Liebe Michaela,
Danke für deine Offenheit…was für ein Drama..unendlich traurig.
Dein Lars hatte ganz klar geäußert, das für ihn die sedierung nicht in Frage kommt, ich finde das irgendwie hilfreich. Für dich. Genau diese Äußerung fehlt mir. Ich versuche mal unsere letzten Monate zu beschreiben, damit du verstehst wie ich das meine.
Die Sprache von Markus war schon lange beeinträchtigt, aber mit Geduld und Zeit konnten wir trotzdem alles verstehen. Der dritte Grand Mal hatte zu dauerhaften Beeinträchtigungen der Sprache geführt. Wir haben das letzte Weihnachten mit den Kindern im neuen zu Hause gefeiert, waren gerade einige Tage zuvor umgezogen. Was für ein Kraftakt, aber wir hatten es geschafft. Danach ging es rapide bergab mit Markus. Weihnachten noch ok, Silvester dann große Störungen in der Motorik. Essen ging alleine nicht mehr wirklich, er wirkte sehr in sich gekehrt und hat nur verzögert auf uns reagiert. Am 2.1 hab ich den RTW bestellt, alle Symptome hätten zum Schlaganfall gepasst. Er kam ins Krankenhaus und es waren massive Ödeme. Schnell wurde ihm Kortison gegeben. Hab ihn am 3.1 besucht, er konnte anscheinend sein Handy nicht mehr bedienen. Hab ihn in seinem Zimmer sehr orientierungslos vorgefunden. Die Sprache war deutlich schlechter geworden. Er hat mir eindringlich zu verstehen gegeben, dass er auf keinen Fall im Krankenhaus bleiben möchte. Sein Zustand war sehr schlecht und ich hatte große Sorge ihn mitzunehmen, aber es hat mir das Herz zerrissen ihn den Wunsch nicht zu erfüllen. Also hab ich ihn mitgenommen, der Arzt hatte auch gar kein gutes Gefühl, aber egal, irgendwie werde ich es schon schaffen dachte ich mir. Schnell hab ich einen Pflegedienst gefunden, damit war täglich nun Unterstützung bei uns. Das Kortison hat keine große Verbesserung gebracht. Ende Januar zum MRT. Niederschmetternd. Sein Arzt spricht von höchstens drei Monaten. Das kann ich Markus nicht sagen. Er ist weiterhin bereit Therapien zu machen, versteht aber längst nicht mehr alles, schon gar nicht wie es um ihn steht. So nehmen wir es zumindest wahr. Anfang Februar nimmt der Palliativdienst seine Arbeit bei uns auf. Unsere geplante , letzte, Reise, treten wir voller Sorge um ihn, Ende Februar mit unseren drei Kindern an. Es ist extrem herausfordernd, Toilette, duschen, essen, bei allem braucht er nun Unterstützung. Aber er scheint stets „glücklich und zufrieden“. Er ist fast nur noch in seiner eigenen Welt. Anfang März geht nichts mehr ohne Rollstuhl. Pflegebett, Windeln, das volle Programm. Die Ärztin bespricht mit mir eine mögliche Sedierung… schrecklich. Am 19.3 plötzlich ein guter Tag, unser Hochzeitstag. Er lächelt und nimmt ein bisschen das drum herum wahr. Wir pfeifen gemeinsam, er pfiff immer und überall:)
Am 22.3 war der schlimmste Vormittag. Seit Tagen unglaubliche Unruhe, er konnte sich nicht mehr äußern. Er schrie im Bett und niemand wusste so recht es einzuordnen. Dieser Blick an diesem Morgen, den vergesse ich nie. Voller Qual und Verzweiflung. Er wollte mir etwas mitteilen, ich wusste einfach nicht was. Soll es beendet werden, schmerzen? Wir wussten es einfach nicht. Die Ärztin kam. Er quält sich sagt sie. Ich traf mit dem ältesten Sohn und der Ärztin die Entscheidung. Tiefensidierung. Richtig oder falsch? Eher richtig dachten wir, er soll sich nicht mehr quälen. Aber es hätte mir unendlich geholfen, wenn er es mir hätte sagen können. So ein Mist. Di, Mi, Do, sein Körper stemmt sich mit allem verfügbaren Ressourcen gegen das Sterben. Engste Freunde, Familie, alle kommen. Freitag den 25.3 hat er es geschafft… unfassbar. Ich hatte es ihm gewünscht, die Erlösung. Hatte aber nicht darüber nachgedacht, was dann mit uns ist. Wie du selbst geschrieben hast Michaela, auch für mich begann dann die schlimmste Zeit meines Lebens.
Markus hatte ab und zu mal geäußert, dass er im Grunde keine Angst hat , er hatte aber Angst vor leiden müssen. Hoffentlich hat er nicht zu lange gelitten.