Beiträge von ohnejulchen

    Liebe Maki,


    wie soll man es sagen? Die schlimmste Trauerphase ist vorbei, aber am Rest hat man eben doch ein ganzes Leben zu knabbern. Das Kreisblasorchester Ostallgäu wird das Stück im nächsten Herbst auf seine erste CD aufnehmen. Ich bin dort Mitglied im Förderverein. Als ich - mit Zustimmung des Dirigenten - das Stück in der ersten Probe vorstellte, versagte mir manchmal halt doch noch die Stimme.


    Du bist aus Linz und ich weiß, dass Oberösterreich in Sachen Blasmusik landesweit eine Spitzenrolle hat. Ich kenne selbst einige Dirigenten dort und wenn Du jemanden kennst, darfst Du gerne das Stück erwähnen.


    Herzliche Grüße
    Joachim

    Hallo zusammen,
    ich wollte mich mal wieder melden, zumal Julians 2, Todestag (6.10.) nun auch schon wieder einige Wochen her ist. Unser Gesprächskreis ist im Moment unterbrochen, da die leitende Psychologin inzwischen leider selbst verwitwet ist. Umso schöner ist ein Ereignis, dass ich hier gerne mitteilen möchte. Ein mit mir gut befreundeter Komponist aus den USA (selbst Vater zweier Söhne in Julians Alter) hat von meiner Geschichte gehört und war davon so berührt, dass er mir ein 10 Minuten dauerndes Stück für Blasorchester komponiert hat: "Sieben glückliche Jahre - Nachrichten an den Himmel und zurück".
    http://www.stormworld.com/music/catalog/c21_7.html


    Im kommenden Herbst ist eine erste CD-Aufnahme vorgesehen. Sollte jemand engere Kontakte zu (eher guten) Blasmusikvereinen haben, kann er mir dies mitteilen und ich kann die Partitur als pdf-Datei zur Verfügung stellen.


    Herzliche Grüße an alle!


    Joachim

    Hallo, lieber Joachim!
    Das freut mich, von dir zu hören!!!
    Schön, dass ihr einen Gesprächskreis gefunden habt, das hilft sicher sehr! Wie ist das denn mit eurer Wohnung weitergegangen?
    AL
    Christine


    Liebe Christine,
    wir konnten in der Wohnung bleiben, allerdings ist der Mietzuschuss, der uns gewährt wird, nun geringer. Da wir recht viel hinzu verdienen, ist es einigermaßen zu verkraften. Aber es wäre einfach ein Unding gewesen, im Extremfall über 60 Kilometer weit weg zu ziehen (von einem Ende des Landkreises zum anderen) und über eine solche Riesendistanz ein Grab zu pflegen. Von den Problemen, den ein dann zwingend nötiger Schulwechsel unserer beiden anderen Kinder mit sich gebracht hätte, einmal ganz abgesehen.
    Inzwischen bin ich - seit Mitte November - Onkel geworden. Mein Bruder und seine Frau (40 / 38 Jahre alt) haben ihrer Zweisamkeit ein Ende gesetzt. Heraus kam ein Jonas. Es ist gut, dass man den Kleinen nicht Julian genannt hat, denn das wäre eine zu große Last für das Kind geworden, dass sicherlich mit eigenen Qualitäten aufwarten wird.


    Ich wünsche eine gute Nacht. Bis bald wieder einmal!


    Joachim

    ...dass es dieses Forum ja auch noch gibt. Uns geht es, wie man im Krankenhaus oft so schön sagt, "den Umständen entsprechend." Die Situationen, in denen unser "Sonnenschein" fehlt, tauchen immer wieder auf. Wir halten ihn optisch bei uns so präsent wie möglich. Mehrere Fotos von ihm hängen in der Wohnung, einige sind auch als Bildschirmschoner im Computer. Unser monatlicher Gesprächskreis "Verwaiste Eltern" hilft beim Aufarbeiten, wobei wir natürlich wissen, dass dies eine Lebensaufgabe ist.


