Papa kürzlich und unerwartet gestorben, mit 34 keine Eltern mehr

  • Liebe KarenLe,

    diese Angst, die du gespürt hast, hatte ich nicht. Bei uns war es schon immer üblich, noch einmal die Hand eines Toten (inklusive Küsschen auf die Stirn) zu halten. Meine Mutter stammte aus einem kleinen Dorf, in dem es normal war, dass Tote noch 2 Tage zu Hause aufgebahrt wurden und alle Nachbarn und Verwandte vorbei kamen, um sich zu verabschieden.


    Den Tod meines Vaters habe ich recht gut verkraftet. Uns war es klar, dass er sterben musste und er war bis zum Schluss zu Haus. Die Herz-OP, die er damals überstanden hat, war lebensbedrohlich und mehr Experiment als normale OP. Das war uns bewusst. Aber diese OP hat ihm noch einmal das Leben für 2 Jahre geschenkt. Ich war damals so in deinem Alter. Uns haben viele Verwandte begleitet.


    Den Tod meiner Mutter habe ich nicht verkraftet und es wird lange dauern, bzw. ich weiß gar nicht, ob ich es jemals schaffe.

    Wie schon geschrieben, lief im Krankenhaus unfassbar viel schief. Durch Corona-Sperrungen (die es in anderen Krankenhäusern schon nicht mehr gab) konnte ich meine Mutter in ihren letzten drei Lebenswochen nicht begleiten. Ich will es nicht mehr beschreiben, es war einfach nur schlimm. Medizinische Fehler, pflegerische Fehler, juristische Fehler, komplett überfordertes und gereiztes Krankenhauspersonal (nicht alle, es gab auch sehr gute...) haben mich traumatisiert. Anders kann man das nicht nennen.

    Und jetzt muss ich damit klar kommen.


    Mehr mag ich nicht dazu schreiben. Ich bin jetzt kurz vor der 60.



    Liebe Grüße

    Mena

  • Liebe Mena,


    das tut mir unglaublich leid, und ja was Du beschreibst kenne ich allerdings war das ganz am Anfang der Corona Situation aber egal es ist einfach absolut nicht in Ordnung wie man das gemacht hat.


    Soetwas sollte so nie wieder passieren.


    Vlg. Linchen

  • Liebe Linchen,

    nein, so etwas sollte in dieser Form nie wieder passieren. Es war menschenverachtend und hat tiefe Spuren in uns Angehörigen hinterlassen. Ob zu Beginn der Corona Pandemie oder zum Schluss.

    Das lässt nicht mehr los...


    Ich kann mir denken, wie sehr auch dich das Ganze belastet...

    Es war absolut brutal und es ist - natürlich - schon wieder vergessen.


    Zurück bleiben nur wir und unseren Schmerz will niemand hören...


    Liebe Grüße

    Mena

  • Liebe Karen,


    es tut mir furchtbar leid, was dir passiert ist, und ich kann sehr viel von dem was du schreibst nachvollziehen. Mein Vater ist vor 7 Monaten gestorben und ich bin auch erst 26 Jahre alt, alle meine Freunde/Bekannten haben ihre Eltern noch. Zu meinem Vater hatte ich immer ein sehr inniges Verhältnis, zu meiner Mutter leider nicht, was das alles noch schwieriger für mich macht.


    Ich sage dir ganz klar, ich habe mich die ersten 4 Monate komplett sozial isoliert. Ich habe soziale Kontakte mit diesen Gesprächen über meines Erachtens "belangslosen" Themen einfach nicht ausgehalten. Den einzigen Kontakt den ich hatte war zu meinem Mann, der mich einigermaßen verstand. Die Menschen können nicht verstehen, wie es dir geht. Für mich war es das richtige den Kontakt zu all meinen Freundin abzubrechen, jetzt erst langsam fange ich wieder an das zu können, normale Gespräche zu führen und mir diese Gespräche anzuhören, in denen meine Freunde sich über so lächerliche Sachen beschweren. Leider hat keiner meiner Freunde/Bekannte wirklich etwas derartig schlimmes erlebt, daher ist der Kontakt schwierig, aber ich war ja vor dem Tod meines Vaters auch so, ich nehme es ihnen nicht übel.

    Lass dir einfach deine Zeit und tu das wonach du dich fühlst.


