Beiträge von Elster

    Hallo,

    ich würde gerne etwas dazu schreiben. Wer meine Geschichte gelesen hat weiß, dass mein wunderschönes, von sehr vielen über alles geliebtes Mädchen sich am Ende selbst erlösen musste. Ich habe die Akte nicht gelesen. Bestimmt steht dort 'Tod durch Suizid' oder so was in der Art. Wer nicht nah an uns dran war weiß nicht, wieviel Liebe und Unterstützung in ihre Richtung ging. Wer mich nicht kennt denkt womöglich 'wie konnte sie ihr Kind so allein lassen? Ich wäre täglich zu ihr gefahren'. Und ja... ich selbst denke das ständig, obwohl ich ja dabei war.
    Durch sie habe ich viele Menschen am Rande des Todes getroffen. Die meisten leben noch. Woher die Entscheidung zum Suizid kommt ist bestimmt individuell verschieden. Aber ich bin überzeugt, sie entsteht schon lange davor. Ein Suizid ist nicht immer der Sprung von der Brücke oder die absichtliche Überdosis. Es kann auch Alkohol sein.. ein Drang unangeschnallt viel zu schnell zu fahren.. aufhören zu essen..
    Es gibt auch Affekthandlungen. Aber ich persönlich glaube nicht so ganz daran. Wer sich im Affekt suizidiert hat sich damit irgendwann mal auseinandergesetzt und es sich quasi als Ausweg vorbehalten. Davon kriegt niemand etwas mit, wenn man es nicht freiwillig kommuniziert.
    Ausnahme ist meiner Meinung nach eine Affekthandlung im Vollrausch. Wobei auch da eine innere Bereitschaft dazu bereits vorhanden sein muss.

    Mein Kind wurde in den Psychiatrien zum Teil gequält. Sie hatte Hilfe, sie hatte Familie, sie hatte Freunde. Was sie wohl nicht hatte, war ein Lebensplan für hier, bei uns. Deshalb stand mein Thread erst bei "Verlust eines Kindes", nicht bei "Verlust durch Suizid". Denn es fühlt sich so an, als ob ihr Leben hier nicht mehr "richtig" war. Sie ist an ihrer Krankheit gestorben. Ich spüre ihre Leichtigkeit im jetzigen Dasein, bin von Herzen froh für sie.
    Ich selbst bin gebrochen. Ich habe mein einziges Mädchen nicht mehr hier. Aber das ist jetzt egal.

    Es gibt klar junge Menschen, die wenig Unterstützung erfahren. aber die wenigsten suizidieren sich deshalb.
    Für mich ist der Suizid eine Todesart, die kaum trauriger sein kann. Denn man ist zu dieser Gewalt an sich selbst gezwungen, wenn man soweit ist.
    Zurück bleiben Menschen, die vor Entsetzen kaum noch miteinander sprechen können. Es wird zur Lebensaufgabe damit zurecht zu kommen.

    Es ist also eine Bitte von mir, dass man Gedanken wie "ach der Arme hat nirgends Halt gefunden" nur zulässt, wenn man die betroffenen Menschen selbst sehr nah kennt. Man irrt sich da so leicht.


    Und ich habe noch eine Bitte: Die Worte 'Selbstmord' und 'Freitod' sind wie Faustschläge. Mein Mädchen ist keine Mörderin. Wenn, dann wurde sie von ihrer Krankheit ermordet. Und frei zu wählen ist niemand, der Suizid begeht. Was ist daran frei, wenn man nur noch einen Weg sieht? Ich habe diese Worte früher selbst benutzt. Es ist nicht böse gemeint. Das weiß ich. Ich wollte nur erklären, wie das für Hinterbliebene ist.

    Wenn das jetzt alles zu heftig ist, dann lösche ich es wieder. Ich möchte hier keinen zurechtweisen oder so. Das steht mir gar nicht zu und das möchte ich auch nicht. Wir alle hier tragen schwer an unserer Trauer. Ich möchte es für niemanden schlimmer machen.




    Dieses Gedicht hat sie mir in ein Büchlein geschrieben. Da war sie 12 oder 13. Sie wusste es schon lange.

    Häng dir bitte ein Schild über den Bauch mit M.I.P. für most important person. Nach dieser Odyssee muss alles und alle hinten anstehen. In frühestens 8 Monaten dürfen die anderen bei dir klopfen.

    Ich kann mich zwar jetzt freuen, aber irgendwie fühlt sich dieses Gefühl falsch an.

    Verstehe ich zwar, aber ich wette, dein Philipp macht Purzelbäume vor Freude! Du jetzt bitte nicht... du freust dich bitte etwas ruhiger. Ein lautes Jubeln ginge.

    Liebe Isa,

    Es ist nur natürlich, dass du dir jemanden wünschst, der den gleichen Blickwinkel auf die Trauer hat. Leider ist es real aber so, dass es generell schwer ist, verständnisvolle Menschen zu finden.