    Ich hoffe, dass bis zu meinem nächsten Besuch hier nicht mehr so viel Zeit vergeht. Alles Gute wünscht
    Joachim

    Hallo, Ihr lieben,


    möchte mich nach langer Pause wieder einmal melden. Ich habe die "Geburtstags-Festwochen" (O-Ton meines Bruders über die verschiedenen kleinen Veranstaltungen) she genossen und muss sagen, dass ich mich immer noch wie 49 fühle.


    Kurz danach kam aber wieder mal ein großer "Hammer" in Form eines Behördenbriefes. Wie ich vielleicht schon einmal erwähnt habe, erzielen Lucia und ich mit unserer freiberuflichen journalistischen Tätigkeit so wenig regelmäßige Einnahmen, dass wir noch "aufstockendes Arbeitslosengeld 2" beziehen (in Österreich ist das Schlagwort "Hartz IV" vielleicht geläufig). Fast auf den Tag genau ein Vierteljahr nach Julians Tod (offenbar eine "Schonfrist", in der alle Trauerarbeit erledigt zu sein hat), teilte man uns nun mit, dass unsere Wohnung für vier Personen zu groß sei und wir uns eine kleinere Wohnung suchen müssen, wenn wir noch den (annähernd kompletten) Mietpreis erstattet bekommen haben wollen. Man erwartet bei der Wohnungssuche Flexibilität im ganzen Landkreis. Umzugskosten werden nur auf Darlehensbasis vorfinanziert. Die Regelungen für eine "angemessene" Wohnungsgröße sehen 45 qm bei einem Single-Haushalt vor und 15 qm für jede weitere Person. Unsere Wohnung (96 qm) ist also schlappe 6 qm zu groß.
    Wir werden jedenfalls mit allen Mitteln versuchen, in der Wohnung zu bleiben, notfalls auch bei geringerer Mietzahlung durch die Behörde. Unser Wohnort ist im äuß0ersten Norden des Landkreises. Nach Süden erstreckt er sich über mehr als 60 km. Allein Dinge wie Grabpflege über eine mögliche solche Distanz zu betreiben ist nachgerade absurd.


    Herzliche Grüße
    Joachim


    P.S.: Das aktuelle Bild von Julian (am Tisch, mit Fliege, Wasserglas in der Hand) wurde vor gut einem Jahr bei der Goldenen Hochzeit meiner Eltern gemacht.


    Lieber Burkhard,


    Herzlichen Dank für Deine Grüße,


    der "50er" wird in mehreren Etappen gefeiert, sozusagen "dezentral". Am Tag selbst geht es mit zwei befreundeten Familien und deren Kindern in ein China-Restaurant, am Tag darauf spendiere ich meinen Musikkameraden nach der Orchesterprobe eine Brotzeit und am Freitag geht es zum Konzert von Roger Ciciero nach Kempten. Lucia sagte mir nur etwas kryptisch, ich solle mir für den Freitag nach meinem Geburtstag nichts vornehmen. Als ich jedoch die Konzertanzeige las, war mir klar, was damit gemeint war.
    Trotz allem kann ich mich noch nicht so recht mit der Tatsache anfreunden, dass jetzt vorne eine 5 steht. Julian war übrigens bezüglich meiner Haarfarbe (ich bin vorne mehr ergraut als hinten) ein äußerst charmanter Kommentator. "Papas Haare sind hinten dunkelschwarz und vorne hellschwarz."


    Alles Gute,
    Joachim

    Liebe Jutta,


    danke für Deine lieben Worte. Wenn man wie ich als freiberuflicher "Kopfarbeiter" (und handwerkliche Niete) auf regelmäßige publizistische Arbeit angewiesen ist, dann wird der innere Kampf zwischen körperlicher Notwendigkeit (trauerbedingte Antriebslosigkeit) und ökonomischen Zwängen wohl sicher noch eine Zeitlang dauern. Ich hoffe, dass es im Laufe der Wochen, Monate, Jahre wieder einigermaßen ins Lot kommt.