    Ich hatte wie du auch teilweise täglich Flashbacks, wenn man es so nennen kann, und Albträume.. Mein Vater hatte Covid und ist auch mit Luftnot gestorben. Da waren dann einige Szenen, wo er noch nicht intubiert war, sehr dramatisch und für mich unerträglich, weil man ihm einfach nicht helfen konnte. Diese ganzen Bilder sind aber mittlerweile immer weniger geworden.


    Die "Symptome" der Trauer wandeln sich. Es dauert einfach,... Gerade habe ich regelmäßig am Tag mit einer extremen Unruhe zu kämpfen, die mich in meinem Tun total lähmt.

    All diese Sachen sind denke ich normal.

    Wichtig ist es die Trauer zuzulassen und auch deinen Empfindungen nachzugehen. Wenn dir gerade der Kontakt mit anderen Leute nicht guttut, dann mach das so.


    Ich wünsche dir alles Gute und Liebe


  • Liebe Maria Sophie,


    ich danke dir vielmals für deine ausführliche Antwort!

    Ich kann mich in jedem deiner Worte wiederfinden, all das von dir Beschriebene spiegelt meine aktuelle Situation so gut wider.

    Es tut mir leid, dass auch du bereits so jung und leider auch so dramatisch deinen Papa verloren hast, vor Allem, da ihr eine so tolle Bindung zueinander hattet.

    Ich isoliere mich gerade auch komplett - nicht aus bösem Willen, sondern weil ich Kontakte nicht aushalte. Ich höre nur oberflächlich zu, bin kaum in der Lage, den Gesprächen zu folgen und rege mich innerlich über diese Nichtigkeiten auf. Den Freunden bzw. Bekannten nehme ich es nicht übel, sie wissen es nicht besser, aber mich schmerzt es nur zusätzlich.

    Ich fühle mich furchtbar einsam, obwohl ich nicht alleine bin. Aber da niemand mein Schicksal teilen kann, fühlt es sich doch wie Einsamkeit an. Ich spüre auch kein tiefes Bedürfnis, mit Freunden, bis auf wenige Ausnahmen, darüber zu sprechen. Diese Floskeln und vermeintlichen Mutmach-Sprüche kann ich gerade nicht ertragen - das Leben meines Vaters hat für mich mehr bedeutet als "Kopf hoch, das wird wieder."

    Ich frage mich gerade wie ich aus diesem Loch kommen soll, Isolation tut mir auch nicht gut. Darf ich dich fragen, wie dein Freundeskreis mit deinem Rückzug umgegangen ist? Ich habe ein schlechtes Gewissen, aber auch keine Kraft mich dafür zu rechtfertigen, selbst ein kurzer Anruf strengt an.


    Ich danke dir für deinen Tipp mit einer Selbsthilfegruppe. Das habe ich tatsächlich vor. Ich spreche die Tage noch mal mit der Bestatterin und wollte sie um nützliche Hinweise auf etwaige Gruppen bitten. Hast du Selbsthilfegruppen besucht?


    Mit den Flashbacks ergeht es mir genau so - obwohl die selbst in den vergangenen 3 Wochen schon besser geworden sind. Anfangs habe ich rund um die Uhr an seinen Todeskampf, seine Reanimation, seinen letzten Atemzug gedacht. Ich war ja nicht dabei, aber in meiner Fantasie sind üble Bilder entstanden. Aber es wird besser, das macht mir Mut. Auch macht es mir Mut, wenn du sagst, dass es mit der Zeit besser wird.


    Darf ich dich fragen, wie du damals davon erfahren und die ersten Wochen nach dem Tod erlebt/wahrgenommen hast?


    Liebe Grüße!


  • Hallo Mena,


    du sprichst mir aus der Seele. Auch bei uns lief im Krankenhaus furchtbar viel schief. Ebenso wie bei dir: gereiztes Personal, pflegerische Fehler - mein Papa tat mir so oft leid. Nach der OP war er ja bewegungsunfähig und auf das Personal angewiesen. Nachts kam er teilweise nicht an die Klingel, wenn er klingelte, ließ man ihn eine halbe Stunde warten, ... Ich hatte immer Sorge, dass etwas passiert, niemand zur Stelle sein und er alleine sterben wird.


