Ich wusste nicht so recht, wohin damit. Vielleicht wäre kein neues Thema nötig. Vielleicht steht es hier im Forum schon irgendwo. Trotzdem wollte ich es unbedingt mit - teilen.
Ich schaue gern NHK Japan und da kam jetzt erst wieder eine Reportage darüber und es hat mich sehr berührt. Auch die Reportage könnte im Netz sein. Sehr schön und sehr berührend.
https://sumikai.com/nachrichte…hiednehmen-helfen-252844/

Ein wirklich schöner Umgang mit Trauer
-
-
Ein wunderschöner und sehr berührender Umgang, vielen, vielen Dank, liebe Elster! 💖
Es erinnert mich total an etwas, das ich aus einem Spiel kenne und sehr liebe. Ich weiß nicht, ob das hierher gehört - ein wenig fühlt es sich so an, als könnte man hier genau solche Dinge "sammeln" und darüber sprechen. Wenn du das überhaupt nicht im Sinn hattest, oder das, was ich schreibe sehr unangebracht erscheint, bitte scheut nicht, mir das zu sagen, dann lösche ich es sehr gerne wieder.Wie ja einige von euch wissen, spiele ich sehr gerne Computerspiele. Am liebsten sogenannte MMOs (also Massively Multiplayer Online) Games und mein absolutes Lieblingsspiel ist, seit es in einem sehr frühen Stadium war, ein Spiel in einem Fantasy-Setting. Es läuft seit 10 Jahren und es kommen immer neue Spielinhalte dazu, aber es gibt auch sogenannte Events, die zu bestimmten Anlässen jährlich wiederkehren.
Mein Schatz und ich haben dabei schon immer ganz besonders das Event geliebt, das jedes Jahr über Weihnachten und Neujahr läuft. Es ist eine schöne Aneinanderreihungen von sogenannten Quests (vereinfacht gesagt "Aufgaben"), die einen quer durch das Spiel in die unterschiedlichen Regionen zu den unterschiedlichen Völkern der Spielwelt führen, um dort an den jeweiligen Traditionen zum "New Life Festival" teilzunehmen.
Seit ein paar Jahren ist zu diesem Event eine besondere Quest hinzugekommen, die einen etwas anderen Ansatz verfolgt. Diese dreht sich nämlich nicht darum, das neue Jahr zu begrüßen und zu feiern, sondern das alte zu verabschieden.
Dazu wird man aufgefordert an einen der für diese Tradition seit Urzeiten aufgestellten Schreine, verstreut irgendwo in der riesigen Spielwelt, zu reisen und dort einen persönlichen Brief an verstorbene Liebsten zu verbrennen. Zudem bekommt man von dem Quest-Geber, wenn man möchte, Briefe von Leuten (natürlich fiktive) mit, die die Reise nicht selbst antreten können, mit der Bitte, auch deren Briefe an den Schreinen zu verbrennen.
Wir fanden das von Beginn an sehr schön und berührend, denn es wird sehr oft in dem Spiel klar, dass die Entwickler sehr, sehr empathische Menschen sind, die sich viele Gedanken auch um solcherlei machen und so auch hier.
Mein Schatz starb ja Anfang November, das heißt keine zwei Monate nach seinem Tod fand dieses Event zum ersten Mal für mich ohne ihn statt. Ich habe Rotz und Wasser geheult, aber ich wusste, es würde mir gut tun und deshalb habe ich das Event wie jedes Jahr täglich während der Dauer gespielt - und es hat mir wirklich sehr, sehr gut getan. Ich habe das Verbrennen des Briefes im Kopf sehr intensiv zelebriert, indem ich in Gedanken Worte hinein gelegt habe, Worte an meinen Schatz, und dabei auch an den ellenlangen Brief gedacht, den ich mit zur Einäscherung gegeben habe.
Es waren bei mir nicht so sehr unausgesprochene Dinge, denn davon gibt es nicht wirklich welche, sondern eher Dinge, die ich einfach noch einmal sagen wollte. Für die Ewigkeit.
Wenn man im Spiel die Briefe verbrannt hat, erscheint sozusagen als Belohnung ein namenloser Geist, der sich wortlos zu bedanken scheint. Ganz selten kann es dabei vorkommen, dass es kein namenloser Geist ist, sondern ein Geist eines NSCs (Nicht Spieler Charakter, also eine Figur aus dem Spiel), der im Laufe der Handlung des Spiels gestorben ist und der eine besondere Bedeutung für das Spiel und somit den eigenen Spielcharakter hatte; es ist nicht immer der gleiche, aber wie gesagt, es kommt sehr selten vor, dass ein nicht-namenloser erscheint und dementsprechend noch seltener ist es dann, dass ein bestimmter von diesen Geistern erscheint.
