Bald ist nun 3 Monate her, seitdem meine Mama nicht mehr bei uns ist....ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie ich die 3 Monate rum gebracht habe. Mir kommt es so vor, als sei es erst gestern gewesen. Und doch verlieren die Bilder, wie sie hilflos in Ihrem Bett lag, so langsam den Schrecken - aber nur seeeehr langsam.
Ich möchte diesen Gesichtsausdruck von Ihr, der ja eigentlich nicht mehr meine Mama gezeigt hat, vergessen. Ich möchte sie so nicht in Erinnerung haben. An manchen Tagen erinnere ich mir nur an dieses Gesicht kurz vor Ihrem Tod bzw ich habe nur das Bild von Ihrem Körper im Kopf, als sie gegangen ist...regungslos und ganz blass...so dünn. Diese Bilder verdrängen die eigentliche Erinnerung an sie...Sie war immer bunt angezogen, eine wahnsinnig hübsche Frau. Sie ist immer jung geblieben. Sie konnte manchmal wahnsinnig stur sein, aber sie war immer fröhlich und gut drauf. DIESE Bilder mag ich haben, von Zeiten in denen alles gut war. Ich mag so gern die Bilder hervorholen aber es gelingt mir nicht bzw nur manchmal. Die letzten Ereignisse überschatten diese Erinnerungen.
Ich sehe mir daher auch oft Bilder von alten Zeiten an, damit ich sie nicht vergesse. So wie sie eben wirklich war. Das tut mir zwar auch sehr weh, aber ich erinnere mich dann eben auch wieder. Ich lese auch oft den Whatsapp Verlauf von ihr und mir durch. Wenn ich fertig bin würde ich am liebsten rein tippen "Du fehlst mir so sehr, bitte sag mir wo Du bist und wie es Dir geht!"...gleich am Anfang habe ich noch eine sehr starke Verbindung zu Ihr gefühlt. Die verschwindet jetzt leider auch langsam. Obwohl mir schon ein paar Zeichen aufgefallen sind, ich rede es mir zumindest ein, dass die Zeichen von Ihr kommen. Habt Ihr damit vielleicht auch schon Erfahrungen gemacht?
Ich weiß es noch alles so genau....meine Mama ist früh am Morgen gestorben. Ich war irgendwie auch erleichtert, dass es dann doch so schnell ging. Unsere Angst war, dass sie wochenlang so dahinvegetiert. Das wäre für uns und für sie noch fürchterlicher gewesen. Als mir bewusst war, dass wir nichts mehr tun konnten, habe ich gebetet, dass sie schnell gehen kann und dass es ihr leicht fällt....wenigstens dieses Gebet wurde erhört. Ich saß neben Ihrem leblosen Körper...zu Hause bei Ihr wo wir immer Kaffee getrunken haben. Sie bewegte sich einfach nicht mehr, sie atmete nicht mehr ein. Ich starrte sie einfach nur an, ich konnte zu diesem Zeitpunkt nicht mal weinen. Ich konnte das in dem Moment nicht greifen. Erst als wir die ersten Telefonate geführt haben, als wir Ihren guten und liebsten Freunden davon erzählt haben, kamen die Tränen und die knallharte Realität.
Ihre beste Freundin kam als erstes vorbei, sie hat so viel geweint und hat uns alle umarmt. Sie wollte sich natürlich auch von Ihr verabschieden. Es war so schlimm auch Ihren Schmerz zu sehen. Sie hat dann Ihren Mann angerufen und da habe ich den Satz das erste Mal laut gehört: "M. ist tot!". Das zog mir den Boden unter den Füßen weg, auch jetzt noch. Meine Mama hat viele liebe Freunde, die alle auch schon fast wie Tanten und Onkel für mich sind. Natürlich kamen sie alle zu uns in die Wohnung um sich zu verabschieden. Auch meine Schwiegermama, um mir Kraft zu schenken. Das war auch ein Trost für mich. Ich erinnere mich, dass alle schon einen Gedanken weiter waren: Jemand musste meine Mama abholen. Daran hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gedacht.