    Auch die Physiotherapie für sein Bein erfolgte nur sporadisch, etwa alle 2 Tage. Übers Wochenende ist da gar nichts passiert, durch Pfingsten wurde 3 Tage nichts gemacht. Ich frage mich immer mehr, ob das nicht auch etwas mit seinem Tod zu tun hat. Eine Lungenembolie entsteht ja durch einen Thrombus im Bein. Für seine Beweglichkeit und Mobilität wurde kaum etwas gemacht. Hätte er mehr Physiotherapie und Anweisungen erhalten müssen, um die Durchblutung anzuregen und einem Thrombus vorzubeugen? Wir haben (sehr höflich) zweimal darauf hingewiesen, aber wurden nur zurechtgewiesen. Das schmerzt gerade enorm. Unsere Intuition war richtig. Ob es ihm jedoch wirklich geholfen und den Tod verhindert würde bleibt Spekulation.


    Ich verstehe auch, dass es für dich traumatisch war und du kaum darüber reden kannst. Wenn ein so geliebter Mensch so menschenunwürdig behandelt wird, in einem Moment, wo er eigentlich sämtliche medizinische und auch psychologische Unterstützung benötigt ... - das kann man kaum verkraften.

  • Liebe KarenLe,

    ich habe am Anfang darüber geredet, aber es will niemand hören. Es wird immer noch die Fassade aufrecht erhalten, dass alles funktioniert. Und die Menschen wollen daran glauben, weil es sonst zu viel Angst auslöst. Wir sehen in der Realität eigentlich nur noch Potemkinsche Dörfer.

    Nein, wir können nicht beurteilen, ob der Tod verfrüht eingetreten ist, aber ich hatte (im Nachhinein) in einem Angehörigengespräch im Krankenhaus das Gefühl, dass man Fehler nicht vollkommen abstritt, aber auch nicht zugab. Wie denn auch?

    Es hätte mir persönlich gut getan, wenn jemand gesagt hätte: "Ja, es sind Fehler passiert und es tut uns herzlich leid." Aber das ging nicht, weil Reputation, Karriere, Regressansprüche...

    Es ist einfach schlimm.

    Ich empfehle dir auch, eine persönliche Trauerbegleitung zu suchen, wenn möglich, in Einzelgesprächen. Hospize bieten das manchmal an, auch wenn der Angehörige nicht im Hospiz verstorben ist. Mir hat das sehr geholfen, zumal deine und meine Situation etwas speziell ist. Da gibt es mehr zu besprechen, als einfache Trauer Cafés (obwohl auch diese sehr gut sind) bieten können.

    Und du brauchst (denke ich, ohne dir näher treten zu wollen) persönliche Unterstützung, weil es eben ungewöhnlich ist, in deinem Alter schon beide Elternteile verloren zu haben. Da können Freunde die notwendige Unterstützung nicht leisten, weil ihre Lebenswelt völlig anders ist als deine. Es fehlt ihnen an Lebenserfahrung und Vorstellungskraft. Und sie tun manchmal weh, ohne das zu wollen.


    Liebe Grüße

    Mena


    .


  • Liebe Mena,


    meine Antwort kommt etwas verspätet.

    Ich musste nach deiner letzten Nachricht etwas schlucken und es hat mich zum Nachdenken angeregt. Beziehungsweise hast du bestätigt, was ich mir die ganze Zeit denke und was mir so weh tut - ich habe gar keine Eltern mehr. Ich kenne wirklich niemandem, dem es ähnlich geht. Unterhalte ich mich mit 50-60-Jährigen KollegInnen, erzählen die von ihren Eltern, die bereits Mitte 80 sind und sogar die Enkel noch betreuen können. In solchen Momenten muss ich dann Reißaus nehmen, weil ich einen dicken Kloß im Hals habe.

    Ich wünsche mein Schicksal niemandem und ich weiß, dass jeder ein Päckchen, wie auch immer geartet, mit sich herum schleppt, aber aktuell suhle ich mich etwas im Selbstmitleid und verstehe nicht, wieso es gleich zweimal einschlagen musste. Ich gefalle mir selbst auch nicht in dieser Rolle, komme da aber aktuell noch nicht raus. Ich fühle mich dadurch furchtbar einsam. Du hast es auf den Punkt gebracht - die Lebenswelt Gleichaltriger ist eine ganz andere und die, zwar gut gemeinten, Floskeln, haben mich nur mehr verletzt, weshalb ich mich gerade zurück ziehe. Meinst du, man kann das bewältigen und gestärkt daraus gehen? Aktuell fühlt es sich so an, als wird es auf ewig mein "Makel" sein, eine Wunde, die immer wieder aufreißen wird, etwas, das auf ewig fehlen und mich damit auch negativ prägen wird. Ich habe Angst, nie wieder von Grund auf glücklich sein zu können. Ich beneide gleichaltrige Freunde, die "alles" haben und eventuell in der Kindheit eine Katze verloren haben. Ich beneide sie um die Unbekümmert-und Unbeschwertheit. Das werde ich nie wieder erlangen.


