• Hallo allerseits!


    Nachdem ich vor kurzem meinen Vater verloren habe, hat es mich auch hierher verschlagen.
    Wobei Trauer bei mir seltsamerweise nicht der richtige Ausdruck ist. Am Todestag war ich getroffen, aber danach hatte ich nur mehr kurze Momente, an denen mich die Trauer erwischt hat, sonst fühle ich keine Schmerzen. Jetzt frage ich mich, ob ich das alles nur verdränge oder ob ich wirklich so kalt / gefühlslos bin ...

  • ich weiß von meiner tochter die anfangs auch nicht so trauernkonnte das es irgend wan kommt,
    jeder mensch ist anders jeder verarbeitet die trauer anders,
    lg silvia

    Arme kleine Seele leid und Schmerz warn diese Welt.


    Kommt ein Engel nun vom Himmel,sanft im Arm,er dich jetzt hält.

  • Liebe Jolly,


    sei herzlich willkommen - hier findest Du immer jemanden, der Dir zuliest und Dich verstehen kann. Für mich ist es oft sehr erleichternd zu merken, dass ich mit den unterschiedlichsten Gefühlen und Verhaltensweisen nicht allein bin.


    Nachdem mein Partner im September 2013 in meinen Armen eingeschlafen war, funktionierte ich nicht nur, sondern agierte teilweise fast euphorisch. Ich konnte mit meinen Kunden lachen, hab teilweise bis in den späten Abend gearbeitet. Ich konnte kaum weinen, bekam sein Bild nicht vor Augen, konnte mich nicht an schöne Stunden erinnern, hatte immer nur die letzten Wochen und Stunden im Krankenhaus und Hospiz im Kopf. Beim Lesen in den Seiten hier habe ich festgestellt, dass das nicht selten ist. Es ist wohl ein Schutzmechanismus im Menschen zu fliehen, solange der Schmerz unerträglich wäre.


    Weihnachten kam die Wende - nicht wegen des Festes, aber ich hatte Ruhe und keine Ablenkung durch Arbeit und Kunden, konnte nicht mehr flüchten. Und es tat soooooo weh und wurde im neuen Jahr immer schlimmer. Außerhalb des Ladens sind meine Gedanken fast nur bei ihm. Auch hier fehlt er mir natürlich ständig, aber die Kunden sorgen für kleine Auszeiten von der Trauer.


    Die Trauer konnte ich inzwischen in mein Leben integrieren. Ich lass den Schmerz gerne zu, weil es ohne ihn unsere Liebe nicht gäbe.


    Ich hoffe, ich habe Dich nun nicht mit meinen Empfindungen überrannt. Lass Dir Zeit für die verschiedenen Phasen der Trauer - diese Gefühle sind nicht in ein paar Monaten abgehakt. Auf keinen Fall bist Du kalt oder gefühlslos.


    Magst Du ein wenig von Deinem Vater erzählen? Wie lang ist es denn her, dass er gegangen ist?


    Ich wünsche Dir viel Geduld und Kraft - :24:


    liebe Grüße


    Uschi

  • Hallo Uschi!


    Danke für Deine Worte!


    Euphorisch bin ich nicht, aber sonst erkenne ich viel wieder. Ich habe jetzt durch den Tod so viel zu tun, daß ich dadurch wohl nicht den Kopf frei hatte. Mittlerweile läßt die Arbeit etwas nach, aber es hat sich wohl inzwischen schon etwas gesetzt.


    Mein Vater ist vor ca. eineinhalb Wochen gestorben. Er hatte Krebs und wir wußten schon seit einiger Zeit, daß keine Chance auf Heilung besteht. Das war damals natürlich ein Schock und ich habe viel geweint, kein Vergleich zu jetzt.
    1-2 Monate später hat sich bei mir aber alles normalisiert, ich konnte wieder zwanglos damit umgehen und habe mir nicht mehr viel den Kopf darüber zerbrochen. Vermutlich weil ich's eh nicht ändern konnte. Seine Einstellung war ähnlich positiv, was uns auch geholfen hat, noch eine schöne Zeit miteinander zu verbringen. Längere Zeit lief die Behandlung auch recht sauber, die Chemo hat gut gewirkt und kaum Nebenwirkungen verursacht. Danach mußte das Medikament gewechselt werden, die Nebenwirkungen wurden schon stärker, aber sie blieben immer noch im verträglichen Rahmen. (Sein starker Lebenswillen hat da sicher viel heholfen.)
    Erst in den vergangenen paar Monaten wurde es schlimm. Er hat körperlich stark abgebaut, was man ihm gut angesehen hat, und letztendlich war er zu schwach, um aus dem Krankenhaus wieder rauszukommen. Hier habe ich dann realisiert, daß es wohl bald zu Ende ging. Die Zeit war für mich schlimmer als nach seinem Tod.
    Zum Glück hat die Zeit nicht zu lange gedauert. Es ist schwer zu sagen, ob er oder wir mehr gelitten hat, wobei seine größte Sorge war, daß wir zu sehr darunter leiden.
    Ihm blieb aber genug Zeit, um sich von allen, die ihm wichtig waren, in Ruhe zu verabschieden und noch alles anzusprechen, was wichtig und ungeklärt war.


    Vermutlich wäre es mir deutlich schlechter gegangen, wenn sein Tod unvorbereitet gekommen wäre.

  • Liebe Jolly,
    wenn man schon in der Zeit vor dem Tod Zeit hat Abschied zu nehmen und diese Zeit auch nutzt, dann wird schon "Trauerarbeit erledigt" - wie man so schön sagt. Man spricht hier von antizipatorischer Trauer oder Vortrauer. Ich denke, dass du tatsächlich schon viel getrauert hast, dennoch dauert nach einem Todesfall der Zustand der Betäubung oft recht lange an. Ich denke, dass da wahrscheinlich schon noch was nachkommt an Trauerreaktionen, wenn es ruhiger wird und wenn sein Fehlen im Alltag spürbar wird. Lass es einfach kommen wie es kommt und sei herzlich bei uns hier willkommen!
    Alles Liebe
    Christine

  • Hallo ihr!


    Mittlerweile war das Begräbnis. Ein sehr seltsames Erlebnis.
    Als wir davor im Freien gewartet haben, waren alle (mich eingeschlossen) recht fröhlich. Kaum waren wir drin, kam dann die Trauer hoch. Das drin sitzen und nichts zu tun, als auf die Zeremonie zu waren, war richtig schlimm.
    Die Zeremonie selbst war dann sehr schön, aber auch schmerzhaft. Da kam dann so ziemlich die ganze Trauer hoch, die in der Zeit davor nicht kommen wollte. Noch bedrückender waren dann nur noch die Beileidkundgebungen, die die Anwesenden danach bei der engeren Familie (also auch bei mir) gemacht haben. Da hab ich dann oft gar kein Wort herausgebracht.


    Danach habe ich mich richtig befreit gefühlt. Der Leichenschmaus war dann schon fröhlich, und der inoffizielle Ausklang mit der gleichaltrigen Verwandtschaft mit "ein wenig" Alkohol :whistling: war dann richtig entspannt.

  • Liebe Jolly,
    schön von dir zu hören und schön, dass du das alles so gut und auch positiv bewältigt hast!
    Der Leichenschmaus ist eben darum eine gute Sache, weil man sich entspannen und erholen kann und in der Gemeinschaft ein paar Gläser zu trinken, ist immer besser als sich alleine zuhause vor lauter Trauer und Einsamkeit zuzuschütten!
    Alles Liebe
    Christine