    Gestern waren wir zum abschließenden Gespräch beim Chefarzt Innere Medizin im Krankenhaus, der auch federführend bei der missglückten Reanimation unseres Sohnes war. Er hat uns noch einmal mit Nachdruck gesagt, dass wir uns keine Vorwürfe zu machen brauchen.


    Falls ich mich vor Weihnachten in diesem Forum nicht mehr melde, wünsche ich schon jetzt einmal allen ein so froh wie mögliches Fest. Da uns hier über die Feiertage wahrscheinlich die Decke auf den Kopf fallen wird, werden wir für drei bis vier Tage zu meinen Eltern und Geschwistern ins Rheinland fahren.


    Alles Liebe
    Joachim

    ... von meinem Sohn konnte ich, da er noch einige Tage in der Leichenhalle aufgebahrt war, angezogen mit seinen Lieblings-Klamotten, zugedeckt mit "Bob der Baumeister"-Bettwäsche, mit seinem Lieblings-Kuscheltier und einer Kastanie in den Händen und mit Bildern seiner Klassenkamerad(inn)en im Sarg. Am Todestag selbst ging alles so schnell. Er ist zwar - höchstwahrscheinlich - schmerzfrei gestorben, aber ich leide immer noch darunter, dass man sich nicht persönlich von ihm verabschieden konnte. Warum? Und warum so schnell?


    Ein ratloser Joachim, der immer noch - und nur mit wechselndem Erfolg - gegen seine Antriebslosigkeit ankämpft.

    Liebe Melinda,


    ich habe nur ein paar Deiner Postings gelesen und würde mich für Dich freuen, wenn Du - zumindest alleine oder im Kreis von engen Vertrauten Freunden - weinen könntest, wenn Dir danach ist. Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, dass es zumindest für einen Moment befreit. Im Zusammenhang mit der Trauer um mein "Julchen" (siehe Thread "Julian") habe ich mich um das Tabu, dass Männer nicht heulen herzlich wenig geschert und gelegentlich auch in der Öffentlichkeit meine Gefühle, wenn sie mich überkamen, nicht unterdrückt. Ich habe jetzt nun nicht bei jeder Gelegenheit losgeheult. Bei der Trauerfeier an Julians Grundschule habe ich mich aber nicht darum geschert, dass da möglicherweise das eine oder andere Kind noch nie einen weinenden Mann gesehen hat. Ich kann und will in einer existenziell so stürmischen Situation nicht schauspielern. Noch ein oder zwei Wochen nach der Trauerfeier wurde ich von einem mir unbekannten Kind auf der Straße angesprochen. "Du bist doch Julians Papa. Ihr seid sicherlich noch ganz traurig, oder?"


    Ich habe nicht den ganzen Thread hier gelesen. Wenn Du mit 22 Deinen Vater verloren hast, war er sicherlich noch "im besten Alter" (was immer man dafür halten mag). Woran ist er gestorben?


    Ich wünsche Dir eine gute Nacht und einen möglichst gesunden Schlaf.


    Liebe Grüße
    Joachim

    Hallo zusammen,


    neben den Fotos besteht meine Erinnerung an meinen verstorbenen Sohn auch an die Vergegenwärtigung unserer körperlichen Kontakte (Umarmungen, über die Backe streicheln). Mit jedem weiteren Tag kostet mich die Erinnerung an solche Momente immer mehr Kraft. Da ich im engsten Familienkreis bisher noch nie den Verlust eines Menschen zu betrauern hatte meine vielleicht naive Frage: Ist dies normal? Ich denke, es ist verständlich, solche Gedanken so lange wie irgend möglich konservieren zu wollen. Als Gesprächspartner kann ihn (Julian) in seiner Art sowieso niemand ersetzen


    Joachim

    Liebe Maki (und alle weiteren Mitleser/innen)


    die Gefühle fahren Achterbahn. In manchen Momenten kommt ein Hauch von "Normalität" und dann bricht wieder alles über einen herein. Gedanken wie "Wären wir doch noch einmal aufs Oktoberfest gegangen!", wie sie bei Lucia auftauchen, kann ich leicht verschmerzen, denn zumindest ich könnte mit der Gewissheit, es sei das letzte Mal, keinen Spaß bei der Sache haben.


    Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass wir Julians besonderen Charakter - den hatte er zweifellos - nicht so sehr in Gegenwart seiner Geschwister betonen, sonst richten wir da möglicherweise großen psychischen Schaden an. Eine Freundin der Familie, die noch als Teenager ihren Bruder verloren hatte, berichtete über die Trauer der Mutter, die den Rest der Familie offenbar kaum noch wahrnahm. Nach zwei Jahren sagte unsere Freundin ihrer Mutter: "Ich wünschte, ich wäre gestorben, dann hätte ich mehr Zuwendung von dir erhalten!"


    Ansonsten sind die in einem früheren Posting von mir genannten Trauerlieder zu einem festen Ritual bei mir geworden. Einige Zeilen aus "Der Weg", die mir ganz wichtig sind,, weil sie nicht nur auf den Partner passen:
    - Du hast ihn nie verraten, deinen Plan vom Glück (Julian hatte bestimmt schon einen)
    - Habe dich sicher in meiner Seele. Ich trag' dich bei mir, bis der Vorhang fällt.


    Julian ist Dienstag vormittags gestorben. Am Sonntag zuvor habe ich auf einem evangelischen Gemeindefest noch einen Jugendchor (nur Mädels) gehört, der "Tears in Heaven" mehr krähte als sang. "Wisst ihr Gören überhaupt etwas von der Tragweite dieses Liedes?" dachte ich bei mir, nicht ahnend, dass ich keine 48 Stunden später genauso von der Sache betroffen sein würde wie Eric Clapton.


    Gestern gab es einen Anruf von einer Hilfegruppe, mit trauernden Eltern, die sich unter professioneller Leitung einmal im Monat trifft. Anfang Dezember ist die nächste Sitzung und wir werden dann sehen, ob wir dort Betroffene mit einem ähnlichen Schicksal zum Erfahrungsaustausch finden.


    Eine kunterbunte Aufzählung. Wenn ich noch weiter überlege, käme sicherlich noch mehr heraus. Aber unabhängig von der Uhrzeit: Mir tut langsam die Hand weh.


    Ich wünsche allen eine gute Nacht!


    Joachim

    ...beim Gedanken an Julian ist Stolz, einen so tollen Sohn gehabt zu haben. Das beste Gefühl wäre natürlich die Gewissheit, dass er noch unter uns ist.Das Anschauen seiner Fotos ist für mich im ersten Moment ein beglückendes Erlebnis und verdrängt für einige Momente die Trauer über seinen Verlust. Ich sollte mir danach aber nicht zu intensiv vorstellen, dass er um die Ecke gefegt kommt. Dann steht wieder das große "Warum?" im Raum.


    Danke an alle Mit-Foristen für Euer Mitgefühl und Eure Anmerkungen.

    Liebe Christine,


    tja, wie gehen wir Eltern mit der Wut um? Keine Aggressivität untereinander, da ist in den allermeisten Fällen das Gegenteil der Fall. Aber oft richtet man ein grimmiges Gebet nach oben, fragt mit Zorn "Warum gerade unser KInd? Hast Du ausgerechnet ihn als neuen Engel gebraucht?"


