Beiträge von KarenLe

    Hey


    meine Mama starb, als ich 14 war. Mein Papa diesen Sommer, da war ich 34. Mittlerweile bin ich 35 und würde noch gerade so ins Raster passen - und dich natürlich gerne bei deiner Masterarbeit unterstützen.

    Liebe Shekinah,


    ich freue mich, dass auf auf meinen Faden aufmerksam geworden bist (wenn man das so sagen darf).

    Ich habe deine Geschichte bereits vor ein paar Tagen gelesen und hätte dir am liebsten sofort geantwortet, hatte aber Besuch und keine Zeit dafür gefunden.

    Schon beim Lesen deines Beitrages sind mir viele Parallelen aufgefallen. Mein Sohn ist im Februar `21 geboren, deiner im März; wir sind gleich alt; wir haben beide keine Eltern mehr; und was mich am meisten "schockierte": deine Mama starb am 25.05. - an dem Tag ist mein Papa noch 66 Jahre alt geworden, er starb dann kurz später am 01.06.2023.


    Ich denke und entnehme deinen Worten, dass wir beide gleich fühlen. Auch ich musste den Kopf schütteln, als du von deiner besten Freundin geschrieben hast, erinnert es mich doch so sehr auch an meine Freunde. Ein guter Freund aus Schulzeiten, mit dem ich die Monate/Jahre vor Papas Tod sehr regelmäßig abends ein Bierchen trinken gegangen bin, hat sich bis jetzt keine Zeit für mich genommen. Ähnlich wie bei dir erhielt ich 3 lapidare Nachrichten "Hey, ich hoffe, dass es dir mittlerweile etwas besser geht.". Als ich antwortete, dass bei mir noch nichts wieder gut ist, antwortete er, dass es ihm leid tut. Mehr nicht. Ähnlich wie du, will ich ihm auch keinen Vorwurf machen - er weiß es nicht besser. Andererseits helfen mir solche Nachrichten nicht. Ist das ein weiterer Nachteil von Social Media? Man erfüllt die Pflicht, sich kurz zu melden (aber ohne, dass es zu anstrengend ist) und kann das Handy danach beruhigt wieder zur Seite legen?!

    Auch fühle ich mich nicht in der Lage, wie du, und sehe es auch nicht als meine Pflicht an, besagte Freunde darauf aufmerksam zu machen. Ich habe keine Kraft dafür. Eine sehr liebe Freundin riet mir, konkret zu sagen, was ich brauche und mir wünsche - aber das fällt mir schwer, wenn mir so oft das Gefühl gegeben wird, eine Last zu sein. Sie dahingegen hielt 2 Stunden einfach nur meine Hand und hat mich erzählen lassen. Sie hatte keinen "schlauen" Rat, auch ihr tat mein Schicksal ungeheuer leid (sie war auch schon beim Tod meiner Mama vor 20 Jahren für mich da), aber sie hat es gemeinsam mit mir ausgehalten. Das hat mir viel Kraft gegeben und mich für einen kurzen Moment nicht einsam fühlen lassen.


    Es hat mich beruhigt, dass auch du zweifelst, ob du eine zu große Erwartungshaltung hast, es geht mir genauso. Aber ich denke, dass das der falsche Ansatz ist. Eigentlich erwarte ich gerade nichts, ich versuche nur Tag für Tag zu überstehen, zu heilen und zu verarbeiten. Eine absolute Ausnahmesituation, die man kaum alleine bewältigen kann. Wer diesen Weg nicht mit mir gemeinsam gehen kann oder will, raubt mir aktuell zu viel Kraft und Energie. Ich weiß nicht, ob es zu egoistisch ist, zu sagen, dass mir diese Menschen gerade nicht gut tun. Andererseits ist mein Kummer gerade so groß, dass ich mich schützen muss und schauen muss, was mir gut tut. Ich versuche Rücksicht zu nehmen, aber es hat aktuell Grenzen und da erwarte ich Verständnis. Es ist ja nicht meine erste Lebenskrise und bei aller Negativität, die ich aktuell genau so empfinde wie du, versuche ich auch etwas Positives mitzunehmen. Ich achte mehr auf mich und meine Bedürfnisse. Und verflucht, das ist mein gutes Recht bei allem, was ich bisher erleben musste.


    Was mich immer wieder ins Straucheln bringt sind die alltäglichen Erlebnisse, die man alleine erleben und bewältigen muss. Wenn Omas die Enkel abholen, auf den Spielplatz gehen, die Kinder am Nachmittag beaufsichtigen etc. Ich habe eine riesen Angst vor meinem Geburtstag (in 3 Wochen; ein paar Tage nach seiner Beerdigung), Weihnachten, Ostern ... Ich liebe meine Heimatstadt - vermutlich die tollste im Osten - ich lebe hier mein Leben lang und fühle mich pudelwohl. Ohne meine Eltern fühle ich mich jedoch "heimat"los. Es fühlt sich nicht richtig an.


    Auch will ich nicht jammern. Ich weiß, dass es noch ganz andere Schicksale gibt. Eine Freundin hat ein Kind mit einem Gendefekt zu Welt gebracht. Der kleine Mann wird nie wirklich sprechen und laufen können. Das Kind einer anderen Freundin ist ohne Poloch, mit Herzfehler und ohne Speiseröhre zur Welt gekommen, hat nun eine schlimme Fütterstörung (wiegt mit 3 Jahren 8 kg) und ist viel zu klein. Ich bewundere sie so für ihren Mut und ihre Stärke - sie hat tolle Denkansätze, die mir oft weiterhelfen. Man kann ein Leid nicht gegen ein anderes aufwiegen - aber es hilft mir zu begreifen, dass das Leben manchmal erbarmungslos ist. Leider habe ich dadurch meine Leichtigkeit und Zuversicht verloren. Die Trigeminusneuralgie meiner Mama ist schon verdammt selten. Der Blutkrebs meines Papas, das Multiple Myelom, zählt zu den extrem seltenen Krebserkrankungen. Eine Lungenembolie passiert, aber so wahrscheinlich trotz Blutverdünner und Thromboseprophylaxe ist sie nun auch wieder nicht. Wie viel Pech kann man haben?!