    Ich habe die Bestatterin, eine ganz tolle und einfühlsame Frau, bereits auf eine Trauerbegleitung und Trauergruppen angesprochen. Wir haben morgen einen erneuten Termin, wo wir darüber sprechen werden. Ich schaffe das alleine sonst nicht.


    Mein Papa wird morgen früh um 8 übrigens eingeäschert und das privat betriebene Krematorium bietet an, bei er Übergabe in das Feuer dabei sein zu dürfen - die Verstorbenen also wirklich auf ihrem aller letzten Weg zu begleiten. Das werde ich wahr nehmen und so sehr es auch schmerzen wird, freue ich mich, ihm diese Ehre erweisen zu dürfen.

  • Liebe KarenLe


    ich wünsche dir für deinen morgigen Termin ganz viel Kraft. :30:


    Ich habe es anfangs auch wie einen Makel, ein ungewolltes anders sein, empfunden. Das geht mir jetzt, beim Tod meines Mannes auch wieder so.

    Im Hinblick auf den Tod meines Vaters würde ich aber im Nachhinein sagen, dass ich durch den Verlust unabhängiger und stärker geworden bin. Und es gibt viele Menschen, die einen Elternteil verloren haben, manchmal sogar beide. Vielleicht werden sie dir nun mehr begegnen?

    Es wird ein anderes Leben, mit Narben, die immer wieder mal schmerzen, aber es ist trotzdem schön. Ich habe meinen Mann drei Jahre nach Tod meines Vaters kennengelernt. Sie hatten viel gemeinsam.


    Für mich waren immer meine Mutter und mein Mann meine Bezugspersonen. Meine Mutter wurde vor sechs Jahren dement und starb vor 2,5 Jahren. Da hatte ich noch meinen Mann, der mir durch die Zeit half. Jetzt fühle ich mich auch allein, ohne einen Menschen, zu dem ich immer gehen kann, dem ich alles anvertrauen mag.


    Ich schau mal, wo mich dieser Weg nun hinführt. Ich habe das Gefühl, mich erstmal neu kennenlernen zu müssen, um zu entscheiden, was gut für mich ist, so allein. Aber ich merke auch, dass ich ganz schön stark bin. Stärker als ich dachte. Diese Stärke möchte ich nicht wieder verlieren.

  • Liebe KarenLe


    Ich habe mit 43 leider keine Eltern mehr.
    Mein Vater starb als ich 39 war.


    Allerdings kenne ich im Unterschied zu dir auch Bekannte bzw. Freunde die ihre Eltern doch relativ früh (z.B. mit gerade mal 30) verloren haben.
    So selten meine ich ist das nun auch nicht.
    Allerdings haben viele doch noch beide Eltern oder einen Elternteil; stimmt.

    Weisst du mir ging es als Kind so dass ich kaum jemanden kannte der gar keine lebenden Grosseltern mehr hatte.

    Meine waren bereits alle verstorben als ich vier Jahre alt war. So alt sind sie nicht geworden.


    Manchmal höre und lese ich von Manchen die noch in meinem Alter Grosseltern habe.
    Auch bei mir bildet sich da manchmal ein Kloss im Hals.


    Zuweilen verlieren Menschen in deinem bzw. meinen Alter erst ihre Grosseltern.
    Alles im Bereich des Möglichen.


    Habe auch keine Eltern mehr - geschweige denn Grosseltern.


    Bin kein Mensch der schwarzen Neid empfindet bzw. empfinden möchte.
    Was ich empfinde (vielleicht du auch) ist allenfalls weisser Neid.
    Man gönnt von Herzen - hätte es aber auch gerne.
    Da verstehe ich dich gut.


    Und weisst du alles ändert auch nicht am persönlichen Schmerz bzw. Verlust.


    Morgen wird ein schwerer Tag für dich sein.
    Aber ich freue mich dass du für dich entschieden hast deinem Papa so die letzte Ehre zu erweisen.