    Auch wenn ich oft vom Umfeld den "du-hast-keine-Kinder-also-kannst-du-dir-nicht-vorstellen-wie-eine-Mama-fühlt"- Stempel aufgedrückt bekomme,

    Wie gemein ist das denn bitte?? Du bist Tochter und Schwester. Das ist doch wohl furchtbar genug! Ich bin verwaiste Mama. Aber meine Söhne leiden doch nicht weniger! Ich habe noch keinen meiner Brüder verloren und kann mir das noch nicht vorstellen. Es muss grausam sein! Den "Stempeldrückern" in deinem Umfeld wünsche ich gerade, dass sie mal in sich gehen und dabei ordentlich erschrecken.

    Ich wüsste gern, wie es meinen Söhnen geht. Aber sie sagen es mir nicht. Sie wollen mich bestimmt schonen, aber wüsste es lieber. Immer sagen sie "alles gut, Mama". Es ist aber nichts gut!


    Weil ich weiß, dass ich niemandens Schmerz nehmen kann.

    Das ist auch nicht deine Aufgabe. Du hast ja schon erkannt, dass du diese Macht nicht hast. Aber für deine Mutter da sein ist schon sehr viel! Glaub mir!! Dann bist du halt mal ungeduldig. Das ist authentisch. Man kann ja danach nochmal drüber sprechen.


    und es tut auch Kindern weh wenn die Eltern leiden oder scheinbar zerbrechen.

    Davon bin ich überzeugt. Und diesen Schmerz tragen sie (du) zusammen mit der Trauer. Das ist ein wirklich wirklich schweres Paket! Offenheit und ein gutes Maß Verständnis für sich selbst sind erforderlich. Und lass die, die dich zusätzlich belasten hinter dir. Du wirst sie nicht ändern und sie können dir nur schaden!

    Ich glaube, du bist ein Schatz für deine Mama, auch wenn nicht alles rund läuft. Das kann es ja auch gar nicht.

    Pass gut auf dich auf, liebe Isa

    Wie verbringt ihr diese Tage?

    Ich vor der PS4. Weihnachten schaff ich hoffentlich zu ignorieren. Silvester wird schlimmer, weil ja schon nachmittags geschossen wird. Das war immer so schön mit den Kindern. Als die Zwillinge ganz ganz klein waren wollte ich nicht, dass sie vor dem Knallen Angst haben, wenn sie davon aufwachen sollten. Drum hab ich den ganzen Nachmittag und Abend wie eine Bekloppte immer "Juhu! Böller!" gerufen und mich total gefreut. Es hat auch super funktioniert. Noch viele Jahre haben wir alle zum Scherz im Chor "Juhu! Böller!" gerufen, wenn es irgendwo geknallt hat und an Silvester sowieso.
    Am Neujahrsmorgen lag dann für jeden ein "Neujährchen" auf dem Tisch. Eine Süßigkeit und, als sie ein wenig älter waren, ein Bayernlos. Wir machen sonst keine Glücksspiele, aber zu Neujahr war das Tradition geworden. Ich werde wahrscheinlich wieder 5 Stück kaufen. Und ihr Zwilling bekommt das meines Mädchens. Das wird sicherlich der schlimmste Moment der Feiertage.
    Zwei Tavor liegen zur Not bereit. Meine Hausärztin gibt mir die nur einzeln. Und eine halbe Tablette reicht für einen Tiefschlaf.

    Bin ich vielleicht zu egoistisch

    Nein, du bist menschlich.


    denke ich dabei nur an mich in meiner Trauer

    In deiner Trauer bist ja nur du. Andere sind bei sich, in ihrer Trauer. Man kann gemeinsam trauern, aber nicht füreinander. Warum solltest du nicht trauern, wenn der Tod eine Erlösung war?


    Brauch ich einen Impuls ein Wort meiner Mutti

    Es würde bestimmt helfen, vielleicht aber nicht nachhaltig . Erzwingen kann man die Botschaften auch nicht. Das macht es sehr schwierig.

    Dieses Hadern ist eben ein Symptom der Trauer, des Nicht - (wahr) - haben- wollens.

    Du bist und bleibst die liebende Tochter deiner Mutter. Punkt.

    Ich war gerade bei meiner Tochter zwischen ihren Bäumen. Wie immer habe ich über ihrem Platz Seifenblasen fliegen lassen. Wie fast immer kam eine ganz goldene Blase direkt zu mir , blieb eine kleine Weile und flog dann in Richtung Blumenwiese davon. Dann bin ich ein Stückchen in diese Richtung gegangen und hab laut gesagt: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, kleiner Philipp. Ich bekam heftigst Gänsehaut und hab die Seifenblasen für ihn losgepustet. Die meiner Tochter sind nach oben geflogen. Philipps flogen sofort nach unten, in etwa in die Höhe, wo man ein 2-4 Jahre altes Kind vermuten würde.
    Vielleicht... ganz vielleicht.... wer weiß es schon---

    Liebe Isa,

    mein aufrichtiges Beileid! Ich bin die Mama einer vorangegangenen Tochter. Sie hat auch 2 Brüder hinterlassen. Die beiden haben einzeln, auf ihre eigene Weise, guten Kontakt zu mir. Untereinander aber findet keine Kommunikation statt. Das macht mich sehr traurig. Der eine ist ihr Zwillingsbruder. Der andere 4 Jahre älter.