    Ich kann dir abschließend nur sagen, dass ich dich verstehen und deine Gedankengänge absolut nachvollziehen kann. Auch ich fühle mich einsam und verlassen, obwohl ich so viele liebe Menschen um mich herum habe. Solche Erlebnisse machen einsam. In meinem Kollegium haben wir sehr viele junge Kolleginnen, die ein ganz klassisches Leben führen. Mann, Kinder, Großeltern, Haus, gemeinsame Unternehmungen etc. Ich fühle mich ausgeschlossen, wie eine Fremde, fast wie eine Außerirdische. Ich habe dieses Leben nicht mehr und diese Erkenntnis fühlt sich wie ein Graben zwischen deren und meinem Leben an.


    Ich würde mich freuen, weiter von dir zu hören!

    Ich danke euch allen für eure aufbauenden und aufmunternden Worte, die mir sehr über den eigenartigen Abend mit meiner Freundin hinweg geholfen haben.

    Ich zweifle leider sehr stark an mir, hinterfrage mich sehr oft, suche den Fehler oft bei mir und habe dann in den entscheidenden Momenten nicht immer aber immer öfter den Mut auch für meine Bedürfnisse und meine Ansichten einzustehen. Mein erster Impuls war ja, zu gehen. Das habe ich dann nicht getan und bereue es im nachhinein. Ich habe in dem Moment nicht auf mich gehört und wollte es ihr recht machen. Andererseits möchte ich andere Menschen auch ungerne vor den Kopf stoßen.


    Ansonsten merke ich, wie ich wieder zurück ins Leben finde. Es sind nun 6 Wochen seit seinem Tod vergangen. Oft ist es noch immer sehr unreal, aber durch die vielen Etappen der Abschiednahme (Pathologie, Aufbahrung, Einäscherung) konnte ich seinen Tod be"greifen" und realisieren. Ich weiß, dass er nicht mehr wieder kommt. Auch bin ich noch in einem anderen Forum angemeldet, wo sich viele Angehörige über genau diesen heimtückischen Krebs austauschen. Eine Lungenembolie ist leider sehr typisch und passiert sehr häufig. Das hat auch das rechtsmedizinische Gutachten bestätigt, was ich angefordert und vor einer Woche erhalten habe. Beide Lungenarterien waren von Blutgerinnseln blockiert, die die sich im operierten Bein gebildet haben und an jedem Morgen zur Lunge ausgeschwemmt wurden - um sie dann zu blockieren. Kein Ärztefehler, einfach Schicksal.


    Zurück bleibt der Gedanke, dass es sehr schnell ging, er nicht leiden musste, wir ihn nicht leiden sehen mussten und ihm allerhand Therapie und damit verbundenes Leid/Schmerzen erspart wurde. So ist das scheinbar mit dem Tod, schlimm ist es für die, die zurück bleiben.


    Ich setze mich seit einigen Wochen vermehrt mit dem Thema Tod und dem Leben nach dem Tod auseinander. Ich glaube leider nicht an ein Leben nach dem Tod, auch wenn ich es mir noch so sehr wünsche. Aber ich glaube, dass alles irgendeinen Sinn hat und auch wenn es mir schwer fällt, etwas Gutes daran zu sehen, dass ich mit 34 ohne Eltern dastehe, so werde ich gestärkt wieder aus diesem Tal hervorkommen, resilienter werden. Das ist zumindest meine Hoffnung. Dennoch habe ich etwas Angst vor der Zukunft. Ich merke, dass ich ernster bin, sich ein Schleier auf mein Leben gelegt hat. Ich hoffe, dass ich irgendwann wieder unbekümmerter sein kann, das Leben wieder umarmen und vor allem herzhaft lachen kann.


    Da es einige schon erwähnt haben: Ich habe Ende nächster Woche einen Termin bei der Trauerbegleitung. Meine Bestatterin hat es mir ans Herz gelegt und direkt einen Kontakt hergestellt.

    Ihr Lieben,


    eure Beiträge haben mich immer so ermuntert, dass ich mich noch einmal an euch wenden mag.

    Es ist nun etwas Zeit vergangen, es sind Schulferien und ich kann etwas zur Ruhe kommen.

    Eine Sache beschäftigt mich jedoch noch enorm - diese quälende Einsamkeit, die Gewissheit, dass kaum einer meiner Freunde mein Schicksal auch nur annähernd nachempfinden kann, das Gefühl, es alleine aushalten zu müssen.


    Ich war gestern bei einer Freundin, die ich vor 2-3 Monaten das letzte Mal gesehen habe. Sie ist im Freundeskreis schon dafür bekannt, super beschäftigt zu sein, nur sie hat viel Stress, man muss sich terminlich immer nach ihr richten etc.

    Ich saß also bei ihr in der Wohnung, wir unterhielten uns lange über ihr Praktikum (sie ist in den Endzügen ihres Arztstudiums und hat meinen Papa 1 Woche vor seinem Tod im Krankenhaus sogar noch gesehen). Sie wurde dann relativ einsilbig, als ich anfing, zu erzählen. Auf die Frage hin, ob ihr das unangenehm ist, reagierte sie sehr distanziert und meinte, dass wir uns darüber unterhalten können, aber doch bitte nicht den ganzen Abend, sie braucht ihren Feierabend zum Abschalten und könne das dann schlecht.

    Ich war so vor den Kopf gestoßen, das ist mir bislang wirklich noch nie passiert. Ich würde sogar meinen, dass ich mich eigentlich sehr zurückhalte, ich nerve meine Freunde nicht, mache viel mit mir aus (weil ich sie eben nicht mit Themen wie Obduktion, offener Sarg, rechtsmedizinisches Gutachten, Embolie etc. nerven und belasten will). Da sie aber auch Medizinerin ist, konnte ich mich mit sowas immer an sie wenden.

