich kaum vorstellen, aber die ganzen 3 Monate hat er sich bloß ein enziges Mal beklagt, und zwar 2 tage nach der Transplantation, da hatte er unerträglichen Durst, weil er nichts trinken durfte, danach hat er nie wieder gejammert und irgendetwas in die Richtung gesagt. Dabei musste er so viele Schmerzen etragen, jeden Tag. Zwischenzeitlich hat er 20 kg Wassereinlagerungen gehabt und einen Luftröhrenschnitt hatte er, sodass er nur dann sprechen konnte, wenn ihm eine spezielle Kanüle aufgesetzt wurde und die hatte er nur wenige Stunden am Tag drauf.
    Und dann wurde es langsam besser, er ist gelaufen, bis zum Eingang der Klinik und hat frische Luft gerochen und war selbst richtig stolz auf seine Leistung, wir alle! Es ging sichtbar Berg auf und Mike hatte immer bessere Laune.. und an einem Tag reißt ganz plötzlich der Anschluss des Lungenflügels an die Luftröhre und die Pulmonalaterie platzt. Die Ärzte und das Pflegepersonal hat zwar noch alles menschenmögliche versucht, aber 22 Stunden später um 7.15 Uhr am 22. Juli 2011 hat sein Herz aufgehört zu schlagen. Wir, meine Mama, mein Papa, meine Schwester und ihr Freund der auch schon zur Familie gehört und ich waren die ganze Nacht bei ihm und haben ihm die Hand gehalten, bis zur letzten Minute.


    Und jetzt einen Monat später, begreife und verstehe ich immer noch nicht warum er noch dem ganzen Leiden, auf dem Weg der Besserung einfach sterben musste. Mein Onkel hat ganz treffend gesagt: Jeus musste nur 3 Tage am Kreuz leiden, Mike 99 Tage auf der Intensivstation. Ich weiß nicht wie ich dieses große schwarze Loch jemals kleiner kriegen soll, es verschlingt alles, jede Freude, jedes Glücksgefühl. Wir hatten noch so viel vor.


    Und da ich mit Kindern zusammen arbeite, werde ich oft auch nach meiner Familie gefragt, werde gefrgt wie viel Geschwister ich habe. Wie viele habe ich denn bloß? Eine Schwester, aber meinen geliebten Mike will ich doch nicht verschweigen, er gehört doch zu mir und ich fühle mich schlecht wenn ich ihn nicht erwähne. Aber ich kann doch nicht jedem meine Trauer aufzwängen, das will doch keiner hören :( Nicht einmal meine Freunde, ich kann an einer Hand abzählen, wie viele sich in der letzten Zeit gemeldet haben :(


    Im Grunde wünsche ich mir nichts sehnlicher als bei ihm zu sein oder ihm im Himmel zu treffen, aber das könnte ich meinen Eltern nicht an tun!


    Das wollte ich mir einmal alles von der Seele reden.. es fällt so schwer mit Familien und Freunden zu reden, die wollen einen immer sofort trösten, aber mich kann man doch nicht trösten. Es gibt doch keinen Trost dafür, das er nicht mehr da ist. Es wurde doch besser!

  • huhu yWJ7f5WJ,


    zuerst ein herzliches willkommen bei uns im forum. dank, dass du uns teilhaben lässt am leben deines bruders. er war ein starker mann, so wie du es bist. darin bist du ihm gleich. euch hat viel verbunden. seine stärke bleibt bei dir.


    was du zur zeit erlebst erleben leider viele in unserer gesellschaft. die hilflosigkeit mit dem menschen dir begegnen ist leider weit verbreitet. lass dir und ihnen zeit zur trauer. es gibt keinen plan den man einfach abarbeiten muss und es geht einem wieder gut. trauer ist harte arbeit und jeder braucht seine eigene zeit dafür. ich hoffe du findest im forum immer ein offenes ohr für deine fragen und deine geschichte.


    es ist einigen eine hilfe wenn sie ihre erlebnisse mit dem lieben menschen aufschreiben und sich so noch lange an viele gute gemeinsame zeiten erinnern.


    ich finde es super wie du auf die frage nach deinen geschwistern antwortest. du hast eine schwester und einen bruder. dein bruder lebt in den erinnerungen in deinem herzen. wenn dein weg zu ende ist, werdet ihr euch wiedersehen.


    lieben gruß
    burkhard

  • Hi Du,


    herzlich willkommen hier bei uns! Wie Burkhard schon geschrieben hat, tut sich unsere Gesellschaft mit Trauer und Tod sehr schwer... Hier im Forum sind trauernde Menschen unter sich und es hat sich sehr oft schon gezeigt, dass diese Begegnungen sehr hilfreich sind!


