Guten Morgen,
es ist Samstag. So ungefähr um diese Uhrzeit sieht das Ritual vor, dass ich mit zwei Tassen und einer grünen Thermoskanne nochmal ins Bett komme. Heute: nur eine Tasse, gefüllt mit Kaffee von gestern, in der Mikrowelle nochmal heißgemacht. Traurig.
An allen anderen Tagen kochte Ulrich den Kaffee. Werktags sowieso, weil er früher aufstehen musste als ich. Und wenn wir im Wohnmobil unterwegs waren auch. Da war nämlich gar nicht viel Platz, einer MUSSTE im Bett liegenbleiben, und das war ich.
Als wir uns kennenlernten fragte er mich, wie es bei mir denn so mit dem Kochen sei. Ojeh, dachte ich, was sag ich jetzt, die Wahrheit oder besser lügen? Ich entschied mich für die Wahrheit: ich koche weder gut noch gerne. Da hat er sich gefreut! Die Küche, sagte er, sei nämlich sein Revier.
Unterm Herd ist eine riesige Schublade voll mit Gewürzen. Seinen Gewürzen. Was mache ich nur damit? Schon das hineinschauen in die Schublade schmerzt. Ich glaube, ich muss ein bisschen umräumen. Ich brauche nur Salz, Pfeffer, Paprika und Gemüsebrühe. In die große Schublade könnten die Küchenhandtücher und Lappen umziehen. Auch habe ich jetzt viel zu viele Gerätschaften, Pfannenwender etc, und Töpfe! Ich glaube fast, ich brauche gar keine Küche mehr. Ich esse ja nichts. Morgens zwinge ich mich zu einem Müsli, aber auch das vergesse ich manchmal.
Gestern bin ich ein bisschen planlos rumspaziert und plötzlich stand ich bei Bärbel vorm Haus. Bärbel ist eine von denen, die mir geschrieben hatte "wir sind immer für dich da, melde dich..." Ich habe geklingelt. Sie öffnete. Ich heulte los und fragte, ob sie zufällig genau jetzt mit dem Hund raus muss. Sie nahm mich in den Arm und wir spazierten (ohne Hund) eine ganz lange Runde. Sie erzählte von ihrer Unsicherheit. Gut, dass ich geklingelt habe, der erste Kontakt sei so schwierig, man wüsste ja nicht was der Trauernde braucht, will er in Ruhe gelassen werden, man will sich nicht aufdrängen, will er reden, will er abgelenkt werden... jetzt weiß sie Bescheid. Nach dem Spaziergang hat sie mich noch mit nach Hause genommen, ihr Mann hatte dann schon einen Wein kaltgestellt und ich bekam einen Teller Süßkartoffelpommes. Auch bei Bärbel und Dirk steht mir das Gästezimmer zur Verfügung.
Keiner weiß, dass meine Tage schlimmer sind als die Nächte.
Ulrich und das Seepferdchen
Natürlich konnte Ulrich schwimmen, er hatte verschiedene Abzeichen, nur eben nicht das Seepferdchen, und darüber machten wir uns manchmal ein bisschen lustig.
Im letzten Winter sollte meine sechsjährige Nichte Emma schwimmen lernen, aber es zog sich so hin! Sie hatte keine Lust, strengte sich nicht an, ließ den Schwimmkurs ausfallen... meine Schwester war ziemlich genervt. Da hat Ulrich mit Emma eine Wette abgeschlossen: wer von uns schafft als erster das Seepferdchen? Er versprach heimlich meiner Schwester, dass Emma es als Erste schaffen wird, gab aber vor, heftig zu trainieren. Nach ein paar Wochen schickte mir meine Schwester endlich ein Foto: Eine strahlende Emma mit ihrem neuen Abzeichen.
Tja, nun sah ich Ulrich natürlich im Zugzwang. Ich radelte zu unserem städtischen Schwimmbad und fragte, wann denn ein erwachsener Mann sein Seepferdchen machen könne. Die Frau an der Kasse amüsierte sich sehr und rief gleich oben beim Bademeister an. Gleich heute Abend würde es passen!
Ich packte Ulrichs Schwimmzeug und schrieb ihm eine whattsapp, dass er heute nach der Arbeit schnell nach Hause kommen soll, denn er habe einen Termin. Also kam er freudig pünktlich hier an, er dachte, ich hätte als Überraschung in einem schönen Restaurant einen Tisch reserviert. Nee, sagte ich, du hast ein Rendez- vous mit dem Bademeister, hier ist deine Tasche, wir gehen gleich los. Ach, war das schön! Der Bademeister war sehr klein, stand so vor meinem riesigen Ulrich und fragte jede einzelne Baderegel ab. "Was machen wir mit unserem Müll?" "Mitnehmen." "Sehr gut..." Dann wurde eine Stelle gesucht, an der auch für Ulrich das wasser schultertief ist, um dort Ringe hochzuholen. Dann lief der kleine Bademeister neben Ulrich her, während der eine Bahn schwamm. Einmal gabs die Aufforderung "Hintern höher!" Schließlich war alles bestanden, Ulrich durfte noch einen Fingerabdruck auf sein neuerworbenes Dokument machen und der Bademeister gab den Tipp, das Abzeichen nicht auf die Badehose, sondern aufs Handtuch zu nähen, weil die Badehose ja vielleicht mal zu klein wird.
Eigentlich war vorgesehen, dass das Leben mit viel Spaß und gemeisam so weitergeht. ICHWILLMEINENULIZURÜCKHABENJETZT SOFORTSOLLEREINFACHWIEDERDASEINDASLEBENMACHTKEINENSPASSOHNEIHNULIKOMMZUMIRZURÜCK!