    Es folgte dann ein etwas heftiger Schlagabtausch, so ganz wollte sie es nicht einsehen - ihr ginge das ja auch alles nahe (wir kennen uns seit 30 Jahren und sie kennt meinen Papa auch), sie habe sich auch viel mit ihrer Mama darüber unterhalten ... nur, das bringt mir doch nichts?!


    Ich habe dann versucht es diplomatisch zu lösen - es sei ein Kommunikationsproblem, ich dachte, sie wäre interessiert daran was passiert ist etc. Sei sie auch, es tut ihr auch leid, aber sie muss sich jetzt selbst schützen.

    Ich weiß nicht, ob ich zu viel erwarte, aber ich war so vor den Kopf gestoßen, so verletzt, dass ich dann in Tränen ausgebrochen bin. Ich dachte, dass genau das eine Freundschaft ausmacht. Ich bin immer für Freunde da, auch nachts um 3 und wenn selbst bei mir alles bis "Oberkante" steht. Ich glaube so einsam wie in diesem Moment habe ich mich lange nicht mehr gefühlt. Und gleichzeitig habe ich meinen Papa in diesem Moment so schmerzlich vermisst ...


    Ist es jemandem von euch mal ähnlich ergangen? Bin ich von meiner Trauer zu sehr eingenommen, sollte ich mich mehr zurückhalten, in Gesellschaft eine Maske aufsetzen und mir bloß nichts anmerken lassen (was ich eigentlich eh schon zu oft mache) ... ? Ist das die Überforderung mit dem Tod? Ich meine, wenn sie nicht darüber sprechen mag, weil sie sich schützen möchte, wie wird es dann wohl mir gehen - wo ich es tatsächlich durchlebe und noch nicht mal die Möglichkeit erhalten, meiner Trauer Raum zu geben und die Gefühle vor Freunden zu benennen?

    Es war ein komischer Abend.


    Liebe Mena, ich melde mich leider jetzt erst.

    Ich wollte aber gerne noch auf deinen Beitrag antworten, über den ich schon damals fassungslos war, als ich ihn laß.

    Ein Mickey-Maus T-Shirt? Wenn es nicht so makaber wäre, ... Konnte deine Verwandte denn noch rechtzeitig eingreifen?


    Danke liebes Muckelchen, für deine Worte.

    Dein Verlust tut mir unheimlich leid - du musstest auch bereits viel verkraften und durchleben. Darf ich fragen, wie alt du bist und woran dein Mann gestorben ist? Es tut mir auch unfassbar leid, dass deine Mama dement wurde. Ich befürchtete bei meinem Papa ja zuerst Demenz oder Parkinson, habe mich mit den Krankheitsbildern beschäftigt und eine unheimliche Angst bekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es sein muss, einen geliebten Menschen, der immer mehr abbaut und der immer weniger er selbst ist, über Jahre zu begleiten. Ein Abschied auf Raten. Vielleicht erzählst du mir, wie es sich angefühlt hat, als sie dann schließlich starb?!


    Ich denke ich weiß, was du mit dieser "Stärke" meinst. So habe ich mich vor dem Tod meines Papas auch gefühlt. Durch den Tod meiner Mama habe ich eine Resilienz entwickelt, die mich so manchen Sturm im Leben hat ertragen und besser durchleben lassen. Davon spüre ich aktuell nicht so viel, aber es wird wieder kommen, hoffe ich.


    Du hast mich auf den Termin der Einäscherung angesprochen und mit viel Kraft gewünscht.

    Ich habe es als ganz friedlich und richtig empfunden. Es gab allerdings leider einen kleinen "Zwischenfall".

    Er wurde mir vorher noch mal kurz in die Trauerhalle gestellt, damit ich mich noch mal verabschieden kann. Ich wollte, dass der Deckel geschlossen bleibt - ich wollte ihn so in Erinnerung behalten wie bei der Aufbahrung eine Woche zuvor. Uns wurde auch versichert, dass er genau so wie bei der Aufbahrung verbrannt wird - in seiner Lieblingskleidung, zugedeckt, seine Hände gefaltet und beschützend auf unseren Bildern und Briefen liegend.

    Als ich also neben dem Sarg saß und noch viel Zeit hatte, habe ich den Deckel ein paar wenige Zentimeter geöffnet um zu schauen, wo der Kopf liegt. Den Kopf/das Gesicht selbst wollte ich nicht noch mal sehen, aber ich wusste ja, wie das Kissen aussah, wie seine Arme lagen ...

    Naja, dann der Schock: Er lag komplett nackt drin. Mich blitzte ein nackter Arm mit riesen Narbe (sie haben bei der Obduktion wohl auch die Armvenen untersucht) an. Die Hose war bis zu den Kniekehlen heruntergezogen.

    Ich kann es mir richtig gut vorstellen - bei der 2. Leichenschau kam der Rechtmediziner, hat ihn lieblos ausgezogen, ihn "untersucht" und Deckel drauf.


    Ich hatte am Nachmittag dann den Termin im Bestattungsinstitut - die Bestatterin war außer sich: Eine 2. Leichenschau hätte es nicht geben müssen, er wurde ja bereits von einem Rechtsmediziner im Rahmen der Obduktion untersucht. Und selbst wenn, hätten sie ihn wieder anziehen müssen - so pietät-und würdevoll, wie er auch vom Bestattungsinstitut an das Krematorium übergeben wurde. Sie rief sofort im Krematorium an: Es tat ihnen leid, aber die betrieblichen Regelungen sehen vor, jede Leiche noch einmal zu untersuchen (was völliger Quatsch ist, weil das Gesetz ausdrücklich sagt, dass man bei einer Obduktion keine 2. Leichenschau mehr machen muss. Ich meine, er wurde ja bereits mehrfach aufgeschnitten, Organe entnommen, die Schädeldecke geöffnet, ... was soll nun ein 3. Rechtsmediziner im Krematorium da für neue Erkenntnisse erlangen?!). Angezogen haben sie ihn nicht mehr, weil ich ja betonte, dass ich ihn nicht noch mal sehen möchte. Da war ich etwas fassungslos: ihn wieder einzukleiden sollte eine Selbstverständlichkeit sein, aus Respekt vor meinem Papa - egal, ob ich noch mal rein schauen will oder nicht.


