Lieber Loius und alle, die hier trösten,
es tut mir so leid, dass auch du, Lois, diese schreckliche Erfahrungen machen musstest. Unfassbar, er schien sein Leben doch ganz gut im Griff zu haben und dann das... Mein Sohn wohnte ja ziemlich weit entfernt von uns, wir könnten ihn nicht eben mal besuchen. Und wenn wir bei ihm waren, ist uns nichts aufgefallen. Wir sind erst stutzig geworden, als er vor etwa 1 1/2 Jahren ständig anrief, weil er glaubte, bedroht oder gestalkt zu werden. Er glaubte, jemand stünde bewaffnet vor seiner Tür, jemand habe sein WhatsApp-Konto übernommen oder eine versteckte Kamera installiert. Wir waren einerseits belustigt aber auch geschockt, weil er wirklich ernst klang. Dass es Psychosen waren, hervorgerufen durch den Kokain Konsum, darauf wären wir nie im Leben gekommen. Da das alles schon kurze Zeit später kein Thema mehr war, haben wir das als eine komische Episode abgehakt. Wir waren immer naiv, haben nie gedacht, dass er drogenabhängig ist. Erst vor etwa einem Jahr hat er erzählt, dass er Kokain genommen habe und ohne Medikamente nicht mehr schlafen konnte und abhängig sei. Ich wollte zu ihm nach Berlin fahren, hatte aber immer Angst davor, weil er sehr abweisend und verletzend sein konnte. Wir hatten ja jede Woche ein Zoom-Meeting, wo wir immer wieder unsere Hilfe angeboten haben und ihm Mut gemacht haben, sich auch vor Ort Hilfe zu suchen. Das hat er wohl auch gemacht, aber ich denke, eher halbherzig. Der echte Wille fehlte, so hat er einen stationären Entzug nach 2 Tagen abgebrochen. Ich bin trotzdem nicht zu ihm gefahren. Deswegen habe ich jetzt so große Schuldgefühle, weil ich glaube, nicht alles getan zu haben. Ich wollte ihn sogar dazu überreden, mit mir irgendwohin, weit weg zu fahren und erst wieder zurück zu kommen, wenn "alles gut ist". Heute war ein schlimmer Tag, habe nur geweint und versucht, die Beerdigung zu organisieren. Das alles kostet unendlich viel Kraft. Es kommen natürlich auch solche Gedanken "warum Yannik und nicht ich", da kommt mir, wenn ich auf den Bahnübergang zukomme, solch ein Gedanke "einfach auf den Gleisen stehenbleiben... ' Aber ich will leben, denn ich habe noch eine sehr liebe Tochter und einen sehr lieben Lebensgefährten. Ihnen will ich das ersparen, das haben sie nicht verdient. Meine Tochter ist leider seit ihrem 16. Lebensjahr magersüchtig, auch hier bin ich durch die Hölle gegangen. Sie hat überlebt, aber immer noch kämpft sie gegen die Erkrankung (sie ist jetzt 30 Jahre alt). Mein Sohn war nie das Sorgenkind, erst als er erwachsen war.