    Auch wenn es weh tut, auch wenn Du von Deiner Trauer dann einfach mal kurz überwältigt wirst - gerade in der Arbeit mit Kindern finde ich es enorm wichtig, dass Du Deinen Bruder nicht ausklammerst. Denn Kinder spüren sehr genau, wenn etwas mit einem Tabu belegt wird - wie sollen gerade diese später mit der eigenen Trauer oder der Trauer von anderen Menschen umgehen, wenn ihre Bezugspersonen ihnen nichts vorgelebt haben in dieser Hinsicht. Womit wir dann wieder bei der "Gesellschaft" sind...


    Ich wünsche Dir Mut mit Deiner Trauer umzugehen und in den richtigen Situationen, diese auch zu zeigen!


    Liebe Grüße,
    Markus

  • Hey ihr,


    zunächst erstmal vielen lieben Dank für eure Beiträge. Ich hab so viel geschrieben, ich hätte gar nicht gedacht, dass sich das noch jemand durch liest.
    Mein richtiger Namen ist Kira. Da hat wohl was bei dem Benutzernamen eingeben nicht richtig funktioniert.


    Ich muss euch recht geben, unsere Gesellschaft tut sich mit Tod, Trauer und Krankheit sehr schwer. In den ersten Tagen nach Mike's Tod waren so viele Menschen da, alle die, die sich währrend den ganzen Monaten so selten gemeldet haben, dass man sie schon fast vergessen hatte, sogar Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen. Und jetzt traut man sich nicht mehr mit uns zu sprechen, die Nachbarn huschen schnell an uns vorbei, wenn wir vor dem Haus sind. Meine Freunde melden sich auch kaum, ich hab mich selten so allein gefühlt und ich versteh das nicht. Sie begreifen nicht, dass ich der selbe Mensch wie vorher bin!


    Wenn ich an meinen Bruder denke, dann frage ich mich immer, ob der Schmerz den ich fühle, wenn ich wieder einmal realisiere das er nicht da ist, für imeer bleibt? Ihr habt sowas schon mal erlebt. Bei meinen Großeltern war ich zwar traurig das sie gestorben sind, aber sie hatten ein erfülltes Lben und waren bereit zum sterben. Deswegen war ich nur in den ersten Tagen so furchtbar traurig. Aber Mike war nach langem Leidensweg auf dem Weg ins Leben und das tut so weh! Geht das jemals wieder weg? Oder ist es nur die erste Zeit und irgendwann "vergesse" ich den Schmerz? Schließlich bin ich ja erst 18 Jahre und lebe theoretisch noch ein paar Jahrzenhnte, vergisst man es? Wie ist das bei euch?


    Liebe Grüße und vielen Dank für eure schönen Worte! Es tut so gut sie zu lesen und zu wissen, das es jemanden interessiert!

  • Liebe Kira,


    jetzt hat es ja mit dem Umschreiben des Benutzernamens geklappt!! Natürlich lesen wir hier die Beiträge und bei mir ist es oft so, dass ich mit einem längeren Beitrag mehr anfangen kann, als nur mit ein paar Zeilen - man spürt den Menschen hinter dem Beitrag mehr... Denn mehr als das geschriebene Wort haben wir ja hier im Forum nicht - auch wenn wir uns dann und wann im real life auf ein Abendessen treffen!!


    Im Umgang mit dem eigenen Schmerz und den anderen Menschen ist es wichtig, eine bestimmte Balance zu finden - man darf den anderen Leuten den eigenen Schmerz auch zumuten. Wenn die anderen Menschen sich nicht trauen zu fragen oder in Kontakt mit Dir zu sein, liegt es ganz oft an der Unsicherheit, wie sie richtig reagieren. Wenn Du dann Deinen Schmerz einfach mal artikulierst, dann geht es Dir besser und Du nimmst den Leuten die Befangenheit. Trotzdem darf man natürlich die Leute auch nicht überfordern und man muss sich klar sein, dass der eigene Schmerz nicht der Schmerz der Leute ist, die einem begegnen.