    Selber hätte ich es nicht gewollt / gekonnt.

    So verschieden und individuell ist es.

    Bei mir war der (letzte) Abschied vorher und dieser Gang war alles andere als leicht.


    LG
    King

  • Hallo Karen,

    ich hab leider keine Selbsthilfegruppe oder Trauerbegleitung in Anspruch genommen zu der Zeit, im Nachhinein bereue ich das. Ich war aber zu dem Zeitpunkt schwanger und die ersten 4 Wochen nach dem Tod hab ich alles komplett verdrängt, mir ging es relativ "gut". Dann kam alles hoch mit den Albträumen und den unerträglichen Gefühlen etc. da war ich schon hochschwanger und es wäre ziemlich beschwerlich gewesen zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen, ich hatte nur meinen Mann der mir etwas geholfen hat.

    Eine Trauerbegleitung ist denke ich extrem hilfreich und wichtig, ich denke gerade auch darüber nach mir jetzt noch eine zu suchen 8 Monate danach, aber es ist schwierig mit kleinem Baby...


    Ich war sehr oft bei meinem Vater als er noch wach war im Krankenhaus und dann die 3 Wochen im Koma, als er starb war ich auch dabei. Bei der Geburt meiner Tochter waren die Flashbacks und Albträume dann am schlimmsten als ich selbst im Krankenhaus war, ich hatte dann auch noch einen Notkaiserschnitt und meine Tochter war 2 Wochen auf der Frühchenstation. Das hat alles noch mehr verschlimmert. Ich versinke genauso wie du total in Selbstmitleid, ich versuche positiv zu bleiben und das alles nicht zu dramatisieren, aber ich schaffe es nicht, ich habe das Gefühl, das was ich erlebt habe ist ein einziger Albtraum, der mich für immer verfolgt.

    Die Gespräche von Kolleginnen die ihre Eltern und dazu noch Großeltern haben kenne ich auch zu gut. Ich weiß noch, das war 6 Wochen nach dem Tod meines Vaters, da hatten wir ein Frühstück mit den Kolleginnen, und es ging natürlich wieder um die Eltern bzw. Die Väter, was die so gerne kochen oder was weiß ich, ich glaub ich hab da abgeschaltet. Die eine Kollegin Mitte 50 hat erzählt, wie sie ihre Mutter im Sterbebett begleitet hat.. toll..

    ja das ist schlimm, aber wieso muss ich das bei meinem Vater mit 26 machen ?


    Freundinnen von mir, die alle noch ihre Eltern und Großeltern haben und auch gerne über diese sprechen (zumindest war das beim.letzten Treffen vor 3 Wochen so...), wollen mich jetzt am Wochenende besuchen. Ich möchte es einfach nicht bzw. fällt es mir schwer. Ich kenne niemanden der ein Elternteil verloren hat der ansatzweise in meinem Alter ist. Für dich ist es ja sogar noch schlimmer. Ich hab das Gefühl niemand kann oder wird meine Situation nachvollziehen können. Und mir geht es auch so wie dir, ich beneide diese Leute auch, deren Unbeschwertheit, ich weiß noch wie sich das Leben davor angefühlt hat. Ich hatte immer das Gefühl "es wird schon alles gut" und mir kann nichts schlimmes passieren. Das ist jetzt komplett weg.


    Naja, in den letzten 3 Tagen bin ich leider wieder in einer extrem schlimmen Phase.

    Ich versuche wieder positiv zu bleiben, das alles nicht so zu dramatisieren.

    Tut mir leid, dass das alles gerade so negativ wirkt, aber wenn ich objektiv darüber nachdenke jetzt nach 8 Monaten werden die schlimmen Phasen weniger und ich konnte mich in den letzten Wochen auch schon wieder mit Freunden einigermaßen normal treffen, die bisher kein Schicksalsschlag hatten.

    Gerade ist es aber wieder schwierig, ich hoffe wirklich, die Trauerbegleitung hilft dir.


    Es wird besser, das muss ich mir selbst noch immer wieder sagen leider:(

  • Liebe KarenLe,

    jetzt antworte ich verspätet. Ich hoffe, du hast den gestrigen sehr schweren Tag einigermaßen gut überstanden.


    Meinst du, man kann das bewältigen und gestärkt daraus gehen?

