Hallo Ihr Lieben!
Ich nehme mir jetzt mal wieder ein paar Minuten, um Euch über den neuesten Stand zu informieren. Ich freue mich, dass Ihr mir immer noch zur Seite steht und auch - trotz meiner längeren Abwesenheit hier im Forum - in diesem Thread postet.
Im Großen und Ganzen hat sich nicht viel getan. Ich habe seit dem Telefonat mit A. nichts mehr von ihr gehört. Dafür habe ich letzte Woche A.'s Schwester angerufen, um anzufragen, wie es ihr geht. Wir haben ca. 1 1/2 Stunden telefoniert. Danach war ich irgendwie innerlich zerrissen. Ich freute mich, dass A. ihren Weg weiter geht, war aber auch unendlich traurig zu hören, dass es ihr natürlich zeitweise sehr sehr schlecht geht. Aber wir alle wissen ja, dass der Weg aus dem tiefen Tal sehr weit und sehr steinig ist. A.'s Schwester hat ihren gesamten Sommerurlaub bei A. in München verbracht. Ich denke, dass war sehr wichtig für A. Schließlich hat sie genau zu dieser Zeit wieder begonnen, in die Arbeit zu gehen. Dies hatte zur Folge, dass sie auch wieder in der Wohnung leben musste, was sie bis dahin erfolgreich vermieden hatte. Durch die Anwesenheit ihrer Schwester fiel es ihr zwar schwer (vor allem in der ersten Nacht), war aber dadurch, dass sie nicht alleine war, erträglich. A.'s Schwester hat mir erzählt, dass A. sich mittlerweile vom Arzt hat Tabletten verschreiben lassen. A.'s Schwester ist davon nicht sonderlich begeistert, fürchtet sie doch, dass A. damit ihre Trauer unterdrückt und beim Ausschleichen der Medikation in ein tiefes Loch fallen würde. Ich bin der Meinung, dass sie - sollte es ihr derzeit helfen - die zur Verfügung stehenden Mittel in Anspruch nehmen soll. Die Situation ist schwer genug; es ist nicht nötig, es sich unerträglicher als notwendig zu machen. Und nachdem es entsprechende Medikamente sowieso nur auf Rezept gibt, ist eine "Kontrolle" durch den Arzt gegeben. Dementsprechend finde ich die Tabletteneinnahme verständlich und natürlich auch vertretbar. Wichtiger finde ich, dass A. den Wiedereinstieg in einen geregelten Alltag mittels Arbeitsaufnahme geschafft hat. Dadurch, dass sie jetzt wieder ganztägig in die Arbeit geht (die ihr übrigens immer viel Spaß gemacht hat), ist sie zeitlich begrenzt auch mit anderen Dingen beschäftigt.
Gleichbleibend ist ihre Einstellung mir und meinem Freund gegenüber. Sie redet mir ihrer Schwester oft über mich. Das sagt mir, sie hat mich nicht "vergessen". Irmi gegenüber (A.'s Schwester) spricht sie darüber, dass es ihr sehr schwer fällt, mit uns in Kontakt zu treten. Als sie uns - kurz nach der Beerdigung - besuchte, war das nach D.'s Tod der schlimmste Tag für sie. Sie fühlte durch unsere Anwesenheit den extremen Verlust noch tiefer. Unser Anblick erinnert sie daran, wie eng wir mit D. verbunden waren; es weckt Erinnerungen an schöne Stunden, die wir gemeinsam verbracht haben. Aber noch trösten sie die Gedanken an die Vergangenheit nicht. Noch reißt es die tiefe Wunde weiter auf und reißt ihr den Boden unter den Füßen weg. Außerdem hat sie Angst, ich würde über D. reden. Momentan ist sie einer "Phase", in der sie wenig bis gar nicht über D. reden möchte. Für mich ist jedoch klar, dass A. das Tempo vorgibt. Sie wird auf mich zukommen, wenn sie sich in der Lage dazu fühlt. Und wenn es soweit ist, wird sie "bestimmen" über was wir sprechen. Wenn ich durch meine Erfahrungen mit meiner Tante (die ihre Tochter verloren hatte) etwas gelernt habe, dann dass die Trauernden sprechen, wenn es ihnen ein Bedürfnis ist. Ich habe bei meiner Tante oft gesehen, wie sehr es sie getroffen hat, wenn andere gedankenlos Dinge angesprochen haben, die lieber nicht gesagt worden wären. Außerdem empfand ich beim Tod meiner Oma ähnlich. Ich bin den Menschen in meiner Umgebung aus dem Weg gegangen aus Angst, sie könnten mich auf den Tod meiner Oma ansprechen. Ich wollte weder gefragt werden, wie es mir ging, noch erzählen, was passiert ist.