Sie sagten mir alle, dass dieser Moment noch sehr schlimm werden würde. Ich konnte mir das nicht vorstellen, ich dachte mir, dass die letzten Tage schon so furchtbar waren, was soll da noch kommen? Aber es war eine sehr heftige Erfahrung für mich. Ich weiß nicht wie es Euch ging, aber ich kannte das nur von meinem Opa, er war aber im Krankenhaus und ich empfand die Situation dort als anders und ich habe das da nicht mitbekommen. Aber meine Mama musste von zu Hause, von Ihrem Schlafzimmer abgeholt und überführt werden, Das war sehr heftig. Unsere Freunde haben mich darauf ein wenig vorbereitet, aber als es soweit war half das ganze Reden vorher nichts. Tut mir Leid, wenn ich das jetzt gleich vielleicht ein wenig zu ehrlich schreibe. Wenn Ihr das nicht lesen könnt, dann hört bitte hier auf. Aber ich muss mir das mal von der Seele schreiben.
Wir haben Sie abends gegen 19:00 Uhr abholen lassen. 2 sehr nette Herren im Anzug kamen herein und haben uns alles erklärt. Wir sollten ihr vorher schöne Kleidung herauslegen. Auf Wunsch hätten wir sie auch umziehen dürfen, aber mein Papa und ich haben gesagt dass wir das nicht können. Das hätten wir nicht geschafft. Die Herren übernahmen das für uns. Wir haben aber nicht hin gesehen. Auf einmal konnte ich einen seeeehr starken Geruch von Zitrone und Desinfektionsmittel riechen. Da bekomme ich immer noch Gänsehaut, der Geruch blieb mir so lange in der Nase und es schaudert mich wirklich immer noch. Ich empfand das als so schlimm...ich kann das gar nicht beschreiben. Vor allem weil der Geruch noch ein paar Stunden in der Wohnung blieb und auch an meinen Klamotten....
Die Herren kamen wieder aus dem Schlafzimmer heraus und sagten uns, dass sie nun bereit sind. Wir können sie gern noch einmal sehen. Das taten wir natürlich. Sie sah wirklich schön aus in ihrem schwarzen Kleid. Aber auch so befremdlich. Ich hatte auch ein wenig Angst vor diesem Anblick. Da schäme ich mich auch darüber, weil es ja meine Mama war. Aber ich habe mich leider ein wenig gefürchtet. Ich habe nochmal Ihre Hände berührt und mich zum 100 mal verabschiedet. Ihre Augen waren immer noch ein wenig geöffen. Das Gesicht hatte sich schon wieder verändert...und dann haben sie uns ganz in Ruhe erklärt, dass der Sarg, in dem sie ins Krematorium überfürt wird, leider nicht in den Aufzug passt. Meine Eltern wohnen ganz oben in einer Wohnung mit mehreren Parteien. Sie sagten, dass sie den Sarg unten bereit stellen, meine Mama in ein weißes Tuch einwickeln und mit Ihr behutsam nach unten gehen werden.
Von der Aussage war ich wieder geschockt. Ich weiß auch nicht, es liegt vielleicht daran, dass ich erst 30 bin und mich noch nie mit so etwas beschäftigen musste...aber ich fand die Vorstellung so schlimm, dass die beiden Herren mit einem leblosen Körper durch die Wohnanlage gehen bzw mit dem Aufzug fahren. Mit MEINER Mama!! Das war dann zu viel für mich. Ich hab total verkrampft und habe meinem Papa und den beiden Herren gesagt, dass ich das nicht sehen kann. Schon allein die Vorstellung konnte ich nicht ertragen (jetzt übrigens auch nicht). Ich hab mich entschuldigt und gesagt, dass es mir unheimlich leid tut, aber ich kann dabei nicht zusehen, wie sie sie nach unten tragen und in den Sarg einbetten. Mein Papa sagte dass es ok ist und er ging mit meinem Mann und den 2 Herren ohne mich nach unten. Ich blieb allein in der Wohnung zurück..mit diesem schlimmen Zitronenduft. Ich war so am Ende zu diesem Zeitpunkt. Wollte schreien oder weinen, aber es ging wieder nichts mehr. Die nächten Tage wurde das Kopfkino dann auch noch sehr schlimm, aber das schreibe ich vielleicht ein anderes mal hier rein. Falls Du bis hierher gelesen hast DANKE für deine Zeit