    Ich denke, die völlige Unbeschwertheit und die Naivität der sorglosen Jugend kommen nicht mehr zurück. Dennoch wird es deutlich besser und es wird wieder sehr sorglose, sehr fröhliche Tage geben, aber das daúert.


    Auf jeden Fall kann man es auf lange Sicht bewältigen, auch wenn es sich aktuell für dich nicht so anfühlt. Meine Mutter ist vor 1,5 Jahren verstorben, anfangs hat es, egal, was ich getan habe, keine einzige Sekunde gegeben, in der ich nicht an sie gedacht habe. Jetzt gibt es manchmal ganze Tage zwischendurch, an denen ich auch mal nicht an sie denke und wieder die positive Seite des Lebens genießen kann. Ich lese auch nicht mehr ständig im Trauerforum, deshalb die Verspätung.


    Gestärkt? Nein, das glaube ich nicht. Was soll an einem schweren Verlust stärken?

    Man sagt so oft, dass man aus einer schwierigen Situation, die man gemeistert hat, gestärkt hervorgeht, aber ich denke, das gilt eher für andere Dinge oder Situationen. Nein, ich glaube nicht, dass ein Schicksalsschlag stärkt.


    Vielleicht lenkt so ein Schlag das eigene Leben in eine andere Richtung. Ich denke viel bewusster darüber nach, was ich will und was ich tun kann, denn das hat mich die Erfahrung gelehrt: Alles kann sehr schnell vorbei sein. Bestimmte Dinge sind für mich deutlich weniger wichtig als früher, andere sind mehr in den Vordergrund gerückt.


    Mehr kann ich dir im Moment nicht dazu schreiben, denn ich bin ja selbst noch mittendrin. Es ist und bleibt ein langer Weg.



    Liebe Grüße

    Mena


  • Hallo Mena,


    danke, dass du dir die Zeit genommen hast, auf meinen Beitrag zu antworten.


    Aktuell denke ich auch noch rund um die Uhr an ihn. Wenn es mal ein paar wenige Sekunden gibt, wo ich (durch Arbeit zB) doch abgelenkt bin, werden meine Gedanken danach sofort wieder auf ihn gelenkt, was mir dann immer wieder erneut einen kleinen Stich versetzt. Kurze Unbekümmertheit - der Gedanke an ihn - und schwupps ... ist er wieder da, der Schmerz, die Erkenntnis, dass ich ohne Papa bin, dass ich ihn nie wieder sehen/hören/umarmen etc. werde. Ich bin aber zuversichtlich und denke auch, dass es tendenziell nur besser werden kann.


    Mit gestärkt meinte ich, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt zum Beispiel merke, dass ich viel mehr über den Dingen stehe, mich nicht so schnell aus der Bahn bringen lasse, die Zuversicht habe, dass alles wieder gut werden kann. Ich denke, wenn man einmal so einen schlimmen Schicksalsschlag erlebt hat, entwickelt man eine Resilienz, die einem auch niemand mehr nehmen kann. Aber das dauert. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich aber gerne darauf verzichten und lieber etwas naiver/unbekümmerter durchs Leben schreiten.


  • Danke Marie Sophie, für deine Worte.

    Es ist überhaupt nicht schlimm, dass dein Beitrag negativ angehaucht ist - es sind eben deine Gefühle und deine Art, damit umzugehen. Das steht dir zu und ist ehrlich. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Situation sich mit kleinem Baby noch mal anders darstellt. Ich weiß, dass ich bei der Geburt meines Sohnes in ein richtiges Loch gefallen bin, weil die Sache mit meiner Mama wieder hochkochte, als ich dann selbst Mama wurde. Ich habe eine regelrechte Wochenbettdepression entwickelt. Ich hoffe, dass dies bei dir nicht passiert.


    Ansonsten kann ich deine Gedanken absolut nachvollziehen. Ich versuche auch nicht zu dramatisieren - aber realistisch betrachtet ist es ein Drama. Du hast schon recht: die KollegInnen, die meine Eltern sein könnten, berichten von ihren kranken oder auch gesunden Eltern. Ich denke, es ist natürlich und normal, dass da Gedanken wie "Warum ich?" aufkommen. Bei mir ja sogar bereits zweimal. Das macht einsam, weil keiner meiner Freunde meine Gedanken je richtig nachvollziehen werden kann. Ich weiß, dass sie es nicht böse meinen und es eher auf ihre Unbedachtheit zurückzuführen ist, aber Sprüche wie "Heute kann ich nicht, ich gehe zu meinen Eltern." tun mir noch enorm weh. Ich würde auch so gerne. Aus diesem Grund meide ich besagte Freunde noch.