    Ich war dann froh, als er dem Feuer übergeben wurde (und durfte auch dabei sein), ich wollte nicht, dass er so würde-und lieblos da drin liegen muss.


    Ich würde sagen, blöd gelaufen. :(


    Danke Marie Sophie, für deine Worte.

    Es ist überhaupt nicht schlimm, dass dein Beitrag negativ angehaucht ist - es sind eben deine Gefühle und deine Art, damit umzugehen. Das steht dir zu und ist ehrlich. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Situation sich mit kleinem Baby noch mal anders darstellt. Ich weiß, dass ich bei der Geburt meines Sohnes in ein richtiges Loch gefallen bin, weil die Sache mit meiner Mama wieder hochkochte, als ich dann selbst Mama wurde. Ich habe eine regelrechte Wochenbettdepression entwickelt. Ich hoffe, dass dies bei dir nicht passiert.


    Ansonsten kann ich deine Gedanken absolut nachvollziehen. Ich versuche auch nicht zu dramatisieren - aber realistisch betrachtet ist es ein Drama. Du hast schon recht: die KollegInnen, die meine Eltern sein könnten, berichten von ihren kranken oder auch gesunden Eltern. Ich denke, es ist natürlich und normal, dass da Gedanken wie "Warum ich?" aufkommen. Bei mir ja sogar bereits zweimal. Das macht einsam, weil keiner meiner Freunde meine Gedanken je richtig nachvollziehen werden kann. Ich weiß, dass sie es nicht böse meinen und es eher auf ihre Unbedachtheit zurückzuführen ist, aber Sprüche wie "Heute kann ich nicht, ich gehe zu meinen Eltern." tun mir noch enorm weh. Ich würde auch so gerne. Aus diesem Grund meide ich besagte Freunde noch.


    Ich merke also, wie ich mich immer weiter zurückziehe und alles mit mir selber ausmache oder mit wenigen Freunden bespreche. Ich will mich auch nicht ständig erklären oder rechtfertigen müssen, das kostet zu viel Kraft.


    Dir wünsche und rate ich, dir eventuell doch noch eine Trauerbegleitung zu suchen. Durch den Tod mit meiner Mama weiß ich, dass der Verlust immer wieder neu aufkommen kann. Der Schmerz verändert sich, aber es ploppt immer mal wieder auf, wenn man da nicht rechtzeitig etwas dagegen unternimmt.


    Hallo Mena,


    danke, dass du dir die Zeit genommen hast, auf meinen Beitrag zu antworten.


    Aktuell denke ich auch noch rund um die Uhr an ihn. Wenn es mal ein paar wenige Sekunden gibt, wo ich (durch Arbeit zB) doch abgelenkt bin, werden meine Gedanken danach sofort wieder auf ihn gelenkt, was mir dann immer wieder erneut einen kleinen Stich versetzt. Kurze Unbekümmertheit - der Gedanke an ihn - und schwupps ... ist er wieder da, der Schmerz, die Erkenntnis, dass ich ohne Papa bin, dass ich ihn nie wieder sehen/hören/umarmen etc. werde. Ich bin aber zuversichtlich und denke auch, dass es tendenziell nur besser werden kann.


    Mit gestärkt meinte ich, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt zum Beispiel merke, dass ich viel mehr über den Dingen stehe, mich nicht so schnell aus der Bahn bringen lasse, die Zuversicht habe, dass alles wieder gut werden kann. Ich denke, wenn man einmal so einen schlimmen Schicksalsschlag erlebt hat, entwickelt man eine Resilienz, die einem auch niemand mehr nehmen kann. Aber das dauert. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich aber gerne darauf verzichten und lieber etwas naiver/unbekümmerter durchs Leben schreiten.


    Liebe Mena,


    meine Antwort kommt etwas verspätet.

    Ich musste nach deiner letzten Nachricht etwas schlucken und es hat mich zum Nachdenken angeregt. Beziehungsweise hast du bestätigt, was ich mir die ganze Zeit denke und was mir so weh tut - ich habe gar keine Eltern mehr. Ich kenne wirklich niemandem, dem es ähnlich geht. Unterhalte ich mich mit 50-60-Jährigen KollegInnen, erzählen die von ihren Eltern, die bereits Mitte 80 sind und sogar die Enkel noch betreuen können. In solchen Momenten muss ich dann Reißaus nehmen, weil ich einen dicken Kloß im Hals habe.

    Ich wünsche mein Schicksal niemandem und ich weiß, dass jeder ein Päckchen, wie auch immer geartet, mit sich herum schleppt, aber aktuell suhle ich mich etwas im Selbstmitleid und verstehe nicht, wieso es gleich zweimal einschlagen musste. Ich gefalle mir selbst auch nicht in dieser Rolle, komme da aber aktuell noch nicht raus. Ich fühle mich dadurch furchtbar einsam. Du hast es auf den Punkt gebracht - die Lebenswelt Gleichaltriger ist eine ganz andere und die, zwar gut gemeinten, Floskeln, haben mich nur mehr verletzt, weshalb ich mich gerade zurück ziehe. Meinst du, man kann das bewältigen und gestärkt daraus gehen? Aktuell fühlt es sich so an, als wird es auf ewig mein "Makel" sein, eine Wunde, die immer wieder aufreißen wird, etwas, das auf ewig fehlen und mich damit auch negativ prägen wird. Ich habe Angst, nie wieder von Grund auf glücklich sein zu können. Ich beneide gleichaltrige Freunde, die "alles" haben und eventuell in der Kindheit eine Katze verloren haben. Ich beneide sie um die Unbekümmert-und Unbeschwertheit. Das werde ich nie wieder erlangen.