    Mir (Joachim) hilft es oft, Trauer-Lieder anzuhören. Wenn meine Tränen dann getrocknet sind, fühle ich mich anschließend wieder ein Stück befreiter - wobei ich mich auch in der Öffentlichkeit nicht der einen oder anderen Träne geschämt habe. Das Tabu, das man als Mann nicht weinen darf, ist zwar schon ein wenig aufgeweicht, aber noch nicht ganz aus den Köpfen verschwunden.
    Einige Trauerlieder, die mir wichtig waren, auch wenn dies vielleicht eher in den Thread "Musikemotionen" gehört:
    - "Tears in Heaven" von Eric Clapton, wohl das berühmteste Lied, wenn es um den Verlust von Kindern geht
    - "Der Weg" von Herbert Grönemeyer: Da geht es zwar um den Verlust der Ehefrau, aber die Refrainzeile "Du hast jeden Raum mit Sonne geflutet, hast jeden Verdruss ns Gegenteil verkehrt" passt eben zu 100 Prozent auf unseren Julian.


    Ein weiteres Lied, das nicht ganz dazu passt, ist "The Living Years" von Mike & the Mechanics, wo es um Generationenkonflikte geht und Probleme, die man mit dem inzwischen verstorbenen Vater gerne noch zu dessen Lebzeiten geklärt hätte. Mein Vater lebt noch, wird im nächsten Jahr 80. Ich sehe das Lied als eine Art Mahnung bzw. Erinnerung an, trotz eines zeitlebens nie sonderlich belasteten Verhältnisses, rechtzeitig alles ins Reine zu bringen.


    Ich wünsche allen noch einen schönen Sonntag.

    [quote='Linda',index.php?page=Thread&postID=14172#post14172]Lieber Joachim, liebe Lucia!
    ...
    Als ihr damals dann Tirol gefunden habt, hat es euch bei uns gefallen?? Hattet ihr eine gute Zeit?

    Ja, wir waren zweimal dort, jeweils am letzten Wochenende vor dem Ende der bayerischen Sommerferien. Wer es sich zutraute, marschierte dann am Samstag zur Bergmesse bis zum Thaneller-Kar. Diese wird jährlich dort in Erinnerung an einen früheren Kolping-Präses der Diözese Augsburg gefeiert, der 1987 dort oben einem Herzinfarkt erlegen ist.. Julian war damals allerdngs beide Mal zu jung, um mit hoch zu gehen und blieb in einer Kinderbetreuungsgruppe in der Hütte.
    Ich selbst habe als Journalist mit Schwerpunkt Blasmusik viel in Nord- und noch mehr in Südtirol zu tun, beispielsweise in Zusammenhang mit den Innsbrucker Promenadenkonzerten im Innenhof der Hofburg.


    Eure beiden Großen gehen ganz unterschiedlich um mit der Trauer. Ich denke Mal, bei eurem Mädel ist das irgendwie nur eine Schutzreaktion, wenn sie sagt, früher waren sie auch nur zu zweit. Vielleicht ist ihr Gedanke, zu "zweit" werden sie es schaffen.
    Ich hoffe, dass bei meiner Tochter die Trauer - wenn sie mit Verspätung kommt - nicht umso stärker durchschlägt. Am meisten zu schaffen machen uns momentan die Rivalitäten der beiden. Sie geraten wegen jeder Nichtigkeit in Streit, obwohl sie sich mögen. Grundtenor: "Ich hab' Dich ja lieb, aber ..."