    Ich merke also, wie ich mich immer weiter zurückziehe und alles mit mir selber ausmache oder mit wenigen Freunden bespreche. Ich will mich auch nicht ständig erklären oder rechtfertigen müssen, das kostet zu viel Kraft.


    Dir wünsche und rate ich, dir eventuell doch noch eine Trauerbegleitung zu suchen. Durch den Tod mit meiner Mama weiß ich, dass der Verlust immer wieder neu aufkommen kann. Der Schmerz verändert sich, aber es ploppt immer mal wieder auf, wenn man da nicht rechtzeitig etwas dagegen unternimmt.


  • Danke liebes Muckelchen, für deine Worte.

    Dein Verlust tut mir unheimlich leid - du musstest auch bereits viel verkraften und durchleben. Darf ich fragen, wie alt du bist und woran dein Mann gestorben ist? Es tut mir auch unfassbar leid, dass deine Mama dement wurde. Ich befürchtete bei meinem Papa ja zuerst Demenz oder Parkinson, habe mich mit den Krankheitsbildern beschäftigt und eine unheimliche Angst bekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es sein muss, einen geliebten Menschen, der immer mehr abbaut und der immer weniger er selbst ist, über Jahre zu begleiten. Ein Abschied auf Raten. Vielleicht erzählst du mir, wie es sich angefühlt hat, als sie dann schließlich starb?!


    Ich denke ich weiß, was du mit dieser "Stärke" meinst. So habe ich mich vor dem Tod meines Papas auch gefühlt. Durch den Tod meiner Mama habe ich eine Resilienz entwickelt, die mich so manchen Sturm im Leben hat ertragen und besser durchleben lassen. Davon spüre ich aktuell nicht so viel, aber es wird wieder kommen, hoffe ich.


    Du hast mich auf den Termin der Einäscherung angesprochen und mit viel Kraft gewünscht.

    Ich habe es als ganz friedlich und richtig empfunden. Es gab allerdings leider einen kleinen "Zwischenfall".

    Er wurde mir vorher noch mal kurz in die Trauerhalle gestellt, damit ich mich noch mal verabschieden kann. Ich wollte, dass der Deckel geschlossen bleibt - ich wollte ihn so in Erinnerung behalten wie bei der Aufbahrung eine Woche zuvor. Uns wurde auch versichert, dass er genau so wie bei der Aufbahrung verbrannt wird - in seiner Lieblingskleidung, zugedeckt, seine Hände gefaltet und beschützend auf unseren Bildern und Briefen liegend.

    Als ich also neben dem Sarg saß und noch viel Zeit hatte, habe ich den Deckel ein paar wenige Zentimeter geöffnet um zu schauen, wo der Kopf liegt. Den Kopf/das Gesicht selbst wollte ich nicht noch mal sehen, aber ich wusste ja, wie das Kissen aussah, wie seine Arme lagen ...

    Naja, dann der Schock: Er lag komplett nackt drin. Mich blitzte ein nackter Arm mit riesen Narbe (sie haben bei der Obduktion wohl auch die Armvenen untersucht) an. Die Hose war bis zu den Kniekehlen heruntergezogen.

    Ich kann es mir richtig gut vorstellen - bei der 2. Leichenschau kam der Rechtmediziner, hat ihn lieblos ausgezogen, ihn "untersucht" und Deckel drauf.


    Ich hatte am Nachmittag dann den Termin im Bestattungsinstitut - die Bestatterin war außer sich: Eine 2. Leichenschau hätte es nicht geben müssen, er wurde ja bereits von einem Rechtsmediziner im Rahmen der Obduktion untersucht. Und selbst wenn, hätten sie ihn wieder anziehen müssen - so pietät-und würdevoll, wie er auch vom Bestattungsinstitut an das Krematorium übergeben wurde. Sie rief sofort im Krematorium an: Es tat ihnen leid, aber die betrieblichen Regelungen sehen vor, jede Leiche noch einmal zu untersuchen (was völliger Quatsch ist, weil das Gesetz ausdrücklich sagt, dass man bei einer Obduktion keine 2. Leichenschau mehr machen muss. Ich meine, er wurde ja bereits mehrfach aufgeschnitten, Organe entnommen, die Schädeldecke geöffnet, ... was soll nun ein 3. Rechtsmediziner im Krematorium da für neue Erkenntnisse erlangen?!). Angezogen haben sie ihn nicht mehr, weil ich ja betonte, dass ich ihn nicht noch mal sehen möchte. Da war ich etwas fassungslos: ihn wieder einzukleiden sollte eine Selbstverständlichkeit sein, aus Respekt vor meinem Papa - egal, ob ich noch mal rein schauen will oder nicht.


