Von vorne anfangen? Wo ist vorne?
Nicht von vorne anfangen, denn diesen schlimmen Verlust kann ich nie mehr vergessen.
Ich bin weiterhin mit ihm verbunden.
Er ist zu einem Teil von mir geworden.
Resignieren?
Aufgeben? Abfinden?
"aufgrund von Misserfolgen, Enttäuschungen o. Ä. seine Pläne aufgeben, darauf verzichten, sich entmutigt (mit etwas) abfinden"
Nein, Resignation hört sich an wie das Ende.
Das Leben ist noch nicht zu Ende. Für uns.
Beides nicht erstrebenswert.
Für mich ist erstrebenswert, daß ich es überstehen möchte.
Diese leidvolle und schmerzhafte Strecke in meinem Leben.
Ich möchte in Anbetracht der Erfahrung, daß unser Leben überaus endlich ist, das Leben feiern. Nutzen. Leben.
Über den Schmerz hinauswachsen und lebendig sein. Genießen.
Und mit Gelassenheit und Ruhe die Welt in seiner Schönheit betrachten, spüren, einatmen.
Wenn ich eines Tages an die Pforte komme möchte ich meinem Ralf vorschwärmen können, was ich noch erlebt habe. Möchte ich ihm berichten und ihn fragen wieviel er davon mitbekommen hat. Weil ich ihn ja überall mit hin nehme.
Ich stelle mir vor jemand steht am Tor und fragt: Was hast Du aus Deinem Leben gemacht? Warst Du glücklich? Hast Du geliebt? Hast Du die prachtvolle, fast unendlich wunderbar gefüllte Welt, erkannt? Gefühlt, geschmeckt, gerochen, gesehen. Gehört? Wahrgenommen?
Und wenn ich dann sagen müsste: "nur bis zum Tod von meinem Schatz. Danach habe ich nur noch schmerzhaft gewartet bis ich endlich auch rüber kann."
Nein, das möchte ich nicht sagen müssen.
Ich möchte meinen Teller aufessen.
Und ich habe das Gefühl, nachdem der Tod mir so nah gekommen ist. Bis in mein Innerstes, bis in mein Herz, kann ich das Leben nicht mehr als Selbstverständlichkeit ansehen sondern als etwas Besonderes.
Es ist nicht selbstverständlich und es ist nicht endlos.
Deshalb möchte ich lernen auch ohne Ralf lebendig und ab und zu glücklich zu sein.
Ralfsheidemarie