Als ich diese Quest am ersten Tag des Events zum ersten Mal seit mein Schatz gestorben war spielte, erschien aber ein solcher besonderer Geist und kein namenloser. Und es war dazu nicht irgendeiner. Es war einer unserer absoluten Lieblingscharaktere, auch wenn er nur in einer bestimmten Sequenz des Spiels auftaucht, bevor er stirbt.
Ich saß absolut gestunned vor dem Monitor, mit zugegeben einem kleinen Hochgefühl. Bittersüß, natürlich. Aber ein Lächeln innerhalb der Tränen.
Für mich ein Zeichen mehr, dass selbst solche Dinge wie ein Spiel eine Verbindung sein können. Solange man die Bindung zur Realität nicht verliert, aber da besteht bei mir keine Gefahr.
Von daher kann ich auch da nur sagen, dass, wer die Gelegenheit hat, sich auf solcherlei einzulassen, diese Gelegenheit auch nutzen kann.
Es sind Hunderttausende von Menschen, die dieses Spiel aktiv spielen (Statistiken sagen, dass es seit Start des Spiels über 25 Mio. Spieler sind, die es erreicht hat). Und für die finde ich es einfach auch ein ganz wunderbares Angebot zum Umgang mit der Trauer.
Hier ein kurzer Auszug aus dem Quest-Text:What's the Old Life Ceremony?
"Old Life is an Imperial tradition. At year's end, we write messages of remembrance for our dead loved ones in hopes that our words will reach them in Aetherius. The ceremony itself is quite beautiful."
[...]What should I write in this message
"That's entirely up to you, my friend. Most often, we think of the messages as a way to reflect on the past year. Or to put something down in words that we never got to say to our loved ones. Maybe something we wish we could say to them now."
[...]
"Fortune upon your travels. I hope you receive what you need from the Old Life ceremony, whether it be joy, or closure, or something in between.
Can you tell me more about Old life?
"Though lesser known, to some the observances of Old Life are just as important as the New Life Festival. They compliment each other, as if two sides of the same coin. To pass into a new year, you must acknowledge the old."Is that the reason for the messages?
"Yes. Acknowledging those that have passed on is an important part of moving forward. We need never forget those we've lost, but this tradition allows us to say things we might have held back while they were alive. The shrines are a vessel for that."
Auf Deutsch:Was ist die Old Life Ceremony?
„Old Life ist eine imperiale [ein Volk in dem Spiel] Tradition. Am Ende des Jahres schreiben wir Botschaften zum Gedenken an unsere verstorbenen Angehörigen, in der Hoffnung, dass unsere Worte sie in Aetherius erreichen werden. Die Zeremonie selbst ist sehr schön.“
[...]Was soll ich in dieser Nachricht schreiben?
„Das ist ganz Euch überlassen, mein Freund. Meistens sehen wir die Botschaften als eine Möglichkeit, über das vergangene Jahr nachzudenken. Oder um etwas in Worte zu fassen, das wir unseren Lieben nie sagen konnten. Vielleicht etwas, von dem wir uns wünschen, dass wir es ihnen jetzt sagen könnten.“
[...]
„Viel Glück auf Euren Reisen. Ich hoffe, Ihr erhaltet von der Zeremonie des alten Lebens, was Ihr braucht, sei es Freude oder ein Abschluss [Frieden, Abschied] oder etwas dazwischen.“
Könnt Ihr mir mehr über Old Life erzählen?
„Auch wenn es weniger bekannt ist, sind die Feierlichkeiten des Alten Lebens für manche genauso wichtig wie das Neujahrsfest. Sie ergänzen sich gegenseitig, als wären sie zwei Seiten derselben Medaille.
Um in ein neues Jahr zu gehen, muss man das alte anerkennen.“
Ist das der Grund für die Botschaften?
„Ja. Die Anerkennung [oder Würdigung, Ehrung, Danksagung, Achtung, Verbundenheit] derer, die von uns gegangen sind, ist ein wichtiger Teil des Vorwärtsgehen [wörtlich übersetzt. Gemeint ist eher etwas wie, "das Leben weiterzuführen". ]. Wir müssen diejenigen, die wir verloren haben, niemals vergessen, aber diese Tradition ermöglicht es uns, Dinge zu sagen, die wir vielleicht zu Lebzeiten zurückgehalten haben. Die Schreine sind ein Gefäß dafür.“
Edit sagt: Deutsche Übersetzung hinzugefügt. -
Im Sinn hatte ich nur das Teilen, aber es ist ja um so schöner, wenn andere auch etwas erzählen möchten, was ihnen als weniger bekanntes Ritual begegnet ist, wovon sie gehört, gelesen haben oder auch welche Assoziationen es weckt.