    Darf ich fragen, wie ihr bei Julian die Krankheit bemerkt habt?
    Sie hat sich gar nicht angekündigt, bzw. nur mit Symptomen, die man durchweg auch anderweitig deuten konnte.
    Knochenschmerzen - Da denkt man bei einem 7jährigen Kind an Wachstum.
    Nasenbluten - kam gelegentlich vor, aber nie so häufig, dass wir uns deshalb Sorgen gemacht haben. Am Tag vor seinem Tod (Montag, 5.10.) sagte er bei der Rückkehr aus der Schule in der für ihn typischen Art: "In der ersten Stunde hatte ich Nasenbluten. Da hab ich wohl zu viel gepopelt."
    Übelkeit, Erbrechen Fieber - Wenn dies auftrat, war bei ihm meistens ein Magen-Darm-Virus im Spiel.
    Am 5. Oktober ging es nachmittags dann auch mit den letztgenannten Symptomen los. Abends kam noch Kopfweh hinzu, was er aber durch Finden einer Schonhaltung im Bett ganz gut in den Griff zu bekommen schien. Auf Julians Wunsch hin legte sich Lucia in der Nacht darauf zu ihm ins Bett. Als sich sein Bruder gegen 7 Uhr auf den Weg zum Zug machte (sein Gymnasium liegt außerhalb) sagte er beim Verlassen des Hauses noch: "Julian schnarcht wie ein Weltmeister!" und wir deuteten dies im Sinne von "Das Kind schläft sich gesund." Ich legte mich nach dem Frühstück noch ein wenig zu Julian, während Lucia die Arbeit an einem Zeitungsartikel begann. Nach einigen Minuten merkte ich, wie er vom Kopf weg begann, auszukühlen. Da seine Atmung schon recht flach war, fuhren wir sofort ins Krankenhaus, was glücklicherweise nur einen halben Kilometer von unserer Wohnung entfernt liegt. Ein Notarzt wäre erst viel später da gewesen.
    Im Krankenhaus selbst wurden sofort mit allen verfügbaren Kräften (einschl. der drei Chefärzte für Innere Medizin, Chirurgie und Anästhesie) umfangreiche Reanimationsmaßnahmen ergriffen. Aber nach gut zwei Stunden teilte man uns mit, dass die Lage aussichtslos sei. Julian hatte einen "Blastenschub", so der Fachausdruck, mit einem Leokozythenwert von 200 000 (4000 seien normal). Ein damit verbundener Anstieg von Kalium im Körper habe die Herztätigkeit sehr geschwächt. Herztätigkeit war nur noch unter der Beatmungsmaschine mit Ergänzung von manueller Herzmassage vorhanden. Ein behandelnder Arzt hat versucht, uns unsere Selbstvorwürfe zu nehmen. "Bei den äußeren Anzeichen, die sie beschrieben haben, hätte ich sie am Vorabend nach Hause geschickt."
    Die genannten Symptome würden sich in zwei bis drei Jahren aufbauen und seinen in etwa einem von gut 100 000 Fällen tödlich. Vor fünf Jahren bekam Julian die Mandeln gelasert (also gekappt und nicht ganz entfernt) und damals war im Blut noch alles in Ordnung. Im Nachhinein sagt / fragt man sich, ob durch regelmäßige Blutuntersuchung etwas hätte verhindert werden können. Aber soll man jedes Mal in der Voruntersuchung beim Arzt sagen: "Bitte nehmen Sie dem Kind Blut ab. Es könnte ja was sein."?
    Ich hoffe, dass ich als medizinischer Laie jetzt keine zu schwerwiegenden Fragen offen gelassen habe.


    Herzliche Grüße an alle.

    [quote='Linda',index.php?page=Thread&postID=14115#post14115]Lieber Joachim, liebe Lucia!


    ...


    Joachim, würdest du uns ein bißchen von Julian erzählen?