    Ich habe die Bestatterin, eine ganz tolle und einfühlsame Frau, bereits auf eine Trauerbegleitung und Trauergruppen angesprochen. Wir haben morgen einen erneuten Termin, wo wir darüber sprechen werden. Ich schaffe das alleine sonst nicht.


    Mein Papa wird morgen früh um 8 übrigens eingeäschert und das privat betriebene Krematorium bietet an, bei er Übergabe in das Feuer dabei sein zu dürfen - die Verstorbenen also wirklich auf ihrem aller letzten Weg zu begleiten. Das werde ich wahr nehmen und so sehr es auch schmerzen wird, freue ich mich, ihm diese Ehre erweisen zu dürfen.


    Hallo Mena,


    du sprichst mir aus der Seele. Auch bei uns lief im Krankenhaus furchtbar viel schief. Ebenso wie bei dir: gereiztes Personal, pflegerische Fehler - mein Papa tat mir so oft leid. Nach der OP war er ja bewegungsunfähig und auf das Personal angewiesen. Nachts kam er teilweise nicht an die Klingel, wenn er klingelte, ließ man ihn eine halbe Stunde warten, ... Ich hatte immer Sorge, dass etwas passiert, niemand zur Stelle sein und er alleine sterben wird.


    Auch die Physiotherapie für sein Bein erfolgte nur sporadisch, etwa alle 2 Tage. Übers Wochenende ist da gar nichts passiert, durch Pfingsten wurde 3 Tage nichts gemacht. Ich frage mich immer mehr, ob das nicht auch etwas mit seinem Tod zu tun hat. Eine Lungenembolie entsteht ja durch einen Thrombus im Bein. Für seine Beweglichkeit und Mobilität wurde kaum etwas gemacht. Hätte er mehr Physiotherapie und Anweisungen erhalten müssen, um die Durchblutung anzuregen und einem Thrombus vorzubeugen? Wir haben (sehr höflich) zweimal darauf hingewiesen, aber wurden nur zurechtgewiesen. Das schmerzt gerade enorm. Unsere Intuition war richtig. Ob es ihm jedoch wirklich geholfen und den Tod verhindert würde bleibt Spekulation.


    Ich verstehe auch, dass es für dich traumatisch war und du kaum darüber reden kannst. Wenn ein so geliebter Mensch so menschenunwürdig behandelt wird, in einem Moment, wo er eigentlich sämtliche medizinische und auch psychologische Unterstützung benötigt ... - das kann man kaum verkraften.


    Liebe Maria Sophie,


    ich danke dir vielmals für deine ausführliche Antwort!

    Ich kann mich in jedem deiner Worte wiederfinden, all das von dir Beschriebene spiegelt meine aktuelle Situation so gut wider.

    Es tut mir leid, dass auch du bereits so jung und leider auch so dramatisch deinen Papa verloren hast, vor Allem, da ihr eine so tolle Bindung zueinander hattet.

    Ich isoliere mich gerade auch komplett - nicht aus bösem Willen, sondern weil ich Kontakte nicht aushalte. Ich höre nur oberflächlich zu, bin kaum in der Lage, den Gesprächen zu folgen und rege mich innerlich über diese Nichtigkeiten auf. Den Freunden bzw. Bekannten nehme ich es nicht übel, sie wissen es nicht besser, aber mich schmerzt es nur zusätzlich.

    Ich fühle mich furchtbar einsam, obwohl ich nicht alleine bin. Aber da niemand mein Schicksal teilen kann, fühlt es sich doch wie Einsamkeit an. Ich spüre auch kein tiefes Bedürfnis, mit Freunden, bis auf wenige Ausnahmen, darüber zu sprechen. Diese Floskeln und vermeintlichen Mutmach-Sprüche kann ich gerade nicht ertragen - das Leben meines Vaters hat für mich mehr bedeutet als "Kopf hoch, das wird wieder."

    Ich frage mich gerade wie ich aus diesem Loch kommen soll, Isolation tut mir auch nicht gut. Darf ich dich fragen, wie dein Freundeskreis mit deinem Rückzug umgegangen ist? Ich habe ein schlechtes Gewissen, aber auch keine Kraft mich dafür zu rechtfertigen, selbst ein kurzer Anruf strengt an.


    Ich danke dir für deinen Tipp mit einer Selbsthilfegruppe. Das habe ich tatsächlich vor. Ich spreche die Tage noch mal mit der Bestatterin und wollte sie um nützliche Hinweise auf etwaige Gruppen bitten. Hast du Selbsthilfegruppen besucht?


    Mit den Flashbacks ergeht es mir genau so - obwohl die selbst in den vergangenen 3 Wochen schon besser geworden sind. Anfangs habe ich rund um die Uhr an seinen Todeskampf, seine Reanimation, seinen letzten Atemzug gedacht. Ich war ja nicht dabei, aber in meiner Fantasie sind üble Bilder entstanden. Aber es wird besser, das macht mir Mut. Auch macht es mir Mut, wenn du sagst, dass es mit der Zeit besser wird.


    Darf ich dich fragen, wie du damals davon erfahren und die ersten Wochen nach dem Tod erlebt/wahrgenommen hast?


    Liebe Grüße!


    Ich danke dir für deine Nachricht!

    Ja, es ist wirklich unfassbar, dass er ausgerechnet gestorben bist, als du in Irland warst. Er hat es sicher so gewollt, um es auch für dich einfacher zu machen. Du bist zwar 10 Jahre älter als ich, dennoch empfinde ich die Last, die du zu tragen hattest, für das Alter enorm. Ich habe mich letztens mit meiner Schulleiterin unterhalten. Sie ist 60, ihr Papa 83. Er hatte auch Krebs und lag vor Kurzem erst aufgrund von Komplikationen auf der ITS. Ich hatte also ihr vollstes Verständnis. Sie merkte an, dass ich noch viel zu jung für solche Probleme sei und sie ihr Alter eher als typisch für derlei Sorgen sieht. Du warst ja auch in den Dreißigern, als dein Papa an Parkinson erkrankte. Das ist eine wirklich furchtbare Erkrankung und vor Pflegeheim oÄ hatte ich immer so große Angst.