Als Mensch sind Rituale ein fester Bestandteil unseres Lebens. Es gibt viel Rituale, die werden uns anerzogen, einige lernen wir dazu, weil sie in unserem derzeitigen Leben Sinn machen und manche erfinden wir auch selbst.
Ein Ritual, welches Trauernde nicht nur zusammenführt, sondern auch eine Möglichkeit bietet in Gemeinschaft Kontakt aufzunehmen mit der Welt, die wir nicht oder wenigstens selten sehen, ist schon etwas besonderes. Vor allem in unserer Kultur ist ja geschichtlich bedingt normal geworden die Verstorbenen zu (ich sag jetzt respektlos klingend aber nicht meinend) verbuddeln und dann den Übergang zur Tagesordnung zu verlangen. Ein so offener Umgang nicht nur mit dem Tod aber vor allem mit den Hinterbliebenen und deren Trauer wie hier in Japan (und auch anderswo auf der Welt) würde sehr vieles erleichtern. Wie viel Kraft wenden wir auf, um für andere "normal" zu wirken? Wie schön wäre es, wenn wir von vornherein wüssten: ich muss mich nicht beeilen, darf trauern so lange ich muss. Man würde viel mehr Alltag schaffen, wenn man wüsste, das die einen begleitende Trauer auch gelebt und gezeigt werden darf.
Und auch die rein spirituelle Beschaffenheit einer solchen, immer wiederkehrenden Zeremonie ist etwas, was in unserem Kulturkreis fehlt. Religion so wie sie ist kann ich hier nicht mit reinzählen (allein meine Auffassung und absolut alles hat einen Wert, wenn es jemand braucht um sich aufgehoben zu fühlen).
Wer das kleine Video auf Youtube gefunden hat (leider nur englisch) der hat gehört, wie der Vater eines verstorbenen Kindes eine Ascheflocke als Gruß seines Sohnes an die Mutter wertet. Und das scheint ihm ganz normal zu sein. Wie wunderbar! Wie absolut wunderbar!
Ich bin mit meinen Seifenblasen hier zu Hause allein (ich glaube aber, hier im Forum gibt es eine wachsende Fangemeinde der schillernden Boten). Ich hab schon oft davon geschrieben. Wie würde ich mich fühlen, wenn einmal im Jahr Trauernde zusammenkämen und ihre Seifenblasen losschickten!? Wenn ich nicht allein unter den Bäumen stehen würde. Ich habe Tränen in den Augen bei der Vorstellung. Sogar als Introvert mit einem leisen Hauch Sozialphobie wäre ich dabei. Aber so was von! Noch immer habe ich keine Worte für meine Ergriffenheit, als mir hier am Tag der Beisetzung etliche ihre Seifenblasenbilder schickten. Extra für uns gemacht. Und Feechens Urne wurde in den Boden gelassen während hinter mir dutzende Menschen in heller, oft rosa Kleidung (wie von mir erbeten) Seifenblasen in den Himmel schickten.Sehr gerne lese ich über andere Rituale. Ob nun aus einem Spiel, der eigenen Familie, aus der Zeitung, aus dem TV oder Netz. Völlig egal.
Liebe Sonnenente, deine Geschichte ist sehr stimmig für mich. Das war ein Winken. Deutlicher geht es fast nicht. Bestimmt mit einem Schmunzeln im Gesicht, weil er wusste, du erkennst ihn. -
Ihr Lieben,
einfach nur wunderschön....
Ich denke das mit den Seifenblasen werde ich auch mal machen, ich finde das eine tolle Idee.
Du hast recht Liebe Elster durch das Forum gibt es immer wieder neue überraschende schöne Möglichkeiten ganz aktiv unseren Lieben zu Gedenken und sie durch kleine Gesten zu grüßen.
So wächst auch etwas ganz langsam heran das man durchaus auch mit unseren Lieben die gegangen sind durchaus in unser Leben integrieren darf /kann.
Friedhöfe werden jetzt auch viel offener gestaltet sind nicht mehr so dunkle abgeschottete Orte sondern werden in die Gemeinden integriert mit allen Facetten die es gibt.
Jedenfalls teilweise sicher noch nicht überall.
Bei meinem Papa da wo Mama Ihr Platz ist der wurde komplett umgestaltet und neu gemacht.
Es ist ein schöner heller Ort, etwas mehr Bänke könnten noch hin aber ansonsten ist er richtig schön geworden.
Vlg. Linchen