    Ich schreibe das damit du eben siehst, dass auch Geschwister nicht immer gemeinsam trauern. Trauern geht am besten da, wo man sich angenommen und geborgen fühlt. Das kann auch einfach in einem selbst sein. Ich wünsche dir aus ganzem Herzen, dass deine Trauer einen guten Ort findet!

    Liebe Nebelschleier,

    bei uns gibt es heuer kein Weihnachten. Zum Glück gibt es in der ganzen Familie kein einziges Kind. Wir müssen also nicht so tun als ob.
    Was nächstes Jahr wird, sehe ich dann. Ich lasse es mir nicht aufdrängen. Mein Mann ist Weihnachtsfan und etwas enttäuscht. Aber er wüsste auch nicht, wie das aussehen sollte, so ein Weihnachten ohne unser Mädchen. Ich werde Weihnachten also weiter die PS4 traktieren oder den Netflixservice zum glühen bringen.

    Du hast noch kleine Kinder. Also Augen zu und durch. Was auch sonst.......

    Ich bin offen für Eure Überlebensstrategien !

    Augen zu und durch? Meine letzte Welle dauerte 3 Tage, die davor 10. Als Welle definiere ich für mich Zeiten, wo ich fast ständig mit den Tränen kämpfe, suchend durch die Wohnung laufe und den Schmerz fast ununterbrochen körperlich stark wahrnehme. Nichts zählt an diesen Tagen und ich glaube nicht, dass eine Strategie mich da rausreißen kann. Vielleicht ist es für uns noch zu früh dafür. Wenn es kommt, bin zumindest ich dem ausgeliefert. Was jetzt schon ein kleines bißchen hilft ist die schon gemachte Erfahrung, dass es wieder milder wird.

    Minütliche Stimmungswechsel wie ganz am Anfang hab ich zum Glück nicht mehr. Aber tägliche schon noch. Echt anstrengend. Trauer is nix für Feiglinge.

    Aber ich schau mal wieder vorbei, falls jemand anderes da besser Rat gibt.

    Liebe Grüße
    Elster

    Ich glaube, es sieht oft von außen wie ein normales Leben aus. Sogar bei mir, wo ich erst 4 Monate "hinter mir" habe. Auf der Arbeit wirke ich kaum anders. Nur ein bißchen stiller vielleicht.
    "Normal" ist halt jetzt anders, aber vieles davon ist im Inneren. Ich selbst bemerke die Veränderungen nicht immer. Weil es halt das neue "Normal" ist.

    Du hast ja auch noch die hormonellen Turbulenzen zu ertragen.

    Die Zeit heilt leider gar nichts, aber zeitlicher Abstand hilft, es zu ertragen. Ja, ich hab das gerade zum ersten Mal so formuliert und merke, wie wahr es zumindest für mich ist. Es tut nicht weniger weh, aber ich ertrage es ein bißchen besser. Das ist wohl dieses "Es wird anders" , das ich mir nie vorstellen konnte. Vielleicht geht da auch noch mehr. Man wird sehen.

    Ich hoffe, das war jetzt nicht zu wirr. Ich will dir damit sagen: du wirst nicht immer und ewig so verzweifelt sein, wie heute! Mach wie Mel schreibt: atmen reicht jetzt im Moment. Das ist schon prima!

    Liebe Nebelschleier,

    Erstmal ist es super, dass du es geschafft hast! Ist die Uroma denn noch rüstig? Sie hat sich bestimmt gefreut, dass du da warst. Dass du dich weggesetzt hast statt zu streiten oder frühzeitig zu gehen zeigt deine Größe!

    Möglicherweise war es ein sehr bescheidener Versuch dich zu schützen, als man dir von der Schwangerschaft der Schwägerin nichts erzählte. Im persönlichen Miteinander war aber anscheinend "Feuer frei" für alle bisher zurückgehaltenen dummen Sprüche. Das tut mir sehr leid.
    Ob die Schwägerinnen ihre Kinder selbst aufziehen oder der Oma in die Hand drücken sollte dich möglichst nicht kümmern. Ist ja schon ein Armutszeugnis, wenn es aus Egoismus und Faulheit so kommt. Es gibt Situationen, da ist es einfach zum Wohl des Kindes und somit auch okay. Du hast es allein geschafft bisher. Bzw mit deinem Mann. Vielleicht sind sie auch neidisch?


    Du musst niemals rechtfertigen, ob du noch ein Kind möchtest oder nicht. Noch privater geht es ja wohl nicht! Teile deiner Familie sind nicht mit Empathie gesegnet. Da hilft wirklich nur Abstand halten.

    Du hast die Feier gut gemeistert. Jetzt erhol dich davon.

    Ich drück dich mal fest!