    Zu Deiner Frage, ob der Schmerz mal leichter wird - da gibt es einen legendären Thread in unserem Forum, der sich mit dieser Frage befaßt - vielleicht magst Du ihn mal lesen:
    Thread Wellenmeer


    Liebe Grüße,
    Markus

  • Liebe Kira!


    es ist wahnsinnig schwer und tut sosehr weh, einen geliebten Menschen, der so gekämpft hat, gehen lassen zu müssen. Aber denke daran, er hat jetzt keine Schmerzen mehr und ist gesund. Er wird immer bei Dir sein, wenn Du ihn brauchst ist er für Dich da und ist bei Dir in Deinem Herzen. Denn die Liebe endet niemals. Ich nehm Dich in den Arm und drücke Dich vorsichtig.


    Zitat

    ch muss euch recht geben, unsere Gesellschaft tut sich mit Tod, Trauer und Krankheit sehr schwer. In den ersten Tagen nach Mike's Tod waren so viele Menschen da, alle die, die sich währrend den ganzen Monaten so selten gemeldet haben, dass man sie schon fast vergessen hatte, sogar Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen. Und jetzt traut man sich nicht mehr mit uns zu sprechen, die Nachbarn huschen schnell an uns vorbei, wenn wir vor dem Haus sind. Meine Freunde melden sich auch kaum, ich hab mich selten so allein gefühlt und ich versteh das nicht. Sie begreifen nicht, dass ich der selbe Mensch wie vorher bin!


    Wie wahr, bei mir war es teilweise sogar so, das einige Leute im Friedhof extra einen anderen Weg gegangen sind, nur um nicht an mir vorbeilaufen zu müssen. Traurig aber so wahr! Ich habe mich auch gefragt, ob ich eine anstecknede Krankheit habe. Die Leute können damit nicht umgehen, nur die die so einen Schicksalsschlag am eigenen Leibe erfahren musste, sind auch weiterhin gekommen und haben meinen Schmerz geteilt, auch heute noch, es sind aber wenige, nicht mal meine eigenen Geschwister sind gekommen, nur drei von 7, der Rest will davon nichts wissen. Ich kann ja nicht mal mit meiner eigenen Mutter über meinen Sohn reden. Das tut nochmals doppelt so weh.


    Mona

  • huhu kira,


    ich empfinde es als eine deine stärken das du soviel schreibst. du lässt uns teilhaben an leben von deinem bruder und diir bzw. ein stück weit an deinen gefühlen. vielen dank dafür *verneig*


    wenn ein älterer mensch stirb ist zwar im ersten augenblick die situation eine andere, ab auch dort geht ein lieber mensch und hinterlässt eine scchmerzliche lücke. unsere innere strategie wechselt in diesem fall indem wir uns sagen: "er war alt und hat sein leben gelebt" das hilft uns über den tod hinweg. wenn jemand stirb der jünger ist, kommt unweigerlich die frage nach dem warum oder wozu. leider gibt es darauf keine antwort. diese antwortlosigkeit erhöht unseren schmerz, weil unsere stategien beim tod im alter nicht greifen. das tut verdammt weh.


    doch ich bin überzeugt das die möglichkeiten der verarbeitung eines solchen ereignisses in dir selber liegen, auch wenn du bisher durch den tod geschockt und vielleicht verwirt bist. dein schmerz wird sich verändern so wie du dich veränderst. doch eine bleibt immer: dein bruder bleibt teil deiner erinnerung und deines lebens. ihn wirst du wahrscheinlich nie vergessen.


    lieben gruß
    burkhard :30:

  • Liebe Kira,
    ja Du hast bestimmt recht unsere Gesellschaft tut sich sehr schwer mit dem Umgang mit Tod, Trauer und Krankheit.
    Es ist traurig aber wahr, für viele bestehen die "Werte" nur aus Erfolg, Geld und immer immer mehr.
    Für einen anderen "auch da sein" ist leider sehr selten geworden.
    Liebe Grüße sendet
    Josef

  • Liebe Kira,
    ja Du hast bestimmt recht unsere Gesellschaft tut sich sehr schwer mit dem Umgang mit Tod, Trauer und Krankheit.
    Es ist traurig aber wahr, für viele bestehen die "Werte" nur aus Erfolg, Geld und immer immer mehr.
    Für einen anderen "auch da sein" ist leider sehr selten geworden.
    Liebe Grüße sendet


    Josef