    Ich habe in meinem Anfangsbeitrag ja erwähnt, dass ich Parkinson vermutete und letztendlich erleichtert war, dass es der Krebs, der noch dazu so gut zu behandeln ist, war. Das ist auch das Einzige, womit ich mich "rette" : Es ging ganz schnell. Kein Leiden. Luftnot, Panik, Kreislaufzusammenbruch. Höchstens 5 Minuten. Er konnte noch würdevoll sterben.

    Damit will ich aber keinesfalls sagen, dass es dein Papa nicht konnte. Ich denke, dass du dich auch trotz des Pflegeheims hingebungsvoll um ihn gekümmert hast. In den 3,5 Wochen Krankenhausaufenthalt und Bettlägerigkeit habe ich mich so aufopferungsvoll um Papa gekümmert und gespürt, dass es tiefe Liebe war. Keine Hemmschwelle, keine Berührungsängste, reine Selbstverständlichkeit. Diese Liebe hätte ich ihm gerne noch länger gezeigt und mit auf dem Weg gegeben.


    Liebe Mena,


    danke für deine Antwort! Darf ich fragen, wie alt du bist? Wie lange sind deine Eltern bereits tot und wie hast du ihr Ableben verarbeitet?

    Deine letzten Momente mit deinen Eltern klingen - trotz aller Umstände - toll! Du durftest beide noch einmal halten und wie du gesagt hast, begreifen, dass sie nicht mehr leben. Es ist verrückt: Man weiß, dass sie tot sind, der Geist/die Seele bereits woanders ist und dennoch ist es unbeschreiblich wichtig, sie auf diesem Weg begleiten zu können/dürfen. Ich finde es toll, dass du hart geblieben bist und darauf bestanden hast, dass dein Papa nicht verdeckt wird. Auch ich hätte es in dem Moment als furchtbar verletzend empfunden, auch wenn es sicher nicht die Absicht der Polizistin war.


    Ich habe vorhin 2,5 Stunden seine Hand gehalten. Ich hatte eine enorme Angst vor der Begegnung, habe bereits eine Stunde vorher nur gezittert. Er ist ja seit bereits 2,5 Wochen tot und wurde obduziert. Mir war also bewusst, dass er nicht mehr so aussehen wird, wie er ursprünglich aussah. Das Bestattungsinstitut hat es aber ganz wundervoll hinbekommen und ihn dennoch natürlich gehalten, nicht alles überschminkt. Das war mir so wichtig, um begreifen zu können. Und zum Tod gehören auch Liegeflecken. Sein Gesicht war zugegebenermaßen etwas deformiert - wohl ein Relikt der Obduktion, aber es war immer noch mein Papa.

    Anfangs habe ich bitterlich geweint, dann habe ich nur noch tiefe Liebe empfunden. Nach anfänglichem Zögern habe ich auch seine Hand und seine Stirn gehalten, ihn auf die Stirn geküsst und ihn gedrückt. Als alle bereits weg waren, laß ich ihm noch einen Brief vor.


    Ich muss aber auch sagen, dass ich tief in mir gespürt habe, dass er bereits weg war. Es war eine Hülle, mit der Kleidung meines Papas, aber eine Hülle. Da war kein Leben, keine Energie mehr. Auch das hat mir beim Begreifen geholfen.


    Danke, dass du deine Erfahrungen dennoch teilst.

    Dennoch hoffe ich für dich, dass du durch die Aufbahrungen deinen Frieden gefunden hast. Ich höre so oft, dass es wichtig sei.

    Bereits in der Pathologie, 24 Stunden nach seinem Tod, habe ich gespürt, dass er weg ist. Das war er nicht mehr, das war seine Hülle. Ich schätze, das Gefühl wird sich morgen bestätigen/verstärken.


    Würde ich mich als resolut und stark bezeichnen, weiß ich aber auch, dass der nächste Schritt eine Therapie für mich sein muss - anders werde ich mit diesem Schmerz und der Trauer nicht fertig. Auch gibt es so viele Trauergruppen, dazu werde ich die Bestatterin morgen gleich befragen.


    Liebes Muckelchen,


    ich danke dir für die ausführliche Beschreibung deines Papas, als du ihn noch mal gesehen hast. Vor Freunden ist dies eher ein Tabuthema, es wird schnell umgangen - obwohl es genau die Themen sind, die mich seit Tagen beschäftigen. Es hat mich unglaublich geärgert, dass er so lange in der Gerichtsmedizin lag, obwohl die wussten, dass wir ihn noch mal aufbahren wollen. Ich bin nicht naiv und weiß, dass er auch trotz Kühlung und vor Allem nach einer Obduktion nicht wie "er" aussehen wird. Den Abschied benötige ich dennoch. Mein Sohn hat ihm noch ein Bild gezeichnet, ich einen Brief geschrieben - ich will ganz bewusst noch einmal alleine mit ihm sein, seine Hand halten und mit ihm reden. Selbst so "entstellt" (Schlauch und Totenflecken) in der Pathologie habe ich ihn nach anfänglichen Berührungsängsten und Schreiattacken minutenlang im Arm gehalten, seine Stirn geküsst, sein Gesicht gehalten. Er war so kalt. Ich konnte mich gar nicht trennen - ich wollte ihn nicht alleine lassen. Es ist alles so absurd. Ich habe die ganze Pathologie zusammen geschrien. Mittlerweile sind 2,5 Wochen vergangen und ich hoffe, dass ich morgen gefasster agieren kann.


    Wie ich aus deinen Zeilen lese, musstest du nicht nur deinen Papa sondern auch deinen Mann gehen lassen - dabei dürftest du auch erst knapp über 50 sein. Es tut mir unglaublich leid, dass auch dich das Schicksal gleich zweimal getroffen hat. Ich danke dir dafür umso mehr, dass du die Kraft aufbringst, hier zu schreiben und anderen Mut zu machen.