Für mich war wichtig, dass A. uns nicht "vergessen" hat. Die Telefonate mit Irmi (die wir seit D.'s Tod regelmäßig führen) helfen mir sehr. Irmi ist eine Seele von Mensch. Sie hat ein extrem feines Gespür für A. und ihre Bedürfnisse. Irmi hat mir erzählt, dass auch sie selbst Angst hatte, ihre Schwester "verloren" zu haben. Sie hätten schon immer eine besonders enge Bindung gehabt (sie wohnten über Jahre zusammen). Und als D. gestorben war und A. der Boden unter den Füßen weggerissen wurde, dachte Irmi, sie würde nie wieder das Lachen von A. oder ihre herrischen Kommandos (die zu A. gehören wie der Topf auf den Deckel) hören. Es tat ihr körperlich weh, ihre kleine Schwester so zu sehen. Aber es stellte sich schnell heraus, dass Irmi immer noch den "Große-Schwester-Draht" zu ihr hat. Irmi ist so einfühlsam, dass sie stets weiß, wann sie was sagen, schweigen, zuhören oder agieren soll. Und weil Irmi mich auch schon Jahre lang kennt, hat sie wohl schnell gemerkt, dass ich Angst habe, A. könnte sich von mir abwenden. Irmi hat mir erzählt, dass A. ganz oft und regelmäßig von mir bzw. uns spricht und sich vorgenommen hat, langsam aber zielstrebig die ersten Schritte in unsere Richtung zu machen. Den ersten hatte sie mit ihrem Anruf vor ein paar Wochen gemacht. Irmi hat mir auch erzählt, dass A. ihr den Briefumschlag mit meiner Karte, die ich ihr geschrieben hatte, gezeigt hatte, sie Irmi aber nicht darin lesen ließ sondern sagte, sie würde sie später lesen, wenn sie allein wäre; sie wolle dazu Ruhe haben. Ich bin voller Hoffnung, dass wir eines Tages wieder beisammen sitzen und das Zugehörigkeitsgefühl, dass wir immer füreinander empfanden, sich zeigt um uns zu sagen, dass wir im Hier und Jetzt und in der Zukunft füreinander da sind, da waren und immer da sein werden. Zu wissen, dass Irmi und alle anderen Familienmitglieder A. so stark und in jeder erdenklichen Weise unterstützen beruhigt mich.
Durch den ganzen Stress habe ich mein Fernstudium, von dem ich Euch berichtete, ziemlich schleifen lassen. Ich hatte ganz arg zu kämpfen, die Abgabetermine für meine Arbeiten einzuhalten. Ich hab mir die Arbeiten regelrecht abgerungen, was mich regelmäßig extrem erschöpft hat. Aber ich konnte alle Arbeiten bis zum gesetzten Termin abgeben. Ich war skeptisch, weil ich psychisch so stark unter Druck stehe bzw. stand und rechnete damit, das Studium aufgrund unzureichender Leistungen abbrechen zu müssen. Eigentlich hatte ich mich mit dem Gedanken, das Fernstudium hinzuschmeißen echt angefreundet. Und wenn meine Noten entsprechend schwach wären, könnte ich - ohne schlechtes Gewissen - die Sache endlich beenden. Und jetzt kommt's: ich habe meine Ergebniss vor 2 Wochen erhalten. Und stellt Euch vor, ich habe alle Klausuren gut bestanden (1,0, 2,0 und 2,7). Jetzt kann ich das natürlich nicht hinschmeißen. Ich bin immer noch irritiert, wie ich in so einer Situation solche Leistungen erbringen konnte. Ist mir unerklärlich. Denn eine gute Note hätte bedeutet, dass ein blindes Huhn auch mal ein Korn findet; aber 3? Naja, das heißt also, dass ich mich am 14.09. für eine Woche nach Berlin an die Technische Universität begeben muss, um an einer Präsenzphase teilzunehmen. Am Ende dieser Woche muss ich zwei Klausuren vor Ort schreiben; und ich habe da große Bedenken, ob ich das einigermaßen hinkriege. Immerhin habe ich durch die schweren Schicksalsschläge meine Pflichten arg vernachlässigt. Drückt mir die Daumen, dass ich das einigermaßen hinbekomme.
Ich melde mich wieder, wenn ich zurück bin!
Fühlt auch ganz sacht von mir gedrückt!
Dani