    Julian war ein sehr aufgewecktes Kind mit einer hohen Intelligenz. Ob er wirklich hochbegabt war, wissen wir nicht, interessiert uns jetzt auch nicht mehr. Wir haben ihn (geb. 3.6.02) jedenfalls nicht früher als üblich einschulen lassen und nachdem er den (nicht nur nach unserer Meinung) erfahrensten und besten Lehrer der Schule als Klassenleiter hatte, haben wir auch nicht wegen eines evtl. Springens in die nächste Klasse unternommen - man wollte ja diesen herausragenden Pädagogen nicht verlieren. Obwohl Julian sich schon vor dem 5. Geburtstag das Lesen selbst beigebracht hat, ist er nie mit Äußerungen im Stil von "Die Schule ist langweilig" nach Hause gekommen. Rechnen hat er sich auch selbst beigebracht, u.a. indem er mir beim Katalogisieren meiner CDs geholfen hat. Auf der Zahlentastatur hat er dabei stets die Dauern der einzelnen Stücke eingegeben.
    Für sein Alter wirkte er souverän und blieb dabei trotzdem kindgemäß. Als wir im September 2007 zusammen mit der Kolpingfamilie unserer Stadt ein Wochenende auf der Kolpinghütte in Weißenbach (Außerfern) verbracht haben, erklärten wir ihm, dass wir nach Österreich ins Bundesland Tirol fahren. Kaum hatten wir den Füssener Grenztunnel verlassen und er das Schild "Republik Österreich" gesehen, sagte er voller Tatendrang: "Jetzt müssen wir nur noch Tirol suchen!". Ansonsten war er sehr musikalisch und spielte u.a. seit eineinhalb Jahren Geige - und das auf sehr viel versprechende Weise.


    Wie gehen seine großen Geschwister mit seinem Tod um? Können sie über ihren kleinen Bruder sprechen?


    Die Bewältigung erfolgt auf sehr unterschiedliche Art. Der Bruder (12) hat am ersten Abend nicht nur um Julian geweint, sondern förmlich nach ihm geschrieen. Er hatte sich mit ihm ein Zimmer geteilt und immer von einem eigenen Zimmer geträumt, aber nicht auf solche Weise. Mehrmals täglich kommt ihm immer noch ein Stoßseufzer über die Lippen. Weinen tut er fast nicht mehr, aber wir müssen schwer aufpassen, dass seine schulischen Leistungen nicht zu sehr abfallen.


    Die Schwester (14) hat zwar im Krankenhaus auch geweint, als sie ihren toten Bruder kurz im Arm gehalten hat, aber schon kurz danach machte sie ganz auf souverän und lässt kaum etwas an sich heran. Im Gegensatz zu ihrem Bruder stürzt siie sich in ihre schulischen Aufgaben. Ihr Argument "Wir waren doch früher auch zu zweit" wirkt in manchen Situationen auf uns fast gefühlskalt.


    lg
    Joachim



    Ansonsten herzlichen Dank an alle für die freundliche Aufnahme hier im Forum.

    ...dass unser kleiner Julian (7 Jahre alt und von uns nur "Julchen" genannt) von uns gehen musste. Ein unerwarteter Leukämieschub hat ihm keine Chance mehr gelassen. Nach einem ersten Schock", der wie bei vielen "echten" Verletzungen auch eher schmerzfrei verlaufen ist, merken wir nun, wie sehr uns dieser "Sonnenschein" fehlt. Anders kann man seinen Charakter nicht umschreiben.
    Wir wohnen in Deutschland (Allgäu), haben noch zwei weitere Kinder im Alter von 14 und 12 Jahren und sind in unserer Stadt durch Arbeit für die Lokalpresse und Mitgliedschaft in einigen Vereinen sehr bekannt. Die Beerdigung war sehr groß, überall war große Anteilnahme zu spüren, die über den ersten Schmerz hinweg half. Wir haben schon sehr viele unaufdringliche Angebote von Freunden zum Reden erhalten, wissen aber noch nicht so recht, ob und wie wir unsere Trauerarbeit durch professionelle Hilfe ergänzen sollen. Als freiberufliche Journalisten sind sowohl meine Frau als auch ich auf nahezu jede Einnahmegelegenheit angewiesen und daher schon wieder schneller in der Alltagsmühle, als es manchmal lieb ist. Die große Zerstreuung, die man so hat, hilft einem zwar dabei, nicht in Depressionen zu verfallen, aber wir wissen nicht, ob wir das so allein alles "stemmen" können.


    Wir würden uns freuen, wenn ein fruchtbarer Dialog entstehen könnte.


    Joachim und (derzeit abwesend) Lucia