    Ich finde mich in deinen Zeilen so wieder - mein Papa durfte vor 2,5 Jahren noch mal Opa werden und war auch ein super und sehr liebender Opa. Was ihm in den 4 Wochen Klinikaufenthalt tatsächlich Kraft gegeben hat, war mein Sohn. Zur Stabilisierung der Halbwirbelsäule trug er eine Halskrause. Anfangs kamen ihm die Tränen, weil er dadurch so eingeschränkt war und seinen Enkel nicht sehen konnte. Für meinen Sohn tut es mir unheimlich leid, dass er sich vermutlich nie aktiv an den Opa erinnern können wird.


    Liebe Cildie,


    danke für deine aufbauenden Worte!

    Wie oft wünsche ich mir einen klassischen 9-to-5 Job, wo ich mich hinter meinem Schreibtisch verstecken kann.


    An seinem Todestag hatten meine 12er ihre mündliche Prüfung. Es waren meine ersten mündlichen Prüfungen als Fachlehrer. Ich war seit Monaten nervös und aufgeregt. Der Partnerin meines Papas sagte ich, dass sie mich diesen Vormittag bitte nicht anrufen soll, weil mich das sonst durcheinander bringt. Wir haben oft telefoniert, wenn Untersuchungsergebnisse bekannt gegeben wurden. (Wie der Lungen-und Herztest, die beide tadellos waren). Mein Papa starb 08:35; 08:30 gingen die Prüfungen los. Der Oberarzt rief mich erst 15:10 Uhr an, das haben die beiden nach seinem Tod dann so beschlossen. Sicher hätte ich ihn nicht mehr lebendig machen und retten können, aber dass ausgerechnet an diesem Tag ... Ich war nach seinem Tod eine Woche krank geschrieben und gehe seit einer Woche wieder arbeiten. Meine erste Doppelstunde hatte ich in eben jenem Prüfungszimmer. Ist es mir vorher noch nie passiert, musste ich vor meiner Klasse weinen (es ist meine eigene 7. Klasse und es waren nur 2-3 Tränchen), aber diesbezüglich ist unser Job wirklich sehr herausfordernd. Was mir hilft, ist, dass wir uns konzentrieren MÜSSEN. Ich hatte noch die Klassenarbeiten meiner 10err auf dem Tisch liegen - für die 5-6 Stunden habe ich mich "zusammen gerissen" und durchkorrigiert.

    Eine Woche vor seinem Tod ist mir eine Schülerin eben jener 10. Klasse auf der Onkologie über den Weg gelaufen - die werden sich nun auch denken können, weshalb ich in letzter Zeit so oft fehle.


    Ansonsten gebe ich dir vollkommen recht - während des Unterrichts ist man fokussiert. Letzte Woche musste ich dann während der Heimfahrt weinen, weil alles raus musste, was sich angestaut hat. Darf ich fragen, wie alt du bist und wie lang dein Verlust her ist? Wann bist du wieder arbeiten gegangen, war die Schulleitung involviert und hat Rücksicht genommen?

    • Lieber King, ich danke dir für deine wohltuenden Worte! Es tut allgemein sehr gut, all eure lieben Worte zu lesen.
    • Darf ich dich fragen, wie es dir nach dem Tod deiner Mama ergangen ist? Aus deinen Zeilen lese ich, dass ihr Tod noch nicht so lange her. Um meine Mama habe ich damals natürlich auch getrauert - ich war auch schon immer "anders" - ohne, dass ich beschreiben kann, inwiefern. Aber so ein früher Verlust prägt. Um meinen Papa werde ich, denke ich, dennoch anders trauern. Nicht nur, dass wir eine andere Bindung hatten, auch hatten wir uns 20 Jahre länger.

    Hey,


    ich bin kurz nach dem Tod meines Vaters auf dieses Forum gestoßen, lese seit dem fast täglich mit und habe mich nun dazu entschlossen, selbst hier zu schreiben.

    Meine Trauer, meine Gedanken sind gerade so lähmend, dass ich zu kaum etwas in der Lage bin. Ich habe gute Freunde - merke aber, dass ich mich zurückziehe, da keiner auch nur ansatzweise nachvollziehen kann, wie ich mich fühle. Wie sollten sie das auch nachempfinden können.


    Meine Mama starb fast auf den Tag genau vor 20 Jahren. Sie hatte eine unheilbare, neurologische Erkrankung (Trigeminusneuralgie). Ihrem Leiden hat sie nach 6 Jahren selbst ein Ende gesetzt und den Freitod gewählt, der Lokführer tut mir noch heute leid. Ich bin schon sehr zeitig mit dem Thema Trauer und Verlust in Berührung gekommen. Bereits 3-4 Jahre zuvor versuchte sie sich das Leben zu nehmen, erfolglos. Der Tod war dann fast eine Erleichterung, gerade die letzten Monate war sie von den starken Medikamenten dermaßen mitgenommen, dass sie eigentlich den ganzen Tag nur lag. Es sind 20 Jahre vergangen, es ist viel passiert, der Tod ist überwunden. Und eigentlich soll es auch um meinen Papa gehen.


    Er ist vor 3 Wochen 66 Jahre alt geworden, das durfte er noch erleben. Er war zeitlebens fit, seit 1,5 Jahren baute er jedoch merklich ab - er lief wie ein 90-Jähriger, musste sich ständig hinsetzen und eine Pause machen, bewegte sich ganz langsam und bedächtig, konnte meinen Sohn (2,5 Jahre) lediglich ein paar Sekunden auf dem Arm halten, da ihn dann schon die Kräfte verließen. Ich schickte ihn zum Neurologen, der aber auch im Dunkeln tappte. Eine MRT Aufnahme des Kopfes zeigte Durchblutungsstörungen, ein Grund wurde aber nie gefunden. Sein Herz arbeitet wie das eines 30-Jährigen. Man konnte ihm fast monatlich beim Verfall zuschauen. Er ist auch mehrmals gestürzt, hatte schlimme Gelenkschmerzen.