    Ich war dann froh, als er dem Feuer übergeben wurde (und durfte auch dabei sein), ich wollte nicht, dass er so würde-und lieblos da drin liegen muss.


    Ich würde sagen, blöd gelaufen. :(

  • Liebe KarenLe,

    das hat nichts mit Rechtsmedizin zu tun. Das ist einfach absolut pietätlos!


    Ich glaube, die Bestatterin hat für dich die notwendige Wut entwickelt und es ist sehr gut, dass sie dort angerufen hat.

    Ich bin froh, dass du damit einigermaßen umgehen kannst.


    Nein, das ist nicht blöd gelaufen, das ist völlig daneben. Und ich wünsche mir sehr, dass du es irgendwann durch eine würdevolle und schöne Bestattung vergessen kannst.


    Bei weitem nicht so schlimm, aber ähnlich ist es einer Verwandten von mir passiert. Ihr Vater ist im Pflegeheim verstorben und die Pflegerinnen haben ihm doch tatsächlich kein Hemd, sondern ein Mickey-Maus T-shirt als Kleidungsstück für den Sarg mitgegeben.


    Liebe Grüße

    Mena

  • KarenLe


    Liebe KarenLe,


    dein Erlebnis im Krematorium ist erschreckend. Vielleicht stumpft man ab, wenn man tagtäglich mit dem Tod zu tun hat. Aber ich empfinde es als mangelnden Respekt vor dem Verstorbenen. Wer auch immer das zu verantworten hat, hätte sicherlich bei seinen eigenen Angehörigen nicht so gehandelt!! Unglaublich, mit welchen Erlebnissen man auf einmal konfrontiert wird, oder?!!! Alles Dinge, die man noch zusätzlich verarbeiten muss.


    Dass du dich im Moment nicht stark fühlst ist verständlich. Ich denke, es wird mit der Zeit wieder kommen. Was du erzählst wirkt auch mich auch jetzt sehr stark.


    Ich bin Anfang fünfzig. Mein Mann ist am plötzlichen Herztod gestorben. Wir waren grad dabei mein Elternhaus zu renovieren. Da wollten wir demnächst eigentlich einziehen. Unser Sohn hat ihn durch das Fenster auf dem Boden liegen sehen und konnte nicht zu ihm rein. Er hat mich ganz panisch auf der Arbeit angerufen. Mein Mann war da vermutlich schon tot. Der Notarzt sagte zu mir, dass es wohl ganz schnell gegangen sein muss. Mein Sohn musste da vorm Fenster stehen und hatte nur den Menschen aus der Leitstelle am Telefon, weil ich ne halbe Stunde bis nach Hause brauchte. Er ist fünfzehn.


    Meine Mutter mochte die letzten Monate vor ihrem Tod immer weniger gern noch aufstehen. Dann hatte sie einen Schlaganfall und lag drei Tage im Sterben. Für sie war es gut, dass sie gehen konnte, bevor die Demenz ihr noch mehr wegnahm. Es fiel ihr schon immer schwerer noch einen Löffel zu halten. Sie hatte immer Angst vor einer Demenz. Ich habe schon vor ihrem Tod manchmal Trauer empfunden, wenn wieder etwas von ihrem Wesen verloren gegangen war. Es war tatsächlich ein Abschied auf Raten. Ihr Tod war sehr traurig für mich. Aber es war auch okay, dass sie gehen konnte. Das war kein Leben, das sie gerne wollte. Das erste Jahr war ich oft traurig, dann wurde es besser.


  • Liebe Mena, ich melde mich leider jetzt erst.

    Ich wollte aber gerne noch auf deinen Beitrag antworten, über den ich schon damals fassungslos war, als ich ihn laß.

    Ein Mickey-Maus T-Shirt? Wenn es nicht so makaber wäre, ... Konnte deine Verwandte denn noch rechtzeitig eingreifen?