    Anfang Mai dann der Anruf seiner Lebensgefährtin - sie sind in der Notaufnahme, da sein rechtes Bein taub ist. Schlaganfall? Sofortige Überweisung in die Uniklinik und am Ende eine Entwarnung - kein Schlaganfall, aber mehrere Wirbel im Brustwirbelbereich sind angebrochen. Wie zur Hölle bricht man sich aber die Wirbel, wenn kein Unfall oder Ähnliches passiert ist? 4 Tage später wurde er operiert, seine Wirbelsäule stabilisiert (mit sehr langen Nägeln). Dabei war nicht nur der Brustwirbel-sondern vor Allem auch der Halswirbelbereich befallen. Sein Halswirbel war fast völlig "zerfressen" - das erklärte nun auch die ganzen Symptome. Eine Woche später das Ergebnis der histologischen Untersuchung: Blutkrebs, ein multiples Myelom - dieser Krebs befällt das Rückenmark und greift die Knochen an. Zwar schon Stadium 3, aber bei dieser Krebsart tut sich aktuell ungemein viel. Der Oberarzt, eine Koryphäe auf seinem Gebiet, gab ihm 6-8 Jahre, eventuell sogar länger. Großes Aufatmen. Ich war erleichtert, nun endlich zu wissen, was ursächlich für sein Symptome war (ich vermutete ja schon Parkinson) und auch, zu wissen, dass ihm geholfen werden kann. Problematisch war nur, dass er über 3 Woche bettlägerig war. Er konnte sein Bein nach der OP zwar wieder spüren, aber er war so geschwächt (und die Wirbelsäule auch noch zu instabil); sodass er nicht aufstehen konnte. Er bekam täglich 30 Minuten Physiotherapie (Radfahren im Bett, am Rollator laufen), aber er war zu schwach. Die Prognose, dass er wieder laufen können wird, stand aber gut. Ab dem 31.05. erhielt er seine erste Chemogabe, am 01.06. klagte er morgens bei der Visite über Luftnot, sein Puls war ganz niedrig, er bekam Sauerstoff und doch ging alles sehr schnell. 5 Minuten später ist sein Kreislauf zusammengebrochen, er wurde 2 Stunden reanimiert, erfolglos. Laut den Ärzten ein ungünstiges Zusammenspiel verschiedener Faktoren: Die Bettlägerigkeit (die natürlich die Gefahr einer Thrombose und somit Lungenembolie erhöht), die Chemo, die Strapazen der sehr langen OP (6-7 Stunden). Ich durfte ihn einen Tag später in der Pathologie sehen - der Anblick war entsetzlich, er hatte schon Totenflecken, der Tubus steckte noch im Hals. Da sich die Staatsanwaltschaft eingeklinkt hat, durfte nichts verändert werden, deshalb auch der noch vorhandene Schlauch. Ganze 2,5 Wochen haben sie ihn in der Gerichtsmedizin liegen lassen. Nun erfolgte seine Freigabe und ich werde ihn morgen ein letztes Mal, aufgebahrt im Bestattungsinstitut sehen dürfen.


    Ich habe sehr gemischte Gefühle. Ich vermisse meinen Papa unheimlich, ich war immer ein Papakind. Unsere Bindung war etwas unkonventionell. Wir trafen uns abends oft auf ein Bierchen, gingen gemeinsam zu Rock-und Metalkonzerten und sogar zum Wacken Festival gemeinsam. Ich wurde oft beneidet, was für einen "coolen" und lockeren Papa ich habe. Ich leide unheimlich, mir fehlt die Kraft. Ich bin Lehrerin und schleppe mich seit 1 Woche wieder auf Arbeit, der Notenschluss steht an, ich will die KollegInnen nicht hängen lassen. Und immer wieder laufen mir die Tränen und ich habe schlimmer Bilder in meinem Kopf (wie er wohl nach Luft schnappte, die Todesangst, die er gehabt haben muss).

    Auf der anderen Seite bin ich unheimlich dankbar, dass er so schnell sterben durfte - ohne Qualen, ohne Schmerzen, ohne Leiden. Wer weiß, was die Chemo und Bestrahlung mit ihm gemacht hätten. Er war ein sehr stolzer Mann. Wir mussten ihm bei allem assistieren - er konnte nicht mal alleine auf die Toilette. Täglich in den Rollstuhl gehievt. Man sah ihm an, dass es ihm schwer fiel, er wollte nie bedürftig sein.

    Was mir Kraft gibt, ist, dass seine Partnerin und ich täglich dort waren. Vom 07.05. - 31.05. waren wir täglich dort, was für mich mit Arbeit und Kleinkind ein wahrer Balanceakt war. Ich hoffe, das nimmt er mit, dass er geliebt wurde und wir uns um ihn sorgten. Vor seiner Wirbelsäulen-OP hatte er große Angst, er hat den Abend so geweint - ich habe ihn noch nie so weinen sehen. Ich versprach ihm also, direkt am OP Trakt zu warten, egal wie lange die OP auch dauert, nur, damit er weiß, ich bin da. So war es dann auch, er war erleichtert und froh, dass ich sofort zur Stelle war, als er aufwachte.


    Ich weiß, dass der Tod zum Leben dazu gehört, aber ich fühle mich gerade furchtbar einsam. Ich befürchte, dass mich keiner meiner Freunde recht versteht. Ich ziehe mich gerade zurück und fühle mich, als wäre ich nicht Teil dieser Gesellschaft. Mit Mitte 30 keine Eltern mehr, während alle anderen fast wöchentlich ihre Eltern besuchen. Der Neid zerfrisst mich, also ziehe ich mich lieber zurück.


    Es tat ungeheuer gut, meine Gedanken hier nieder zu schreiben. Eventuell gibt es Leidensgenossen, die einen ähnlichen Weg gegangen sind und mir versichern können, dass am Ende doch alles wieder gut wird.


    Liebe Grüße!